636 Givilrechtspflege.

gewesen. Einen derartigen Nachweis hat die heutige Beklagte aber nicht
einmal angetreten.

6. Kann sonach die Litisdenunziatin und heutige Beklagte den Klägern
gegenüber sich auch nicht auf ein dingliches, das Eigentum oder das
beanspruchte Verfügungsrecht der Klager ausschliessendes Recht des
Born stützen, und behauptet sie ihrerseits eigenes Eigentum heute
-gewiss mit Recht nicht mehr, so fragt es sich nur noch, ob ihr ein,
das Verfügungsrecht der Kläger ausschliessendes dingliches Recht an
fremder Sache, aus Grund dessen sie den streitigen Wein den Klägern
vorenthalten dürfe, zustehe. Sie macht nun in der Tat ein Pfandrecht
geltend. Allein abgesehen von der Frage, ob dieser Standpunkt-nicht
verspätet sei, muss nach der Feststellung der Vorinstanz, die sich auf
die Aussage des Zeugen Blankart stützt, angenommen werden, dass dieses
Pfandrecht rückgängig gemacht worden ist, sodass die Beklagte es heute
nicht mehr neu beanspruchen kann. ZOenn dass etwa jene Feststellung
der Vorinstanz aktenwidrig mare, qkann keineswegs behauptet werden; sie
entspricht vielmehr vollstandtg der Aussage des Direktors der heutigen
Beklagten. Die Frage aber, wann die Rückgängigmachung des Pfandrechts
habe erfolgen müssen, damit sie im Prozesse nicht mehr zu berücksichtigen
sei, ist prozessualer Natur; wenn daher die Vorinstanz, aus prozessualen
Gründen, das Psandrecht nicht berücksichtigt, so ist das Bundesgericht
an diesen Entscheid gebunden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und somit das Urteil des Obergerichts
des Kantons Solothurn vom 10. August 1903 in allen Teilen
bestätigt.III. Obligatîonenrecht. N° 7?. 637

77. Arten vom 16. Oktober 1903 in Sachen Yaumgartuer & gie,
Kl. u. Ber.-Kl., gegen Zwitter-, Bekl. u. Anschl.-Ver.-KI.

Klaglose Differenzgeschàfie, Art. 512 0.-R. Zulässigkeit der Einrede
des Spiels gegenüber einem Koeetokorrentsalda ; Unwirksamkeit der
Anerkennung des Schslos für die Spe'elposten. Art. 513 ().-R. Kriterien
des klaglosm Difi'ereflzgeschäfies ; Taj-rage und Bechtsfrage. Behauptete
Akten-zvid9*igkeit, Art. 81 Org.-Ges. Wirknngen der Kiaglosigkeit
von Postenaus Differenzgesrhdftm auf den Konéokorrent. Entfernung vom
Gewinn emd Verlust hieraus. Unklagbarkeit von Vorschüssen zum Zwecke
von klaglosen De'/Term..gesezhsîflen, Art. 512 Abs. 2 {).-R.

A. Durch Urteik vom 6. Juli 1903 hat das Appellationsgericht des Kantons
Baselstadt erkannt:

Beklagte wird zur Zahlung von 5143 Fr. 50 Cts. und Zins vom 4. Oktober
1901 zu 5 0/0 verfällt und Kläger mit seiner Mehrforderung abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit den Anträgen:

Es sei in Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts Baselstadt vom
6. Juli 1903 die Beklagte zur Zahlung von 14,789 Fr. 50 Cis. nebst Zins
à 5 0/0 seit 4. Oktober 1901, eventuell zur Zahlung von 14,581 Fr. 45
(ars. nebst Zins à 5 0/0 seit 4. Oktober 1901 zu verurteilen. Ganz
eventuell, es sei die Sache zur Beweisergänzung an die Vorinstanzen
zurückzuweisen.

C. Die Beklagte hat sich der Berufung rechtzeitig angeschlossen und den
Antrag gestellt, es sei nach Massgabe des Urteils des Civilgerichts,
vom 25. April 1903, zu erkennen.

D. In der heutigen Verhandlung erneuert der Vertreter der Klägerin seine
Berufungsanträge Der Vertreter der Beklagten gibt vorerst die Erklärung
ab, er ziehe die Berufung zurück, und stellt sodann den Antrag auf
Bestätigung des angesochtenen Urteils. Eventuell beantragt er, die Sache
zur Beweisergänzung

538 Civilrechtspflege.

für die weitern von ihm angeführten Gründe dafür, dass es sich um reine
Differenzgeschäste gehandelt habe, zurückzuweisem speziell durch Abnahme
der anerbotenen Beweise durch Sachverständige.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der am 22. August 1901 verstorbene Ehemann und Erblasser der
Beklagten, welcher Pächter der Restauration des badischen Bahnhofes in
Basel gewesen war, hatte schon seit anfangs 1896 durch Vermittlung der
Klägerin, die Remifier auswärtiger Börfenagenten ist, an amerikanischen
Börsen, in New-York und Chicago, Zeitgeschäfte über grosse Quantitäten
Weizen, WaisSchmalz, Port (an Seeschiffen oerwendetes Salzfleisch) und
Baumwolle gemacht. Anfangs spekulierten sie auf gemeinsame Rechnung, dann
vermittelte die Klägerin die Aufträge des Müller an die amerikanischen
Börsenagenten in der Weise, dass Ntüller mit den letztern direkt in
Verkehr trat, und schliesslich, von Mitte 1897 an, führte die Klägerin
die Aufträge Müllers als Kommissionär aus Nach Ausführung jeden
Auftrages stellte die Klägerin dabei dem Auftraggeber ein gedrucktes
Kontraktsformular zu, nach welchem die Klägeriu durch Vermittlung eines
bestimmten amerikanischen Börsenagenten für seine Rechnung ein bestimmtes
Quantum Ware gekauft oder verkauft habe, wobei Müller dieses Formular
mit dem Vermerk Angenommen unterzeichnete. Diese Kontraktsformulare
enthielten u. a, folgende Bestimmungen: Alle Geschäfte sind als fire
Lieferungsgeschäfte zu betrachten, bei welchen jede Partei am Verfalltage
die wirkliche Lieferung der in Frage stehenden Waren fordern kann. Sehe
Verabredung oder Übereinkunft, nach welcher es nur die Differenz des
Geschäftes fein solle, woran es ankomme, ist ungültig und unverbindltch
und erklärt der Unterzeichnete ausdrücklich, dass er im stande ist,
die Waren abzunehmen, bezw. zu beschaffen, und nur für den Fall, dass
ihm dies nicht konveniere, die Liquidation des Geschäftes zu beantragen
Sofern nicht andere Dispositionen vom Kommittenten getroffen werden, hat
er die Ware zu empfangen oder die verkaufte Ware zu liefern. In diesem
Falle hat er gleichzeitig mit der Zuseudung der Jnstruktionen entweder
die zum Empfang der Ware nötigenIII. Obligationenrecht. N° 77. 639

Fonds zur Verfügung zu stellen, oder wenn er selbst liefern reelle,
die Ware in dem von der Ufanz der betreffenden Börse geforderten
Zustande zu überweisen. Ohne solche Instruktion ist Klsägerin zum
Verkauf autorisiert, sobald die Andienung geschehen ist, was vom 25. des
vorhergehenden Monats ab stattfinben kann. Soll die Lieferung geschehen,
so muss dieselbe vor dem 25. des Liefermonats angemeldet werden Auf
Grund dieser Kontraktsformulare wurden an den Börsen von Chicago und
New-York grosse Quantitäten gehandelt, der Weizen z. B. in Quantitäten
von 5000 oder 10,000 Bushels oder einem mehrfachen von 5000 Bushels zum
Preise von eirca 70 80 Dollar per 100 Bushels. Dabei wurden sämmtliche
Geschäfte durch Gegengeschäfte und zwar meist schon vor dem Stichtage
liquidiert; wenn z. B. 5000 Bushels Weizen am 29. Oktober 1896 per Mai
gekauft waren, so wurde das gleiche Quantum schon am 5. November wiederum
per Mai verkauft oder es wurde die Position prolongiert. In dem Jahre,
in welchem der Verkehr am lebhaftesten gewesen war, wurden circa BONGO
245,000 Bushels Weizen, 20,000 Bushels Carn, 5500 Tierces Lard, 2500
Barrels Pork, 700 Ballen Baumwolle gekauft oder verkauft. Dabei erteilte
die Klägerin dem Müller hie und da eine zusammenfassende Aufstellung über
die hängenden Engagemeins-, wobei sie ausdrücklich die Geschäfte à 13,
hausse und diejenigen à la baisse unterschied. Neben den Spekulationen
an amerikanischen Börsen vermittelte die Klägerin auch noch einen
Spekulationsverkehr Müllers mit der Firma Benjamin Blank & Cie. in Paris,
welche mit Müller in Mehl Käufe und Verkäufe abschloss. Dabei wurden aber
die Schlussnoten von Benjamin Blank & (Sie. direkt auf Müller gestellt
und auch alle Abrechnungen an ihn adressiert, dagegen zahlte die Klägerin
die Verluste aus den betreffenden Geschäften für Rechnung des Müller und
belastete ihn damit im Kontokorrent. Die Ergebnisse sämtlicher von der
Klägerin für Rechnung oder im Namen des Müller abgeschlossenen Geschäfte
wurden in den von der Klägerin mit Müller geführten Kontokorrent
eingestellt und die Kontokorrentabschlüsse dem Müller periodisch
zugestellt und die betreffenden Saldi neu vorgetragen. Neben den von
der Klägerin mit , e. 1903 42

XXIX

640 Civilrechtspflege.

Müller abgeschlosseneu Börsengeschäften hat dieselbe Müller aucheinige
Darlehen gewährt; am 18. Oktober 1899 ein solches von 5000 Fr., am
15. Oktober 1898 und 30. Dezember 1898 von je 1500 Fr., am 14. Februar
1899 von 1000 Fr. und am 9. Januar 1901 von 3000 Fr. Von diesen Darlehen
sind unbestrittenertnafzen bezahlt die 1000 Fr. vom 14. Februar 1899
und an die 3000 Fr. vom 9. Januar 1901 ein Teilbetrag von 2000 Fr. Auch
diese Zahlungen wurden in den Kontokorrent eingestellt Dieser wies beim
Ableben des Müller einen Saldo Von 14,789 Fr. 50 Cts. auf. Der Müllersche
Nachlass wies Aktiven von 351,357 Fr. 08 Cis. auf, worunter 93,983 Fr.
30 Cis. Lebensversicherung an Passiven 335,772 Fr. 02 W. Die Witwe hat
die Erbschaft angetreten, die Kinder dagegen haben sie aus-geschlagen Mit
Klage vom 25. April 1902 forderte die Klägerin die Verurteilung der Witwe
Müller zur Zahlung des Kontokorrentsaldos von 14,789 Fr. 50 Cis. nebst
Zins zu 5 9/0 seit 14. Oktober 1901. Die Beklagte anerkannteeinen
Betrag von 1802 Fr., nämlich den Rest des Darlehenss vom 9. Januar 1901
mit 1000 Fr. und 302 Fr. Rest einerSchuld für Kaffeebezüge; dagegen
bestritt sie die Klagesummy soweit sie 1302 Fr. übersteigt und trug
insoweit auf deren Abweisung an. Sie bestritt in erster Linie, dass die
der Klagerin anfgetragenen Geschäfte von ihr wirklich ausgeführt worden
seien; hauptsächlich aber stützte sie sich auf die Einrede des 'Spiels,
gemäss Art. 512 O.-R. Als Umstände, aus denen auf die Naturder streitigen
Geschäfte als reine Differenzgeschäfte geschlossenwerden müsse, führt
die Antwort an'. Es sei notorisch sur Dachverständige, und werde Beweis
durch solche beantragt, das derartige Geschäfte nie effektiv ausgeführt
werden, wie dennauberhaupt die Firmen, die diese Geschäfte vermittelt
haben, tdafur bekannt seien, dass sie sich nur mit Differenzgeschästen
besassen. Effektto auszuführende Geschäfte werden auch auf ganzanderer
Basisabgeschlossen, als die hier vorliegenden: die Qualitat der zu
liesernden Waren müsse des nähern bestimmt oder durch Mustersiriert
werden, da die Qualität und demgemäss auch 'der Preis solcher Waren
ausserordentlich differiere; der Mangel Jeder Qualitätsangabe bei den
vorliegenden Geschäften beweise daher, dass, III. Obligaiionenrecht. N°
77. 641

der Vertragswille nicht auf Effektuierung derselben gegangen sei.
Sodann deute die Stellung, der Beruf Müllers darauf hin, dass eine
Effektuierung der Geschäfte als ausgeschlossen betrachtet werden
müsse. Ferner habe Müller nie Buchungen über den Geschäftsverkehr
mit der Klägerin gesithrt; aus den ihm von der Klägerin zugestellten
Aufstellungen aber gehe klar hervor, dass lediglich à la hausse und à
Ia baisse spekuliert worden sei. Während des ganzen Verkehrs sei denn
auch Müller nie angefragt worden, ob er zu beziehen oder zu liefern
wünsche, geschweige denn, dass man ihn je zum Bezuge oder zur Lieferung
aufgefordert hatte. Die angeblichen Käufe und Verkäufe haben sich auch
in solchen Quantitäten bewegt, dass vernünftigerweise eine Effektuierung
ganz ausgeschlossen gewesen sei. Die Spekulationen haben sich zudem,
wenigstens zum Teil, auf Artikel bezogen, für die weder in der Schweiz,
noch speziell in Basel, Verwendung hätte gefunden werden können. Endlich
seien die Spekulationen in einem derartigen Missverhältnisse zu den
Vermögens-verhältnissen Müllers gestanden, dass dieser schon längst nicht
mehr die Differenzen habe decken können, geschweige denn, dass es möglich
gewesen wäre, auch nur einzelne Posten reell abzunehmen; das sei der
Klägerin auch bekannt gewesen. Die Klägerin hat teils die Richtigkeit,
teils die Schlüssigkeit dieser Anbringen bestritten; mit Bezug auf die
Vermögensverhältnisse Müllers hat sie geltend gemacht, er sei bis zum
Konkurse seines Schwiegersohnes sehr vermöglich gewesen, und habe nach
eigener Aussage der Klägerin gegenüber ein jährliches Nettoeinkommen
von 35,000 Fr. gehabt. Auch sei er ein gewiegter Kaufmann gewesen.

2. Beide kantonalen Justanzen haben die Einrede des Spiels mit Bezug
auf die amerikanischen Geschäfte gutgeheissen. Die erste Instanz, der
sich die zweite in dieser Hinsicht mit der Bemerkung, es handle sich um
einen typischen Fall von Differenzgeschästen im Sinne des Art. 512 D.M.,
angeschlossen hat, erblickt den Beweis, dass es sich um Spielgeschäfte
gehandelt habe, wesentlich in folgenden Umständen: Müller habe der
angeblich gekauften Waren in seinem Geschäfte nicht bedurst und hätte
überhaupt in Basel dafür keine Verwendung gehabt. Alle Geschäfte seien
ausnahmslos durch Gegengeschäfte liquidiert worden. Lebensberuf und

642 Civilreemspflege.

Bildung des Müller lassen es als ausgeschlossen erscheinen, dass er an
einen wirklichen Umsatz von Waren dieser Gattung und Provenieuz dachte,
und hauptsächlich, dass er denjenigen Uberblick über die Marktlage und
die sonstigen Kenntnisse besessen habe, welche die Dispositionen beim
effektiven Umsatz solcher Waren verlangten. Bezüglich seiner Vermögenslage
sei zuzugeben, dass Müller bis zum Konkurse seines Schwiegersohnes-1898
als ziemlich ver-möglich gegolten habe, wenn schon die Behauptung der
Klage-im er habe sein Einkommen auf netto 35,000 Fr. im Jahr angegeben,
unglaubwürdig erscheine-. Auch habe die Klägerin dem Müller erheblichen
Kredit geschenkt. Alleinn die Engagements seien doch so gross, dass auch
bei guten Vermogenvsverhältnissen eine effektive Erfüllung dem Müller
kaum mogltch gewesen wäre und daher als ausgeschlossen zu erachten
sei. Dass die Parteien die Geschäfte selber als Spielgeschäste ansahen,
ergebe sich auch aus den Aufstellungen, die die Klagerm dem Müller
ansgehändigt habe. Diesen Jndizien gegenüber fallender vom Zeugen
Mummer (einem früheren Angestellten der Klagerin) bezeugte Umstand:
dass Müller einmal beim Kauf von 250 Fass Schmalz angesragt worden
sei, ob er abnehmen wolle, nicht in Betracht. Die von der Vorinstanz
vorgenommene Rechnungsaufstellung ist heute von beiden Parteien, unter
Vorbehalt ihres Rechtsstandpunktes, anerkannt. "

3. Nachdem die Beklagte ihre Anschlussberufung zuruckgezogen hat und
beide Parteien die von der Voriustanz vorgenommene Rechnungsaufstellung
anerkannt haben, fragt es sich fnr das Bundesgericht nur, ob mit der
Vorinstanz die von der Beklagten erhobene Einrede des Spiels gutzuheissen
und damit das angefochtene Urteil zu bestätigen, oder aber in Verwerfung
Jener Einrede die Klage gutzuheissen sei. Dabei fällt in erster Linie m
Betracht, dass die Klägerin einen Kontokorrentsaldo von 14,789 Fr. 50
Cis. nebst Zins seit 4. Oktober 1901 __ geltend macht. Dieser Saldo
ist gebildet aus dem von Müller-Heer am 10. Februar 1901 anerkannten
Saldo vom 1. Februar gl. ;;, von 16,133 Fr. 17 Cis. zuzüglich einer
Forderung von 8 18 Fr. 35 Cfs. für Kasfeelieferungen in den Monaten
Mai bis August 1901 und dem Kontokorrentzins zu 5 0/0 bis 3. Oktober
1901ILI. Obiigationeurecht. N° 77. 643

mit 505 Fr. 33 Cts., abzüglich dagegen der von Müller-Heer in den
Monaten April-Juli 1901 geleisteten Zahlungen von insgesamt 2697 Fr. 35
Cts. Die Bis-klagte anerkennt von dieser Forderung bloss den Betrag von
1302 Fr. als Rest eines Darlehens und einer Kaufpreisschuld, stellt
dagegen im übrigen derselben die Einrede des Spiels entgegenjDiese
Einrede ist zweifellos statthaft, und es kann ihr nicht etwa mit der
Klägerin entgegengehalten werden, durch den einverständlichen Vortrag
des Saldos vom 1. Februar 1901 und die damit verbundene Novation des
frühem Rechtsverhältnisses sei bewirkt worden, dass die Einrede des
Spieîs, die einzelnen in den Kontokorrent eingestellten Forderungsposten
gegenüber begründet war, der Saldosordetung nicht mehr entgegengestellt
werden könne. Denn nach dem Grundsatze des Art. 513 O.-R. kann, wie in
der schweizerischen Praxis nie bezweifelt worden ist, eine Spielschuld
durch Anerkennung, also auch durch Feststellung eines sie umfassenden
Kontokorrentsaldos, nicht gültig werden Soweit dem festgesetzten Saldo
Spielgeschäfte zu Grunde liegen, ist vielmehr die in der Saldoseststellung
enthaltene Anerkennung unwirksam; die novatorische Kraft der Saldierung
wird hinsichtlich der einzelnen in dem Kontokorrent enthaltenen Geschäfte
insoweit ausgeschlossen, als diese nachweislich Spietgeschäfte und daher
rechtlich unwirksam sind; denn insoweit können die Kontokorrentposten
auch nicht rechtswirksam anerkannt werden. Dass die Einrede des Spiels
einem Kontokorrentsaldo gegenüber nur dann geltend gemacht werden könne,
wenn alle Kontokorrentvosten aus Spielgeschästen beruhen, wie die Klägerin
behauptet, ist durchaus unrichtig

4. Jst demnach auf die Prüfung der Einrede des Spiels einzutreten,
so ist gemäss der konstanten bundesgerichtlichen Praxis, auf die sich
auch die Vorinstanz stützt, davon auszugehen, dass als Spielgeschäst,
bezw. als klagloses reines Differenzgeschäst, ein Geschäft dann erscheint,
wenn nach übereinstimmenden ausdrücklich oder stillschweigend erklärter
Willenseinigung der Parteien Recht und Pflicht wirklicher Lieferung
und Abnahme der gekauften oder verkauften Waren oder Börsenpapiere
ausgeschlossen ist, so dass bloss die Kursdifferenz den Gegenstand
des Vertrages bildet. Der Ausschluss der Realerfüllnng kann dabei,
wie bemerkt,

644 Civilrechtspflege.

selbstverständlich nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend
vereinbart werden, d. h. der darauf gerichtete Parteiwille kann auch
aus schlüssigen Tatsachen, welche ihn bekunden, gefolgert werden. Der
Beweis dafür, dass, ausdrücklich oder stillschweigend, die Realersüllung
ausgeschlossen worden sei, trifft denjenigen, der sich hierauf beruft,
also geltend macht, es komme dem in die Form eines Lieferungsgeschäfies
bezw. des Kaufsoder Verkaufsaustrages gekleideien Geschäfte nicht
diejenige Bedeutung zu, welche aus dieser Form, aus den Worten Kauf und
Verkauf, an sich folge, sondern es sei in Tat und Wahrheit ein blosses
Spiel um die Differenz vereinbart, die Worte Kauf und Vertan seien
also in Uneigentlichem Sinne gebraucht worden. Dabei ist die Frage, ob
die ausdrücklichen Abreden oder Tatsachen, in welchen der Ausdruck des
Wittens, Recht und Pflicht der Realerfüllung auszuschliessen, gefunden
wird, bewiesen seien, Tatfrage, die Frage dagegen, ob dieselben,
wenn bewiesen, den Ausdruck des fraglichen Willens wirklich ergeben,
Willensauslegung, und daher, nach der neuern Praxis des Bundesgerichts,
Rechts-frage In diesem Sinne hat sich das Bundesgericht wiederholt,
insbesondere in dem Urteile Heim gegen Gruner-Haller & Cie. vom
LT. Oktober 1900 (dgl. Revue der Gerichts-seminisBd. XIX, Nr. 12)
ausgesprochen Es kann daher auch im vorliegenden Fall sich nicht dabei
beruhigen, die Vorinstanzen haben den Willen des Ausschlusses der
Realerfüllung tatsächlich festgestellt, sondern es muss selbst prüfen,
ob die festgestellten Tatumstände, die Worte oder Werke der Parteien,
wirklich ergeben, dass Ausschluss der Realerfüllung vereinbart war.

5. Fragt sich zunächst, ob die Einrede des Spiels gegenüber den
Ansprüchen aus den amerikanischen, an den Börer von New-York und
Chieago von der Klägerin für den Rechts-worgänger der Beklagten
vermittelten, Geschäften begründet sei, so ist zu bemerken: Vor der
ersten Instanz hatte die Bektagte zunächst bestritten, dass die Klägerin
die betreffenden Börsenaufträge überhaupt ausgeführt habe. Nachdem die
erste Instanz diese Einwendung mit der Bemerkung zurückgewiesen hatte,
nach der Anerkennung der Kontokorrentsaldi durch Müller könne die
Beklagte die einzelnen Kontokorrentpoften nicht mehr in Zweifel ziehen,
hatIll. Obligationenrecht. N° 77. 645

die Beklagte in der zweiten Instanz die fragliche Bestreitung nicht
erneuert; es ist also anzunehmen, sie habe dieselbe fallen lassen,
wie sie denn übrigens auch sachlich gänzlich unhaltbar wäre. Jn
zweiter Linie führt die erste Instanz (der sich die zweite Instanz
in diesem Punkte völlig anschliesst) aus, der Kägerin fotine, da sie
bei den hier fraglichen Geschäften als Selbstkontrahent eingetreten
fei, die Einrede des Spiels entgegengehalten werden. Nun ist zunächst
richtig, dass die Klägerin bei den hier in Frage stehenden Geschäften
durchgängig als Selbstkontrahent eingetreten ist, so dass ihr die
Einrede des Spiels in gleicher Weise entgegengehalten werden farm,
wie wenn sie die streitigen angeblichen Känfe und Verkäufe in eigenem
Namen abgeschlossen hätte; übrigens ist nach der ständigen Praxis
des Bundesgerichts (vergl. u. a. das citierte Urteil i. S. Heim gegen
Erinnert-Hallen &Eie.) die Einrede des Spiels gegenüber dem Kommissionär
stets statthaft, wenn er die Ausführung von Börsenaufträgen übernommen
hat, welche erkenntlich auf reine Differenzgeschäfte mit Spiel: oder
Weitcharakter gerichtet sind und dabei für den Auftraggeber in Vorschuss
gegangen ist, ohne Rücksicht daraufif ob er als Selbstkontrahent
eingetreten ist oder nicht. Sodann ist zu sagen, dass die in Erwägung
2 wieder-gegebenen Feststellungen der kantonalen Instanzen, soweit sie
gemäss den in Erwägung 4 ausgeführten Feststellungen tatsächlicher Natur
sind, keineswegs aktenwidrig sind oder dass jedenfalls die Klägerin
deren Akteuwidrigkeit in keiner Weise nachgewiesen hat; die blosse
Behauptung der Aktenwidrigkeit genügt hier nicht, der Berufungstläger
hat vielmehr die Behauptung der Aktenwidrigkeit unter Bezeichnung
der Aktenstücke oder Aktenstetlen, aus denen sie hervorgehen soll, zu
begründen (vergl. Amtl. Samml., Bd. XXV, 2. Teil, S. 594 f., Urteil vom
15. Juli 1899 i. S. Schweiz. Handelsgesellschaft gegen Stauffer), und
das ist hier nicht geschehen. Jst aber danach von dem von den kantonalen
Jnstanzen festgestellten Tatbestand auszugehen, so kann einem Zweifel
nicht unterliegen,

dass keine der beiden Parteien an die reale Erfüllung der streiti-

gen Börsengeschäfte durch effektive Lieferung oder Abnahme dachte, dass
vielmehr beide Parteien stets beabsichtigten, das Geschäft nicht durch
effektive Lieferung, sondern durch Gegen: und Differenz-

646 Civilrechispflege.

geschäfte abzuwickeln. Dies ergibt sich daraus, dass diese Art der
Abwicklung die ausnahmslose Regel des ganzen mehr (circa fünf)jährigen
und lebhaften Geschäftsberkehres Bild-ete, während in keinem Falle
Realeriiillung oder die Aufforderung dazu erfolgte. Nur in einem Falle,
der übrigens nicht einmal in die Zeit der streitigen Geschäfte fällt,
ist, nach der Zeugenaussage des Angestellten Mummer, Müller angefragt
worden, ob er die angeblich gekaufte Ware beziehen wolle, in allen
andern Fällen scheint von Realerfüllung nicht einmal gesprochen, sondern
das Unterbleiben derselben und die Abwicklung der Geschäfte durch
Gegengeschäfte ohne weiteres als selbstverständlich betrachtet worden
zn fein. Die Absicht der Parteien war also zweifellos auf Geschäfte
gerichtet, die nicht effektiv erfüllt, sondern durch Gegengeschäfte und
Disserenzzahlung abgewickelt werden sollen. Diese Absicht genügte nun aber
nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichis nicht, die Geschäfte
zu klaglosen Differenzgeschästen zu stempeln, sofern fie, wenn auch von
beiden Parteien innerlich geteilt, eine einseitige, unausgesprochene
Absicht blieb, also den Vertragsinhalt nicht assizierte, nicht zu
einverständlicheni, vertragsmässigem Ausschluss Von Recht und Pflicht der
wirklichen Lieserung und Abnahme der gehandelten Ware führte. Allein auch
dieser Ausschluss ist von der Vorinstanz mit Recht als im vorliegenden
Falle gegeben erachtet worden. Aus den vorinstanzlich festgestellten
Tatsachen ergibt sich, dass der Bahnhofrestaurateur Müller im Ernste
kaum daran denken konnte, die für ihn an den amerikanischen Börsen
gehandelten Waren realiter zu beziehen oder zn liefern, da einerseits
nach der vorinstanzlichen Feststellung seine ökonomischen Ver- hältnisse,
wenn auch nicht ungünstig, so doch keineswegs derart waren, dass er ohne
weiteres im stande gewesen wäre, die für den effektiven Bezug oder die
effektive Lieferung der gehandelten grossen, ja riesigen Warenmengen
nötigen Summen, auch unter Inanspruchnahme des Kredit-Z, jeweilen
mit Sicherheit aufzubringen, und da er anderseits auch die Warenund
Haudelskenntnifse nicht besass, welche nötig gewesen waren, um effektive
Warengeschäfte in dem Umfange seiner Börsenaufträge auszuführen. Beim
Aktenschlusse hat die Klägerin allerdings Zeugenbeweis dafür anerboten,
dass Müller fähig gewesen sei, die von ihm ge-nu...-e;, ___.

In. Obiigationenrecht. N° ?7. ' 647

schlossenen Geschäfte zu überblicken und Kenntnis der jeweiligen
Markttage besessen habe. Allein dieses Beweisanerbieten ist unerheblich
und könnte zu einem für die Entscheidung erheblichen Ergebnisse nicht
führen. Es möchte ja wohl nachgewiesen werden können, dass Müller die
Knrszettel der amerikanischen Börsen fleissig studierte; ja bei der
grossen Zahl und dem enormen Umfang der Warenspekulationen Müllers
hat es grosse Wahrscheinlichkeit für sich, dass er aus dem Studium
der Kurszettel Anhaltspunkte für die Beurteilung der Chancen seiner
Spekulationen zu gewinnen suchte. Ebenso mag auch wohl richtig sein,
dass er seine Spekulationen überblickte, d. h. im Gedächtnisse behielt
und auch im stande war, mit den Gästen seines Restaurants in mehr oder
weniger sachverständige Gespräche über den Handel an den amerikanischen
Produktenbörsen einzutreten. Allein dies beweist in keiner Weise, dass
-was einzig erheblich wäre Müller die kaufmännischen Kenntnisse und
Erfahrungen besass, welche nötig waren, um daran denken zu können, sich
auf effektiven WarenGrosshandel an den amerikanischen Welthandelsplätzen
einzulassen. Das scheint vielmehr dadurch ausgeschlossen, dass, soweit aus
den Akten ersichtlich, Müller weder eine regelrechte kaufmännische Bildung
besass, noch sich jemals praktisch im Grosshandel betätigt hat. Konnte
demnach Midler, sowohl seiner persönlichen Stellung und Bildung, als
seinen finanziellen Verhältnissen nach, gar nicht ernstlich daran denken,
die von ihm in Auftrag gegebenen Warengeschäste effektiv und nicht nur
durch Disserenzzahlnng oder Buchung auszuführen, so ist gewiss auch
nicht anzunehmen, dass er sich zur Realerfüllung wirklich, ernsthaft,
habe verpflichten wollen; es ergibt sich vielmehr, dass er eben nur zu
derjenigen Art der Erfüllung sich hat verpflichten wollen, welche nachher
im Verkehr der Parteien tatsächlich ausnahmslos geübt wurde und welche
ihm, wenigstens für eine gewisse Zeit, möglich war, nämlich zur Erfüllung
durch Gegengeschäfte und Differenzzahlung. Sein Bertragswille war also
auf ein reines Differenzgeschäst und nicht auf ein Effektivgeschäft
gerichtet. Dieser Vertragswille war aber auch dem Gegenkontrahenten,
der Klägerin, bekannt, da ja diese die Verhältnisse des Müller genau
kannte und daher wohl rouszle, dass dieser zu Realersiillung kaum im

848 Givilrechtspflege.

stande sei und die von ihm dem Wortlaute nach übernommene Verpflichtung
zu Realerfüllnng daher nicht ernst gemeint, vielmehr in Wahrheit eben
nur eine Differenzspekulation und nicht ein Warengeschäft beabsichtigt
sei. Wenn sie trotz dieser Kenntnis mit Müller abschloss, so ist eben der
Ausschluss der Realerfülllung zum Vertragsinhalte erhoben worden. Nun
ist allerdings in dem von den Parteien vereinbarten Kontraktsformular
die Möglichkeit der Realerfülluug vorgesehen und sogar eine Bestimmung
aufgenommen, welche jede Abrede des Inhalts, dass es nur auf die
Differenz ankomme, für ungültig und unverbindlich erklärt, und auch
in den Börsenusancen von New-York und Chicago ist die Möglichkeit
der Realerfüllung vorgesehen. Allein die Börsenusancen kommen nur
in Ermangelung abweichender Vereinbarung der Parteien im Einzelfalle
zur Anwendung und auch die Bestimmung des Kontraktsformulars, dass die
Differenzabrede ungültig sei, ist wirkungslos-, wenn die Parteien trotzdem
vereinbaren, dass die Geschäfte durch Gegengef chafte und Differenz
zahlung unter Ausschluss der Realerfüllung, abgewickelt werden sollen
Eine derartige Bestimmung könnte nur als gesetzliche, nicht aber als
ver- tragliche Gültigkeit beanspruchen, allein eine Gesetzesbestimtnung,
wonach ein Differenzgeschäft als Effektivgeschäst, trotz des vereinbarten
Ausschlufses der Realersüllung, erfüllt werden müsste, besteht nun im
geltenden Rechte nicht. Nach dem geltenden Rechte ist vielmehr bei einem
Geschäfte, bei welchem Ausschluss der Realerfüllung vereinbart ist, nicht
bloss die letztere Ve1einbarung,sondern eben das Geschäft selber ungültig.

6. Sind demgemäss die streitigen Geschäfte als reine Differenzgeschäfte
zu betrachten, so ist diesen Geschäften gemäss Art. 512 Ost-Recht
der rechtliche Schutz entgegen, und es sind also aus denselben
keine gültigen Forderungsrechte entstanden, und zwar weder für den
Auftraggeber zum Differenzspiele, noch für den Kommissionär, der die
Spiel-Aufträge wissentlich ausgeführt hat. Danach sind denn aus dem
Kontokorrente der Parteien alle Posten zu entfernen, welche sich als
Ausführung der klaglosen Differenzgeschäfte ergeben, sowohl die Gewinne
als die Verluste. Die erste Instanz hat zwar wohl die Verluste des
Müller, nicht aber dessen Gewinne ans der Rechnung entfernt, indem sie
aus-Ill. Ohligationenrecht. N° 77. · 849

führte, es sei dies zwar ein unmoralisches Ergebnis-, aber nicht zu
vermeiden, da das Gesetz auf diesem Standpunkte stehe. Dieser Auffassung
kann indess, wie bereits das Appellationsgericht ausgeführt hat, nicht
beigetreten werden. Allerdings würden die Gewinne nach dein Prinzipe des
Art. 512 O.-R. der Beklagten dann verbleiben, wenn sie effetti wären
ausbezahlt worden, denn das Gesetz erklärt die Disserenzgeschäfte für
klaglosz sie sind aber immerhin zahlbar, und es kann daher das aus
einein solchen Geschäfte wissentlich Bezahlte nicht zurückgefordert
werden. Allein nun sind in casu die in Frage stehenden Gewinne nicht
wirklich ausbezahlt, auch nach der Natur des KontoforrentzBerhdltnifies
nicht etwa zur Kompensation mit klagbaren Gegenforderungen verwendet
und dadurch gezahlt, sondern nur im Kontokorrent gutgeschrieben, also
anerkannt worden. Teshalb sind auch die Gewinne aus der Rechnung zu
entfernen, denn das Recht auf dieselben kann so wenig gültig anerkannt
werden als ein anderer Anspruch aus einem reinen Differenzgeschäste
Übrigens kommt dieser Frage nach dem Rückzuge der Anschlussberusnng
keine praktische Bedeutung mehr zu

7 Sind also die beidseitigen Ansprüche aus den amerikanischen
Börsengeschäften als unklagbar aus der Rechnung zu entfernen, so
muss sich fragen, ob diese Lösung auch für die klägerischen Ansprüche
aus den Zahlungen an Benjamin Blank & Eie. in Paris gelte In dieser
Beziehungi ist zunächst klar und ist von beiden Jnstanzen übereinstimmend
anerkannt worden dass die von Müller mit Benjamin Blank abgeschlossenen
Spekulationsgeschäste in Mehl sich in gleicher Weise und wesentlich aus
den gleichen

-gründen als reine Differenzgeschäfte qualifizieren, wie die Mül-

lerschen Aufträge für die amerikanischen Börsen. Dagegen hat nun die
erste Instanz die Ansprüche aus den Zahlungen an Blank & (Sie. deshalb für
klagbar erklärt, weil die Klägerin die fraglichen Geschäfte Müllers mit
Blank & (Sie. nicht als deren Kommissionär mit Selbsteintritt ausgeführt
habe, also nicht der Kontrahent sei, welcher von Müller den Kaufpreis
fordere, sondern die betreffenden Beträge aus Auftrag Müllers in feinem
Namen vorschussweise ausgezahlt habe; dass diese Vorschüsse zum Behufe
des Spiels gemacht worden seien und darum gemäss

650 Civilrechtspflege.

Art. 512 O.-:)i. ebenfalls unklagbar waren, sei nicht nachgewiesen;
vielmehr ergebe sich aus den Alien, dass die Klägerin die Zahlungen
jeweilen erst nach der Beendigung der Operationen für Müller gemacht habe,
dass es sich also nicht um Zahlungen zum Spiel, sondern um Zahlungen
entstandener Spielschulden handle, welch letztere klagbar seien. Dagegen
hat das Appellationsgericht auch den Verkehr mit B. Blank & (Sie. zu den
unklagbaren Spielgeschäften gerechnet. Es führt aus: die Unterscheidung
zwischen Zahlungen ( Darlehen) zum Spiel und der Zahlung entstandener
Spielschulden finde keinen Anhaltspunkt in Art. 512 D.M., wie sie denn
auch dazu führen müsste, dass die Vorschrift des Art. 512 O.-R:. auf die
leichteste Weise umgangen und illusorisch gemacht werden könnte. Es sei im
Gegenteil juristisch gleichgültig, ob man die Zahlung Vorher mache und den

Spielenden dafür belaste, oder ob man für letztern die Garantie-

übernehme und gutstehe und nachher erst das ungünstige Ergebnis für
ihn decke. Es sei auch nicht richtig, dass dieser Verkehr mit Benjamin
Blank & Eie. einen andern Charakter trage unbsich in einer andern Weise
abgewickelt habe, als der mit den Agenten in New-York und Chicago. Die
Korrespondenz (3. B. der Brief der Klägerin an Müller vom 6. August
1897) zeige, dass die Klägerin in gleicher Weise auch bei Blank &
Eie. verfahren sei und wie bei den amerikanischen Aufträgen die Geschäfte
regliert und den Müller dafür belastet habe. Dieser Entscheidung des
Appellationsgerichts ist unbedenklich beizutreten. Die Zahlungen an
Benjamin Blank & Cie. sind deshalb, weil sie erst nach Beendigung
der betreffenden Operationen geleistet wurden, nichtsdestoweniger als
Vorschüsse zum Behufe des Spiels zu betrachten; denn sie wurden infolge
einer schon vorher übernommenen Garantieverpflichtung der Klägerin
geleistet, und es ist nun gewiss, wie das Appellationsgericht ausführt,
ganz gleichgültig, ob in Erfüllung einer solchen Garantie die Zahlung
erst nach Beendigung der Spieloperationen geleistet wird, oder ob dieselbe
schon vorher erfolgt. Jin einen wie im andern Falle ist der Zahlende für
eine Spiel: oder Wettschuld in Vorschuss gegangen. Dass dies im ersten
Falle durch Garantieversprechen, im zweiten dagegen durch Barzahlung
geschieht, ist für die Anwendung des Art. 512IH. Obligationenrecht. N°
78. ' 651

O.-R. gleichgültig Es ist denn übrigens auch richtig, dass der Verkehr
mit Benjamin Blank sich in gleicher Weise abspielte, wie derjenige mit
den amerikanischen Agenten; dies geht in der Tat aus der Korrespondenz,
speziell aus dem vom Appellationsgerichte angeführten Briefe vom 6. August
1897 hervor.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird abgewiesen und
es ist somit das Urteil des Appellationsgerichtes des Kantons Baseistadt
vom 6. Juli 1903 in allen Teilen bestätigt

78. Dir-teil vom 17. Oktober 1903 in Sachen Dreyfus, Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Reinhardt, Kl. u. Ver-Bett

Wechselregressanspruch des angeblichn lndossatars gegen einenVornamen
und [MaMa/eten. Zusammenhängende Reihe von Indossamenten, Art. 755
().-H. Veränderung des Wechselinlzaltes, AM. 802 spez.. Aòs. 2 (). R.

A. Durch Urteil vom 6. Juli 1903 hat das Appellationsgericht des Kantons
Baselftadt erkannt:

Es werden unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die vom Beklagten
mit Zahlungsbefehl Nr. 32,55? gegen den Kläger geltend gemachten
Forderungen von 6287 Fr. 45 W. und 21 Fr. aberkannt.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig und in gesetzlicher
Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Antrag auf
Abweisung der Klage.

C. In der heutigen Verhandlung erneuert der Vertreter des Beklagten
diesen Berufungsantrag Der Vertreter des Klägers trägt auf Bestätigung
des angefochtenen Urteils an.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Dem Beklagten ist für eine Forderung von 6287 Fr. 45 Ets. und 21
Fr. Prozesskosten gegenüber dem Kläger, die sich auf einen Wechsel stützt,
provisorische Rechtsösfnung erteilt worden, wogegen
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 29 II 637
Datum : 10. August 1903
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 29 II 637
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 636 Givilrechtspflege. gewesen. Einen derartigen Nachweis hat die heutige Beklagte


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