44 Civilrechtspflege.

Grund vor, hievon abzugehen. Hienach beträgt der jährliche Erwerbsausfall
189 Fr., wovon zwei Drittel in Hinsicht auf das Verschulden des Klägers
in Wegfall kommen. Der ver-bleibende Betrag von 63 Fr. ist ferner, um der
Abnahme der klägerischen Arbeitsfähigkeit in spätern Jahren Rechnung zu
tragen, auf 50 Fr. herabzusetzen Der Wert einer lebenslänglichen Rente,
zum Zinsfuss von 31/2 0/0 berechnet und auf das Alter Von 24 Jahren,
in welchem der Kläger steht, gestellt, beläuft sich auf 980 Fr. 40 W.,
welcher Betrag somit, auf 1000 Fr. aufgerundet, undvom Unfallstage hinweg
zu 50/0 verzinsbar, dem Kläger als Entschädigung für dauernde, teilweise
Erwerbseinbusse zuzufprechen ist. Sodann scheint es angemessen, den für
die vorübergehende gänzliche Arbeitsunfähigkeit eingeklagten Betrag
von 134 Fr. 40 Ets unter Anrechnung natürlich des bereits daraufhin
Empfangenen, mit der ersten Instanz in voller Höhe gutzuheissen und von
einer Reduktion wegen Verschuldens Umgang zu neh-

men. Das nämliche hat für das zweite accessorische Begehren auf

Ersatz der Heilungsund Verpflegnngskosten zu gelten. Dem Zuspruche
desselben steht speziell auch nicht entgegen, dass es hier der Kläger
an einer ziffermässigen Angabe und Spezifikation des Geforderten hat
fehlen lassen, da seitens des Beklagten hie-s gegen nichts eingewendet
worden ist. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird dahin für begründet erklärt, dass der Berufungsbeklagte
dem Berufungskläger zu bezahlen hat:

a. Als Ersatz für dauernde Einbusse an Crwerbsfähigkeit 1000 Fr. samt
Zins à 50/0 seit 7. Juli 1902;

b. Als Ersatz für vorübergehende Arbeitsunfähigkeit 134 Fr. 40 (Stà,
unter Anrechnung des allfällig bereits daraufhin Empfangenen;

c. Den Betrag der durch den Unfall entstandenen Heilungsund
Verpflegungskostenlll. Obligationenrecht. N° 7. 45

III. Obligationenrecht. Code des obligations.

7. guten vom 17. Januar 1903 in Sachen altera, Kl. u. Ver.-KL, gegen
Gerber, Bekl. u. Ber.-Bekl.

Werkvertrag über eine Dampfmaschine mit. Kondensator. Irrtum über
benffügte's Wasserquantesm ; Verweigerung der Annahme seitens
des Beste-leere ; Erfüllungsklage des Unternehmers. Zugesic'herte
Eigenschaften? (Art. 358 C).-R.). Abschluss durch Stellvertreter
?-Behauptetes Nichtzusta-ndekommen des Vertrages wegen Man- gele der
Einige-eng aber einen Hauptpunkt (Art. i ().-B.). WesentHoher Irrtum :
Irrtum über Eigenschaften, Art. 19 Ziff. 3 ().-R. -- Abweisung der Klage
wegen Mangel-s einer vorausgesetzten Eigenschaft, Art. 358 ().-R.

A. Durch Urteil vom 28. Oktober 1902 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zürich die Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Anfrage:
Jn Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Klage gutzuheissen,
eventuell die Sache zur Aktenvervollftändigung und neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückeweisen

C. Der Beklagte trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils an.

Das Bundesgericht zieht in Erw ägung:

1. Der Beklagte Dr. Gerber bestellte für seine Molkerei am 14. Mai
1901 bei dem Kläger, der in Basel eine Maschinenfabrik betreibt, eine
sogenannte Tandem:Compound-Dampfmasckyine mit Kondensator, 10 effektive
Pferdekräfte leistend, zu 3300 Fr. (woven laut Kostenvoranschlag 2800
Fr. für die Maschine und 500 Fr. für den Kondenfator berechnet find),
zahlbar JXZ bei Versandt des Hauptmateriales, 13 drei Monate nach
Montierung, Rest sechs Monate nach Faktura, Montage-Kosten extra. Diese
Bestellung vermittelte der Bruder des Klägers, E. H. Meda, der

46 Civilrechtspfiege.

in Zürich ein technisches Bureau führte. Am 15. Mai 1901 acceptierte
der Klager die Bestellung brieflich Vor der Bestellung hatte der
Beklagte zu wissen verlangt, welches Wasserquantum in der Stunde für
den Betrieb des Kondensators nötig sei. Der im Bureau des Beklagten
anwesende Vermittler E. H. Mertz erkundigte sich telephonisch in Basel,
woran er, wie er aussagte, die Auskunft erhielt, der Wasserbedarf
sei auf 220 bis 250 Liter in der Stunde anzuschlagen Am Telephon des
Beklagten hatte auch noch dessen Prokurist Grieder gehört; nach seiner
Aussage lautete die Frage des E. H. Mertz: Wie viel Wasser braucht
die Maschine zur Kondensation ?, die Antwort: 250 bis 800 Sites. Nach
Mitteilung dieser telephonischen Auskunft entschloss sich der Beklagte
zur Bestellung Die schriftliche Festsetzung des Vertragsinhaltes enthält
keine Bestimmungen über den Wasserbedarf. Als die Maschine geliefert war
(31. August 1901), stellte sich heraus, dass die telephonierte Angabe
sich nicht auf die gesamte Kraftleistung der Maschine, sondern nur
auf eine Pferdekraft als Einheit bezog, und dass die ganze Maschine das
zehnfache des Wasserquantums, welches E. H. Mertz und Grieder am Telephon
gehört hatten, Benötigte. Der Beklagte verweigerte die Montierung und
stellte die Maschine dem Kläger auf Grund dieser Tatsache im Verlaufe
der folgenden Unterhandlungen, bei denen ein Ingenieurdes Klägers nach
Zürich gereist war, zur Verfügung. Der Kläger nahm den Standpunkt ein,
die durch seinen Angestellten Vortisch übermittelte Auskunft über den
Wasserbedars habe sich bezogen auf indizierte Pferdekraft und Stunde und
habe auchso gelautet (was von Vortisch im Prozesse als Zeuge bestätigt
wurde). Da eine Einigung nicht zu Stande fam, leitete der Kläger im
Februar 1902 beim Bezirksgericht Zürich Klage ein mit den Rechtsbegehren:
1. Der Beklagte sei zu verpflichten, an den Kläger 2273 Fr. 60 Cts (2200
Fr. an die Maschine, 40 Fr. 10 Cis für den Moment-, 33 Fr. 50 Cts. für
den Ingenieurdes Klägers) nebst Zins zu 5 9/0 seit 6. Dezember 1901
zu bezahlen; 2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Beklagte
verpflichtet sei, dem Kläger am 28 Februar 1902 weitere 1100 Fr. zu
bezahlen. Der Vettagte, der Abweisung der Klage bean-

tragte, erhob die Einrede, dass der Maschine die vom
Angestelltenm. Ohligationem'echt. N° ?. 47

Vortisch und dem Agenten E. H. Mertz hinsichtlich des für den Kondensator
benötiglen Wasserderbrauchs zugesicherte Eigenschaft fehle. Das
tatsächlich Benötigte Wasserquantum bekomme er von der städtischen
Wasserversorgung gar nicht; wollte er sich anderweitig behelfen, so hätte
er eine einmalige Mehrausgabe von ÎÎOO Fr. und jährliche Mehrausgaben
von je 800 Fr. zu machen. Ubrigens sei mangels des Konsenses über
einen Hauptpunkt des Vertrages (Wasserbedarf des Kondensators) der
Vertrag gar nicht zu Stande gekommen. Der Kläger anerkannte zwar die
vom Beklagten geschilderten Unzukömmlichkeiten, bestritt aber vor den
kantonalen Instanzen, die streitige Zusicherung gegeben zu haben, und
nahm auch im Prozesse den Standpunkt ein, sein Angestellter Vortisch
habe telephoniert, dass der Kondeusator 220 300 Liter per Stunde und
per indizierte Pferdekraft branche. Jedenfalls aber habe der Beklagte
schon aus den ihm vor Abschluss des Vertrages vorgelegten Zeichnungen,
welche die Dimensionen der Wasserröhren enthielten, sehen müssen,
dass die Maschine im ganzen das zehnfache des von E. H Mertz und
dem Beklagten angenommenen Wasserquantums bedürfe. Weiter eventuell
stellte sich der Kläger auf den Standpunkt, der Beklagte habe die
Maschine ohne den Kondensator zu behalten und zu bezahlen, wobei aber
der Kläger einen höheren durch Erpertise zu bestimmenden Preis, als wie
im Kostenvoranschlag berechnet worden sei, verlange, weil die Maschine
allein (ohne Kondensator) nach Vertrag nur 8 Pferdekräfte zu leisten
hatte, während sie tatsächlich 10 Pferdekräfte liefere. Vor zweiter
Instanz erhob sodann der Kläger für den Fall, dass das Begehren des
Beklagten um Wandelung ganz oder auch nur mit Bezug auf den Kondensator
geschützt werden sollte, einen Schadenersatzanspruch, den er auf Art. 50
O.-R. stützte, und für dessen Höhe er auf Expertise abstellte.

2. Beide kantonalen Jnstanzen haben die Klage abgewiesen
Das Bezirksgericht Zürich (IV. Abteilung) gieng hiebei davon aus,
der Beklagte dürfe die Annahme der Maschine auf Grund des Art. 358
O.-R. verweigern, weil die zugesicherte wesentliche Eigenschaft
hinsichtlich des Wasserverbrauchs fehle. Die zweite Instanz dagegen ist
zur Abweisung der Klage gelangt aus dem Gesichtspunkte des wesentlichen
Irrtums, im Sinne des Art. 19

48 ciriirechtspllege.

Ziff. 3 O.-R. Dabei haben beide Vorinstanzen auf Grund der für das
Bundesgericht verbindlichen Beweiswürdigung festgestellt, dass dem
Beklagten vor dem endgültigen Vertragsabschluss mitgeteilt worden ist,
der zu der bestellten Dampfmaschine gehörende Kondensator brauche 220
250 (oder 250 300) Liter in der Stunde und dass sowohl der Beklagte als
auch der Agent E Sg. Mertz diese Mitteilung so verstanden haben, dass
sich jener Wasserbedarf auf die gesamte Kraftleistung der bestellten
Maschine und nicht etwa bloss aus eine Pferdekraft beziehe. Das
eventuelle Schadenersatzbegehren des Klägers hat die zweite Jnstanz als
prozessualisch verspätet vorgebracht abgewiesen

3. Mit der Vorinstanz ist zunächst anzunehmen, dass es sich Ibeim
streitigen Vertrage um einen Werkvertrag und nicht um einen Kan
handelt: Gegenstand des Vertrages war die Herstellung einer mehr oder
weniger individuellen Sache, gegen eine Vergütung, der wesentlich der
Charakter des Arbeitslohnes zukommt. Der Kläger klagt auf Erfüllung
dieses Werkvertrages Nach der vom Bundesgericht nicht zu überprüfenden,
weil ans reiner Beweiswürdtgung beruhenden tatsächlichen Feststellung der
Vorinstanz (i. Erwägung 2) steht nun fest, dass der Kläger eine Piaschine
mit einem Kondensator, der 2500-. 3000 Liter per Stunde (250-300 Liter per
Pferdekrast) verbraucht, geliefert hat während der Beklagte einen solchen,
der 250 300 Liter pro Stunde im ganzen Benötigte, zu bestellen und zu
erhalten glaubte, und es fragt fich, ob der Beklagte auf Grund dieser
Tatsache die Annahme und Bezahlung der Maschine verweigern kann, also mit
Recht die Erfüllung ablehnt. Hiebei sind der Reihe nach die verschiedenen
vom Beklagten eingenommenen Standpunkte einer Prüfung zu unterziehen.

4. Auch in seiner Verufungsschrist vertritt der Beklagte in erster Linie
die Auffassung, es habe sich um die vertragliche Zusicherung einer
bestimmten Eigenschaft gehandelt und der Mangel dieser zugesicherten
Eigenschaft berechtige ihn zum Rücktritt vom Vertrage. Nun hat aber
die Vorinstanz auf Grund der Beweiswürdigung angenommen, jedenfalls
habe der Kläger selber eine bezügliche Zusicherung nicht erteilt, sein
Angestellter Vortisch aber habe sie so gegeben-, wie sie von E. ©. Mertz
und Grieder verstanden.... Obligationenrecht. N° 7. 49

wurde. Nach dieser, für das Bundesgericht wiederum verbindlichen
tatsächlichen Feststellung und tatsächlichen Annahme der Vorinstanz
ist der Schluss: der Kläger habe die Handlungen und Äusserungen seines
Angestellten Vortisch nicht in der Weise zu vertreten, dass er jede
Erklärung des letztern gegen sich gelten lassen müsste, durchaus
zutreffend. Vortisch ist als einfacher Angestellter des Klägers zu
betrachten, als solcher hat er Vertretungsbefugnis nur, soweit sie ihm
vertraglich eingeräumt ist; mit Bezug auf den vor-liegend fraglichen Punkt
ist das nun nicht der Fall. Mit Recht hat die Vorinstanz sodann weiterhin
ausgeführt, auch von einer Vertretung des Klägers durch E. H. Mertz könne
nicht gesprochen werden: in der Tat ergeben die Akten, dass E. H. Mertz
nicht als Vertreter des Klägers, sondern lediglich als Vermittler
gehandelt hat, und dass der Vertragsabschluss zwischen den Parteien
direkt stattgefunden hat. Danach aber konnte E. Sg. Mertz ohne besondere
Vollmacht oder nachträgliche Ratifikation kein den Kläger verpflichtendes
Rechtsgeschäft abschliessen, somit auch keine bindende Erklärung über
die Modalität eines abgeschlossenen Rechtsgeschästes abgeben.

5. Damit fällt auch der weitere Standpunkt des Beklagten: der streitige
Vertrag sei deshalb gar nicht zu Stande gekommen, weil mit Bezug aus einen
Hauptpunkt (den Wasser-bedarf des Kondensators) eine übereinstimmende
gegenseitige Willenserklätung der Parteien nicht vorliege, dahin. Denn
wenn, wie dargetan, der Kläger mit Bezug aus den Wasserbedarf eine
verbindliche Erklärung überhaupt nicht abgegeben hat, so kann dieselbe
auch nicht einen Bestandteil des Vertrages bilden, und somit von einem
Dissens über einen Hauptpunkt des Vertrages nicht die Rede sein-

6. Dagegen unterliegt keinem Zweifel, dass der Beklagte sich beim
Bertragsabschlusse in einem Jrrtum befand, nämlich in einem Irrtum
hinsichtlich des für den Kondensator benötigten Wafferquantums, und es
kann sich nur fragen, ob dieser Irrtum mit der Vorinstanz als wesentlicher
zu bezeichnen und der Vertrag daher für den Beklagten als unverbindlich
zu erklären sei. Die Vorinstanz ist zu ihrer Auffassung dadurch gelangt,
dass sie Art. 19 Biff. 3 O.-R. analog auf den vorliegenden Fall angewendet
hat; ihre Ausführung gipfelt darin:

XXIX, 2. MOB 6

50 Givilrechtspflege

die Frage des Wasserbedarfes sei für den Beklagten ein sehr wesentlicher
und wichtiger Punkt gewesen. Es handle sich um den Irrtum über eine
Eigenschaft der Vertragssache, die nicht etwa bloss subjektiv für den
Beklagten, sondern objektiv, im Verkehre, wesentlich sei. Eine analoge
Anwendung des Art. 19 Biffi?) O.-.R sei gerade auf solche Fälle zulässig,
in denen dem irrenden TeileUmftände verborgen geblieben seien, die
dem Geschäfte eine ganz. andere ais die vorausgesetzte wirtschaftliche
Bedeutung verleihen, ohne dass die Sache zufolge jener Umstände geradezu
zu einer andern Gattung zu rechnen wäre. Hierüber ist zu bemerken
:. Wäre unter wesentlichem Irrtum, der das Rechtsgeschäft fürv den
Irrenden unverbindlich macht, jeder Irrtum zu verstehen, ohne dessen
Vorhandensein der Irrende nachgewiesenermassen das Rechtsgeschäft nicht
abgeschlossen haben würde, wie eine objektive Würdigung der Sachlage
ergäbe, so könnte wohl nicht zweifelhaft sein, dass im vorliegenden
Falle von einem wesentlichen Irrtumgesprochen werden müsste; denn es ist
zweifellos, dass der Beklagte die Dampfmaschine nicht bestellt hätte,
wenn ihm der wirklicheWasserbedarf bekannt gewesen wäre, und es muss
gewiss auch der Vorinstanz darin beigetreten werden, dass der Irrtum
nicht bloss, subjektiv, vom Standpunkte des Beklagten aus sondern auch
objektiv, im Verkehre-, ein erheblicher war. Allein damit ist dieFrage,
ob nach den positiven Bestimmungen des eidg. Obl.-Rechtsein wesentlicher
Irrtum angenommen werden könne, noch nicht gelöst. Das Obligationenrecht
zählt in seinen Art. 19 21 einige spezielle Fälle von Irrtum auf,
die es ausdrücklich als wesentlich,. bezw. nicht wesentlich, angesehen
wissen will; an Hand dieserpositiven Bestimmungen ist im Einzelsalle zu
entscheiden, ob ein Irrtum ein wesentlicher sei oder nicht. Dabei ist
einerseits festzuhalten, dass der Irrtum im Beweggrund laut ausdrücklicher
Bestimmung des Art. 21 der Regel nach nicht als wesentlicher Irrtum
anzusehen isf, und anderseits muss ein Irrtum, der nicht unter einen
der in Art. 19 alswesentlich aufgezählten Fällesubsumiert werden kann,
derart sein, dass er den dort speziell geregelten Fällen vom Standpunkte
des Verkehrslebens aus gleichsteht. Endlich ist zu beachten, dass sich
das schweizerische Obligationenrecht bei der Regelung des Irrtums im
wesentlichen auf-m. Obiigaiionenrecht. N° 7. · 51

dem Boden der gemeinrechtlichen Theorie befindet, so dass zu dessen
Auslegung vorab diese zu verwenden ist. Im vorliegenden Falle handelt
es sich nun um den Irrtum über eine Eigenschaft der Sache (des Werkes),
und zwar bei einer Speeiesobligation Ein solcher Irrtum ist in der
Regel ein Irrtum im Beweggrund, also gemäss Art. 21 OJR ein nicht
wesentlicher Irrtum. Dagegen isi der Irrtum über Eigenschaften gemäss
Art. 19 Ziff. 3 eod. dann als wesentlich zu betrachten, wenn die irrig
vorausgesetzten Eigenschaften der Sache so erheblich sind, dass dieselbe,
je nachdem diese Eigenschaften vorhanden sind oder fehlen, im Verkehre
zu einer ganz verschiedenen Gattung oder Art von Gütern gerechnet wird.
Dass diese Voraussetzung hier zutreffe, kann auch die Vorinstanz nicht
behaupten; sie muss vielmehr zum Hülfsmittel einer analogen Anwendung
dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall greifen, und zieht zudem eine
Bestimmung heran, die sich allerdings im deutschen B.-G.-B. findet (è
119 Abs. 2), die aber im Systeme des schweizerischen Obligationenrechts,
wie es im Anschlusse an die gemeinrechtliche Theorie und Praxis geregelt
und auszulegen ist, keinen Boden findet. Denn mit der in Art. 19 Ziff. 3
gegebenen Aufzählung ist erschöpfend geregelt, wann der Irrtum über
Eigenschaften der Sache wesentlich sein soll, trotz der an sich nicht
erschöpfenden Aufzählung des Art.19. Das folgt aus zwei Erwägungen:
Ist nämlich, wie ausgeführt, der Irrtum über eine Eigenschaft der
Sache regelmässig als Irrtum im Beweggrund anzusehen, so bildet Art. 19
Ziff. 3 eine Ausnahme von der Regel, dass ein derartiger Irrtum nicht
wesentlich sei; als Ausnahmebestimmung aber ist er nicht ausdehnend
auszulegen Zudem regelt die mehrgenannte Bestimmung ganz im Anschlusse
an die gemeinrechtliche Theorie den Irrtum über Eigenschaften der Sache;
d. h. sie will festsetzen, wann ein derartiger Irrtum überhaupt als
wesentlicher angesehen werden soll. (Vgl. u. a.: v. Tuhr in Zeitschr. für
schweizerisches Recht, N. F., Bd. XV, S. 313 ff.; Regelsberger, Wand. I,
S. 524; Zittelmann, Irrtum und Rechtsgeschäft, S.-355.) Zum mindesten
müsste nach dem oben gesagten der hier vorliegende Irrtum dem in Art. 19
Ziff. 3 geregelten und als wesentlich bezeichneten gleichkommen, um
ebenfalls als wesentlich anerkannt

52 Civilrechtspflege.

zu werden; das trifft aber eben nicht zu. Die nicht erschöpfende
Aufzählung des Art. 19, die durch das Wort insbesondere eingeleitet wird,
stellt nicht jeden Irrtum den dort aufgezählten Fällen gleich, sondern
setzt voraus, dass ein Jrrtum wesentlich sei, das heisst den speziell
aufgezählten Fällen nach Art und Stärke, nach seiner Bedeutung für das
Verkehrs-leben, gleichstehe.

7. Kann sonach auch die vom Beklagren erhobene Einrede des Irrtums nicht
geschützt werden, so ist trotzdem damit das Schicksal des Prozesses noch
nicht zu seinen Ungunsten entschieden. Der Beklagte hat sich nämlich
(wenn auch namentlich, um die Wandelung wegen Mangels einer zugesicherten
Eigenschaft zu begründen) auch auf Art. 358 Quilt. gestützt, und es
rechtfertigt sich nun, von dieser Bestimmung im vorliegenden Falle
Gebrauch zu machen. Denn es steht ausser Zweifel-, dass das Werk (die
Dampfmaschine) infolge des zehnfach grösseren Wasserverbrauches, als den
der Beklagte vorausgesetzt hat, für den Beklagten geradezu unbrauchbar
ist, oder dass ihm wenigstens die Annahme billigerweise nicht zugemutet
werden kann. Zwar erscheint aus den ersten Blick fraglich, ob von einem
Mangel des Werkes im Sinne des Art. 858 gesprochen werden könne. Dieses
Bedenken wird indessen gehoben durch die (Erwägung, dass dieses Werk,
wie jedes andere, zu einem vorausgesetzten Gebrauche tauglich sein soll,
und dass nun die objektive Untauglichkeit zu diesem Gebrauche eben
als Mangel im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung angesehen werden
muss. Aus Grund dieser Bestimmung ist daher die Wandelungseinrede des
Beklagten zu schützen.

8. Dass der Beklagte nicht zur Abnahme der Maschine allein, ohne den
Kondensator, verpflichtet werden kann, ist von der Borinstanz mit Recht
ausgeführt worden; ihre von einem andern Standpunkte aus gewonnenen
Ausführungen treffen auch vom Standpunkte des Art. 358 aus vollkommen
zu. Der Beklagte hat eine Maschine mit Kondensator bestellt und kann mm,
nachdem der Kläger diese Bestellung angenommen hat, nicht dazu verhalten
werden, ein ganz anderes Vertragsobjekt, noch dazu zu höherem Preise,
anzunehmen

9. Was endlich die Schadenersatzsorderung des Beklagten betrifft so kann
daraus schon deshalb nicht eingetreten werden,ill. Obligaflonenrecht. N°
8. 53

weil die Vorinstanz sie aus prozessualen Gründen, die vom Bundesgerichte
nicht zu überdrüer sind, abgewiesen hat, ganz abgesehen davon, dass
die Klage nach der hier gegebenen Begründung nicht vom Standpunkte des
Irrtums aus abgewiesen wird. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der I. Appellationskammer
des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Oktober 1902 in allen Teilen
bestätigt.

8. Arten vom 23. Januar 1903 in Sachen Daugtneiey Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Hizmet-gopura Kl. u. Beim-Bekl.

Auftrag. Schadenersatzklage des Auftraggebers gegen den Beauftragten
wegen nicht saehgemässer Ausführung des Auftrages. (Darckführwg
einer Betree'òung, speziell Venire-tang an der Grundpfandsteigeru
ng.) Berechmeng des Schadens. Tatsäehäz'che Fest- stellung über dessen
Mass; Walz-tiefre Ermittlung der Ersatzpflz'cht des Bekiagten. Art. MO
sf., spez. 116 0.-R.

A. Dnrch Urteil vom 28. Oktober 1902 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichtes des Kantons Zürich erkannt:

Der Beklagie ist schuldig, dem Kläger 2400 Fr. nebst Zins zu 5 0/0 seit
25. April 1901 zu bezahlen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Betlagte rechtzeitig und in richtiger Form
die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf gänzliche
Abweisung der Klage, eventuell auf bedeutende Reduktion der dem Kläger
zugesprochenen Entschädigung, wobei eventuell die Streitsache zur
Durchführung einer neuen Expertise an die Vorinstanz zurückzuweisen sei.

C. In der heutigen Verhandlung wiederholt der Anwalt des Beklagten das
gestellte Berufungsbegehren; der Anwalt des Klägers beantragt Abweisung
der Berufung und Bestätigung des angesochtenen Urteils.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 29 II 45
Datum : 17. Januar 1903
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 29 II 45
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 44 Civilrechtspflege. Grund vor, hievon abzugehen. Hienach beträgt der jährliche


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • irrtum • vorinstanz • eigenschaft • bundesgericht • besteller • wesentlicher irrtum • weiler • zusicherung • vertragsabschluss • frage • beweggrund • zins • werkvertrag • berechnung • vermittler • vorausgesetzte eigenschaft • richtigkeit • zweifel • wissen
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