418 Civilrechispflege.

53. Eli-teil vom 26. Juni 1903 in Sachen Heer-Hierseiund Hinunter-ten
Kl. u. Ber.-K1., gegen Free und Genossen Bekl. u. Ber.-Bekl.

Verträge über Antritt einer Erbschaft, abgeschlossen zwisehen Erben
und Niokterben. Mage auf Fortzahlung einer in diesen Verträgen
versprocäenen Rente, gerichtet gegen de'/3 Erben des seither
verstorbenen Rentenschuldmrs, und eventuell auf Anfechtung der Verträge.
Eidgenössisches oder kantonales Recht? Leibes-nie im Sinne der Art. 517
ff. O. R., oder ALienentate'onseerpflichtung .? Verträge erbrechtliaher
Natur ?

Das Bundesgericht hat, da sich ergeben:

A. Durch Urteil vom 8. April 1903 hat die II. Appellationskammer des
Qbergerichtes des Kantons Zürich über die Streitfragen:

1. Jst die vertragliche Verpflichtung der am Z. Mai 1901 ,verfterssenert
Frau Julia Feer-Zuber, an die Klagerin Witwe Josefine Feer-Sieber
monatlich 250 Fr. für Heranbildung und MkErziehung der vier Kinder des
verstorbenen Herrn Ernst Feer Bis zu deren Volljährigkeit zu verabsolgen,
auch von den Erben der verstorbenen Frau Julia Free-Zuber fernerhin
zu erfüllen?

2. Jst deshalb bei Teilung des Nachlasses der Frau {'s-cer: Zuber diese
Schuld als ein Passivum in einem von der schweizerischen Rentenanftalt
zu berechnenden Betrage aufzunehmen?

3. Eventuell (im Falle des Unterganges dieser vertraglichen
Beitragspflicht der Frau Feet-Babes, resp. ihrer Erben): Sind die
Verträge vom 19. und 21. Mai 1900 auch hinsichtlich der Verpflichtung
der Frau Feer-Sieber betreffend Rückzahlungen an die Auslagen der Frau
Furt-Zuber für Rachlassschulden des verstorbenen Ernst Feer als aufgehoben
zu erklären, in der Meinung, dass alsdann von dem Kommanditguthaben der
Frau Josefine Feer-Sieber auf Waltzer & Cie. ein Betrag von 28,000 Fr. an
die Erben der Frau Feder-Zuber überlassen wird ? erkannt:

Die Klage wird abgewiesen

IX. Organisation der Bundesrechtspilege. N°. 53. 419

B. Gegen dieses Urteil haben die Kläger rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Antrage auf
Gutheissung der Klage, eventuell Gutheissung des Rechtsbegehrens
Nr. 8. Die Berufungserklärung ist näher wie folgt erläutert:

Speziell ficht die Klägerin, Witwe Feer-Sieber das Urteil .namentlich
deshalb an:

1. Weil ihr darin überhaupt die Aktivlegitimation zur Eingklagung der
streitigen Rente und ein eigenes Forderungsrecht auf dieselbe aus den
drei Verträgen vom lg./21. Mai 1900 Wnegiert wird, während sie doch
eine der vertraglichen Gegengleistungen für den Erwerb dieser Rente,
die allmälige Abzahlung der Hälfte der von Frau Feer-Zuber übernommenen
und vberichtigten Passiva des verstorbenen Sohnes Ernst Feet, auf sich
genommen und teilweise schon an Frau Frei-Zuber erfüllt hat;

2. weil auch ihr drittes, eventuelles Rechtsbegehren zu Un,recht verworfen
wurde (eventuell Befreiung von der Pflicht zur Abzahlung der Hälfte der
Passiva des Ernst Feer).

Und die Kinder Feet fechten das Urteil namentlich darum an;

1. Weil für den Fall ais sie als die alleinigen Forderungsinhaber auf
Zahlung der Rente erklärt werden, die Verpflichtung der Frau Wer-Zuber
zur Rentenzahlung mit Unrecht als ein blosses Schenkungsversprechen
interpretiert wird, während Frau Feer-Zuber doch Gegenleistungen erhalten
hat sowohl von der Witwe Feer-Sieber (vide oben) als von den Kindern
(Antritt des Rachlasses des Sohnes der Frau Feer-Zuber) und weil mit
Unrecht zärcherisches (§ 440 pr. Ges.) statt eidgenössisches Recht
(Art. 517 ff. des E. O.-R.) angewendet worden ist;

2. weil daher die Kinder Fee-r mit Unrecht mit den Rechtsbegehren 1 und
2 abgewiesen worden findt-; -

in Erwägung:

1. Der vorliegende Prozess beruht auf folgendem Sachverhalt: Am
30. Dezember 1899 starb in Zürich Ernst Friedrich Feer in Firma Waltzer
& Feer. Er hinterliess als Witwe die Klägerin Feer-Sieber, Tochter von
J. Stehn-Lang in Stiria}, und drei minderjährige Kinder nebst einem
Posthumus, die heutigen Kläger Nr. 2' 5; ferner seine Mutter Julia
Feer-Zuber und drei Ge-

420 cieilrechtspllege.

schwister, letztere die heutigen Beklagten. Beim Tode ihres Erblassers
wurde den Kindern des Ernst Friederich Feer das benekieium inventa-ii
gewahrt Am 21. Mai 1900 schlossen nun die Kinder des verstorbenen
Feer-Sieber einerseits, deren Mutter, Witwe Feer-Sieber, Grossmutter-,
Witwe Feer-Zuber, Grossvater Sieber-Lang und Baumeister Waltzer,
anderseits-, einen Vertrag ab, wonach behufs Ermöglichung der Antretung
der Erbschaft des verstorbenen Herrn Friedrich Ernst Free-Stehn durch
dessen Kinder vereinbart wurde, dass: erstens die sämtlichen Aktiven und
Passiven der Firma Waltzer & Feer von Herrn Waltzer allein übernommen
werden, der das Geschäft unter Mitwirkung der Frau Feer-Sieber und Frau
Feer-Zuber als Kommanditären laut speziellen Kommandiwerirägen fortsetzen
werde, und demgemäss der Anteil der Kinder Feet an den Liegenschaften
der Firma Waltzer & Feet aus Waltzer allein übertragen werde; zweitens
alle übrigen Aktiven und Passiven des verstorbenen Friedrich Ernst

Freie-Siedetim Sinne des einen Annex zu diesem Vertrage

bildenden Separatvertrages vom 19. Mai 1900 auf Frau Feer-Sieber und
Frau Feer-Zuber übergehen, wogegen diese dafür garantieren, dass nicht
etwa Kreditoren der Firma Waltzer & Feer sich an die Kinder Feer-Sieber
als Rechtsnachfolger ihres ver-

storbenen Vaters halten unter Wahrung des Regresses auf-

Walzer. Aus dem hier angerufenen Separaivertrage vom 19. Mai 1900,
der als Annex zum Vertrage vom 21. Mai 1900 beszeichnet und von Julia
Feer-Zuber, Josesine Feer-Sieber undHerm. SiebersLang unterzeichnet
isf, sind hervorzuheben die Bestimmungen: 1. Frau Feer-Sieber und
Frau Freie-Zuber verpflichten sich, die Passiva des verstorbenen Herrn
Friedrich Ernst Feer-Sieber zu gleichen Hälften zu bezahlen . . . . ò. Für
die Heranbildung und Erziehung der vier Kinder der Eheleute FeerSieber
verpflichten sich Herr Sucher-Lang und Witwe Fee-Zuber je 250 Fr. ein
jeder monatlich an Witwe Feer-Sieber zu verabfolgen." Auf Grund dieses,
von der Vormundschastsbehörde genehmigten Vertrages traten die Erben
den Nachlass des verstorbenen Feer-Sieber an, wovon mit Beschluss des
Bezirksgegerichtes Zürich vom 20. Juni 1900 Vormerk genommen wurde. Am
s. Mai 1901 starb Witwe Feer-Zuber, und es machten nun

IX. Organisation der Bundesrechtspssege. N° 33· 4-31

die Kläger an deren Nachlass die aus Rechtsfrage 1 und 2 ersichtlichen
Ansprüche auf Fortbezug der monatlicheu Mente _ und zwar ab 1. Januar 1902
geltend. Mit dein Eventualbegehren (Rechtsfrage 3) verlangt die Klägerin
Witwe FerrSieber Ungültigerklärung des Vertrages vom 19.,-21. Mai 1900,
gestützt auf Art. 18 ff. O.-Ji.

2. Die erste Instanz (das Bezirksgericht Zürich IH. AbteiTung)
gelangte zur Gutheissung der Prinzipalbegehren der Kläger aus folgender
Erwägung: Bei der Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Mente
handle es sich nicht um eine Liberalität seitens der Witwe Feer-Zuber,
welche gemäss § 440 zürcherisches P.-G.-B. im Zweifel nicht auf die
Erben des Verpflichteten übergehen würde. Vielmehr handle es sich
um einen zweiseitigen Vertrag, und um gegenseitige Verpflichtungen
Übrigens habe Witwe Feer- Zuber gemäss § 441 P.-G.-B. eine
gesetzliche Unterstützungspflicht gehabt, und diese sei gemäss § 953
P.-G.-B. vererblich. Endlich weisse, auch wenn eine Liberalitäi im Sinne
des § 440 ·P.-G.-B. angenommen werden wolle, doch nach dem Sinne des
Vertrages davon ausgegangen werden, dass die betreffende Verpflichtung
zur Rentenzahlung als vererbliche eingegangen worden sei, da Witwe
Feer-Zuber bei Eingehuug der Verpflichtung schon 60 Jahre alt gewesen
sei. Diesen Ausführungen gegenüber beruht das die Klage abweisende Urteil
der zweiten Instanz auf folgenden Gründen: Vorab sei davon auszugehen,
dass die Verpflichtung zur Rentenzahlung eingegangen sei gegenüber
den Kindern des Feer-Sieber, nicht gegenüber der Witwe; soweit diese
mit Bezug auf Rechts-begehren 1 und 2 klagend austrete, sei sie daher
schon wegen mangelnder Aktivlegitinratiou abzuweisen Sodann handle es
sich, entgegen der Ansicht der ersten Jnstanz,. bei der fraglichen
Verpflichtung um eine unvererbliche Verpflichtung. Allerdings liege
in den Verträgen vom 19./21. Mai 1900 eine gegenseitige Verpflichtung
Allein der Verpflichtung der Kinder des Feer-Sieber, die Erbschaft ihres
Vaters nicht aus-zuschw- gen, siehe nicht die Verpflichtung der Witwe
Feier-Buben Alimente zu gewähren, gegenüber, sondern die Verpflichtung,
die Kinder Feer-Sieber für das Defizit aus dem Antritte der Erbschaft
schadlos zu halten; die Zusicherung der monailichen Rente

4223 Giviirechîspiîege'

habe nicht auch noch eine Gegenleistung gebildet, sondern entweder
eine einfache Liberalität, oder eine Umwandlung der gesetz- lichen
Unterstützungspflicht in eine zinerinagigez vertragliche Hm einen
wie im andern Falle sei aber Unvererblichkeit dieser Verpflichtung
anzunehmen. Denn entweder komme die Praiumtion des § 440 P.-G.-B. zur
Anwendung, (lantend: Hm der Schenkgeber sich zu wiederkehrenden
Feistungetn z. B. Alimenten aber jährlichen Beiträgen für wohltatige
Zwecke verpfttchtet, sogebt diese Verpflichtung nicht von Rechtsweg-en
auf die Erben desselben über, sondern nur, wenn er augdrucklich
seine Erben ebenfalls hat binden wollen und gebunden hat ) welche
in keiner Weise zerstört sei; oder dann sei die Verpflichtung als
Alimentationsverpflichtung aus Seite des Verpflichteten mit dessen Tode
erloschen. Das eventuelle Rechtsbegehren endlich set schon deshalb
abzuweisen, weil nicht das geringste dasur vorliege, dass sich Witwe
Feer-Sieber beim Abschlusse des Vertrages vom 19.,X21. Mai 1900 in einem
Irrtum über die Tragweite der von Frau Feer-Zuber zu Gunsten der Kinder
Feet eingegangenen Rentenverpflichtung befunden babe.

3. Wird nunmehr die Frage der Kompetenz des Bundesgerichtes zur
Beurteilung der vorliegenden Streitsache gepruft (was von Amtes wegen
zu geschehen hat), so ist vorerst klar, dass sie nur zweifelhaft sein
kann mir Bezug aus das anzuwendende RechtJn dieser Hinsicht rufen
die Kläger, um die Kompetenz ades Bundesgerichtes zu begründen, die
Bestimmungen des etdgenossischen Obligationenrechtes über die Leibrente,
Itri. 517 n., unddiejenigen über die Willensmängel beim Abschlusse des
Vertrages, Art. 18 ff., an. Allein eine nähere Prüfung der Pache ergibt,
dass das ganze Streitverhältuis zwischen den Parteien dem kantonaleu
Rechte untersteht, und zwar aus zwei Grunden: Erstens ist die streitige
Verpflichtung ans Ziffer 5 des Vertrages dom19. Mai 1900 zu beurteilen
im Zusammenhange mit den ubrigen Bestimmungen dieses Vertrages, von
dein sie einen Bestandteil bildet. Nun bezieht sich aber dieser Vertrag
und beziehen sich dessen übrige Verpflichtungen auf den Antritt einer
Erbschaft, und Verträge erbrechtlicher Natur unterstehen gemass Art. 76
D.M. dem kantonaleu Rechte. (Vgl. Revue der GerichtspraxisIX. Organisation
der Bundesrechispflege. N° 53. 423

IX, Nr. 3.) Es fragt sich daher nur, ob auch der vorliegende, auf den
Antritt einer Erbschaft bezügliche Vertrag als Vertrag erbrechtlicher
Natur anzusehen ist, obschon er nicht direkt zwischen Erben abgeschlossen
worden ist. Das ist zu besahen, da er immerhin auf den Antritt einer
Erbschaft bezügliche Verhältnisse und: daraus entspringende gegenseitige
Verpflichtungen regelt. Jst dem aber so, so können auch die allgemeinen
Bestimmungen des schweizerischeu Obligationenrechtes, speziell also auch
diejenigen überdie Willensmängel beim Vertragsabschlusse, nach bekanntem
Grundsatze nicht als eidgenössische Rechtsnornien zur Anwendung kommen,
da eben die ganze Materie der Zuständigkeit des eidgenössischeu
Gesetzgebers entzogen ist. Fällt so schon aus diesem Grunde die
Kompetenz des Bundesgerichtes dahin, so ist weiterhin zu sagen, dass
auch die streitige Verpflichtung im besondern nicht vom eidgeuössischen,
sondern vom kautonalen Rechte beherrscht wird. Denn mit Unrecht werden
mit Bezug auf diese Verpflichtung vie Bestimmungen des schweizerischen
Obligationenrechtes über den Leibrentenvertrag angerufen: eine Leibrente
liegt nicht vor, weil zum Begriffe dieser gehört, dass sie auf die
Lebenszeit des Rentengtäubigers, des Rentenschuldners oder eines Dritten
getroffen werde, und es nun an diesem Begrifssmerkmale fehltEs handelt
sich ganz offenbar, will man nicht eine Liberalität annehmen was das
Bundesgericht nach dein Gesagten nichtzu prüfen hat um eine Verpflichtung
zu Alimenten, somit um die Anwendbarkeit kantonalen Rechtes; erkannt:

Aus die Berufung wird wegen Jnkompetenz des Bundesge-

richtes nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 29 II 418
Datum : 26. Juni 1903
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 29 II 418
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 418 Civilrechispflege. 53. Eli-teil vom 26. Juni 1903 in Sachen Heer-Hierseiund


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
witwe • erbe • weiler • bundesgericht • rechtsbegehren • monat • erbrecht • kantonales recht • mutter • vater • gegenleistung • tod • kind • vertragsabschluss • leibrentenvertrag • grosseltern • erbschaft • bilanz • unternehmung • bruchteil
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