554 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

120. Entscheid vom 19. November 1903 in Sachen Erben Maier-Meier.

Koiiokationsverfahren. Art. 247,17. Seitu. K.-Ges. Stadien desselben.
Die Anflegung des Kollokationsplanes (A rt. 249 i. c.) ist eine Verfügung
im Sinne des Art. 17 Sch.a. Honk-Ges. Mägliehkeit des "Widerrufes.

I. Im Konkurse des Wilhelm Zeller in Basel hatte die Mutter des
Gemeinschuldners, Witwe Marie Zeller-Grauwiler, eine Forderung von 64,068
Fr. 60 Cts. angemeldet. Am 26. August1903 wurde der Kollokationsplan
unter Festsetzung einer Anfechtungsfrist bis 5. September aufgelegt. Jn
demselben figuriert die fragliche Forderung als abgewiesen. Nach
erfolgter Auslegung des Planes wurde der Vertreter der Witwe Zeller bei
der Konkursverwaltung wegen dieser Abweisung vorstellig und stellte
die Anhebung einer Kollokationsklage gegen die Masse in AussichtAuf
erneute Prüfung der Sache schrieb ihm dann die Konkursverwaltung
am 1. September, dass sie nunmehr zur Aufnahme der Forderung bereit
sei, welches Anerbieten der genannte Bertreter unterm 2. September
annahm. Die Konkursverwaltuug stellte daraus einen vom 19. September
datierten Nachtrag zum Kollokationsplan auf, laut welchem die fragliche
Forderung zur Kollokation zugelassen wird, und liess diesen Nachtrag
öffentlichbekannt machen und auflegen.

Am 29. September reichte Elias Mater-Meter in Basel, Gläubiger im
Konkurse Zeller, Beschwerde ein mit dem Antrage, die Streichung der
durch den Nachtrag zum Plane zugelassenen Forderung anzuordnen. Der
Beschwerdeführer machte geltend, dass, nachdem einmal der Kollokationsplan
vom 26. August 1903rechtskräftig geworden sei und Frau Zeller durch
Nichtanfechtung desselben ihre Anmeldung im Konkurse fallen gelassen habe,
die Konkursverwaltung nicht zum Schaden anderer Gläubiger die gleiche
Forderung in einem Nachfrage zum Kollokationsplane habe aufnehmen dürfen.

II. Die kantonale Aufsichtsbehörde beschied die Beschwerde mit folgender
Begründung abschiägig:und Konkurskammet. N° 120. · 555

Die Konkursverwaltung habe den Entschluss, die anfänglich beanstandete
Forderung doch zuzulassen, gefasst, bevor der Hauptkollokationsplan
rechtskräftig geworden sei. Damit habe sie ihre Befugnisse nicht
überschritten, da eine nachträgliche Anerkennung einer anfänglich
bestrittenen Forderung gestattet sei. Auch könne von einer Schädigung der
übrigen Gläubiger nicht die Rede sein, da diese ja die Möglichkeit gehabt
hätten, während der Einspruchsfrist den Nachtrag des Kollokationsplanes
anzufechten

III. Innert nützlicher Frist haben die Erben des seither verstorbenen
Beschwerdeführers den gestellten Beschwerdeantrag vor Bundesgericht
erneuert.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Das Kollokationsverfahren zerfällt in zwei von einander geschiedene
Stadien seiner Durchführung: Das erste umfasst die Prüfung der
angemeldeten Forderungen und die Aufstellung des Kollokationsplaues
durch die Konkursverwaltung, deren Tätigkeit dabei im wesentlichen
interner Natur ist, sich rechtlich gegenüber den Konkursgläubigern
nicht äussert. Das zweite Stadium begreift die definitive Feststellung
des Planes in sich, wobei nunmehr die beteiligten Gläubiger Gelegenheit
erhalten, durch das Mittel gerichtlicher Klage in ihrem Interesse auf
die endgültige Gestaltung des Planes einzuwirken Letzteres Stadium
wird eingeleitet durch die Auslegung des von der Konkursverwaltnng
entworfenen Planes und die bezügliche öffentliche Bekanntmachung. Mit
dieser Amtstätigkeit tritt die Konkursverwaltung nach aussen auf: Sie
trifft eine Verfügung im Sinne des Art. 17 des Betreibungsgesetzes den
beteiligten Gläubiger-it gegenüber, indem sie diesen kundgibt, welche und
in welcher Weise sie die angemeldeten Konkursforderungen zur Kollokation
zugelassen habe, und indem sie damit die Gläubiger in die Lage setzt,
den Plan anfechten zu können und ihn anfechten zu müssen, sofern sie
sein Inkrafttreten in seiner gegenwärtigen Gestalt hindern wollen.

Laut blindes-gerichtlicher Praxis (Amtl. Santini., Bd. XXHr Nr. 116,
XXIII, 1, Nr. 266 und dem heutigen Entscheid der Schuldbetreibungs und
Konkurskammer L S. Oberhäusli) sind nun Verfügungen der Vetreibuugs-
bezw. Konkursbehörden nichtschlechthin unwiderruflich, sondern steht
einer solchen Behörde,

556 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

falls sie sich nachträglich von der Ungesetzlichkeit oder
Unangetnessenheit einer von ihr erlassenen Verfügung überzeugt, die
Möglichkeit offen, sie rückgängig zu machen oder in der erforderlichen
Weise zu modifizieren, so lange die Beschwerdefrist für Anfechtung
der Verfügung noch nicht aus-gelaufen ist. Somit findet sich auch die
Konkursverwaltung mit der erfolgten Auflage des Kollokationsplanes als
einer von ihr getroffenen Verfügung nicht endgültig gebunden, sondern
muss ihr noch während zehn Tagen von der Bekanntgabe der Auslage an,
b. h. während der den Gläubigern gesetzten Anfechtungssrist des Art. 250
Abs.1 des Betreibungsund Konkursgesetzes, die Befugnis zustehen, am
ausgelegten Kollokationsplan Änderungen vorzunehmen, wenn und soweit sie
sich nachträglich von der Unrichtigkeit der vorgenommenen Kollokation
überzeugt Dies kann aber gültig nur in der Weise geschehen, dass die
Konkursverwaltung die durch die Auslegung des Planes getroffene Verfügung,
soweit sie sich als sehlerhaft erweist, als solche wieder aufhebt und
damit die durch sie geschaffene Rechtslage rückgängig macht. Zu diesem
Behnse muss die Auskündigung der Planauflegung widerrufen und der Plan
zurückgezogen werden und hat darauf die Konkursverwaltung die neue, der
Sachlage entsprechende Kollokation vorzunehmen und den Plan neuerdings
nach Vorschrift des Gesetzes zur Auslegung zu Bringen. Wenn dagegen die
Konkursverwaltung, von einem derartigen Vorgehen absehend, die Auflage
des unveränderten Planes bis zum Ablaufe der Anfechtungsfrist fortdauern
lässt, so erwächst der Plan (abgesehen vom Falle gerichtlicher Anfechtung
desselben) notwendig in Kraft, dies eben zufolge der mit der öffentlichen
Auslegung eingetretenen und ungehernmt gebliebenen Rechtswirkungen. Die
Gläubiger, denen gegenüber die Auflegung erfolgt ist können verlangen,
dass eine Forderung als definitiv aus dem Plane beseitigt gelten müsse,
welche, wie hier der Fall, die Konkursverwaltung weggewiesen hatte, ohne
dass diese Massnahme von der Verwaltung innert nützlicher Frist abgeändert
oder vom betreffenden Gläubiger gerichtlich angefochten worden ware,

Dem gesagten tut auch der Umstand keinen Eintrag, dass hier die
Konkursverwaltung noch während des Laufes der Anfechtungs-und
Konkurskammer. N° MO. 557

frist nach erneuter Prüfung der Sache schlüfsig geworden ist, die von ihr
bisher bestrittene Forderung der Rekursgegnerin als Konkurssorderung
zuzulassen. Dieser Umstand vermochte nach Massgabe der gemachten
Ausführungen nicht zu verhindern, dass der Kollokationsplan, so wie er am
26. August 1908 aufgelegt wurde und von da an aufgekegt blieb, d. h. unter
Eliminierung der streitigen Forderung, in Rechtskraft erwuchs. Die
Rechtskraft des Planes konnte sodann, einmal eingetreten, auch nicht mehr
dadurch beeinträchtigt werden, dass die Konkursverwaltung für dienumnehr
von ihr anerkannte Forderung ein neues Kollokationsverfahren in Form einer
Nachtragskollokation eröffnete. Ein derartiges gefondertes Nachverfahren
ist gesetzlich nur bezüglich verfpäteter Konkursforderungen statthaft,
während über die Kollokation aller Forderungen, die der Konkursverwaltnng
bereits bei Aufstellung des Kollokationsplanes zur Prüfung unterbreitet
waren, in dem durch die Art. 249/250 des Betreibungsund Konkursgesetzes
vorgesehenen allgemeinen Verfahren zu befinden ist, und es nicht angeht,
über die Frage der Kollokation einer Forderung, nachdem sie im Laufe
dieses Verfahrens bereits ihre endgültige Lösung gefunden hat, durch eine
Nachtragskollokation, wie die hier vorgenommene, von neuem den Streit zu
eröffnen. Diese Nachtragskollokation ist somit als gesetzlich ungültig
und damit die fragliche Konkursforderung nach Massgabe des rechtskräftigen
Kollokationsplanes vom 26. August 1903 als von der Kollokation weggewiesen
zu erklären.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird gutgeheissen und damit die fragliche Forderung der Rekursopponentin,
Witwe Zeller, als von der Kollokation weggewiesen erklärt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 29 I 554
Datum : 19. November 1903
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 29 I 554
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 554 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs- 120. Entscheid vom 19. November 1903


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