596 Civilrechtspflege.

in dieser Richtung auch in der Berufungsschrift wieder auf die zur Deckung
ihrer Forderung erfolgten Faustpsandverschreibungen. Allein abgesehen
damon, dass nicht erstellt ist, dass die Beklagte hievon Kenntnis hatte,
und nicht angenommen werden kann, dass sie darum hätte wissen müssen,
würden sich diese Geschäfte eben.falls zwanglos und natürlich, mit der
Absicht des Wangeler, sein Geschäft zu liquidieren und die Gläubiger
mit den vorhandenen Aktiven abzufinden, erklären lassen. Überdies ist
es eine sonderbare Zumutung, die Beklagte hätte die objektiv ebenfalls
anfechtbaren Deckungsgeschäste zu Gunsten der Klägerin kennen sollen,
während sie doch wohl selbst darauf bedacht sein musste, diese Geschäfte
nicht bekannt werden zu lassen. Ebensowenig kann natürlich daraus,
dass die Klägerin die an sie erfolgten Abtretungen von Buchsorderungen
als ansechtbar betrachtete und den eingegangenen Betrag zur Verfügung
der Masse stellte, geschlossen werden, dass die Beklagte ihrerseits die
Vermögenslage des Schuldners kannte oder kennen musste. Endlich haben
die Vorinstanzen auch die Jndizien, die gegen die Beklagte sprechen,
gewürdigt, und wenn sie erklären, dieselben seien nicht geeignet,
das Beweisergebnis zu ändern, so kann dies vom Gesichtspunkte des
Bundesrechts aus in keiner Weise beanstandet werden. Was den Brief der
Frau Wangeler vom 11. Mai 1902 betrifft, auf den die Berufungsschrist
grosses Gewicht legt, so sind die Rückschlüsse, die die Klägerin daraus
für die Zeit der Abtretung zieht, blosse, über den Inhalt des Briefes
weit hinaus-gehende Vermutungen; der Inhalt selbst beweist durchaus
nichts gegen die Beklagte, son-

dern spricht im Gegenteil positiv aus, dass diese von der Lage

des Schuldner-Z keine Ahnung hatte und dass sie sich zuerst weigerte,
die Abtretung anzunehmen Es bleibt somit dabei, dass die Beklagte den
ihr obliegenden Entlastungsbeweis geleistet hat, was zur Abweisung der
aus Art. 287 B.-G. sich stützenden Klage führt.

6. Durch die Feststellung der Vorinstanz, dass Wangeler selbst geglaubt
habe, die Klägerin sei vollständig gedeckt, ist auch der Klage aus
Art. 288 B.-G. die Grundlage entgegen. Denn eskann unter diesen Umständen
von einer Absicht, die Klägerin zu benachteiligen oder die Beklagte
zu begünstigen, keine Rede mehr sein, wozu kommt, dass für die weitere
Voraussetzung, dass dieVII. Organisation der Bundesmchtspilege. N° 71. 597

Absicht für den andern Teil erkennbar gewesen sei, jeder Nachweis fehlt.

7. Das dritte Klagbegehren ist eventuell gestellt, für den gun, dass die
beiden ersten abgewiesen werden sollten. Es ist danach die Meinung der
Klägerin, dass das dritte Begehren und die beiden ersten sich gegenseitig
ausschliessen Nach Art. 60 Abs. i O.-G. findet eine Zusammenrechnuug des
Streitwertes der beiden Aussprüche in einem solchen Falle nicht statt. Da
der eventuell geltend gemachte Anspruch auf einer rechtlich selbständigen
Grundlage beruht, ist vielmehr die Berufungsfähigkeit des vorinstanzlichen
Urteils mit Bezug auf denselben selbständig zu prüfen. Nun erreicht der
Streitwert hier die bundesgerichtliche Kompetenzgrenze nicht. Aus das
Begehren kann deshalb nicht eingetreten werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird in Hinsicht aus die beiden ersten Anträge 'oerworfen;
aus den dritten Antrag wird nicht eingetreten. Es hat somit in allen
Teilen bei dem angesochtenen Urteile des Obergerichts des Kantons Aargau
sein Bewenden.

VII. Organisation der Bundesrechtspfleg-e. Organisation judiciaire
fédérale.

71. guten vom 3. Oktober 1902 in Sachen gchumaun, Bekl. u. Ber.-Kl.,
gegen Strani!) & Site.. Kl. n. Ver.:BeÉl.

Form der Berufung im sahriftlichssen Verfahren: Rechtsschrift. Art.
67 Abs.-1 Org.-Ges. Die Verweisung auf die Rech-tsschriflen vor den
kantonalen Instanzen erfüllt das Erfordernis einer Berufungssche'ift
nicht.

Das Bundesgericht hat,

da sich ergeben:

A. Durch Urteil vom 29. Juli 1902 hatte das Cidilgericht des Kantons
Baselstadt über das Rechtsbegehren: Der Beklagte

598 Civilrechtspflege.

sei zur Zahlung von 2934 Fr. 75 Cis. nebst 5 O/0 Zinsen seit 1. Oktober
1901 zu verurteilen dessen Abweisung der Beklagte beantragt hatte erkannt:

Beklagter wird zur Zahlung von 2559 Fr. 75 Cts nebst Zins à 50/0 ab
diesem Betrage seit 1. Oktober 1901 bis zum Zahlungstage und ab 875
Fr. vom 1. Oktober 1901 bis 5. Mai 1902 verutteilt.

Das Appellationsgericht des Kantons Baselstadt hat dieses Urteil unter
dem 1 September 1902 bestatigt

B Gegen das Urteil des Appellationsgerichts hat der Beklagte rechtzeitig
die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, unter Wiederaufnahme
seiner vor den kantonalen Jnsianzen gestellten Anträge. Zur rechtlichen
Begründung seiner Anträge verweistder Berufungskläger lediglich aus seine
Ausführungen in seinen Rechtsschriften und in den Protokollen der beiden
kantonalen Gerichte-;

in Erwägung:.

Gemäss Art. 674 Org.-Ges. ist der Verufungserklärung dann, wenn (wie
hier) der Streitwert den Betrag von 4000 Fr. nicht erreicht, eine sie
begründende Rechtsschrift beizulegen. Nach durchaus feststehender Praxis
des Bundesgerichts (s. u. a. Amtliche Sammlung, Bd. XX, S. 385) stellt
diese Formvorschrift ein. Essentiale der Berufung bei einem Streitwerte
unter 4000 Fr. auf. Die Bestimmung erklärt sich daraus, dass in derartigen
Fällengeringeren Streitwertes der Bernsungsrichter in den Stand gesetzt
sein soll, innert relativ kurzer Zeit das Streitverhältnis nach seiner
tatsächlichen und rechtlichen Seite überblicken zu können und so eine
raschere Erledigung dieser Fälle herbeizuführen Aus der Bestimmung und
namentlich aus dem letzt angeführten Gesichtspunkte folgt nun dass der
blosse Hinweis auf die Rechtsausführungen vor den kantonalen Justanzen
die Rechtsschrift nicht zu ersetzen vermag. Aber auch noch von einem
andern Gesichtspunkte aus erscheint dieses Resultat als das gegebene:
eine die Berufung begründende- Rechtsschrist wird überhaupt nicht
durch die Rechtsschristen oder sonstigen Ausführungen vor den kaumnalen
Jnstanzen ersetzt werden können, da sie sich doch in erster Linie, und
hauptsächlich, mit den Erwägungen des angesorhtenenVII. Organisation
der Bundesrechtspflege. N° 72. 599

Urteils wird auseinandersetzen müssen; es wäre für das Gericht auch
eine ganz unverhältnismässig mühsame Operation, wenn es zusammensuchen
müsste, inwieweit der Inhalt der Rechtsschristen und Protokolle der
kantonalen Jnstanzen als eine Begründung der Berufung betrachtet werden
könnte. Die rechtliche Begründung vor Bundesgericht wird sich in der
Regel zum mindesten nach gewissen Richtungen auf einem andern Boden
bewegen müssen als diejenige vor den kantonalen Instanzen. Ein blosser
Hinweis auf die Ausführungen vor den kantonalen Jnstanzen genügt daher
dem Erfordernis einer die Berufung begründenden Rechtsschrift nicht.
Es kann aus diesen Gründen an der im Entscheide des Bundesgerichts vom
29. Juni 1894 in Sachen Neff gegen Schmid (Amtl. Samml., Bd. XX, S. 394,
Erw. 3) ausgesprochenen gegenteiligen Ansicht die festzustellen übrigens
in jenem Urteil kein Bedürfnis war nicht festgehalten werden; übrigens
hat auch jene Auffassung vorausgesetzt, dass die vor den kantonalen
Jnstanzen eingelegten Rechtsschriften eine sachliche Begründung der
Berufung enthalten; erkannt:

Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

?2. Arrèt du 22 décembre 1902, dans la cause Plojoux, elem., déf. www.,
rec., contre Plojoux, défi, diam., recevez}... ini.

Jugement ne satisfaisant pas aux prescriptions de l'art. 63, ch. 8
OJF. Annulation du jugement, art. 64 eod.

Louis-Samuel Piojoux, agriculteur, de Mies et de Tanuay, domicilié
à Mies, né le 16 décembre 1868, a été uni par lemariage le 29 octobre
1897 à Marie-Caroline née Eberhard, de Trélex, couturière, née le 4 mars
1875. Aucun enfant. n'est issu de cette union. Les époux habitaient Mies,
près Coppet, où le mari Plojoux possédait une propriété. Les faits
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 28 II 597
Datum : 11. Mai 1902
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 28 II 597
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 596 Civilrechtspflege. in dieser Richtung auch in der Berufungsschrift wieder auf


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • streitwert • vorinstanz • brief • schuldner • entscheid • form und inhalt • kenntnis • sammlung • neffe • rechtsbegehren • kantonsgericht • beweis • begründung des entscheids • voraussetzung • beschwerdeschrift • ersetzung • zins • entlastungsbeweis
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