224 Civilrechtspflege.

Vornehmen lassen würde, wenn er sich für den Schaden nicht aneinein
Dritten halten könnte. Als Regel wird dabei aufzustellen sein, dass eine
schwere, gefährliche oder sehr schmerzhafte Operation, oder eine solche,
die nur einen verhältnismässig geringen Erfolg verspricht, dem Verletzten
nicht zuzumuten ist und dass auf die persönlichen, insbesondere auch
die psychischen Verhältnisse des Verletzten gebührend Rücksicht genommen
werden muss. Dagegen kann die Möglichkeit einer Verbesserung des Zustandes
durch eine Operation der Schadensbestimmung dann unbedenklich zu Grunde
gelegt werden, wenn der Eingriff nach fachmännischem Befindeu einen
sichern Erfolg verspricht und nicht mit besondern Gefahren oder Schmerzen
verbunden ist. Dies trifft auch zu, wenn sich die Frage der Operation
nicht gleich von Anfang an, sondern erst dann stellt, wenn nach erfolgter
Heilung von einem operativen Eingriff eine weitere Besserung zu erwarten
ist. Es fällt in Betracht, dass auf dem Boden des Haftpflichtrechts der
Zweck des Heilversahrens nicht sowohl in der Wiederherstellung des frühem
anatomischen Zustandes, als in der Wiedererlangung der physiologischen
Funktionen liegt und dass, wenn ein erster Heilversuch in dieser
Richtung nicht den gewünschten Erfolg hat, ein zweiter, der einen
bessern verspricht, nicht von vorneherein deshalb als ausgeschlossen
betrachtet werden darf, weil der erste, vom anatomischen Standpunkt
aus betrachtet, zu einein gewissen Abschluss gelangt ist. Werden diese
Erwägungen auf das tatsächliche des vorliegenden Falles angewendet,
so ist der Vorinftanz ohne weiteres beizustimmen, dass dem Kläger die
fragliche Operation zuzumuten und dass die Entschädigung auf Grundlage
des Tatbestandes zu berechnen ist, der sich ergeben wurde, wenn dieselbe
vorgenommen würde. Jnsbefondere erscheinen die Gründe völlig zutreffend,
aus denen die Vorinstanz den Einwand, dass eine Jnfektion möglich sei,
zurückgewiesen hat. Jhr Urteil ist deshalb zu bestätigen Demnach hat
das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung des Klägers wird verworfen, und demgemäss das Urteil der
Appellationskammer des Obergerichts des Kantons Zürich in allen Teilen
bestätigt.III. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 28. 225

26. get-teil vom 11. Juni 1902 in Sachen HW, Bekl. u. Ber.-Kl., gegen
Tannen Kl. u. Ber.-Bekl.

Strafrecntlich verfelgbare Handlung des Betriebsunternehmers-,
Art. 6 Aés. 3 F.-H.-G. Wirkung eines Eimtellungsòeschinsses eine-r
Areklagebekò'rde für den Civilrichter. Polizei-(Reglemento'-)ùòertretung;
Kausaézusammenhang mit Unfall. Stellung des Civilrichäers. Berechnung
der Enäschädigung.

A. In der unter dem eidgenössischen Fabrikgesetze stehenden, von Johann
Hani in Schönenwegen betriebenen Bleicherei der H. Jgnaz Merhart'schen
Erben daselbst, barst am 23. August 1900 gegen Mittag ein im Gebrauche
befindlicher Bleichekessel infolge eines schon vorhandenen Bruches
unter dem Drucke des aus einem Dampfkessel eingeführten Dantpfes. Dabei
wurde der seit dem Monat Juni 1896 von Johann Häni als Bleichergehülse
angestellte Heinrich Tanner von Waldftatt von der aus dem Bleichekessel
ausströmenden heissen Lauge derart verbrüht, dass er am 26. August starb.

B. Wegen des Vorfalls wurde, ausser den amtlichen Erhebungen betreffend
die Vergütung des durch die Explosion verursachten Schadens an Gebäude
und Mobiliar und der administrativen Unsallunterfuchung, gegen Johann
Häni ein Strafverfahren eingeleitet wegen fahrlässiger Tötung und
wegen Übertretung der bundesrätlichen Verordnung betreffend Aufstellung
und Betrieb von Dampskesseln und Dampfgefässen, vom 16. Oktober 1897,
und der vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen am 4. März 1898 hierzu
erlassenen Vollziehungsverordnung Nachdem die Untersuchung durchgeführt
war, beschloss die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 30. Mai
1901 gemäss Antrag der Staatsanwaltschaft, es werde das gegen den
Beklagten wegen sahrlässiger Tötung (Erplosionsverurfachung) geführte
Strafver-fahren mangels strafrechtlichen Tatbestandes aufgehoben,
dagegen werde der Beklagte dem Bezirksgerichte Gossau überwiesen zur
Beurteilung gemäss Art. 1, 2 und 18 der bundesrätlichen Verordnung
betreffend Aufftellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgesässen
vom 16, Oktober 1897 und Art. 6 der bezüglichen

yon/m, 2. 1902 15

226 Givilrechtspflege.

kantonalen Verordnung vom 4. März 1898. Woraufhin das Bezirksgericht
Gossau am 24. Juni 1901 in Anwendung von auf, 1, 2 und 18 der
ssBundeBràtîickyen Dampfkesselverordnung und Art. 6 der bezüglichen
kantonalen Verordnung erkannte: 1. Beklagter ist wegen Nichtanmeldung
fraglicher Dampfgefässe gut Revision der Übertretung genannter Verordnung
schuldig erklärt und wird mit 20 Fr. gebüsst. 2. Kosten- In den am. 1 und
2 der angeführten bundesrätlichen Verordnung ist gejagt, welche Objekte,
Dampfkefsel und Dampfgefässe unter die Verordnung fallen, und in Art. 3
ist ausgesprochen, dass, sofern nichtsanderes verfügt fei, die in den
nachstehenden Artikeln für die Dampfkessel gegebenen Vorschriften auch für
die Dampfgefässe gelten. Art. 18 Abs. 1 der bundesrätlichen Verordnung
bestimmt: Sämtliche beständig oder auch nur zeitweise in Betrieb
befindlichen Dampfkessel sind jährlich mindestens zwei Untersuchungen,
einer äusserlichen und einer innerlichen, zu unterwerfen Art. 6 der
kantonalen Vollziehungsverordnung enthält die Strafandrohungen für
Nichtbefolgung der in den beiden Verordnungen aufgestellten Vorschriften

C. Der verunglückte Heinrich Tanner hinterliess eine Ehefrau Anna
geb. Hugentobler und vier Kinder Anna, Luise, Heinrich und Emilie· Der
Vormund der Witwe und der Kinder Tanner erhob gegen Johann Häni eine
Haftpflichtklage, worin die Bezahlung einer Entschädigung von 12,000
Fr., eventuell von 5000 Fr. samt 5 3/0 Verzugszins seit 11. Juli 1901
(Vorftand vor Vermittleramt) verlangt wurde. Der Beklagte schloss auf
Abweisung der Klage, soweit sie den Betrag von 5000 Fr. samt Zins seit
11. Juli 1901 übersteigt. Das Bezirksgericht Gofsauf sprach die Klage in
einem Betrage von 10,000 Fr. zu. Auf Appellation des Beklagten erkannte
das Kantonsgericht von St. Gatten unterm 19/20. März 1902, in teilweiser
Abänderung des erstinftanzlichen Urteils:

Die Klage ist im Betrage von 9000 Fr. samt 50/0 Zins seit 11. Juli 1901
bis zur Zahlung geschützt, im übrigen abgewieseth

D. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag : Es sei die Klage abzuweisen,
soweit sie den Betrag von 5000 Fr. samt Zins seit 11. Juli 1901
übersteigt.Ill. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 26. 227

Jm heutigen Vorstande wird dieser Antrag vom Anwalt des Berufungsklägers
wiederholt; eventuell sei ein Betrag von 7217 Fr. 50 Ctspzuzusprechem
Der Anwalt der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Streitig ist bloss das Mass der den Klägern zu leistenden
Entschädigung, und zwar bildet den Hauptstreitpunkt die Frage,
ob die Haftpflicht des Beklagten gemäss Art. 6 Abs. 2 des
Fabrikhaftpflichtgesetzes vom 25. Juni 1881 auf den Betrag des
sechsfachen Jahresverdienstes des Verunglückten, bezw. die Summe
von 6000 Fr. beschränkt sei, oder ob dieses Maximum keine Anwendung
finde, was nach Abs. 3 des nämlichen Artikels dann zutrifft, wenn
der Unfall durch eine strafrechtlich verfolgbare Handlung von Seite
des Betriebsunternehmers herbeigeführt worden ist. Die Klage erblickt
eine strafrechtlich verfolgbare Handlung des Beklagten im Sinne dieser
Bestimmung darin, dass derselbe es entgegen den bestehenden Vorschriften
unterlassen habe, das exprdierte Dampfgefäss zu regelmässiger amtlicher
Kontrolle anzumelden und sie beruft sich hiefür auf das Strafurteil des
Bezirksgerichts Gossau vom 24. Juni 1901. Der Beklagte erhebt in erster
Linie die Einrede, eine böse Absicht werde ihm von der Klägerschast selbst
nicht imputiert, es fehle aber auch der Tatbestand einer fahrlässigen
Verursachung der Explosion, weshalb die Strafklage wegen fahrlässiger
Tötung von der Anklagekammer ad acta. gelegt worden sei. Hier ist
zu bemerken: Der Beschluss der Anklagekammer des Kantons St. Gallen,
wodurch die Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung gegen den Beklagten
aufgehoben wurde, kann nicht einem Urteile, durch das derselbe von der
Anklage freigesprochen worden wiire, gleichgestellt werden. Derselbe
stellt sich lediglich als eine Verfügung der Untersuchungsbehörde dar,
durch welche die weitere Verfolgung des Strafansprurhes gehemmt wird,
und nicht als ein gerichtliches Urteil, durch das rechtskräftig über
das Bestehen oder Nichtbestehen eines Strafanspruches entschieden worden
ware. Wenn deshalb auch daran festgehalten wird, dass der Civilrichter,
der einen Anspruch aus dem Fabrikhaftpflichtgefetz zu beurteilen und
dabei zu entscheiden hat, ob das Maximum von Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes
nach Mitgabe von Abs. 3 in Wegfall komme, an ein Urteil des

228 Civilrechtspflege.

Strafrichters gebunden sei, durch das der Beklagte der ihm zur Last
gelegten ftrasbaren Handlung schuldig erklärt oder von der Anklage
freigesprochen worden ist (ng. Amti. Samml., Bd. XXII, S. 602, und
Bd. XXVI, 2. Teil, S. 174), so trifft dies hier mit Bezug auf die Anklage
wegen fahrlässiger Tötung deshalb nicht zu, weil man es eben nicht mit
einem gerichtlichen Urteil Über den Strafanspruch, sondern lediglich mit
einem Beschlusse der Anklagebehörde betreffend Aufhebung der Untersuchung
zu tun hat (s. hier Amtl. Samt-ab, Bd. XVI, S. 156). Es stünde deshalb an
sich nichts entgegen, dass der Civilrichter selbständig die Frage prüfen
würde, ob sich der Beklagte der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht
habe. Hieran braucht jedoch im vorliegenden Falle deshalb nicht näher
eingetreten zu werden, weil in anderer Richtung die Voraussetzungen als
vorhanden angenommen werden müssen, unter denen nach Art. 6 Abs. 3 des
Fabrikhaftpflichtgesetzes das in Abs. 2 Vorgesehene Maximum in Wegfall
kommt. Der Beklagte ist nämlich nicht nur wegen fahrlässiger Tòmng,
sondern auch wegen Missachtung von Vorschriften der Verordnung des
Bundesrates betreffend Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und
Dampfgefässen, vom 16. Oktober 1897, in Untersuchung gezogen, und
diese Untersuchung ist nicht aufgehoben worden, vielmehr führte sie
zu einem strafgerichtlichen Erkenntnis, durch das der Beklagte, weil
er die fraglichen Dampfgefässe nicht zu der vorgeschriebenen Revision
angemeldet hatte, der Übertretung genannter Verordnung schuldig befunden
und in Anwendung derselben und der st. gallischen Vollziehungsverordnung
dazu, in eine Busse verfällt wurde. Auf diese Vergebung stellt denn
auch die Klage einzig ab, wenn sie verlangt, dass bei der Festsetzung
der Entschädigung die in Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes aufgestellte
Schranke nicht berücksichtigt werde. Der Beklagte wendet hiegegen ein,
das Verschulden sei vorliegend nicht ein derartiges, dass-von einer
ftrasbaren Handlung gesprochen werden könne. Allein das Geses stellt
nicht auf die Art und den Grad des Verschuldens ab, sondern lässt die
unbeschränkte Hastbarkeit jedesmal dann eintreten, wenn der Unfall auf
eine strasbare Handlung des Betriebsunternehmers zurückzuführen ist. Unter
diesen Begriff fallen aber nicht nur solche Delikte, die sich wegen ihrer
Schwere als Verbrechen oder Vergehen im engeren Sinne "qualifizieren,
sondernLIL Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 28. 229

auch die leichteren Fälle strafbaren Unrechts, die sogenannten
Übertretungen, mag immerhin hier die Frage der Rechtswidrigkeii und
der Schuld sich etwas anders stellen, als dort (vgl. hier Amtl.
Samml., Bd. XVI, S. 116 und Urteil des Bundesgerichts in Sachen
Müller gegen Société anonyme de Filatures de Schappe und Sg. Munk, vom
5. Dezember 1900). Grundsätzlich kann sonach auch die Missachtung der
in der bundesrätlichen Verordnung vom 16. Oktober 1897 aufgestellten
Vorschriften, soweit dieselbe mit Strafe bedroht ist, dazu führen,
dass die Beschränkung der Haftpflicht des Betriebsunternehmers, wie
sie in Art. 6 Abs. 2 des Fabrikhaftpslichtgesetzes aufgestellt ist,
nicht Platz greift. Jin vorliegenden Falle hat sich in der Tat der
Beklagte einer solchen Übertretung schuldig gemacht. Es ist dies durch das
strafgerichtliche Erkenntnis des Bezirksgerichts Gossau vom 24. Juni 1901
festgestellt, und hieran ist der Civilrichter bei der Beantwortung der
Frage, ob eine strafbare Handlung vorliege, wie das Bundesgericht in den
bereits erwähnten Fällen ausgeführt hat, ohne weiteres gebunden. Dagegen
ist allerdings durch das sirafgerichtliche Erkenntnis eine Beziehung
des firafbaren Verhaltens des Beklagten zu dem Unfall nicht hergestellt
Jn dieser Richtung ist dem Urteile des Civilrichters, der über einen
Haftpflichtanspruch an den Betriebsunternehmer zu entscheiden hat,
durch das Straferkenntnis nicht präjudiziert, und es hat derselbe frei zu
prüfen, ob der nach dem Gesetze erforderliche Kausalzusammenhang zwischen
der strafbaren Handlung und dem Unfall bestehe. Die Vorinsianz nimmt
diesen Zusammenhang als gegeben an, mit folgender Begründung: Es könne
nicht eingewendet werden, dass die Nichtanmeldung des Dampfgefässes,
weil eine blosse Unterlassung, keine aktive Handlung, den eingetretenen
Erfolg nicht verursachen konnte. Der Betriebsunternehmer sei nicht nur
pflichtig, selbst drohende Gefahr abzuwenden, sondern auch pflichtig,
die auf die Erkenntnis und die Abwendung von Gefahren aus dem Betrieb von
Dampfkesseln gerichtete Tätigkeit der Prüfungsbeamten zu veranlassen.
Da nun nach dem Gutachten des technischen Erperten Simka angenommen
werden müsse, dass eine sachgemässe periodische Rersion die Fehler und
Desekte des Kessels rechtzeitig hätte erkennen lassen, und da laut einem
Nachtrag desselben (experten nur die Gewissheit ausgeschlossen sei,
dass der Bektagte und seine Arbeiter

230 Civilrechtspflege.

(im Gegensatz zu den Prüfungsbeamten) den Bruch am Dampfgefäss rechtzeitig
wahrnehmen konnten, so habe der Beklagte durch Nichtanmeldung der
Dampfgefässe zur periodischen Revision die im normalen Laus der Dinge mit
Sicherheit zu erwartende Abwendung der Gefahr vermittelst der amtlichen
Prüfung und der damit in Zusammenhang stehenden Sicherungsmassnahmen
geradezu verhindert. Daher habe der Beklagte durch sein Verhalten eine
Ursache zum eingetretenen Erfolge gesetzt. Diese Ausführungen sind,
soweit sie tatsächlicher Natur sind oder tatsächliche Schlussfolgerungen
enthalten, für das Bundesgericht ohne weiteres verbindlich, da sie mit den
Akten nicht im Widerspruch stehen. Muss aber als feststehend angenommen
werden, dass das Gefäss aller Voraussicht nach nicht gesprungen mère,
wenn der Beklagte getan hatte, was zu tun in seiner Pflicht lag, so kann
auch der rechtliche Schluss, es habe derselbe durch sein Verhalten den
Unfall herbeigeführt, und es seien somit die sämtlichen Voraussetzungen
des am. 6 Abs. 3 des Fabrikhaftpslichtgesetzes vorhanden, nicht abgelehnt
werden. Objektiv betrachtet hat die pflichtwidrige Nachlässigkeit
des Beklagten bewirkt, dass die vorhandenen Fehler am Kessel nicht
entdeckt wurden, was nach der Erpertise hätte der Fall sein müssen,
wenn die Untersuchung veranlasst worden wäre; und es stellt sich
dieselbe somit nicht nur als eine, sondern geradezu als die Ursache
des Unfalles im Sinne des Gesetzes dar. Damit ist gegeben, dass der
Richter bei der Schadensarbitrierung an das Maximum von Art. 6 Abs. 2
des Fabrikhastpflichtgesetzes nicht gebunden ist.

2. Die Vorinstanz bestimmt das Jahreseinkommen des Verungliickten auf
1200 Fr., was Lin keiner Weise als aktenwidrig erscheint. Sie nimmt
sodann an, dass derselbe etwa die Hälfte davon auf seine Familie zu
verwenden verpflichtet und in der Lage war, und dass nach Aufhören der
Alimentationspflicht gegenüber den Kindern die Witwe das Recht ans einen
Drittel des Jahreseinkommens gehabt hatte. Diese Annahmen lehnen sich an
die Ansätze an, welche die Praxis für die Wertung der Alimentationspflicht
in ähnlichen Fällen aufgestellt hat (s. Amil. Sammlung, Bd. XIV, S. 80
und 266, und Bd. XXII, S. 607). Im vorliegenden Falle sind dieselben nach
den bestehenden Verhältnissen jedenfalls nicht zu hoch, sondern eher zu
niedrig. Die KinderIII. Haflpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N°
%. 231'

waren 5, 4, Z und 11/2 Jahre alt; die Alimentationspflicht Hauer-te, wie
die Vorinstanz annimmt, bis zum 16. Altersjahr, also durchschnittlich
noch etwa 121/g Jahre. Eine so lange zahlBare Rente von 600 Fr. würde,
wie die Vorinstanz richtig ausssrechnet, etwas über 6000 Fr. kosten. Da
die Ehesrau älter warals ihr verstorbener Ehemann, nämlich 29 Jahre alt,
so ist die ihr allein zukommende Rente mit Recht auf ihr Alter berechnet
worden und zwar auf 6226 Fr. Dabei wurde aber nicht berücksichtigt,
dass das Rentenkapital jetzt schon ganz zur Auszahlung gelangt. Es
wäre daher dieser Posten entsprechend herabzusetzen Anderseits geht
aber die Vorinstanz darin zu weit, dass sie 20 0/0 sür Vorteile der
Kapitalabfindung abzieht. Denn es ist klar, dass unter den obwaltenden
Verhältnissen die Entschädigungssumme nicht in einem Geschäfte wird
angelegt werden können, und deshalb nicht mehr als den Geldzins
abwerfen wird; bei den Altersverhältnissen der Ehegatten fällt ferner
das Moment, dass der Verunglückte am Ende der mutmasslichen Lebensdauer
wahrscheinlich nicht mehr voll arbeitsfähig gewesen wäre, nicht oder
doch weniger in Betracht, als gewöhnlich. Was unter diesem Titel von
der Vorinstanz zu viel abgezogen wurde, wiegt jedenfalls den Diskonto
des auf die Witwe allein entfallenden Kapitals vollständig auf, so dass
die Festsetzung des daherigen Schadensbetrages aus 9849 Fr. 50 Ets. nicht
als zu hoch erscheint. Dazu kommen die Kosten der versuchten Heilung und
der Beerdigung mit 50 Fr. 50 Cis während anderseits anerkanntermassen
eine Abzahlung von 700 Fr. geleistet worden ist. Die Vorinstanz hat unter
Berücksichtigung dieser Posten die Restforderung auf 9000 Fr. festgesetzt,
womit sie jedenfalls nicht über das hinausgegangen ist, was den Klägern
nach dem Gesetze zukommt. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird verworfen Und das angesochtene Urteil des
Kantonsgerichts von St. Gatten vom 19.X20. März 1902 in allen Teilen
bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 28 II 225
Datum : 11. Juni 1902
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 28 II 225
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 224 Civilrechtspflege. Vornehmen lassen würde, wenn er sich für den Schaden nicht


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • vorinstanz • frage • weiler • maximum • witwe • anklage • anklagekammer • zins • verhalten • strafbare handlung • kantonsgericht • strafgericht • entscheid • ehegatte • explosion • schaden • beendigung • gefahr • sammlung • kapitalabfindung • sachverhalt • unternehmung • benutzung • sankt gallen • zahlung • sachverständiger • privatrechtliche haftung • examinator • richterliche behörde • arbeitnehmer • begründung des entscheids • berechnung • verordnung • kantonales rechtsmittel • beurteilung • änderung • ausgabe • bewilligung oder genehmigung • sprache • kausalzusammenhang • funktion • richtigkeit • monat • busse • schmerz • druck • vormund • vorteil • familie • stelle • grad des verschuldens • mass • regierungsrat • bundesrat • vorstand • verzugszins • erbe
... Nicht alle anzeigen