272 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

auch nicht von einem Prozessgewinn im Sinne des Art. 250 des
V.-G. gesprochen werden. Das Gesetz unterscheidet denn auch im
Gebührentaris ausdrücklich zwischen dem Beschwerdeverfahren vor den
Aufsichtsbehörden und dem Prozessverfahren vorden Gerichten, indem
es im erstern keinen Ersatz von Parteikosien vorsieht, wohl aber im
letztern. Siehe die Abschnitte 7 und 8 des Tarifs zum B.-G.

III. In einem Returse an das Bundesgericht beantragten Gebrüder Meyer
und C. Hausherr: Das Betreibungsamt Mellingen sei anzuweisen, den
Kollokationsplan in den Betrettreibungssachen gegen Johann Kösser in der
Weise abzuändern, dass der aus die Vindikationsansprache des J. Köffer
entfallende Wert von cirea 2500 Fr. in erster Linie zur vollen Deckung der
Ansprachen der Meyer sowie der Betreibungsund Prozesskosten von 57 Fr. 15
Cts. verwendet wird und nur der Rest den übrigen Gläubigern zugeteilt
wird. Es wird angebracht: Man habe es im Grunde mit einer Vindikation
gewisser Vermögenswerte durch den Gemeinschuldner als unpsändbares
Eigentum zu tun, mit einem Kollotationsstreit, der allerdings nicht im
ordentlichen Prozesse, sondern im Beschwerdeversahren erledigt wurde. an
einem solchen Falle müsse Art. 250 des Betreibungsgesetzes analog zur
Anwendung kommen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Es handelte sich bei der Frage, ob die gepfändeten Objekte aus der
Pfändung zu entlassen seien, weder um eine Vindikation seitens des
Schuldners, noch um einen Kollotationsstreit, sondern lediglich datum, ob
dieselben gemäss Art. 92 Ziff. 10 des Betretbungsgesetzes unpfändbar seien
oder nicht, was im Beschwerdeverfahrenszu erledigen war und tatsächlich
erledigt worden ist. Dass nur einzelne der pfändenden Gläubiger, darunter
die Retturenten, sich an dem Beschwerdeverfahren beteiligten, hat nicht
zur Folge, dass diesen ein Vorrecht aus den Erlös der Gegenstände erwuchs,
die entgegen der Verfügung des Betreibungsamtes vom 12. Februar 1900
nach dem rechtskräftigen Entscheide der kaumnalen Aufsichtsbehörde vom
11. Mai 1901 als pfändbar erklärt wurden. Dieser Entscheid hatte vielmehr
die Wirkung, dass dieund Konkurskammer, N° 66. 273

Pfändung in dem darin angegebenen Umfange aufrecht blieb und
zwar zu Gunsten sämtlicher Gläubiger, die an der ursprünglichen
Pfändnng teilgenommen hatten. Für eine analoge Anwendung der für
Kollokationsstreitigkeiten in Art. 250 Abs. 3 aufgestellten singulären
Bestimmung, dass der Prozessgewinn in erster Linie den bestreitenden
Gläubigern zuzuweisen sei, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt,
und der Natur der Sache entspräche seine solche Anwendung keineswegs,
wofür auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz, sowie auf die
Motive des bundesgerichtlichen Entscheides in Sachen der Allgemeinen
Aargauischen Ersparnis-fasse, vom 22. Juni 1897 (Amtl. Samml., Bd. XXIII,
1. Teil, Seite 973 f.), verwiesen werden farm. Vollends unbezgründet
ist das Begehren, dass auch die Kostenforderung der Rekurrenten bei der
Kollokation und Verteilung zu berücksichtigen sei, da ja diese Forderung
gar nicht in Betreibnng lag. Demnach hat die Schuldbetreibungs und
Konkurskammer erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

f'öö. Entscheid vom 14. Juli 1902 in Sachen Minder.

Fortsetzung der Betreibung (auf Pfà'naîezng). Von wem ist die Frage
zu. entscheiden, ob eine Aberkennungsklage im Sin-ne des Art. 83 sen-.u.
,K.-Ges. geîltig eingereicht sei, vom Betree'bungsbeamten oder vom
Richter ?

I. Der Rekurrent Minder hatte für einen Betrag von 14,797 Fr. 64 Cis
nebst Zins abzüglich 13 Fr. 90 Ets. Betreibungskosten gegenüber den von
ihm betriebenen Josef Bucher und Anton Thalmann unterm 14. März 1902
die provisorische Rechtsöfsnung erwirkt. Als er daraus die Vornahme
der definitiven Pfändung verlangte, widersetzten sich die Betriebenen
diesem Begehren itnit der Behauptung, sie hätten eine Aberkennungsklage
eingereicht. Der Gläubiger Minder machte dem gegenüber geltend, die
eingereichte Klage genüge den Requisiten einer Aberkennungsklage im
Sinne von Art. 83 Abs. 2 Betr.-Ges. aus dem doppelten

274 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

Grunde nicht, weil statt der betriebenen Schuldner eine dritte
Partei, nämlich die V. Sektion der Jlfiskorrektion, vertreten durch
ihren Präsidenten J. Bucher und ihren Kassier A. Thalmann (die beiden
Betriebenen), klagend austrete, und weil ferner die Klage nicht innert der
gesetzlichen 101ägigen Frist des Art. 83 Abs. 2 cit. eingelegt worden sei.

II. Der Gerichtspräsident von Escholzmatt entschied als untere
Aufsichtsbehörde dahin, es sei die Vornahme der provisorischen, nicht
aber der definitiven Pfändung gestattet. Minder rekurrierte hiegegen
an die kantonale Aufsichtsbehörde-mit dem Begehren um. Anordnung der
definitiven Pfändung Er wurde laut Entscheid vom 20. Juni 1902 abgewiesen,
im wesentlichen aus dem (Stunde, weil die Frage, ob die Einreichung
der Aberkennungsklage in richtiger Form und innert nützlicher Frist
stattgefunden habe, sich als eine vom Civilrichter zu erledigende Frage
des Prozessrechtes darstelle, wie denn auch die bezüglichen Einreden
bereits vor Bezirksgericht Escholzmatt zum Gegenstand eines Vorverfahrens
gemacht worden seien.

III. Gegen diesen Entscheid rekurrierte Minder rechtzeitig
unterErneuerung seines Beschwerdeantrages an das Bundesgericht, indem
er des Längern ausführte, die entscheidende Frage sei, ob man es mit
einer Aberkennungsklage im Sinne des Betreibungsgesetzes zu tun habe,
und sie müsse in die Kompetenz der Aufsichtsbehörden fallen und im Sinne
der Rekurrenten gelöst werden.

Die kantonale Aufsichtsbehörde erklärt, sich zu Gegenbemerkungen nicht
veranlasst zu sehen.

Die Schuldbeireibungsund Konkurskammer zieht in Erwägung: _

Das Begehren des Rekurrenten um Anordnung der definitiv en Pfändung
erscheint nach Art. 83 Betr.-Ges. begründet, sobald feststeht,
dass die Rekursopponenten es unterlassen haben, binnen zehn Tagen
seit der Rechtsöfsnung aus Aberkennung derbetriebenen Forderung zu
klagen. Die Frage nun, wer zu einer rechtsverbindlichen Prüfung und
Entscheidung dieses Gürden gesetzlichen Vollng der definitiven Pfändung
präjndiziellen)s Punktes zuständig sei, ob das Betreibungsami bezw. die
ihm vorgesetzten Aufsichtsbehörden oder die gerichtlichen Organe,
denen nach kantonaler Vorschrift die Behandlung der Aberkennungs-und
Konkurskammer. N° 66. 275

prozesse obliegt, ist mit dem Vorentscheide im Sinne der letztern
Alternative zu beantworten: Das auf Aberkennung der Forderung im Sinne
des Art. 83 gerichtete Verfahren spielt sich von Anfang an und durch alle
spätern Stadien-ausschliesslich vor dem Gerichte ab. Demgemäss müssen
der Regel nad), sofern nicht etwa die Verwirkung der Frist unzweifelhaft
aus der Hand liegt, die gerichtlichen Organe zuständig sein, neben der
Frage der materiellen Begründetheit einer eingereichten Aberkennungsklage
auch darüber zu entscheiden, ob dieselbe rechtzeitig eingereicht sei
und ob sie sich wirklich als Aberkennungsklage qualifiziere. Dass es
sich hiebei um Punkte handelt, die, wenigstens teilweise, nach dem
Betreibungsgesetze zu beurteilen sind, ist keineswegs (wie Rekurrent
glaubt) von Belangz denn noch viele andere Vorschriften dieses Gesetzes
wenden sich nicht an die Betreibnngsbehörden, sondern an die Gerichte
oder andere Amtsstellen (z. B. Art. 250 u. 271 ff.). Hienach darf also
das Betreibungsamt, sobald der Betriebene in einer nicht zum vornherein
unglaubwürdigen Weise geltend macht, er habe rechtzeitig auf Aberkennung
der Forderung geklagt, nicht definitiv pfänden bezw. die vollzogene
provisorischePfändnng als definitive behandeln; sondern es ist zu
diesen Massnahmen erst befugt, nachdem ihm ein Urteil oder eine nach
Fantonalem Prozessrechte gültige Bescheinigung der zuständigen Gerichts-
stelle darüber Gewissheit verschafft hat, dass die Voraussetzungen für
die rechts-wirksame Einreichung einer Aberkennungsklage vom Betriebenen
nicht erfüllt worden sind.

Der Fall der Erhebung des Rechtsvorschlages, auf den Rekurrent zur
Unterstützung seiner Ansicht verweist, bietet für den hier vorliegenden
keine zutreffende Analogie dar, da er sich von diesem gerade in dem
für die streitige Frage wesentlichsten Punkte unterscheidet: das
Rechtsvorschlagsverfahren findet nämlich vor den Betreibungsbehörden
selbst statt und deshalb steht ihnen die materielle Prüfung über die
Gültigkeit und Rechtswirksamkeit der bezüglichen Parteierklärungen zu.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Reknrs wird abgewiesen-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 28 I 273
Datum : 14. Juli 1902
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 28 I 273
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 272 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-- auch nicht von einem Prozessgewinn


Stichwortregister
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