190 I. Entscheidungen der Schuldhetreibungs-

II. Die kantonale Aufsichtsbehörde erklärte den Rekurs unterm 29. Januar
1902 für begründet, von der Erwägung ausgehend, es sei glaubhaft
erhoben, dass die Schuldnerin zum Unterhalte ihrer Familie sowohl den
Seidenwebereials den Näheriiinenbernf, d. h. beide Berufe nebeneinander
oder doch wenigstens abwechselnd betreiben fmüss e.

III. Diesen Entscheid zog der Gläubiger Hüppi rechtzeitig unter
Erneuerung des gestellten Begehrens an das Bundesgericht weiter.
Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Nicht gehört werden kann vorerst die Behauptung des Rekrurenten, die
betriebene Schuldnerin gebrauche die fragliche Nähmaschine nicht zu
Näharbeiten für Dritte und es fehle ihr an den erforderlichen Kenntnissen
zu einer solchen berufsmässigen Ausübung der Schneiderei. Die Vorinstanz
stellt das Gegenteil in einer keineswegs aktenwidrigen und deshalb
für das Bundesgericht verbindlichen Weise fest, indem sie erklärt,
dass Frau Kuster zum Unter-halt ihrer Familie neben ihrem Beruf als
Seidenweberin abwechselnd auch den Näherinnnenberuf ausübe. Wenn
sodann Rekurrent geltend macht, das Bundesgericht habe in seinem
Entscheide in Sachen Karrer (Archiv V, Nr. 114) eine Nähmaschine mit
der Begründung als unpfändbar erklärt, dass die betreffende Hausfrau,
wenn nicht berufsmässig, so doch regelmässtg sich mit Näharbeiten für
Dritte beschäftige, so steht dies in Wirklichkeit dem dorinstanzlichen
Entscheide nicht entgegen. Allerdings ist die betriebene Schuldnerin nicht
kontinuierlich als Näherin beschäftigt, sondern nur abwechslungsroeise,
nämlich dann, wenn sie als Seidenweberin keine oder nur ungenügend-:
Beschäftigung finder. Aber letzteres ist eben nach den obwaltenden
Verhältnissen in ständig wiederkehrender Weise der Fall, und zwar
sieht sich die Schuldner-in alsdann ausschliesslich auf solche
Näharbeiten angewiesen, um sich und ihre Kinder erhalten zu können. Sie
übt dann die Nähterei als wirklichen Beruf und nicht als blossen
Nebenoerdienst aus. Für einen Fall solcher Art will aber das angeführte
bundesgerichtliche Erkenntnis das Kompetenzprivileg nicht ausgeschlossen
wissen. Dazu kommt noch, dass die Maschine der betriebenen Schuldnerin,
welch' letztere für Bekleidung einer

und Konkurskammer. N° 44. 191

zahlreichen Familie zu sorgen hat, im Haus-halte die grössten, wohl kaum
zu vermissenden Dienste leistet. Demnach hat die Schuldbetreibungs und
Konkurskatnmer erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

44. Entscheid, vom 18. April 1901 in Sachen Suter.

Betreibung gegen eine Ehefrau. Zustellung der Betreibungsarkueeden.
Art. 47 und 64 Schssu. K.-Ges. Wohnsitz des Vertreters (Art. 3
B.-G. bet-r. die civilrecsihtl. Verh. der N. M. A.).

I. Der Ehemann der Rekurrentin Suter war von der Firma Kramer &
Siegfried in Zürich für eine Forderung von 38 Fr. aus Lieferung
von Wein betrieben worden was, wie es scheint, zur Ansstellung eines
Verlustscheines führte. Am N. Februar 1901 verpflichtete sich Frau Suter
der glänbigerischen Firma gegenüber schriftlich, die erwähnte Forderung
in monatlichen Raten von 5 Fr. zu bezahlen, und am 12, Juli 1901 gab
sie die Erklärung ab, sie Wer-kenne die Forderung in vollem Umfange
Und übernehme die Kosten. Kramer & Siegfried hoben gegen sie Betruhung
an. Sie schlug Recht vor, anerkannte ihre Zahlungspslicht nachher aber
neuerdings vor dem Friedens-richten

Unterm 16. Oktober 1901 bestritt Frau Suter auf dem Beschwerdewege die
Rechtsgültigkeit sowohl der Schuldanerkennung vor Friedensrichteramt als
der Betreibung, letzteres mit der Begründung, dass die Betreibungsurkunden
entgegen Art. 47 B.-G. und g 589 des zürcherischen privatrechtlichen
Gesetzbuches nicht ihrem Ehemanne als ihrem gesetzlichen Vertreter
zugestellt worden seien.

II. Die untere Aufsichtsbehörde führte in ihrem die Beschwerde
gutheiszenden Entscheide aus: Aus den Akten ergehe sich, dass auf keiner
der Betreibungsnrkunden der Name des Ehemannes Suter figuriere und dass
diese Urkunden nicht dem letztern zugestellt worden seien. Es wäre Sache
nicht des Betreibungsamtes, sondern

192 I. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

der betreibenden Firma gewesen, sich zu vergetoissern, ob Frau Suter einen
gesetzlichen Vertreter habe, und die Gläubigerschaft trage selbst die
Schuld, wenn nun das ganze bisherige Verfahren ungültig erklärt werden
müsse. In letzterer Beziehung werde aus Jäger-, Kommentar, Noten 4 und
5 zu Art. 47 B.-G. verwiesen.

III. Gegen dieses Erkenntnis rekurrierten Kramer & Siegfried an die
kantonale Aufsichtsbehörde, welche den Rekurs am 27. Dezember 1901 für
begründet erklärte und die Fortsetzung der Betreibung anordnete. Dieser
Entscheid ist wie folgt motiviert:

Aus der Darstellung der Frau Suter ergebe sich, dass ihr Ehemann
seinerzeit sich geweigert habe, den Zahlungsbesehl entgegenzunehmen, weil
derselbe auf den Namen der Frau Suter laute. Einen bestimmten Aufenthalt
soll Suter schon seit der Baukrisis nicht mehr gehabt, sich Vielmehr
Arbeit suchend in der ganzen Schweiz herumgetrieben haben, ohne sich
dauernd irgendwo niederzulassen und seine Ausweisschristen zu deponieren
Nur von Zeit zu Zeit und ganz vorübergehend sei er nach Hause gekommen
und. habe dann jeweilen von den einzelnen Betreibungsakten erfahren,
stets aber erklärt, das habe keinen Wert. Die gegenwärtige Adresse des
Suter sei seiner Frau nicht bekannt. Zwei Empfangsbescheinigungen, die
Mitteilung des Verwertungsbegehrens und die Steigerungsanzeige betreffend,
habe in Abwesenheit der Frau Suter deren Knabe Martin unterschrieben.

Unter diesen Umständen, führt der Entscheid sodann aus, könne die
Tatsache, dass nicht alle Betreibungsurkunden dem Wein-ann Suter
als dem gesetzlichen Vormund seiner Frau zugestelit worden seieu,
die Betreibung nicht nichtig machen, denn es sei dein Betreibnngsamt
gar nicht möglich gewesen, diese Zustellung vorzunehmen, und es sei
ihm schlechterdings nichts anderes übrig geblieben, als die einzelnen
Betreibungsurkunden einfach im Hause der Betriebenen abzugeben und sich
den Empfang von denjenigen Personen bescheinigen zu lassen, in deren
Hände sie gelegt werden mussten. Es wäre eine zu enge Auslegung des
Art. 47 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, wollte man
die Gültigkeit einer Betreibung davon abhängig machen, dass die Urkunden
unter allen Umständen dem gesetzlichen Vertreter detbetriebenen Person
direkt und unmittelbar in die Hand-gelegt und Konkurskammer. N° 44. 193

werden müssten. Zin übrigen habe im gegenwärtigen Fall, wie aus der
Darstellung der Rekursgegnerin selbst hervorgehe, der Ehemann Suter von
den einzelnen Betreibnngshandlungen jeweilen Mitteilung erhalten und sei
die Frau jedenfalls censiert gewesen, an Stelle des unbekannt abwesenden
Mannes die Urkunden entgegenzunehmen.

IV. Gegen diesen Entscheid rekurrierte Frau Suter rechtzeitig an das
Bundesgericht mit dem Begehren, ihn aufzuheben und das erstinstanzliche
Erkenntnis zu bestätigen.

Die Schuldbetreibnngsund Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Bei der Betreibung eines Schuldners, der einen gesetzlichen Vertreter
hat, muss freilich verlangt werden, dass die Betreibungsurku nd en
nicht nur den Namen des Schuldners, sondern auch seines Vertreters
angeben, damit die in der Sache funktionierenden Behörden und die dabei
beteiligten Parteien aus den Urkunden selbst entnehmen können, dass es
sich um eine Betreibung im Sinne von Art. 47 B.-G. handelt (Ugl. auch
Jäger, Kommentar, Art. 47, Note 4, S 53 unten). Wie aus der Motivierung
des erstinstanzlichen Erkenntnisses hervorgeht, scheint Rekurrentin auch
mit Grund geltend zu machen, dass tatsächlich dem genannten Erfordernisse
hier nicht Genüge geleistet worden sei. Indessen vermag dies allein
nicht die Ungültigkeit der Betreibung nach sich zu ziehen, da es sich
hiebei nur um Verletzung einer Ordnungsvorschrift handeln kann. Die
Rechtsbeständigkeit der Betreibung wäre vielmehr erst dann zu verneinen,
wenn der Zustellungsakt nicht, weder direkt noch indirekt, gegenüber dem
Vertreter als solchem, sondern gegenüber dem Vertretenen als beiriebenem
Schuldner persönlich stattgefunden hätte. In diesem Falle nimmt in
der Tat die bundesgerichtliche Praxis absolute, durch Zeitablauf nicht
heilbare Richtigkeit des Betreibungsversahrens an (vgl. z. B. Entscheid
in Sachen Ricklin, Amis. Sammlung, Separatausgabe IV, Nr. 7, S. 24°).

2. Dergestalt liegen aber die Verhältnisse in casu nicht. Die Zustellung
der Betreibungsurkunden wurde vielmehr vom Betretbungsamte mit der
Absicht vollzogen, dass der Ehemann der Re-

* A. s. XXVH, e, No 17, s. ... ff.

194 I. Entscheidungen der Schuldhetreihungs-

kurrentin als Destinatär der Urkunden zu gelten habe. Dies geht schon
aus der aktenmässig feststehenden Tatsache hervor, dass Suter die
Annahme des Zahlungsbefehles verweigerte, welche Weigerung übrigens die
Rechtswirkungen einer gültigen Anlegung des Befehles nicht zu verhindern
vermochte (vgl. Archiv IV, Nr. 27). Allerdings war es dem Amte nicht
möglich, die nachherigen Vetreibungsurkunden Suter persönlich zur
Entgegennahme anzubieten, da derselbe von Zürich abwesend war. Dagegen
konnte alsdann nach Art. 64 B.-G. die Zustellung zu Handen Suters an seine
Frau gültig geschehen; sie hat denn auch in diesem Sinne tatsächlich
stattgefunden und Suter bei seiner jeweiligen Rückkehr davon Kenntnis
erhalten. Gegen dieses Vorgehen lässt sich nicht einwenden, es habe
die Zuftellung im Falle des Art. 47 B.-G. notwendig an den Vertretenen
persönlich zu erfolgen und der in Art. 64 cit. zum Ausdruck gelangte,
durch praktische Rücksichten gerechtfertigte Satz, wonach eine Zufiellung
auch an bestimmte Drittpersonen zu Handen des Destinatärs möglich isf,
dürfe hier keine Geltung mehr beanspruchen Weder der Wortlaut noch der
Inhalt und Zweck des Art. 47 vermögen eine solche enge, die Anwendbarkeit
von am. 64 einschränkende Auslegung zu begr.-finden. Ebensowenig kann der
Umstand ins Gewicht fallen, dass Frau Suter als mit der Entgegennahme und
Übermittlung der Urkunden betraute Person zugleich betriebene Schuldnerin
war (vgl. Jäger, Kommentar, Art. 64, Note 7).

Auch insoweit entsprechen die fraglichen Zustellungsakte dem Art. 47
B.-G., als sie am Wohnsitz des gesetzlichen Vertreters erfolgten. Freilich
hielt sich Suter zur Zeit dieser Betreibungshandlungen nicht regelmässig
in Zürich auf, sondern trieb sich, wie die Vorinstanz erklärt, nach Arbeit
suchend in der ganzen Schweiz herum. Dass er damit sein zürcherisches
Domizil aufgegeben habe, lässt sich indessen nicht sagen. Seine Familie
hatte er in Zürich in der bisherigen Wohnung gelassen und kehrte jeweils
wieder zu ihr zurück. Nitgends anderswo hat er Niederlassung genommen oder
auch nur die Ausweisschristen deponiert. Sein zürcherischer Wohnsitz muss
bei dieser Sachlage als fortdauernd angesehen werden (vgl. auch am. 3
Abs. 3 des Bundesgesetzes betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse
der Niedergelasse-und Konkurskammer. N° 45. · 195

nen und Aufenthalter). Hiemit verliert auch die Behauptung der
Reknrrentin, es hätte zur Ediktalznstellung nach am. 66 Abs. 4
B.-G. geschritten werden sollen, ihre Bedeutung, da sich nach dem Gesagten
von einem unbekannten Wohnsitze Suters nicht sprechen lässt.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konknrskammer

erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.

45. A-rrét du 18 avril 1902, dans la cause Banque fédémle (S. A.).

Mode de poursuite. Art. 831, 40 LPF. Poursuite par voie de saisie,
contraire à la loi. Elle ne peut pas etre annulée, une fois que les hiens
saisis sont réalisés et leur produit versé aux creanciers saisissants.

I. Charles Henri Golay e été inscrit au registre du commerce da disk-riet
de Morges, le 4 avril 1883, comme chef de la reisen C.-H. Golay, dont
le siege était à Etoy, au district de Morges. '

().-H. Golay, en sa qualité d'associé indéfiniment responsable de
la. Société Golay, Decoliogny & Cie, à Apples, était d'aiiieurs inseer
auxegistre du commerce du disk-riet d'Aubonne.

L'inscription au registre de Morges & été radiée le 16 juin 1901 sur
réquisition du titulaire.

En 1901, I'office des poursuites de Morges a dirige des poursuites contre
().-H. Golay et a procédé le 20 novembre 1901 à une première réalisation,
qui & produit 962 fr. 45 G., et le 27 dit à une seconde réalisasition,
qui e produit 1906 fr. 30 c., sommes qui ont servi à. payer les créanciers
saisissants.

Le 26 décembre 1901, la Banque federal-e (S. A.), à Lausanne, estimant
que l'office avait procédé irrégulièrement en agissant par voie de saisie
contre (Z. H. Goiay, aporté plainte
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 28 I 191
Datum : 01. Januar 1902
Publiziert : 31. Dezember 1903
Quelle : Bundesgericht
Status : 28 I 191
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 190 I. Entscheidungen der Schuldhetreibungs- II. Die kantonale Aufsichtsbehörde


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • gesetzliche vertretung • betreibungsurkunde • schuldner • familie • not • nichtigkeit • wein • vorinstanz • archiv • empfang • stelle • bescheinigung • ehegatte • zahlungsbefehl • verwertungsbegehren • begründung des entscheids • unternehmung • angabe • niederlassungsbewilligung
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