454 Civilrechtspflege.

9. Urteil vom 23. Februar 1901 in Sachen Bernhard gegen Haymann.

Gession. Gamatieverspreclzen des Cedessten. Die See-Zion der aus dem
Garantieverspreolwn entstehenden Forderng des Gessianars ist

' gültig, Art. 183 ().-R. Berlinng Gnmnt-ieversprechen? Verwirkung
der Gewdkrleiswngspfliché des Cede-Men wegen nicht rechtzeitiger
Seltenes-Meldungder Forderung (ranging Art. 502 Oss-R.) ?

A. Durch Urteil vom 11. Dezember 1900 hat die I. Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons game; erkannt:

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger 6000 Fr. nebst Zins zu 5 Ja seit
15. August 1900 zu bezahlen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag: Dasselbe sei aufzuheben und demgemäss die
Forderung des Klägers und Berufungsbeklagten im Betrage von 6000
Fr. nebst Zins als unbegründet abzuweisen, eventuell seien die Akten
zur Vervollständigung an die kantonale Instanz zurückzuweisen.

Jn der heutigen Hauptverhandlung beantragt der Anwalt des Beklagten
Gutheissung der Berufung. Der Anwalt des Klägers beantragt, dieselbe
abzuweisen und das augefochtene Urteil in allen Teilen zu bestätigen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Laut Kaufschnldbrief, gefertigt den 14. Februar 1895, anerkannte Karl
Böhler in Zürich dem Hermann Streicher daselbst infolge am gleichen Tag
abgeschlossenen Kaufes die Summe von 10,000 Fr. schuldig geworden zu
sein, verzinslich alljährlich auf den 15. Februar zu 40/0, und abzuzahlen
auf eine dem Gläubiger nach Ablauf von vier Jahren täglich sreistehende
halbjähriiche Kündigung. Diesen Kaufschnldbrief übergab der Beklagte Alois
Bernhard am 8. Juli 1895 dem Friedrich Leber von Thiengen anlässlich eines
mit demselben abgeschlossenen LiegenschaftsLaufes-, und erklärte dabei,
er garantierte für den Brief, für 6000 Fr. bis zur Kündigungsfrist des
Briefes laut Protokoll Leber verpflichtete sich, Bei nicht piinktlichee
Verzinsung des Brie-III. Obligationenrecht. N° 9. 85

fes sofort für das ganze Kapital amt ins Betre'T ' heben und Hm. Bernhard
sofort hsievonZzu verstätsxixkg.ianäli:i 12. Juli 1895 stellte Bernhard
dem F. Leber überdies noe! folgenden Garantieschein aus: Lant Kaufvertrag
vom 8 Juli eis. garantiere ich dem Hm F. Leber für den ihm verkauft-en
Ochuldbrief per 10,000 Fr. auf Haus Nr. 832 Assekuran en Schuldner
Böhler bis auf den Betrag von 6000 Fr.gemäss Eva- halt des Protokoll
. Im gleichen Monat cedierte Leber den Kaktf4 schuldbrief weiter
an B. Haymann (den Kläger) und Max WeilAm 18. Februar 1899 kündigten
sodann Haymann und Weil dem Karl Böhler das Kapital von 10,000 Fr. auf
den 18 August 1899, und leiteten am 13. November Betreibung gegen ihn
ein. Bei der betreibungsrechtlichen Verwertung kam der Schuld{mes samt
Zins gänzlich zu Verlust, und der Kläger erhielt am 15. Juni 1900 einen
Psandausfallschein für die Summe von 10,?)l7 Fr. 65 Ets. Daraufhin
leitete der Klägey gestützt auf den erwähnten Garantieschein, gegen
den Vetlagten die gegenwarnge Klage aus Bezahlung von 6000 Fr. nebst
Zins ein Der Beklagte wendete ein: Die von ihm geleistete Garantie qm;
liftztere sich als Bürgschaft, und es komme deshalb 901.502O -R zur
Amoendung Den in diesem Artikel enthaltenen Verpflich; tungen sei aber
der Kläger nicht nachgekommen. Der Brief sei nämlich schon mehr als vier
Wochen, bevor der Kläger ihn geltend gemacht, kündbar gewesen. Auch sei
nicht richtig gezinst xooeden; m diesem Falle hätte der Kläger sogleich
kündigen müssenAuch sei der Beklagte nie gemahnt worden. Eventuell sei
die Klage zur Zeit abzuweisen, da die Gegenpartei wohl einen Psandausk
sallschein, aber keinen Verlustschein erhalten habe. 2. Die beiden
kantoualen Jnstanzen haben mit Recht angenommenr dass das vom Beklagten
gegebene Garantieversprechen keine Burgschaft sei, sondern dass es die
Gewährleistungspflicht des Beklagten als Cedenten einer Forderung zum
Gegenstand habe, und deshalb nicht eine accessorische, sondern eine
selbständige Jchuldvervflichtung des Beklagten begründet habe. Es
genügt sur die Richtigkeit dieser Auffassung einfach auf die bereits
von deniantonalen Jnstanzen angeführten Urteile des Bundesgerichts in
Sachen Frey-Wahli gegen Kratzer und Steiger gegen Ge-

rcxvn, 2. 1901 _, O

66 Civilrechtspflege.

schwister Kilchenmann (Amtl. Samml Bd. XXIV, II. Teil, S; 117 und
177) zu verweisen. Demnach ging denn allerdings die Forderung aus
diesem Garantieoersprechen nicht ohne weiteres mit der Cession der
Schuldbriesforderung vou Leber auf den Kläger (bezw. den Kläger und
Weil), als Nebenrecht gemäss Art. 190 O.-R. über, sondern es bedurfte
zu diesem Übergang eines besondern Rechtsgrundes Dieser liegt aber hier
vor in der von Leber dem Kläger, bezw. dem Kläger und Weil gegenüber
abgegebenen Erklärung, dass er den vom Beklagten ans-gestellten
Garantieschein ihnen als Eigentum abtrete, durch welche Erklärung
Leber eben seine Forderung aus dem Garantieversprechen des Beklagten
dem Kläger und Weil cediert hat. Dass diese Forderung gültig an die
Cefsionare der Schuldbriefforderung cediert werden konnte, unterliegt
keinem Zweifel; denn nach Art.183 O.-R. kann der Gläubiger jede ihm
zustehende Forderung auch ohne Einwilligung des Schuldners an einen andern
abtreten, soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder die besondere Natur des
Rechtsverhältnisses eine Ausnahme begründen, und eine derartige Ausnahme
besteht hier nicht.

8. Der Kläger ist daher berechtigt, vom Beklagten die Erfüllung seines
dem Leber gegenüber gegebenen Garantieversprechens, also Zahlung der
garantierten Summe zu fordern, sofern die für die Zahlungspslicht
des Garantieleistenden aufgestellte Bedingung eingetreten ist. Diese
Bedingung ist aber im vorliegenden Falle offenbar erfüllt. Denn die
fragliche Garantie wurde geleistet für die Bonität der auf Böhler
lautendeu Schuldbriefforderung, und nun steht thatsächlich fest, dass der
Schuldbrief von Amtes wegen gelöscht wurde, weil er bei der Verwertung
nicht erlöst worden war, so dass infolgedessen der Kläger mit seiner
Forderung gänzlich zu Verlust gekommen ist.

4. Der Beklagte will nun aber seine Befreiung von der überknommenen
Garantie daraus berleiten, dass der Kläger die ihm als Gläubiger der
cedierten Schuldbriefforderung sowohl nach Vertrag ais nach Gesetz
obliegende Diligenz in der Geltendmachung dieser Forderung gegenüber
dem debitor cessus nicht beobachtet habe. In erster Linie behauptet er
das Garantieverfprechen sei überhaupt an die Bedingung geknüpft gewesen,
dass bei unpünkt-III. Obligatiouenrecht. N° 9. 67

ticher Verzinsung sofort Betreibung für Zins und Kapital anzuheben sei,
was der Kläger unterlassen habe. Dieser Standpunkt erweist sich jedoch,
wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, schon ans dem Grunde als
unhaltbar, weil der Schuldbrief bis zum 14. Februar 1899 unkündbar war,
und keinerlei Klausel enthielt, dass bei unpünktlicher Bezahlung des
Zinses das Kapital fällig merde. Es konnte daher unmöglich die Meinung
haben dass der Beklagte seiner Garantieverpslichtung entbunden sein
sollewenn der Gläubiger bei Unpünktlicher Verzinsung nicht sofors
Betreibung für Zins und Kapital anhebe. Dass aber der Kläger von dem
Rechte der Kündigung Gebrauch gemacht hat, sobatd das Kapital nach dem
Inhalt des Schuldbriess aufkündbar war sieht fest. Dagegen ist allerdings
richtig, dass der Kläger nicht sofort nach der durch die Kündigung
herbeigeführten Fälligkeit der Kapitalsorderung (1.8. August 1899)
Betreibung eingeleitet, sondern damit mehrere Monate, d. h. bis zum
13. November gl. Js. zugewartet hat, und hierin erblickt der Beklagte
einen weitern Befreiungsgrund, indem die Garantie ausdrücklich nur bis
zur Kündigungsfrist geleistet worden sei, und nach Art. 502 O.-R. bei
einer nur für eine bestimmte Zeitfrist eingegangenen Bürgschast die
Verpflichtung des Bürgen erlösche, wenn der Gläubiger nicht binnen
vier Wochen nach Ablan der Frist seine Forderung rechtlich geltend
macht. Allein am. 502 O.-R. trifft hier nicht zu, weil die vom Beklagten
übernommene Garantie, wie bereits oben bemerkt, nicht als Bürgschaft
aufgefasst werden kann. Für die Gewährspslicht des Cedenten stellt aber
das eidgenössische Obligationenrecht eine derartige Verwirkungssrist nicht
auf, und Art. 502 O.-R. kann hier auch nicht etwa analog angewendet
werden. Denn diese Vorschrift hat ihren legislativeu Grund darin,
dass der Bürge, wegen der accessorischen Natur seiner Verpflichtung
in besonderem Masse auf die Treue und die Diligenz eines Dritten, des
Gläubigers, angewiesen ist, und daher in dieser Be-; ziehung auch eines
besondern gesetzlichen Schutzes bedarf. Dagegen trifft allerdings auch
für die Gewährleistungspflicht des Cedenten der allgemeine Satz zu, dass
der Schuldner für die Nichterfüllung der Obligation dann nicht haftet,
wenn sie vom Gläubiger selbst verschuldet worden ist. Der Beklagte wäre
daher berechtigt,

68 Civilreehtspflege.

die Zahlungspflicht aus seinem Garantieversvrechen insoweit abzulehnen,
als er darzuthun vermöchte, dass der Kläger mit der Betreibung des
Hauptschuldners schuldhaft gezögert, und dadurch den eingetretenen Verlust
selbst verursacht habe. In dieser Beziehung hat nun die Vorinftanz aus
dem Umstand, dass das Garantieversprechen nur bis zum Kündigungstermine
gegeben wurde, mit Recht geschlossen, dass nach der Willensmeinung der
Parteien der Kläger nach der Fälligkeit des Kapitals zur ungesäumten
Eintreibung der Forderung verpflichtet war, und es müsste deshalb dem
Kläger zum Verschulden angerechnet werden, wenn er ohne hinreichenden
Grund mit der Betreibung bis zum 13. November 1899 zuwartete. Nun steht
aber einerseits fest, dass der Kläger wegen des über den Hauptschuldner
ausgebrochenen Konkurses während des grössten Teiles des in Betracht
kommenden Zeitraumes gar nicht die Möglichkeit hatte, den Hauptschuldner
zu betreiben, und anderseits hat der Beklagte nicht dargethan, dass
das Resultat der Betreibung ein besseres gewesen ware, wenn der Kkäger
sofort nach der Fälligkeit der Forderung rechtliche Schritte gethan
hätte. Nach den thatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz muss
vielmehr angenommen werden, dass der Kläger auch bei sofortiger Anhebung
der Betreibung nach eingetretener Fälligkeit der Forderung gänzlich zu
Verlust gekommen ware. Die vom Beklagten geltend gemachte Thatsache, dass
der Kläger mit der Anhebung der Betreibung des Hauptschuldners bis zum
13. November 1899 zugewartet hat, kann demnach weder zur gänzlichen, noch
zu teilweiser Befreiung von seiner Zahlungspflicht führen. Demnach hat
das Bundesgericht si erkannt:

Die Berufung des Beklagten wird als unbegründet abgewiesen und das
Urteil der I. Appellationskammer des Obergerichts des Kantons Zärich
vom 11. Dezember 1900 in allen Teilen be-

stätigt.Ill. Obligationenrecht. N° 10. 69

10. Urteil vom 1. März 1901 in Sachen Schweizerische Volksbank gegen Spar:
und Leihkasse Zofingen.

Kot-Wenisonssireitigkreit,Streitwert. Art. 59 Org.-Ges. Wechseleinsi
reden gegenüber dem jeweiligen Inhaber des Wear/weis. Art. 811 O.-R.,
excepte'o deli.

A. Durch Urteil vorn 21. Dezember 1900 hat das Ober-gericht des Kantons
Aargau erkannt:

Die Klägerin ist mit ihrer Appellation abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen, indem sie den Antrag stellte, es sei dasselbe aufzuheben, und
es seien der Kiägerin die Begehren ihrer Kollokationsanfechtungsklage
zuzusprechen. Jedenfalls werde verlungi, dass die sämtlichen von der
Klägerin beantragten Beweise dafür abgenommen werden, dass dem Peter
Berg gegenüber der Firma Schatzmann & Cie. keine Forderung zustehe,
dass derselbe den Gegenwert nicht geleistet, die Gegenaceepte nicht
eingelöst habe u. s. w.

Jn der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht erneuert der Anwalt
der Klägerin seinen schriftlich gestellten Berufungsantrag. Der Anwalt
der Beklagten beantragt, die Berufung als unbegründet abzuweisen und
das angefochtene Urteil zu {estätigen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Im Konkurse der Firma Schatzmann & Cie. in Zofingen machte der
Verwalter des Konkurses, Peter Berg in Frankfurt cc./M. eine Forderung
von 17,347 Fr. 18 Cis. geltend, wovon das Konkursamt den Betrag von
6521 Fr. 20 Ets. in der V. Klasse kollozierte, den Restbetrag aber
abwies. Die schweiz. Volksbank in Bern, die ebenfalls im Konkurse der
Firma Schatzmann & (Sie. als Gläubigerin aufgetreten ist, erhob beim
Bezirksgericht Zosingen Klage auf gänzliche Ausweisung dieser Forderung
aus dem Kollokationsplan. Die beklagte Konkursmasse des Peter Berg zog
hierauf ihre Forderung zurück, allein die Spar: und
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 27 II 64
Datum : 23. Februar 1901
Publiziert : 31. Dezember 1902
Quelle : Bundesgericht
Status : 27 II 64
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 454 Civilrechtspflege. 9. Urteil vom 23. Februar 1901 in Sachen Bernhard gegen Haymann.


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • leben • weiler • bundesgericht • zins • brief • berg • schuldner • bedingung • richtigkeit • vorinstanz • monat • erfüllung der obligation • bern • begründung des entscheids • bewilligung oder genehmigung • kantonales rechtsmittel • aufhebung • aargau • tag
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