220 Civilrechtspflegc.

lag an sich die Möglichkeit vor, dieselbe, wenn auch mit erhöhtem
Kostenaufwande, für die Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeit zu
gewinnen, und es kann daher von einer nachgewiesenen, vom Schuldner nicht
zu Verantwortenden Unmöglichkeit der Erfüllung nicht die Rede sein. Denn
nach Gestaltung des vorliegenden Rechtsverhältnisses wo es sich um eine
noch nicht im Besitze des Verkaufers befindliche Ware handelte, und die,
wie den Verkäufern bekannt war, oder bekannt sein musste, nur in engen
Produktionskreisen und in nicht sehr grossen Quantitäten produziert wird,
so dass deren Beschaffung leicht auf Schwierigkeiten stossen konnte,
wurde durch einen unbedingten Verkauf der ·Ware auf festen Termin hin
für den Verkaufer jedenfalls die Verpflichtung begründet, die äusserste
Umsicht und Sorgfalt aufzuwenden, um sich die von ihm versprochene Ware
zu sichern und dafür weder vermehrte Mühe noch aussergewöhnliche Kosten zu
scheuen. Die Berufungskläger haben allerdings auch zum Beweise verstellt,
dass ohne das Dazwischentreten des Typhöus und der Uber-

schwemmungen die Beschaffung des verkauften Quantums ohne

weiteres möglich gewesen wäre. Allein es liegt doch bereits nach den
gegenwärtigen Akten und nach den eigenen Vorbringen der

Streitberufenen vor, dass es sich um eine Ware handelte, deren

Beschaffung in grössern Quantitäten, ihrer Natur nach, leicht auf
Schwierigkeiten stossen konnte. Nun haben die Berufungskläger weder zum
Beweise verstellt, dass die ganze Gattung, ans welcher zu liefern war,
untergegangen sei, noch auch den Beweis kon-

kreter Thatsachen anerboten, aus denen sich ergeben würde, dass-

sie zur Beschaffung der versprochenen Ware aus der Ernte von 1899/1900
oder aus älteren Beständen, die äusserste Mühe und Sorgfalt, ohne
Rücksicht auf die Kosten, aufgewendet haben,. und dass nichtsdestoweniger
die Beschaffung der Ware sich als unmöglich erwiesen habe. Die von
ihnen wirklich gestellten Beweisanträge sind zum Beweise unverschuldeter
Unmöglichkeit der Erfüllung nntauglich Demnach ist denn die auf diesen
Befreiungsgrund gestützte Einrede zu verwerfen. Denn es ist klar, dass
der Beklagte oder die Streitberufenen sich zu ihrer Exkulpation nicht
etwa einfach daran berufen können, sie haben auf die richtige Erfüllung
seitens ihrer Vormänner gezählt und zählen dürfen. 7. Muss demgemäss die
Klage grundsätzlich gutgeheissen werden,Il. Obligationenrecht. N° 26. 221

so ist auch in quantitative-: Beziehung die vorinstanzliche Entscheidung
einfach zu bestätigen Denn es liegt durchaus nicht vor, dass die
den Klägern zugesprochene Schadensersatzsumme übersetzt ware. Die
Entschädigung; zu welcher die Kläger gegenüber ihren Abnehmern durch
das Handelsgericht in Lyon verurteilt wurden, Und deren Ersatz sie mit
Recht vom Beklagten, als eines durch Ldessen Nichterfüllung verursachten
Schadens, verlangen, erscheint durchaus nicht als übermässig, und
ebensowenig liegt ein Grund "bor, ihnen Ersatz des entgangenen Gewinnes
zu verweigern Um seinen Schaden, welcher bei Eingehung des Vertrages
nicht als Folge der Nichterfüllung vorausgesehen werden fornite, handelt
es sich offenbar nicht; im Gegenteil war diese Schadensfolge, da ess·
sich um ein Produkt handelte, welches bestimmt und geeignet war, rasch
von Hand zu Hand zu gehen, beim Vertragsschlusse sehr wohl voraussehbar.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und daher das Urteil des
Appellationsgerichtes des Kantons Baselstadt vom 29. April 1901 in ailen
Teilen bestätigt

26. Urteil vom 8. Juni 1901 in Sachen Äschbach gegen Eidgenossenschaft.

ä Iaf'tbarkeit des Tierhasters, Art. 65 0.-R. Für die civile Haft;
barkeiä der Eidge-nossenscîzaft wegen Uebertretungen der Strasse polizei,
die ihre Beamten oder Angestellten begehen, ist aussohliesslioä
das seien-eigObiigationenrecht massgebmd. Artsi62 O.-R. ; die
Eidgenossenschaft ist m'a-let Gesclzdflsherr ihrer Bereiter. Verschulden
des Bereiters, der den Schaden unmittelbar verursacht hat ?

A. Durch Urteil vom 15. März 1901 hat das Obergericht Esdes Kantons
Aargau erkannt:

R. Äschbach und die Eidgenossenschaft find mit ihren Reims: Begehren
abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die Berufung an das
Bundesgericht erklärt.

222 Civilrechtspflege.

Der Kläger stellte folgende Begehren:

1. Die schweizerische Eidgenossenschaft habe dem Berufungskläger den
Taglohn von 4 Fr. 95 Ets. zu vergüten vom Tagedes Unfalls an bis zur
Wiederaufnahme der Arbeit, Äschbach habe die Arbeit wieder aufgenommen am
2. Mai und stehe zurZeit als Maurer im Dienste bei Maurermeister Kaspar,
Sohn, in Schöstland.

2. Die von den aargauischen Gerichten auf 500 Fr. festgesetzte
Entschädigung sei, dem Grade der dauernden Verminderung der
IErn)erbsfähigkeit entsprechend, zu erhöhen.

Aschbach verlange eventuell den gerichtlichen Augenschein unddie
Aktenergänzung im Sinne der beim aargauischen Ober-gerichtegestellten
Beweisanträge.

Der Berufungsantrag der Beklagten geht dahin, die Klage set. abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Am 19. Juni 1900 machte der Kläger, Rudolf Äschbach, geh. 1852, dem
Bezirksamt Aarau die Anzeige, er habe am 26. Mai gleichen Jahres als
Steinhauer im Baugeschäft des Herrn Architekt Schäfer auf einem 2 Meter
hohen Gerüste, welches auf dem Trottoir vor dem Neubau des Pumpwerkes
der städtischen Hochdruckanlage erstellt gewesen sei, gearbeitet; da sei
um 11 Uhr vormittags der Dressurwagen des Pferderemontenkurses (der von
Wachtmeister Gottlieb Augsburger, Bereiter irn. Kavallerieremontenkurse
in Aarau geführt wurde) auf der Strassebeim Gerüst vorbeigefahren,
habe dasselbe gestreift und einen Gerüstbock auf die Seite gerissen,
so dass der Kläger auf das Trottoir gefallen sei. Jnfolge des Sturzes
habe er vorerst nur Schmerzen am linken Knie und am linken Unterschenkel
verspürt. Nachmittags habe er die Arbeit wieder aufgenommen, habe
siedann aber am 5. Juni einstellen müssen, da er wieder Schwerzen im
linken Beine, namentlich aber im Kopf verspürt habe. Das Kopfleiden des
Klägers, der im Jahre 1884 einen Schädelbruch erlitten habe, bestehe
noch und verhindere ihn, die Arbeitwieder aufzunehmen und seinem Beruf
nachzugehen. Das Bezirksamt ordnete eine Untersuchung an, in welcher über
den Vorfalk im Wesentlichen folgende Aussagen gemacht wurden: 1. Derfll,
Obligationenrecht. N° 26. 223

Kläger bestätigte seine Anzeige an das Bezirksamt, indem er angab, als er
auf dem Gerüste gearbeitet habe, sei der Bereiter mit dem Dressurroagen
zu sprengen gekommen, im Trab vorbeigefahreti, der Wagen habe am Gerüst
angehängt und dem Kläger dasselbe unter den Füssen weggenommen. Der
Wagen habe einen Gerüstbock ziemlich weit fortgenommen Es sei eine grobe
Unvorsichtigkeit des Bereiters gewesen, im Trab vorbeizusahren. Auf
der andern Seite der Strasse sei ein Graben geöffnet gewesen für
dieWasserleitung, und schon aus diesem Grunde wäre Vorsicht geboten
gewesen. 2. S. Roth, Stallknecht im Löwen in Aarau, deponierie: Åschbach
habe nicht am Neubau gearbeitet, sondern beim gegenüber liegenden Haus
des Herrn Siegrist. Sein Gerüst habe er auf das Trottoir des Herrn Sigrist
gestellt. Auf der andern Seite haben die Arbeiter einen Graben geöffnet;
der Durchpass sei, weil Steine und Erde neben dem Graben gelegen haben,
etwas eng gewesen. Der Bereiter sei mit dem Dressurwagen zweispännig
dort im Trab vorbeigefahren, ein Hinten-ad sei auf die Steine geraten,
der Hinterwagen sei deshalb herübergeschoben worden, so dass das andere
Hinterrad einen Gerüstbock erfasst und weggerissen habe. Der Kutscher
hätte dort Schritt fahren sollen. 3. Friedrich Äschbach, Schriftsetzer in
Aarau, sagte aus: Er sei erst nach dem Fall an Ort und Stelle gekommen,
der Kläger habe gerade sein Werkzeug aufgehoben und zum Zeugen gesagt,
ein Bereiter habe sein Gerüst umgestürztz den Dressur-wagen habe der Zeuge
gesehen im Trab die obere Vorstadt hinunterfahren Der Durchpass sei eng
gewesen, weil auf der andern Seite ein Gerüst beim Neubau bestanden, und
noch ein Graben aufgeworfen gewesen sei. 4. Der Bereiter, Machtmeisier
Augsbnrger, geh. 1867, macht folgende Angaben: Ich musste damals einen
Sack Hafer zu Herrn Thut fahren zum Brechen. Weil die Bahnhofstrasse
aufgebrochen war, so bin ich die Bankstrasse hinauf und die Bachstrasse
einwärts gefahren. Als ich beim Elektrizitätswerk die scharfe Biegung
gemacht, ist mir das Handpferd erschrocken und weiter vornen wieder wegen
einem Hauer Steine, hat links gedrückt und hat die Spitze vom Wagscheit
am zweiten Gerüstbock angehängt und denselben umgerissen. Der Laden,
auf dem der Maurer gestanden, ist deshalb

224 Civilrechtspflege.

in schiefe Stemma, aber nicht an den Boden gekommen, sondern er ist
einerseits auf dem stehenden, anderseits auf dem liegenden Bock gelegen,
Der Maurer ist auch nicht gefallen, er hat sich festgehalten und ist
nachher abgestiegen. Jch habe angehalten und das gesehen; er hat auch
gesagt, keine Verletzungen erlitten zu haben, fortgearbeitet, ich habe
ihn bei der Ritckkunst und auch Nachmittags wieder arbeiten sehen. Mir
ist nnerklärlich, wie hier eine Gehirnerschütternng hat eintreten können,
ich muss das bestreiten; er ist nicht anf den Boden gefallen, überhaupt
nicht gefallen. Der Durchpass war so eng, dass kaum ein Wagen passieren
konnte; es wäre gegangen, wenn das Handpferd nicht

erehiiipft wäre. Jch bin im Schritt gefahren auf der Bachstrasse

und bei der Strassenbiegung, erst als das Handpferd erschrocken, hat es
einen halben Trab angeschlagen, das andere ist im Schritt

geblieben. Ich habe dem Kommando sofort von dem FalkAnzeige

gemacht. Ich füge bei, dass der zweite Bock weiter hinausgeragt hat,
als der erste; es ist ein Bein in der Schale gestanden; wenn

er so gestanden wäre, wie der erste, so wäre das nicht passiert;-

es hat bloss um 1 oder 2 Centimeter angehängt. 5. In einer spätern
Einvernahme sagte der Zeuge Roth aus: Ich bestätige meine ersigemachien
Angaben, und glaube heute noch, dass ein Hinterrad den Gerüstbock
umgerissen hat, und nicht das Wagscheit. Der Bereiter ist im Trab gefahren
bis zum Gerüst, dann hat er die Pferde angehalten im Schritt, aber der
Durchpasswar eng, die rechten Räder sind auf Steine gekommen und so wurde
"der Hinter-wagen links geschoben. Der Steinhauer ist hinunter gefallen,
wenn ich nicht irre, auf den Rücken; es ist nicht wahr, dass er erst
nachher abgestiegen fei, die Gerüstladen sind in zu schiefe Lage geraten,
als dass er sich noch hätte halten können. Andere Zeugen waren meines
Wissens nicht anwesend." Auf Grund der Strafuntersuchung verfügte die
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, die Akten seien dem Bezirksgericht
Aarau zur znchtpolizeilichen Erledigung vorzulegen mit dem Antrag:

1. Den Gottlieb Augsburger wegen Zuwiderhandlung gegen § 53, 2 des
Baugesetzes und wegen Vergehen-Z gegen die öffentliche Sicherheit
gemäss § 1 des Zuchtpolizeigesetzes zu einer Geldbusse von 5 Fr. zu
verurteilen. 2. Das eidgenössische Militärde-n. Obligationenrecht. N°
26. 225

Partement gemäss § 128 des Bangesetzes zum Schadensersatzx gegenüber
Äschbach und zur Bezahlung der Spitalkosten, das ärztliche Gutachten
inbegriffen, zu verfallen. In der Hauptverhandlung vor Bezirksgericht
Aarau stellte der Anwalt des Kist-gers Åschbach folgende Klagbegehren:

1. Der Bund und Angsburger seien gemeinsam und solidarisch zur Bezahlung
Entschädigung im Betrage von 10,000 Fr. an Rudolf Äschbach zu verurteilen.

2. Eventuell sei dem Åschbach eine angemessene Entschädigung mit dem
Vorbehalt der Nachforderung zuzusprechen, für den Fall,dass ein späteres
Gntachten Sachverständiger ihn für unheilbar -erklären, und gänzliche
Arbeitsunfähigkeit annehmen follie.

8. Ganz eventuell werde verlangt, dass die Ersatzforderung auf den
Civilweg verwiesen werde.

4. Die Klage gegen den Arbeitgeber werde vorbehalten.

Bezüglich der Hastbarkeit des Bandes machte der Anwalt des Klägers
geltend, dieselbe stütze sich sowohl auf § 128 des faceto: nalen
Baugesetzes, als auch auf Art. 62 und 65 O.-R.

Durch Urteil vom 29. Oktober 1900 hat das Bezirks-gerichtAarau erkannt:

1. Gottlieb Augsburger hat sich eines Vergehens gegen § 53, 'Al. 2 des
Baugesetzes, in Verbindung mit § 1 des Zuchtpolizeigesetzes schuldig
gemacht.

2. Er wird dafür ver-urteiltzu einer Busse von 5 Fe., eventuell im Falle
des Nichtbezahiens zu 174 Tagen Gefangenschaft

3. Die schweizerische Eidgenossenschast wird gemäss § 128 des narganischen
Baugesetzes pflichtig erklärt, dem Verletzten Aschbach seine Entschädigung
von 500 Fr., sowie die Arztund Spitalkosten, inbegriffen die Kosten des
ärztlichen Gntachtens, zu bezahlen.

4. Gottlieb Augsburger und die schweizerische Eidgenossenschaft haben
gemeinsam und solidarisch die in dieser Untersuchungssache ergangenen
Kosten inklusive eine Spruchgebühr von 15 Fr., zu bezahlen.

Gegen dieses Urteil appellierten sowohl Aschbach als die schweizerische
Eidgenossenschast an das kantonale Qbergericht. Äschbach verlangte
angemessene Erhöhung der Entschädigung, die

226 Civilrechtspflege.

' Beklagte dagegen, es sei von der Auftage irgend einer Entschädigung auf
die Eidgenossenschaft Und von jeder Kostenauslage Umgang zu nehmen und die
Klagpartei mit ihrem gegen die Eidge-s nossenschaft gerichteten Begehren
des gänzlichen abzuweisen DasObergericht hat jedoch durch sein eingangs
Fakt. A angeführtess Urteil in Bestätigung des bezirksgerichtlichen
Entscheides beide Rekursbegehren abgewiesen.

2. Die Vorinstanz gründet die Schadensersatzpflicht der schweizerischen
Eidgenossenschaft auf Art. 65 O-R. In der That kann von vornherein
davon keine Rede sein, etwa mit der ersten kantonalen Instanz auf §
128 des aargauischen Baugesetzes abzuStellen, welcher bestimmt, wenn
ein Angestellter oder Beauftragter ein strassenpolizeiliches Vergehen
begangen habe, so hafte der Meister oder Auftraggeber für den durch
dasselbe gestifteten1

Schaden. Denn die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Hand--

langen, mögen diese nun den Thatbestand kantonalrechtlich strafbarer
Delikte erfüllen oder nicht, wird, soweit nicht das Obliga- tionenrecht
selbst das kantonale Recht vorbehalt, ausschliesslichdurch das
eidgenössische Recht, die Vorschriften der Art. 50 n. ff. D.M., und nicht
durch das kantonaie Recht beherrscht. Und zwargilt dies selbstverständlich
in gleicher Weise, ob der Schadensersatzansprach für sich allein, im
Wege des Civilprozesses, oder in. Verbindung mit einer Strafklage im
Adhäswnsverfahren geltend gemacht wird, indem dessen rechtliche Natur
hiedurch völlig unberührt bleibt (vgl. Amtl. Samml. d. bundesger. Entsch
Bd. XVII,... S. 158, Erw. 2). § 128 des aargauischen Bangesetzes könnte
demnach im vorliegenden Falle nur dann zur Anwendung kommen, wenn das
eidgenössische Obligationenrecht dem kantonalen Gesetz-

geber vorbehielte, bezüglich der Hastbarkeit der Eidgenossenschafr

für Schädigungen der in Rede stehenden Art besondere Bestimmungen zu
treffen; dass aber dem eidgenössischen Obligationenrecht . ein solcher
Vorbehalt fremd ist, braucht nicht weiter erörtert zu. werden.

3. Auch Art. 62 O.-N ist von der Vorinstanz mit Rechtals nicht anwendbar
bezeichnet worden; denn die Eidgenossenschaft ist nicht Geschäftsherr
des Bereiters Augsbnrger, für dessen Verhalten sie mit der vorliegenden
Klage in Anspruch genommenll. Obligationenrecht. N° 26. ss 227

wird. Die Remvntenanstalt, in welcher Augsbnrger angestellt mar, ist
eine Anstalt zur Förderung des Wehrwesens, speziell zum Zwecke der
militärischen Ausbildung; der Bund betreibt mit dieser Anstalt kein
Gewerbe und unterliegt daher wegen Schaden, welche Angestellte derselben
in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen allfällig verursachen,
der in Art. 62 O.-R. normierten Verantwortlichkeit nicht.

4. Es kann sich mithin nur fragen, ob die Voraussetzungen für eine
Entschädigungspflicht des Bundes gemäss Art. 65 O.-R., als des Halters
der vom Bereiter Augsburger geflihrten Pferde, im vorliegenden Falle
vorhanden seien oder nicht. In dieser Beziehung herrscht nun unter
den Parteien kein Streit, dass der Schaden, wenn er überhaupt dem
Vorbeifahren des Fuhrwerkes Augsburgers zuzuschreiben sei, als durch
die von der Eidgenossenschaft gehaltenen Tiere angerichtet betrachtet
werden müsse, und was den in Art. 65 cit. dem Beklagten nachgelassenen
Beweis der Anwendung aller erforderlichen Sorgfalt in der Verwahrung und
Beaufsichtigung anbelangt, so hat die Beklagte nicht darauf abgesteltt,
sie habe zu ihrer Entlastung lediglich den Beweis dafür zu erbringen, dass
ihrerseits alle erforderlichen Anordnungen und Einrichtungen getroffen
worden seien, um eine sorgfältige Verwahrung und Beaufsichtigung der
Tiere zu sichern, und dass insbesondere bei der Anstellung, Instruktion
und Beaufsichtigung des Bereiters Angsburger alle erforderliche Umsicht
angewendet worden sei; sie hat, offenbar absichtlich, den Standpunkt nicht
eingenommen, dag, wenn dieser Beweis erbracht sei, ihre Haftpflicht
auch dann verneint werden müsse, wenn dem Bereiter persönlich ein
Verschulden zur Last zu legen sei, sondern will, was den vorn Kläger
erhobenen Civilanspruch anbelangt, ein Verschulden ihres Angestellten
ohne weiteres auch gegen sich gelten lassen. Anderseits hat aber auch der
Kläger gar nicht in Abrede gestellt, dass die Beklagte, was an ihr lag,
alle erforderliche Sorgfalt, die Art. 65 O.-R. vom Tierhalter verlangt,
angewendet habe, sondern selbst ausgeführt, der Wagenführer Augsburger
sei ein gewandter und gewerbsmässiger Bereiter, der deshalb als Lenker
des Dressurwagens bei einiger Anwendung der nötigen Vorsicht wohl im
Stande gewesen wäre, das Unglück zu verhüten;

228 Civilrechtspflege.

er habe einen Knecht bei sich gehabt und sei mithin in der Lagegewesen,
die nötige Vorsicht anzuwenden; auch sei der Dressurwagen ein sehr
schweres Fuhrwerk und mit einer soliden Spannvorrichtung versehen,
so dass er augenblicklich habe angehalten werden können; endlich sei
auch der Bock des Wagens so eingerichtet gewesen, dass der Knecht, der
neben dem Bereiter sitze, sofort habe abspringen und die Pferde anhalten
können. Dies find, wie bemerkt, die eigenen Behauptungen des Klägers, und
es geht aus denselben zur Genüge hervor, dass er selbst davon. ausgeht, an
den erforderlichen Einrichtungen, an genügendem und hinreichend geschultem
Personal, habe es für die Ausfahrt mit dem Dressur-wagen nicht gefehlt,
und wenn gleichwohl ein Unfall verursacht worden sei, so müsse deshalb
die Schuld dem Bereiterv Augsbnrger beigemessen werden. Es frägt sich
daher, vom Boden

der Klage, wie der Verteidigung aus, einzig, ob Augsburger bei '

dem Vorbeifahren an dem Gerüste des Klägers schuldhaft gehandelt habe
oder nicht. Als festgestellt muss hiebei gelten, dass: der von den
Remontenpferden gezogene Dressur-wagen einen der Böcke, auf denen der
Gerüsiladen sich befand, mitgerissen, dass infolge dessen das Gerüstsich
gesenkt hat, und der auf demselben stehende Kläger zu Boden gefallen ist;
denn die Vorinstanz nimmt dies als erwiesen an, und diese thatsächliche
Annahme isf, da sie nicht als aktenwidrig erscheint, gemäss Art. 81
OrganisGesetz für das Bundesgericht verbindlich Die beiden kantonalen
Jnstanzen haben nun. übereinstimmend dem Augsburger ein Verschulden zur
Last gelegt, und das Obergericht führt hierüber im, Wesentlichen aus:
Augsburger habe sich seiner Aufgabe in concreto nicht gewachsen gezeigt;
denn einmal verlange schon die öffentliche Sicherheit, dass mit solchen
Dressurwagen ordentlicher Weise die nicht stark begangenen Strassen
benutzt werden, und sodann habe Augsbnrger wissen müssen, dass der von ihm
einge-schlagene Weg wegen der Biegung und der verhältnismässig geringen
Breite der Strasse beim Elektrizitätswerk für den Dressur- wagen nicht
geeignet gewesen sei, und er habe angesichts der örtlichen Verhältnisse
erkennen müssen, dass er die Pferde nicht in lebhafter Gangart und vom
Wagen herab vorbeiführen dürfe. Die ausgeworfene Erde und der Graben
auf der einen Seite der-II. Obligationenrecht. N° 26. 229

Strasse, das Gerüst auf der andern Seite und die mit den Grabarbeiten
u. s. w. verbundenen Unebenheiten des Bodens hätten ihn bei einiger
Aufmerksamkeit veranlassen müssen, mit dem Wärter abzusteigen, oder doch
diesen absteigen zu lassen, und die Pferde zu führen. Er sei dazu um so
mehr verpflichtet gewesen, als er in seiner Stellung habe wissen müssen,
wie leicht junge Pferde wegen kleiner Ursachen erschrecken und dann
unruhig werden, und wie die Führung unter diesem Verhalten leide. Immerhin
sei das Verschulden ein bescheidenes. Es gehe ans der Unter - suchung
mit Sicherheit hervor, dass der Unfall auf verschiedene Ursachen
zurückzuführen sei, und es habe ein unglücklicher Zufall wesentlich
dazu beigetragen, indem das Hinterrad auf Steine gekommen sei und
dadurch die Verschiebung des Hinterwagens nach links und das Umfallen des
Gerüstbockes bewirkt babe. Es sei kein-Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass
der Hinter-wagen seitwärts auf das Trottoir geschoben worden sei. Wenn
er demnach mit dem Rade den Gerüstbock erfassen konnte, so müsse dieser
entweder bis zur äussersten Grenze des Trottoirs gereicht, oder über
dieses hinausgeragt haben. Wenn nun die Vorinstanz dem Angsburger einen
Vorwurf daraus macht, dass er überhaupt mit seinetn Fuhrwerk die fragliche
Strasse eingeschlagen habe, so kann hiefür in den Akten ein genügender
Grund nicht gefunden werden Unbestrittenermassen ist die betreffende
Strasse eine Landstrasse, die von zahlreichen Fussrwerken aller Art,
insbesondere auch von den eidgenössischen Postwagen benutzt wird, und
der Kläger weist selbst darauf hin, dass die Post, trotz der damaligen
Verengung durch den Graben und das Gerüst, leicht durchgekommen sei, indem
die freie Fahrbahn dort immer noch mindestens 4 Meter Breite besessen
babe. Dafür, dass Augsburger, bevor er diese Strasse einschlag, gewusst
habe, dass dort Grabungen vorgenommen und gleichzeitig gegenüber denselben
ein Bockgerüst errichtet wordensei, liegt nichts vor, und er durfte sich
darauf verlassen; dass eine derartige Beeinträchtigung des Verkehrs
durch die Polizeibehördejedensalls nur unter gleichzeitiger Anordnung
der für die Verkehrssicherheit erforderlichen Vorsichtsmassregeln würde
geduldet werden. Nun waren unbestrittenermassen derartige Anordnungen
nicht getroffen, die Strasse war weder ganz noch teilweise abge-

230 Civilrechtspflege.

sperrt, und es waren auch keine Warnungstaseln angebracht, die den
Vorbeisahrenden auf das Bestehen des Bockgerüstes und die Notwendigkeit,
sich beim Vorbeifahren darnach einzurichten, ansmerksam gemacht
hätten. Es kann sich deshalb nur darum handeln, ob nicht Augsburger,
als er des Gerüstes ansichtig wurde, verpflichtet gewesen wäre, eine
grössere Vorsicht anzuwenden, als es thatsächlich geschehen ist. Dass
er nun etwa hätte erkennen sollen, dass unter den gegebenen Umständen
die Stelle für ihn gar nicht passirbar sei, ohne den Kläger aus seinem
Gerüste zu gefährden, wird von der Vorinstanz nicht angenommen,· und
kann mit Grund nicht gesagt werden, da ja der Kläger selbst angibt, die
Strasse sei immerhin noch auf eine Breite von mindestens 4 Meter frei
gewesen. Es konnte also dem Augsburger offenbar nicht zugemutet werden,
etwa geradezu umzukehren; dagegen gebot

allerdings die erforderliche Sorgfalt jedenfalls, die Stelle in langs

samer Gangart zu passieren. Aus den Akten geht nun aber nicht hervor,
dass Augsburger mit dem Fuhrwerk einen zu raschen Gang eingehalten
habe. Der Zeuge Noth hat hierüber in der Strasuntersuchung ausgesagt,
der Bereiter sei im Trab gefahren bis zum Gerüste, dann habe er die
Pferde angehalten im Schritt, allein der Durchpass sei eng gewesen die
rechten Räder seien auf Steine gekommen, und so sei der Hinterwagen
nach links geschoben worden. Nach dieser Aussage, die die kantonalen
Jnstanzen nicht als unglaubwürdig bezeichnen, und die, weil sie die
Wahrnehmung des einzigen Augenzeugen wiedergibt, massgebend sein muss,
kann dem Augsburger nicht vorgeworsen werden, dass er den Unfall durch zu
rasches Fuhren verursacht habe; es geht aus derselben vielmehr hervor,
dass er die Gangart der Pferde den Umständen entsprechend eingerichtet
hat, und dass der Wagen nur deshalb mit dem Gerüst in Berührung gekommen
ist, weil ein auf der Strasse liegender Stein den Hinterwagen auf die
Seite geschoben hat. Da der Gerüstbock, wie die Vormsianz thatsächlich
feststellt, wenn nicht geradezu über das Trottoir hinaus, so doch bis
an die äusserste Grenze desselben reichte, so konnte derselbe in der
That aus diese Weise von dem Wagen, auch bei ganz langsamer Gangart,
gestreift und zum Umstürzen gebracht werden, und es ist auch nicht
ersichtlich, wieso dieseru. Obligationenrecht. N° 27. 231

Unfall eher hätte verhütet werden können, wenn der Bereiter oder Lder
Knecht abgestiegen wären. Erfahrungsgemäss verursacht unter derartigen
Umständen das Absteigen und Führen der Pferde bei diesen oft mehr
Unruhe, als wenn sie vom Wagen aus geleitet werden, und es kann daher dem
Augsburger auch deshalb, weil er nicht sofort abgestiegen ist, oder den
Knecht hat absteigen lassen, eine Fahrlässigkeit nicht zur Last gelegt
werden. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung des Klägers wird als unbegründet abgewiesen, diejenige
der Beklagten dagegen als begründet erklärt, und daher, in Abänderung
des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau kvom 15. März 1901,
die Klage abgewiesen.

27. Urteil vom 22. Juni 1901 in Sachen Schweitzer gegen Hypothekarbank
Zin-ich.

,Bilanz von Aktiengeseuschafien. Käage auf Anfechtung einer solchen
Biianz. Streitwert, Art. 59 Org.-Ges. Aktivemd Passiv- legitimate'on. _
Behandlung mm Sohuldbriefen in. Bilanzen von Akéiengesellschafleee,
Art. 656 Ziff. 4 emd 5 0.-Z.

A. Durch Urteil vom 4. April 1901 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich die Klage abgewiesen

B. Gegen dieses Urteil hat der Klager die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen mit den Anträgen: Es sei in Gutheissung der Klage zu erkennen:

1. Die Bilanz der Beklagten per 31. Dezember 1900 laut pag. 9 des
Jahresberichtes sei statutenwidrig und ungesetzlich

2. Ein Reingewinn pro 1900 sei nicht vorhanden.

3. Es sei eine Dividende pro 1900 nicht vorhanden, und es seien demgemäss
die Beschlüsse der Generalversammlung Vom 1. März 1901 aufzuheben.

G. In der heutigen Hauptverhandlung beantragt der Kläger Gutheissung
der Berufung, der Anwalt der Beklagten beantragt, dieselbe abzuweisen.

xxvn, ?. 1901 16
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 27 II 221
Datum : 29. April 1901
Publiziert : 31. Dezember 1902
Quelle : Bundesgericht
Status : 27 II 221
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 220 Civilrechtspflegc. lag an sich die Möglichkeit vor, dieselbe, wenn auch mit


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • pferd • eidgenossenschaft • stein • aargau • schaden • trottoir • bundesgericht • aarau • weiler • vorinstanz • zeuge • fuhrwerk • wissen • stelle • neubau • verurteilung • verhalten • handelsgericht • busse
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