122 Civilrechtspflege.
Beklagte in Bottmingen ein Baumaterialiengeschäft errichtet-und
betrieben hat. Der Betrag des dadurch dem Kläger gestifteten Schadens
ist von den Vorinstanzen, mit Rücksicht wesentlich auf die Dauer des
Konkurrenzbetriebes während der ganzen Bausaison 1900 nach freiem
Ermessen auf mindestens den geforderten Betrag von 500 Fr. festgesetzt
worden. Diese Entscheidung ist in keiner Weise rechtsirrtümlich oder
aktenwidrig, es ist ihr vielmehr durchaus beizutreten Allerdings
mangelt, wie dies der Natur der Sache nach kaum anders möglich ist,
ein genauer ziffernmässiger Nachweis des Schadens in seinen einzelnen
Faktoren. Allein nachdem der Beklagte in der Bausaison 1900 dem Kläger
intenswe Konkurrenz gemacht, nachdem er speziell, wie sich aus den
Zeugenaussagen ergibt, denselben in den Preisen unterboten und dadurch
verschiedene Bestellungen erlangt hat, so darf nach freiem richterlichem
Ermessen ohne weiteres angenommen werden, dass er durch seine Konkurrenz
dem Kläger einen Schaden von 500 Fr. zugefügt habe. Ebenso ist, wie sich
aus den obstehenden Ausführungen über die Tragweite des Konkurrenzverbotes
ergibt, die vol-instanzliche Fassung des Verbotes des Konkurrenzbetriebes
für die Zukunft zu bestätigen, unter dem Vorbehalt, dass über die Frage
der Berechtigung des Beklagten, in ein Konkurrenzgeschaft in der Schweiz
als einfacher Angestellter einzutreten, im gegenwärtigen Prozess nicht
entschieden sei. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung des Beklagten wird im Sinne der Erwägungen als unbegründet
abgewiesen und demnach das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons
Baselstadt vom 18. Februar 1901 bestätigt.IV. Schuldbetreihung und
Konkurs. N° 15. 123
IV. Schuldbetreibung und Konkurs. Poursuite pour riet-des etfaillite.
15. Urteil vom 28. Februar 1901 in Sachen Schweizerische Volksbank und
Genossen gegen Stettler und Mosimann.
Finale-krachen im Konksim'se. Dm Vindikmzî-en das Forum verscàliessendes
Urteil. Berufung kiegegen. Haupturteii (Art. 58 Org. Ges.}? Art. 260
Sch.u. Konk.-Ges. ; Nam-r und Wesen der a Abtretung der Asinspruch-e
der Masse an einzeène Gic'iube'ger.
A. Durch Urteil Vom 16. November 1900 hat der Appellationsund
Kassationshof des Kantons Bern erkannt:
Den Jmpetranten ist ihr Begehren zugesprochen
B. Gegen dieses Urteil haben die Jmpetraten rechtzeitig und in richtiger
Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrag: Jn
Aufhebung des angefochtenen Urteils seien die Jmpetranten mit ihrem
im Termin vom 22. Juni 1900 gestellten Zwischenbegehreu abzuweisen
und sei die Sache an die kantonalen Gerichte zur weiteren Behandlung
zurückzuweisen.
C. Die Jmpetranten beantragen in ihrer Antwort auf die Berufung: Es sei
die Berufung als unzulässig zu erklären und den Jmpetraten das Forum des
Bundesgerichtes zu verschliessen; eventuell sei die Berufung abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das angefochtene Urteil beruht auf folgendem Sachverhalt: In dem
am 13. März 1900 eröffneten Konkurse des Jakob Zinniker, Kiiblers in
Langnau (Kanton Bern) machten dessen Bürgen Arnold Stettler und Werner
Mositnann (beide in Langnau) mittelst Eingabe vom 10.111. April 1900 das
Eigentumsrecht an einer Anzahl von Maschinen, Maschinenbestandteilen und
Zubehörden, die vom Konkursamte auf 3219 Fr. 10 Cts. geschätzt worden
waren, geltend, gestützt aus einen angeblichen
124 civjireciitspiiege.
Kaufvertrag Vom 9. Oktober 1899. Der Konkursverwaltler wies die
Eigentumsansprache durch Verfügung vom 29. Mai 1900 ab und setzte
den Ansprechern gemäss Art. 242 Bein-Ges. Jst-Ist bis zum 8. Juni zur
Anhebung der Klage. Die zweite Giaiibigew versammlung, die am 31. Mai 1900
stattfand, beschlotz jedoch, den Prozess nicht aufzunehmen Durch Klage
mit Vorladung dont 7./8. Juni 1900 stellten nun Stettler und Mofimann
gegenuber der Konkursmasse das Begehren auf Anerkennung ihres Eigentums
an den betreffenden (näher bezeichneten) Gegenständen und auf Herausgabe
derselben. Am 15. Juni 1900 nahm sodann der Konkursverwalter im Konkurse
des Jakob Zinniker folgende Abtretung vor: Gestützt auf den Beschluss der
L. Gläubigerversanimlung im Konkurse des Jakob Ziniiiker,gew. Feubler in
Langnau, vom 31. Mai 1900, wonach die Gesamtheit der Gläubiger darauf
verzichtet, die Prozessverhandlungen auf die vorsiehende Klage der
Herren Arnold Stettler, "Gerber und Werner Mosimann, Apotheker, beide
in Langnaur sur Rechnung der Konkursmasse aufzunehmen, werden hiemit
den nachbenannten Gläubigern, nämlich: 1. der Tit. Schweizerischen
Volks- bank in Bern, 2. dem Herrn Karl Schneider, Wagendauernm Bern,
Z. dein Herrn Karl Win}, Schlosser im Weisenbuhl daselbst, 4. dein
Herrn Fritz Lüthi, Sager in Bomatt b. Zoll briick, 5. dein Herrn
Jb. Witschi-Glauser in Hindelbank, auf ihr Verlangen bezüglich des
gegenwärtigen Streitgegenstandes alle Rechtsanspriiche mit sämtlichen
der Konkursmasse des Jakob Zinniker zustehenden Rechten und Pflichten
gemäss am. 260 Betr.-Ges. abgetreten. Die fraglichen Maschinen und
Zubehörden ze. werden den obgenannten Gläubigem nunmehr in ihren
Gewahrsam übergeben und wird ihnen der Schlusle zur Werkstatt, wo sich
die Gegenstände befinden, zur Verfugung gestellt. Die Cessionare haben
von heute hinweg für Limbewahrung der Maschinen ze. unb für Verzinsung
des Lokals bezw. der Lokale selbst zu sorgen. Ebenso wird die borstehende
Kîage mit Vorladnng den mehr-erwähnten Gläubigern resp. zu deren Handen an
die von ihnen bezeichneten Anwalte Herren Fürsprecher Lenz und Spreng in
Bern zugestellt und denselben zur Pflicht gemacht, an dem in vorstehender
Klage[V, Schuldbetreibung und Konkurs. N° 15. 125
feftgesetzten Termin den 22. Juni 1900 des Morgens um 8 Uhr
gemäss Art. 2-6 Civilprozessgesetz am Platze der unterzeichneten
Konkursverwaltung als nunmehrige Beklagte vor der Civilaudienz des Herrn
Gerichtspräsidenten von Signau im Amthause in Langnau zur Verhandlung über
das vorstehende Rechtsbegehren zu erscheinen. Im Termine vom 22. Juni 1900
erschienen nun vor dem Gerichtspräsidenten von Signau zur Verhandlung
über die Klage vom T.;/8. Juni der Vertreter der Kläger einerseits, der
Vertreter der in der Abtretung genannten Gläubiger anderseits. Letzterer
stellte namens seiner Klienten folgende Anträge: 1. Die Kläger seien
mit ihrem Rechts-begehren abzuweisen; eventuell 2. Widerklage: Der
angebliche Kaufvertrag zwischen den Klägern als Käufern und Jakob
Zinniker als Verkaufer, vom 9. Oktober 1899, um die in der Klage mit
Vorladung vom 7.X8. Juni 1900 genannten Objekte sei Ungültig zu erklären;
Z. das Ergebnis bezw. der Erlös aus den mehr-erwähnten Objekten habe nach
Abzug der Kosten zur Deckung der im Kollokationsplane Zinniker anerkannten
Forderungen der Beklagten und Widerkläger zu dienen, wobei ein allsälliger
Überschuss an die Masse abzuliefern sei; alles unter Kostenfolge. Der
Vertreter der Kläger beantragte hiegegen: Es sei zu erkennen, die heute
als Beklagte und Widerkläger auftretenden Personen seien nicht berechtigt,
in dieser Eigenschaft am Platze der Konkursmasse Zinniker als Partei
aufzutreten, und es seien die Kläger nicht schuldig, sich mit denselben
in der von ihnen in Anspruch genommenen Parteistellung einzulassen,
unter Kostenfolge. Der Vertreter der Beklagten trug auf Abweisung dieses
Zwischenbegehrens an; der Gerichtspräsident sprach dasselbe jedoch den
Klägern zu. Auf Appellation der Beklagten und Jmpetraten hin hat auch
der Appellationsund Kassationshof des Kantons Bern durch das eingangs
genannte Urteil dieses Zwischenbegehren gutgeheissen.
L. Der erstinsianzliche Richter hatte sein Urteil wie folgt begründet:
Aus welchem Wege der Gläubiger, der sich Ansprüche der Masse gemäss
Art. 260 Betr.-Ges. habe abtreten lassen, diese Ansprüche gerichtlich
verfolgen könne, werde durch die Civilprozessordnung, und zwar durch §§
26 und 27 bestimmt. Nun hätte
128 Civilrechtspflege.
aber die beklagte Konkursmasse gemäss diesen Bestimmungen am
Prozesse teilnehmen und hier die Einrede der Nennung des eigentlichen
Beklagten stellen sollen; da das nicht geschehen, sei die Einmischung
der Jmpetraten in den Prozess unstatthaft the zweite Jnstanz führt
dagegen zur Begründungv ihres llrteLIs in der Hauptsache aus: Aus § 26
C.-P.-O. konnen die zurzetraten ihr Recht, in den Prozess einzutreten,
nicht nableiten. sigm weitern sei nicht zu bestreiten, dass durch die
gemasz Art. 260 Betr.-Ges. erfolgte Abtretung der in Frage stehenden
Rechtsansprüche der Masse an die Jmpetraten diese letztern ein materielles
Recht an jenen erlangtenz fraglich sei jedoch, ob Ihnen hiedurch auch
das prozessuale Recht zugefallen sei, ohne weiteres m den bereits gegen
die Masse angehobenen Rechtsstreit einzutreten. Diese Frage sei nach
kantonalen Prozessgesetzen zu entscheiden; denn Art. 260 Betr.-Ges. sei
keine cioilprozessuale, sondern· eine materiellrechtliche Vorschrift,
da sie den Fall, wo bereits vbei der Abtretung ein Prozess über die
abgetretenen Rechtsanspruche obwalte, nicht normiere. Eine Reassumtion
des Prozesses infolge Singularsuecession sei nun durch keine Bestimmung
des bernischen Civilprozesses gestattet (was des nähern dargethan werd),
3. Über die Kompetenz des Bundesgerichtes, die vom Vertreter der
Jmpetranten verneint wird und überdies von letes wegen zu prüfen ist,
ist folgendes zu bemerken: Der Stretttoert bei Vindikationen im Konkurse
richtet sich nach der amtlichen Schätzung der vindizierten Gegenstände
(dal. Amtl Samml. derbundesger. Entscheidungen, Bd. XXL S. 282 f
Cero 3), und da diese vorliegend 2000 Fr. übersteigt, ist der sur die
Berufung an das Bundesgericht erforderliche Strettwert gegebenf Ebenso
ist die Berufung statthaft rücksichtlich des anzuwendenden Rechts, da
die Jmpetraten und Bernfungskläger Verletzung des Art. 260 Betr.-Ges.,
also einer eidgenössischen Rechtsvorschrist, geltend machen. Es fragt
sich daher nur noch, ob es sich um ein kantonales Haupturteil handle. Die
Jmpetranien und Berufungsbeklagten bestreiten das, indem sie behaupten,
das angesochtene Urteil habe über den eingeklagten Etgentumsanspruch in
keiner Weise entschieden, sondern nur eine Prozessetnrede erledigt; auch
sei den Impetraten die Möglichkeit der VerfolgungIV. Schuldbetreihung
und Konkurs. N° 15. 127
ihres Anspruches nicht abgeschnitten, sondern lediglich festgestellt
worden, dass ste sich in formell unzulässiger Weise in den Prozess
eingemischt hätten. Dem gegenüber ist jedoch zunächst festzustellen
dass auch Urteile, die nicht über die Hauptsache selbst, sondern über
Prozesseinreden erfolgen, den Charakter von Haupturteilen tragen können,
dann nämlich, wenn mit dem Entscheid über die Prozesseinrede über
den materiellen Anspruch endgültig entschieden worden ist. Die Frage
spitzt sich daher vor-liegend dahin zu, ob das angefochtene Urteil für
die Jmpetraten endgültig den Verlust eines materiellen Anspruchs zur
Folge habe. Das ist nun aber zu besahen: Der angefochtene Entscheid
hat in seinen Konsequenzen die Folge, dass den Jmpetraten endgültig
das Recht genommen wird, dem Eigentumsanspruch der Vindikanten auf
dem Wege der Bestreitung, der Widerklage oder der selbständigen Klage
entgegenzutreten; denn nachdem die Jmpetranten gegenüber der Konkursmasse,
die die Klage anerkennen müsste, ein obsiegendes Urteil erhalten hätten,
stünde ihnen aus diesem Urteil gegenüber den Jmpetraten die Einrede
der abgeurteilten Sache zu. Es könnte zur Begründung der Kompetenz
des Bundesgerichtes vielleicht auch dahin argumentiert werden, dass
das Recht, als Singularsuceessor für einen andern in einen Prozess
einzutreten, das den Jmpetraten vorliegend von der Vorinstanz aus
Grund des Veräusserungsverbotes pendente lite abgesprochen wird,
materiell-rechtlicher Natur sei. Doch genügt jene erste Argumentation,
um die Kompetenz des Bundesgerichtes zu begründen.
4. In der Hauptsache steht zur Entscheidung die Frage, wie am, 260
Bein-Eis auszulegen sei, speziell, welche Tragweite der darin vorgesehenen
Abtretung der Rechtsansprüche der Masse, auf deren Geltendmachnng die
Gesamtheit der Gläubiger verzichtet hat, an einzelne Gläubiger zukomme.
a,. Nun ist zunächst festzustellen, dass die genannte Gesetzesbesiimmnng
nicht nur von Rechtsansprüchen redet, über welche ein Prozess noch nicht
schwebt, wie die Jmpetranten und die Vorinstanz irrtümlich meinen, sondern
überhaupt ganz allgemein von Rechtsansprüchen der Masse. Für den Fall,
dass im Momente der Konkurserösfnung gegen den Gemeinschuldner bereits
ein Rechtsanspruch hängig ist, sieht Art. 207 Betr.-Ges. aus-
128 civilrechtspiiege.
drücklich eine Einstellung des Verfahrens und die Möglichkeit einer
Aufnahme desselben durch die Glaubigerschaft mn. Säge tg diesem Falle die
Masse in die Rechtsstellung des QGememschu ner in vollem Umfange eintritt,
kann nichtbezweiselt werden, sie übernimmt den Prozess in dem Stadium,
m dem ihn der ?ementî schuldner gelassen hat, und alle Rechtsvorkehren
des pi]??? schuldners sind daher auch zu ihren Gunsten erfolgt. Die )
asse ist aber nicht genötigt, in den Prozesz einzutreten, sondern die
Mehrheit der Gläubiger kann beschliessen, auf den Cintritt gig verzichten
Nun versteht es sich gewiss von selbst, dass daunden diesen Fällen
Art. 260 Betr.-Ges. ebenfalls Anwendung fiili muss; ebenso einleuchtend
ist aber, dass als-dann sdie eitiizrecnen Gläubiger ihrerseits durch
die Abtretung in die-Rechtss e ug? der Masse eintreten, und dass sie
nicht den Prozesz ab aver: ginnen müssen. Das letztere wäre aber die
Konsequenz der n: schauung der Vorinftanz, die in ihren Folgerungen zu
ganz infrihaltbaren Annahmen führen müsste; man denke nur an den Fa ,
dass vor erster Instanz vor der Konkurserofsnung und· Vor der Abtretung
ein weitläiisiges Beweis-verfahren durchgefuhrt worden ware, oder wo
gegen den Gemeinschuldner vor der Konkursg eröffnung ein verurteilendes
Erkenntnis erwirkt wurde, gegen da...) aber noch Rechtsmittel ergriffen
werden konnen, und die unj möglichkeit des Eintrittes der auf Grund einer
Abtretung Priozessierenden Gläubiger in den Prozess zur Folge haben muss
e, dass jenes Urteil in Rechtskraft erwachsen und von ihnen gdar nicht
mehr angefochten werden konnte. Wennvsonach gemassA er ganzen Tendenz des
Gesetzes und dem klaren Wortlaut des rt. 260 darauf gar nichts ankommen
kann, ob nein Anspruch schon rechtshängig sei oder nicht, und in beiden
Fallen eine Abtretung nach der genannten Bestimmung möglich nt, so ist
nicht einzusehen, warum nicht auch der Anspruch aus-Bestreitung einer
im Konkurs angemeldeten Vindikation ebensatls darunter fallen sollte;
ein Rechtsanspruch kann nicht nur positivena er farm auch negativer Natur
fein, und auch derartige-Ansprache sind nach dem Wortlaute des Art. 260
hier inbegriffen (vgl.hiezu Antil. Samml. der bundesger. Entsch.,
Bd. XXIII, 2. Teil, Nr, 1i7; Bd. XXIV, î. Teil, Nr. 153, Separat-Ausg. I,
Nr. 87).IV. Schuldhetreibung und Konkurs. N° 15. 129
Die Fälle der-Bestreitung von Vindikationen werden zu den praktisch
häufigsten gehören.
b. Es fragt sich nun weiter, welche Bedeutung dem Ausdruck zukomme: Auf
deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet hat." Auch
hier ist der Standpunkt der Impetranien unhaltbar, wenn sie glauben,
weil die Masse als solche auf Geltendmachung verzichtet habe, hätte die
Konkursverwaltung die Gegenstände ihnen, den Vindikanten, herausgeben
sollen. Damit identifizieren sie den Verzicht aus die Prozesssührung
mit einer Anerkennung des Klageanfpruches namens der Mafie. Davon kann
nun aber keine Rede sein. Der Beschluss der Gläubigerversammlung, den
Prozess nicht auf eigene Kosten zu führen, ist ein interner Vorgang tin
Innern der Gläubigerschaft, keine Rechtshaudlung gegenüber den dritten
Ansprechernz diese können sich daher auch nicht daraus als ans eine die
Masse bindende und für sie rechtsbegründende Thatsache berufen. Wenn ein
solcher _ Beschluss der Anerkennung der Drittansprache gleichkätne, so
könnte der Anspruch auf Bestreitung von der Masse nicht mehr an einzelne
Gläubiger abgetreten werden; er wäre dann eben endgültig aufgegeben und
bestünde nicht mehr. Das ganze Vorgehen der Jmpetranten läuft denn auch,
indem sie nur die Masse als Befragte anerkennen wollen, die ihrerseits
nicht mehr prozessieren kann, darauf hinaus, mit dein zu erwirkenden
verurteilenden Erkenntnis gegenüber der Masse allfälligen Klagen einzelner
Gläubiger die Einrede der abgeurteilten Sache entgegen halten zu können.
c. Wenn also nach dem Gesagten der Verzicht der Mehrheit der Gläubiger
auf die Geltendmachung eines Anspruches nicht gleichbedeutend mit einer
Anerkennung des Anspruches sein kann, so ist im weitern zu sagen, dass
auch die vom Gesetze vorgesehene Abtretung nicht den Sinn haben kann,
den die Jmpetranten und der Vorderrichter in den Begriff legen. Unter
der Abtretung" ist nicht eine eigentliche Cession im civilrechtlichen
Sinne zu verstehen, welche zur Folge hätte, dass der Anspruch ein
für allemalaus dein Massevermögen gänzlich ausscheiden und mit allen
rechtlichen Folgen einer Cession an die einzelnen Gläubiger übergeben
würde. Das ergibt sich klar aus folgenden Thatsachen:
xxvn, 2. 5905 9
130 civitrectiispilege.
1) Bei Widerruf des Konkurses muss auch die Abtretung an die einzelnen
Gläubiger dahin fallen; denn da'-d'adncchssder Gemeinschuldner wieder
in die volle Verfugungssahigkeit uber sein Vermögen eingesetzt wird,
so geht der betreffende Anspruch von der Konkursmasse auch wieder auf
ihn über und wird damit auch
' btretun in älli . _
WL? Der betrlessefndegAnspruch scheidet nicht aus dein Massevermögen aus,
sondern sein Erlös fällt in fdie Iîîssiasie, jeweisi er die Forderung
der prozessierenden Gläubiger ubersteigt Ver Anspruch der letztern
auf vorgängige Befriedigung ist nichts anderes als eine Prämie für das
übernommene Risiko des Prozesses, ganz analog der Bestimmung des Art. 131
Abs. 2 Betr-
ee . . ©5233 Eine weitere Abtretung, Cessioii, des Anspruches durch die
Gläubiger, die die Prozessführiing übernommen haben, ist, wie aus dein
sub 1 und 2 Gesagten folgt, unstatthaft. _
4) Die Realisieruug des Anspruches, den die-prozessierenden Gläubiger
erstritten haben, geht nicht voii den einzelnen Glaubigern ans,
sondern gehört, wie sich aus Art. 260 Abs. 2 ergibt, in die Kompetenz
der Konkursverwaltung. Er mit, wenn sie o"bsiegen, nicht ihnen zu
selbständiger Versagung za,-fondati gilt dann als Massegut, auf dessen
Erlös die prozessierenden Gläubiger nur den ersten Anspruch haben. '
5) Auch die Verteilung des Erlöses unter mehrere prozessierende Gläubiger
hat wieder von der Konkursverwaltung auszugehen; gegen die betreffenden
Verfiigungen kann Beschwerde geführt, die Aufsichtsbehörde kann gegen
eine unrichtige Verteilung angerufen werden (vgl. Ath Samml., Bd. XXV,
1. Teil, Nr. 122, Sep.-Ausg. II, Nr. 73). '
6) Da die Verteilung des Ergebnisses unter die prozessierenden Gläubiger
iiach dem unter ihnen bestehenden Range- ·zu geschehen hat, kann es
vorkommen, dass der ganze-Prozetzgewinn einem derselben allein zugewiesen
werden muss-, während doch die Abtretung _an Alle erfolgte; das stünde mit
einer eigentlichen Abtretung im Sinne der Art. 183 ff. O.-R.-zweifellos
nicht im Einklang. '
'?) Die Konkursverivaltung hat die Klagefrist anzusetzen,
auchlV. Schnldbetreibnng und Konkurs. N° 15. 131
wenn die Masse ihrerseits den Anspruch nicht geltend machen will
(vgl. Amtl. Samml Bd. XXIII, 2. Teil, Nr. 177).
8) Ein Gläubiger, der aus dem Kollokationsplane weggewiesen ist, verliert
die Legitimation zur Weiterführuug des Prozesses um den Anspruch, den
er sich vorher hatte abtreten lassen.
Alle diese Thatsachen sind Konsequenzen des einen Grundsatzes-, dass es
sich bei der Abtretung des Art. 260 Betr.-Ges. lediglich um Überlassung
der Prozessführung an die Gläubiger-, aber nicht um eine Abtretung
materiell-rechtlichen Inhaltes im Sinne der obligationenrechtlichen
Bestimmungen über die Cession handelt. (Vgl. auch den Entscheid
des Bundesrates in Archiv V, Nr. 42.) Dieser Grundsatz folgt denn
auch noch aus folgender Betrachkung: Die Konknrsmasse besitzt selbst
keine von jenen des Gemeinschuldners verschiedenen materiellen Rechte,
sondern sie macht nur diejenigen des Geineinschuldners geltend, welche
auf sie zufolge des der Gläubigergesamtheit zustehenden Beschlagsrechts
kraft gesetzlicher Suceession übergegangen sind. So lange nun nicht
alle Gläubiger auf die Ausübung dieses Beschlagsrechtes verzichten,
besteht diese Suecession und Verfügung nach dem Willen des Gesetzes zu
Recht und fällt der betreffende Anspruch nicht an den Gemeinschuldner
zurück, und es soll durch Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung
(die Fälle positiver entgegenstehender Bestimmungen ausgenommen)
die Ausübung jenes Rechtes nicht verunmöglicht werden können. Wenn
daher einzelne Gläubiger im Sinne des Art. 260 Betr.-Ges. klagen, so
leiten sie ihr Klagerecht nicht aus einer Abtretung des betreffenden
materiellen Anspruches quoad jus von der Masse her, sondern direkt
aus dein Veschlagsrecht der Gläubigerschaft an dem sämtlichen Vermögen
und sämtlichen Ansprüchen des Gemeinschuldners, das zu Gunsten aller
Gläubiger besteht, mit dein es steht und fällt; sie machen daher nicht
einen ihnen zustehenden neuen Anspruch geltend, wie bei einer eigentlichen
Abtretung, sondern die Rechte des Gemeinschuldners bezw. der Gesamtheit
der Gläubiger, die von Anfang an durch die Konkurseröffnung auf sie
übergegangen sind. (Vgl. auch Amis. Samml., Bd. XIX, S. 288, Crw. 2;
Bd. XVIII, S. 538 Erw. 2.) Somit liegt auf Seiten der prozefsierenden
Gläubiger ganz die gleiche Sueeession in die
132 Givilrechtspflege.
Rechte und die Prozessstandschast des Gemeinschuldners vor, wie im
Fall einer Klage durch die Konkursverwaltung namens der Gesamtheit der
Gläubiger Auch die einzelnen Gläubiger klagen und werden belangt namens
der Gesamtheit der Gläubiger, nur mit dem Unterschied, der aber ihre
rechtliche Stellung gegenüber dem Dritten in keiner Weise berührt, dass
sie den Prozess auf eigenes Risiko führen, wogegen dann die Prozessprämie
das Äquivalent bildet. Eigentliche Prozessvartei ist aber immer noch die
Gläubigerschaftz sie hat nur ihre Vertretung für den Prozess gewechselt
und das Prozessrisiko auf andere Schultern abgewälzt. Dass die Abtretung
bei der Beratung des Gesetzes nur in diesem Sinne aufgefasst wurde,
daraus weist auch der Wortlaut aller Entwürfe hin, die sämtlich immer nur
von einer Abtretung des Ansprnches an einzelne Gläubiger- sprechen, um
denselben unter Ausstcht der Konknrsverwaltung, aber auf eigene Kosten,
rechtlich geltend zu machen. So war der Artikel (277) noch in dem ans
Grundlage der zweiten Beratung der Bundesversammlung festgestellten
Entwurfe gefasst; und erst in der sog. redaktionellen Vereinigung durch
den Bundesrat erhielt er den heutigen Wortlaut, ohne dass jedoch dabei
eine materielle Änderung beabsichtigt gewesen ware.
&. Hat aber nach dem Gesagten Art. 260 Betr.-Gcs. diese weniger
civilrechtliche, als vielmehr prozessrechtliche Bedeutung, so ist flat,
dass entgegenstehende Bestimmungen kantonaler Prozessordnungen, welche
die Verwirklichung dieses Gedankens des eidgenössischen Gesetzes hindern,
weichen müssen. Der hernische Civilprozess scheint indessen überhaupt
keine Bestimmung, die einem derartigen Übergang der Prozesssiihrnng
von der Gesamtheit der Gläubiger auf einzelne derselben im Wege stehen
würde, zu enthalten. Dass hiebei weder von einer Haupt-, noch von
einer Rebenintervention gesprochen werden kann, ist nach dem Gesagten
zweifellos; §§ 35 und 36 Bern. C.-P., sowie § 34, von denen die Vorinstanz
spricht, treffen daher nicht zu. Aber auch der in § 26 vorgesehene Fall
der nominatio auctoris, unter den die erste Instanz das Rechtsverhältnis
subsumiert hatte (wie denn auch § 26 in der von der Konkursverwaltung
aus-gestellten Abtretungsurkunde angeführt ist), deckt sich mit dem
vorliegendenIV. Schuldbetreibung und Konkurs. N° 15. 133
Falle nicht. Eigentlich Beklagter ist nach wie vor die Gesamtheit der
Gläubiger, und die einzelnen prozessierenden Gläubiger werden nicht m
eigenem Namen, sondern namens der Gläubigergesamtheit und als Träger ihrer
Rechte verklagt. Da die Abtretung- vorliegend ausdrücklich im Sinne des
Art. 260 Betr-Ges erfolgte, so ist damit hinlänglich dargethan, dass sie
diesen.geseh.Itchen Inhalt haben sollte; die irrtümliche Auslegung des
Art. 260 kann weder der Masse noch den Jmpetraten zum Nachteil gereichen.
6. Fraglich könnte daher einzig noch sein, ob nicht das fante: vnale
Prozessrecht für den vom eidgenössischen Recht vorgesehenen Ubergang
der Prozessführnng bestimmte Formen ausstellen dars. Diese Frage braucht
indessen heute nicht gelöst zu werden da derartige Bestimmungen von der
Vorinstanz nicht namhaft,gemacht worden sind, sondern die Wegweisung der
Jmpetraten ans dem Prozesse deshalb erfolgte, weil die Formen, die für
die Nebenintervention vorgeschrieben sind, nicht beachtet worden seien.
Es genügt daher, festzustellen, dass der Thatbestand des Art. 260 nicht
unter die Nebenintervention fällt, um das angefochtene Urteil anszuheben
und die bernischen Gerichte zur Zulassung der Impe:traten zu verhalten.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: _ Die-Berufung wird als begründet
erklärt. Demgemäss sind intAufhebung des Urteils des Appellationsund
Kassationsshofes des Kantons Vern vom 16. November 1900 die Impetranten
mit ihrem im Termin vom 22. Juni 1900 gestellten
Zwischenbegehren abgewiesenLausanne. Imp. Georg-es Bride! & Cio