590 C. Entscheidungen der Schuldhetreihungs--

zur Anhebung der Eigentumsklage ansetzte. Frau Spinner erhobBeschwerde
mit dem Begehren, die Klägerrolle den Pfändungsgläubigem zuzuweisen. Sie
sei Handelsfrau, machte sie geltend, und als solche im Handelsregister
eingetragen; die gepfändeten Mobilien befänden sich in der von ihr
persönlich gemieteten Wohnung und seien deshalb in ihrem Gewahrsam und
nicht in demjenigen ihres Marines.

II. Von den beiden kantonalen Jnstanzen mit ihrer Beschwerdeabgewiesen,
zog Frau Spinner dieselbe rechtzeitig an das Bundesgericht weiter-.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat (vgl·.
z. B. Amtliche Samml., Bd. XXV, Nr. 122), bezieht sich die Bestimmung
von am. 35 des Obligationenrechtes über die Handelsund Gewerbefrau
nur auf die Handlungsfähigkeit der letztern und will ihr keineswegs
ein ihrem Geschäftsbetrieb dienendes selbständiges Sondervermögen
einräumen oder überhaupt an dem nach kantonalem Rechte bestehenden
ehelichen Güter-rechtsverhältnisse etwas ändern. Demnach ist der von
der Reknrrentin angeführte Umstand, dass ihr die Eigenschaft einer
Handelsund Gewerbefrau zukomme, für die streitige Frage, ob sie als im
Gewahrsam der gepfändeten Objekte befindlich anzusehen sei oder nicht,
von keiner Bedeutung, sondern entscheidet sich diese Frage ausschliesslich
auf Grundlage der einschlagenden guten-echt-

lichen Bestimmungen des Kantons Zurich. Laut denselben stehtsz

aber, wie die Vorinstanz erklärt und das Bundesgericht nicht zu
überprüsen hat, dem Ehemanne der Genuss, die Verwaltung und damit auch
der Gewahrsam am gesamten ehelichen Vermögen, speziell also auch an den
gepfändeten, in der Wohnung der Ehegatten befindlichen Gegenständen
zu. Dass die Rekurrentin und nicht ihr Ehemann die Wohnung mietete,
hat für das gegenseitigeRechtsverhältnis beider, und insbesondere für
die Verwaltungs-: und Besitzesrechte des Ehetnannes, keine Bedeutung,
sondern nur für ihr Verhältnis zu Dritten, insofern als die Frau solchen
gegenüber aus dem Mietvertrage direkt verpflichtet ist.

Der Rekurs ist also abzuweisen, immerhin in dem Sinne, dassund
Konkurskammer. N° 113. 591

die der Rekurrentin angesetzte Klaganhebungsfrist erst von der Mitteilung
des vorliegenden Entscheides an zu laufen beginnt.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird abgewiesen.

113. Entscheid vom 2. November 1901 in Sachen Steiner Söhne.

Zuständigkeit einer kantonalen Aufsichtsbehörde in Beschwerden gegen
Betreibimgsbeamte. Art-. 17 B.-G. Ist dann, wenn eine kantonale
Aufsichtsbehörde side mit Unrecht unzez-std'ndiîg erkläre! hat, immer
Rückweisemg am dieselbe nötig? Anschlusspfàndung, Art. MO B. G.

I. Die Rekurrenten, Steiner Söhne, liessen am 12. März 1901 durch
das Betreibnngsamt Arles-heim 50 Säcke Roggen pfänden, welche dem von
ihnen betriebenen Schuldner Arnold Kunz in Dornach gehörten,von diesem
aber dem Müller Eiche-: in Brüglingen zur Aufbewahrung übergeben und
hier auf Begehren der Rekurrenten mit Arrest belegt worden waren. Arn
25. März ersuchte das Betreibungsamt von DorneckeThierstein dasjenige von
Arlesheim, das fragliche Getreide für Rechnung von zwei andern Gläubigern
des Kung, Ackermann und Hausen zu pfänden, welche Gläubiger für ihre bei
letzterem Amte gesührten Betreibungen nicht gedeckt worden waren. Das
Betreibungsamt Arlesheim entsprach diesem Begehren in der Weise, dass es
zu Gunsten jener Gläubiger einen Anschluss an die Psändung vom 12. März
vornahm.

Hiegegen erhoben Steiner Söhne Beschwerde, indem sie geltend machten: Nur
solche Gläubiger seien zum Anschluss an die erwähnte Pfändung berechtigt,
welche im Falle gewesen wären, in Arlesheim das Fortsetzungsbegehren zu
stellen, was für die in Frage stehenden Gläubiger nicht zutreffe. Eine
Pfändung zu Gunsten derselben sei höchstens für einen allfälligen bei
der Verwertung sich ergebenden Mehrerle statthaft.

592 C. Entscheidungen der Schuidbetreibungs-

II. Die kantonale Aufsichtsbehörde beschloss am 14. August 1901,
auf die Beschwerde nicht einzutreten, da die Verantwortlichkeit für
die angefochtene Pfändung nicht das Betreibungsamt Arles-heim als das
requirierte, sondern das Betreibungsamt Dorneck-Thierstein als das
requirierende Amt treffe und somit die solothurnische Aufsichtsbehörde
in Sachen kompetent fei.

HI. Diesen Entscheid zogen Steiner Söhne rechtzeitig an das Bundesgericht
weiter, wobei sie ausführten: Nur das Betreibungsw amt Arlesheim könne
dafür verantwortlich sein, in welcher Weise es die Pfändung vorgenommen
habe, ob durch Anschluss an eine in Arlesheim bestehende Gruppe oder
durch Pfändung des Überschusses ans dieser Gruppe Die Vorinftanz, als
die dem genannten Betreibnngsamt vorgesetzte Aufsichtsbehörde, sei also
zur Behandlung der Beschwerde kompetent und die letztere deshalb zur
Erledigung an sie zurückzuweisen. Eventuell möge das Bundesgericht die
Beschwerde aus den angegebenen Gründen von sich aus materiell gutheissem

IV. Die kantonale Aufsichtsbehörde lässt in ihren Gegenbemerkungen zum
Rekurfe auf Abweisung desselben antragen, sowohl was die Kompetenzfrage
als die eventuelle materielle Entscheidung des Falles anbetreffe.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Die Vorinstanz hat offenbar mit Unrecht ihre Zuständigkeit zur
Behandlung des Rekurses in Abrede gestellt: Die Rekurrenten beschweren
sich nicht etwa über eine amtliche Vorkehr des Betreibungsbeamten
von Dorneck-Thierstein und speziell nicht über das von diesem namens
der betreffenden Gläubiger gestellte Gesuch um Vortiahme der in Frage
stehenden Pfändung. Jhre Beschwerde richtet sich vielmehr gegen die
Art und Weise, auf welche der Betreibungsbeamte von Arlesheim diese
Pfändung vollzog, indem diese nach ihrer Ansicht nicht in Form eines
Anschlusses an die bestehende Pfändung vom 12. März 1901, sondern
nur in Form einer besondern und auf den Mehrerlös sich beschränkenden
Pfändung habe erfolgen können. Angefochten wird also lediglich eine vom
Betreibungsbeamten von Arlesheim selbständig und kraft seiner Amtsgewalt
vorgenommene Betreibungshandlung, und es muss deshalb auch die Vorinstanz,
als mac-an.. si. . _

und Konkurskammer. N° 113. 593

die ihm vorgesetzte Behörde, zur Beurteilung der Rechtsgültigkeit dieser
Verkehr zuständig sein.

2. Eine Rückweisung der Sache an die kantonale Aufsichtsbehörde zur
erneuten Behandlung erscheint indessen nicht als angezeigt, da der
Fall hinreichend abgeklärt ist, um sofort einen definitiven Entscheid
aus-fällen zu können, wozu dem Bundesgerichte nach bisheriger Praxis
unter solchen Umständen die Befugnis zusteht (ng. Archiv IV, Nr. 110;
Amtl Samml Sep.: Ausg. der betreibungsund konkursrechtl Entscheid.,
Bd. IV, Nr. 9, Erw. 4"). Es handelt sich nämlich ausschliesslich um die
Rechtsfrage, ob zum Anschlusse an eine Pfändung im Sinne von Art. 110
des Betreibungsgefetzes nur solche Gläubiger berechtigt seien, die ihre
Betreibung beim gleichen Amte wie der erstpfändende Gläubiger eingeleitet
haben bezw. gesetzlich einzuleiten hatten, oder ob diese Berechtigung
auch andern Gläubigern zustehe, in der Weise, dass das Amt, das für ihre
Betreibung zuständig ist, in ihrem Namen durch Requifitionsbegehren den
Pfändungsanschluss zu verlangen hat. Die Frage muss in letzterem Sinne
entschieden werden: In der That bietet der Wortlaut des Art. 110 des
Betreibungsgesetzes, laut welchem die Anschlussbefugnis, ohne dass ein
Unterschied gemacht würde, schlechthin allen Gläubigern gewährt wird,
die sich in der Lage befinden, ein Fortsetzungsbegehren zu stellen,
für die einschränkende Auslegung der Rekurrenten keinen Anhaltspunkt.
Und ebensowenig wird diese Auslegung dem Sinne des Artikels und den
praktischen Bedürfnissen gerecht: Es lässt sich nicht absehen, warum die
Befugnis des Gläubigers, Pfändung zu verlangen, auf das am Betreibungsorte
befindliche Vermögen des Schnidners lokalifiert sein sollte, oder doch
bezüglich des in einem andern Betreibungskreise liegenden Vermögens
den Pfändungsrechten der dort betreibenden Gläubiger nachzugehen
hatte. Vielmehr muss

dieses Recht eine räumlich allgemeine, d. h. nicht auf den betreffen-

den Betreibungskreis beschränkte Geltung besitzen. Andernfalls würde man
dazu gelangen, in unbilliger Weise Privilegien zu Gunsten derjenigen
Gläubiger zu schaffen, welche die Betreibung am Orte des gelegenen
Vermögens führen. So kann es z. B. nicht angehen, bag, wie dies gerade
hier beansprucht wird, in

*A. S. Bd. XXVII, 1, Nr. 19, S, 123 E'.

594 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

einer Arrestbetreibung der Arreftgläubiger die Befugnis habe,
vorgängige Deckung zu verlangen und insoweit die an andern·
Betreibungsfora geführten Betreibungen von der Exekution in das
verarreftierte Vermögen auszuschliessen Ebenso unannehm bar wäre
unter anderm die fernere Konsequenz, dass der betreibende Gläubiger-,
dessen Schuldner nach erfolgter Pfändungsankündigung seinen Wohnsitz
verändert, auf das am neuen Wohnsitz befindliche Vermögen nicht in
gleichem Masse wie die dort betreibenden Gläubiger greifen dürfte
(Art. 53 des Betreibnngsgesetzes). Wie sich aus all dem ergibt, kann
vielmehr der Art. 110 des Betreibungs-s gesetzes nur von dem Grundsatze
der Gleichbehandlung sämtlicher pfändungsberechtigter Gläubiger, bezw. der
Gleichstellung der ordentlichen mit den Requisitorialpfändungen ausgehen.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird abgewiesen. '

114. Entscheid vom 12. November 1901 in Sachen Hürlimann und Genosse-

annelremuermngx Fertsetzungsbegekrm, gestützt auf Pfandausfall-schein;
Art. 158. 110 Sch.. u. K .-G. Sistierung der Ergeînzemgs si
pfc'mdung. Unterscic-ied von Ergtînzmegspfdndemg im. Sinne des AW. 110
Abs. 1 Sgh-. u. Is.-G. Nachpfdndtmg, Art. 145 end.

'I. Jnfolge einer von Fürsprech Ehrler in Schwyz gegenüber Witwe Nauer
und Kinder in Rickenbach angehobenen Vetreibung (Nr. 2349) gelangten am
29. Oktober 1900 als Faustpfäuder drei der Schuldnerschaft gehörende
Kapitaltitel zur Versteigerung, wobei jedoch die betriebene Forderung
von 20,983 Fr. 42 Its. durch den Steigerungserlös nicht gedeckt wurde,
sondern dem Gläubiger für eine Schuldrestanz vons 10,689 Fr. 62 Cis-. ein
Pfandausfallschein ausgestellt werden musste.

Gestützt auf diesen Pfandausfallschein d. d. 29. Oktober 1900 verlangte
der Gläubiger am 26. November 1900 die Fortsetzung der Vetreibung. Das
Betreibungsamt erteilte ihm Anschluss anund Konkurskammer. N° 114. 595

die bereits bestehende Gruppe 59, in welcher schon am L., 9.
und 23. November für andere Gläubiger gepfändet worden war und deren
Teilnahmefrist bis zum 2. Dezember sich erstreckte. Im weitern ordnete
das Amt eine damit notwendig gewordene Ergänzungspfändung auf den
28. November an. Hiegegen beschwerten sich die betriebenen Schuldner
mit der Behauptung, Ehrler habe eine neue Betreibung anzuheben, und der
Gerichtspräsident glaubte sich dadurch veranlasst, die Pfandaufnahme
für einstweilen zu sistieren. Durch den über diese Beschwerde am
15. Dezember 1900 erlassenen Entscheid wurde jedoch das Begehren der
Familie Nauer von der erstinstanzlichen Aufsichtsbehörde als unbegründet
abgewiesen. Daraufhin vollzog das Amt am 9. Januar 1901 die Psändung.

Unter-dessen hatte am 1. Dezember der Gläubiger Hürlimann und am
11. Dezember der Gläubiger B. Schmidig das Fortsetzungsbegehren gestellt,
und jener am Z. Dezember, dieser am 14. Dezember Pfändung bestimmter
Gegenstände erwirkt. Diese Gegenstände sind identisch mit einem Teil
derjenigen, die das Betreibungsamt nachträglich am 9. Januar 1901 dem
Ehrler bezw. der Gruppe 59 zupfändete. Beim Vollng der letztern Pfändung
ging das Amt von der Voraussetzung aus, dass Ehrler, nachdem er durch
den erwähnten Beschwerdeentscheid in seinem Betreibungsrechte geschützt
worden sei und da er ferner das Pfändungsbegehren vor Hürlimann und
Schmidig gestellt habe, diesen gegenüber auch ein vorgehendes Recht auf
die fraglichen Pfandobjekte besitze. Dementsprechend teilte das Amt diesen
beiden Gläubigern mit, dass sie infolge der Pfändung vom 9. Januar 1901
keine Deckung mehr erhalten werden, sondern Verlustscheine, gegen welche
Verfügung ihnen eine Frist von zehn Tagen für eventuelle Beschwerde
eröffnet sei.

II. Hürlimann und Schmidig machten daran thatsächlich von ihrem
Beschwerderechte Gebrauch, indem sie anbrachten: Das Betreibungsamt sei
nicht befugt gewesen, sie durch eine später vorgenommene Pfändung um
ihre wohlerworbenen Rechte zu bringen. Sie bilden für sich eine Gruppe,
Nr. 60, da innert der bezüglichen vom 2. Dezember 1900 bis 2. Januar
1901 laufenTden Teilnahmefrist keine anderen Gläubiger ihren Pfändungen
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 27 I 591
Datum : 02. November 1901
Publiziert : 31. Dezember 1902
Quelle : Bundesgericht
Status : 27 I 591
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 590 C. Entscheidungen der Schuldhetreihungs-- zur Anhebung der Eigentumsklage ansetzte.


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • bundesgericht • frage • stein • fortsetzungsbegehren • betreibungsbeamter • vorinstanz • schuldner • stelle • deckung • betreibungskreis • pfandausfallschein • ehegatte • archiv • rechtsgleiche behandlung • unternehmung • solothurn • entscheid • gesuch an eine behörde • wille
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