466 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

personnelle dont il s'agit, c'est devant le juge de son domicile à Zurich
qu'il doit étre recherche.

Par ces motifs, Le Tribunal fédéral prononce: Le recours est déclaré
fondé, et I'assignation edressée aurecourant par le Präsident du Tribunal
de Vevey, le 1er aoüt 1901, à Pinstanoe de sieur Bovard, est annulée.si

2. Gerichtsstand. des begangenen Vergehens. Per du délit.

Vergl. Nr. 73, 77 und 78.!. Abtretung von Privatrechten. N° 80. 467

Zweiter Abschnitt. Deuxième section.

Bundesgesetze. Lois fédérales.

I. Abtretung von Privatrechten. Expropriation.

80. Urteil vom 27. November 1901 n Sachen Bürgergemeinde Jlanz gegen
Graubünden.

Helm-rs gegen die Interpretation eines kantonalen Gesetzes betreffend
Beéeiligemg des Kantons am Ausbau des Sakmalspurbahnnetzes ;
Beanspmehung unentgeltliche? Abtretung von Gemeindeland. Willkürliche
Auslegung? _Behauptete Verletzung von Art. 26 Zifi. 3 B.-V. amd des
Bundesgesetzes betreffendAbtretng vma Privatreahten. Nat-ur des den
Gemeinden durch das bet-refl'fflde Gesetz Geifer-senken Leistungen.

A. Am 20. Juni 1897 hatte das Bündner Volk einen ihm vom Grossen Rate
einhellig empfohlenen Gesetzesentwurf betreffend Beteiligung des Kantons
am Ausbau des bündnerischen Schmalspurbahnuetzes mit 9362 gegen 2578
Stimmen angenommen, und gestützt hierauf wurde das Gesetz am 1. Juki 1897
auf diesen Tag vom Regierungsrat als in Kraft getreten erklärt. Danach
sicher-te der Kanton für die neu zu ersiellenden Bahnen zunächst waren
die Linien Reichenau bezw. Bonaduz-Jlanz und Thusis-Oberengadin in
Aussicht genommen unter gewissen Bedingungen eine erhebliche Beteiligung
durch Ubernahme von Aktien zu, wobei angenommen wurde, dass die bereits
bestehende und im Besitz eines Schmalspurnetzes befindliche Gesellschaft
der

468 A. staatsrechtliche Entscheidungen, Il. Abschnitt. Bundesgesetzes.

Rhätischen Bahnen, in der sich der Staat gleichzeitig durch Erwerbung fast
sämtlicher Aktien das Ubergewicht verschaffte, die neuen Linien bauen und
betreiben merde. Das Gesetz zog auch die beteiligten Gemeinden, abgesehen
davon, dass die Beteiligung des Staates von einer Aktienübernahnie der an
der betreffenden Linie interessierten Gemeinden und Privaten in bestimmtem
Betrage abhängig gemacht war, direkt zu dem Unternehmen heran, indem
es in § 6 festsetzte: Die Gemeinden, deren Territorium zum Bau dieses
vom Kanton durch Aktienbeteiligung unterstützten Schmalspurbahnnetzes
berührt werden muss, find gehalten, den zu diesem Zweck in Anspruch zu
nehmenden Gemeindeboden, sowie das auf solchem befindliche Material an
Steinen, Kies und Sand, an die Bahnunternehmung unentgeltlich abzutreten

B. Als die Rhätische Bahn, gestützt aus den hiedor eitierten § 6 des
kantonalen Eisenbahngesetzes, die Abtretung von 11,088--

Quadratmeter Kulturlandes der Gemeinde Jlanz verlangte, erhob

die Bürgergemeinde dagegen Einsprache. Hierauf erkannte der Kleine Rat
am 4. Januar 1901:

Die Gemeinde Jlanz ist pflichtig, den von der Rhätischen Bahn für den
Bahnbau beanspruchten Gemeindeboden unentgeitlich abzutreten-

G. Gegen diesen Beschluss rekurrierte die Bürgerkorporation Jlanz an
den Grossen Rat. Sie machte hiebei besonders geltend, dass § 6 des
Gesetzes betreffend Beteiligung des Kantons Graubünden am Ausbau des
bündnerischen Schmalspurbahnnetzes sich nicht auf Kulturland, das zur
Nutzung den Bürgern zugeteilt ist, beziehen könne, sondern nur auf das
übrige Gemeindeland.

D. Am 31. Mai 1901 wies der Grosse Rat den Rekurs ab und bestätigte den
kleinrätlichen Entscheid, dem er die Erwägung beifügte: Die Frage der
Entschädigung der Betroffenen Erwoprüfen ist zunächst Sache der Gemeinde
selbst und soll hier diese Frage ausdrücklich vorbehalten Meissen.

E. Gegen diesen Entscheid hat die Bürgergemeinde Jiang rechtzeitig den
staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen und beantragt,
dasselbe wolle erkennen:

1. Der Entscheid des Grossen Rates wird wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte aufgehoben.I. Abtretung von Privatrechten. N°
80. 469

2. Die Rhätische Bahn ist pflichtig, die Expropriaiion des Bürgergutes
der Gemeinde Jlanz gemäss den Vorschriften des Bundesgesetzes betreffend
die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vom î. Mai 1850
vorzunehmen.

Zur Begründung dieser Anträge wird geltend gemacht: Dasin der
Sondernutzung der Bürger stehende Kulturland könne nach der ratio
iegis unmöglich zu dem Boden gehören, den die Gemeinden nach § 6
leg. cit. unentgeltlich abzutreten haben. DieRekurrentin verweist in
dieser Beziehung auf die in ihren an den Kleinen und an den Grossen Rat
gerichteten Eingaben enthaltenen Ausführungen Die dort angeführten und
die in der Rekursschrist verwerteten Gründe sind folgende:

i. Die vom Kleinen und Grossen Rat in Aussicht gestellte Entschädigung
der Losinhaber durch die politische Gemeinde sei nach gegenwärtigem
kantonalem Staats-rechte gar nicht möglich.

2. Nach dem auf Grund von Art. 23 B.-V. (früher Ll) erlassenen
Bundesgesetze über Abtretung von Privatrechten könne die Abtretung
von Land zum Bau von Eisenbahnen nur gegen volle Entschädigung
verlangt werden. Jeder Bürger habe hienach im Falle der Abtretung ein
verfassungsmässiges Recht auf Entschädigung und das gelte auch für
Gemeinden. Dem gegenüber könne kanionales Recht keine Geltung haben,
denn Bundesrecht derogiere kantonalem Rechte. Die angefochtenen Entscheide
des Kleinen und des Grossen Rates verletzen also verfassungsmässigeRechte
der Rekurrentin

Aus der dieser Argumentation voransgeschickten Einleitung ergibt sich
jedoch, dass die Rekurrentin das Gesetz betreffend die Rhätische Bahn
nur insoweit ansicht, als dasselbe von denkantonalen Behörden entgegen
der ratio legis auch auf das in der Sondernutzung der Bürger stehende
Kulturland angewandt werde.

3. Die Rekurrentin habe umsomehr Anspruch ans den Schutz des
Bundesgerichtes, als der Kanton Graubünden den weitaus grössten Teil der
Aktien der Rhätischen Bahn besitze und weil daher Kleinund Grossrat sich
bei Fassung der rekurrierten Entscheide nicht in ganz unparteiischer
Stellung befunden hätten.

F. In ihren Antworten auf den Rekurs bestreiten der Kleine

470 A... Staatsrechtliche Entscheidungen. Il. Abschnitt. Bundesgesetze.

Rat und die Rhätische Bahn die Legitimation der Bürgergemeinde zur
Beschwerdeführung, indem sie hiefür geltend machen:

Die beiden rekurrierten Entscheide statuieren Rechte zwischen der
Rhätischen Bahn und der politischen Gemeinde Jlanz. Tie Rekurrentin
sei aber nicht diese Gemeinde, sondern die Bürgergemeinde Jlanz. Das
granbnerische Staats-recht kenne nur eine Gemeinde, die politische,
wie sie in Art. 40 K.-V. definiert sei. Innerhalb der politischen
Gemeinde bestehe die bürgerliche Korporation, von der im dritten Absatz
von Art. 40 K.-V. die Rede sei. Die beiden Gemeinden seien durchaus
nicht identisch. Eine Vertretung der einen durch die andere sei durchaus
unstatthaft. Die Bürgergemeinde könne nicht einen Entscheid weiter ziehen,
der sie gar nichts angehe. Nur die politische Gemeinde hätte rekurrieren
können, habe es aber nicht gethan. Diese Legitimationsfrage habe nicht
bloss formelle Bedeutung, sondern auch materielle, denn die rekurrierten
Entscheide gehen davon aus, dass die eventuelle Entschädigung der Inhaber
der in Anspruch genommenen Bürgerlose nicht von der Bürgergemeinde,
sondern von der politischen Gemeinde zu leisten sei.

Für den Fall des Eintretens wird von den Rekursbeklagten geltend gemacht:

Die durch § 6 des graubündnerischen Eisenbahngesetzes den Gemeinden
auferlegte Pflicht zur unentgeltlichen Abtretung von Gemeindeboden sei
nicht privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur. Sie bestehe
zu Recht, weil die Gemeinden öffentlichrechtlichen Charakter haben,
und ihre Verwaltung sich nach den Normen des öffentlichen Rechtes zu
richten habe. Das eidgenössische Recht über Abtretung von Privatrechten
könne daher nicht zur Anwendung kommen.

Ob die vom Kleinen und Grossen Rat in Aussicht genommene Entschädigung
der Betroffenen Löserbesitzer möglich sei oder nicht, sei hier nicht zu
beantworten. Auch das falle dem kantonalen Rechte anheim.

Das Eisenbahngesetz mit dem § 6 sei auch von der Gemeinde Jlanz mit 101
gegen 13 Stimmen angenommen worden. Es gehe nicht an, dasselbe hintennach
als verfassungswidrig anzu-

fechten.I. Abtretung von Privatrechten. N° 80. 471

Es handle sich nicht um die Abtretung von Privatrechten, sondern um
Anflage von Subventionen an die Gemeinden. Dass eine solche Auflage
bundesrechtswidrig sei, sei nicht einmal behauptet, geschweige
nachgewiesen Es könnte sich höchstens fragen, ob eine solche Auflage
mit der Kantonsverfafsung (Art. 9) vereinbar sei. Die Rekurrentin
habe aber diese Frage nicht aufgeworfen und sie sei daher nicht zu
prüfen. Derartige Inanspruchnahme von Gemeindegut sei schon seit langer
Zeit Praxis im Kanten, entspreche also kantonalen Rechtsanschauungen,
wofür auf die frühem und neuern Strassenbauten verwiesen wird.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

i. Die angesochtenen Entscheide des Kleinen und des Grossen Rates
beruhen auf einem unbestrittenermassen in verfassungsmässiger Weise zu
stande gekommenen kantonalen Gesetze. Als unrichtig angefochten wird
nur die Interpretation, welche die kantonalen Behörden demselben gegeben
halten. Unrichtig soll dieselbe

sein:

a. weil sie zu einem Resultate führe, das der Gesetzgeber unmöglich
gewollt haben könne, und

b. weil sie mit Art. 26 und 23 B.V., sowie den in Ausführung dieser
Artikel erlassenen Bundesgesetzen betreffend Bau und Betrieb der
Eisenbahnen und betreffend Abtretung von Privatrechten unvereinbar sei.

2. Was zunächst die angeblich unrichtige Interpretation des kantonalen
Gesetzes betrifft, so ist das Bundesgericht zur Überpriifung derselben
nicht kompetent. Nur insoweit diese Interpretation als willkürlich und
eine Rechtsverweigerung in sich schliessend bezeichnet werden könnte,
läge für das Bundesgericht Veranlassung zum Einschreiten vor. Ein
solcher Vorwurf ist jedoch von der Rekurrentin nicht erhoben worden;
im Gegenteil anerkennt dieselbe ausdrücklich, dass der Kleine und der
Grosse Rat die grosse Unbilligkeit, die ihr widerfahren, offensichtlich
vermeiden wollten-.

Eine willkürliche Interpretation liegt übrigens auch wirklich nicht
vor. Die Rekurrentin versucht nachzuweisen, dass die Voraussetzung
des Kleinen und des Grossen Rates, die politische Gemeinde habe die
Interessenten zu entschädigen·, eine unmögliche

xxv11, i. 4901 32

472 A. Siaatsrechtliche Entscheidungen. Il. Abschnitt. Bundesgesetze.

sei, und zwar deshalb, weil nach bündnerischem Recht eine der-artige
Verwendung des Gemeindegutes unstatthaft sei. Der KleineRat widerspricht
dem, und es hat die Rekurrentin an Hand von Gesetzen den Beweis für
ihre Behauptung nicht erbracht, jedenfallsnicht in der Weise, dass man
die gegenteilige Ansicht des Kleinen und des Grossen Rates als eine
ganz willkürliche bezeichnen könnte. Die Berufung auf die Eingaben
an die kantonalen Behörden führt zu keinem andern Resultate. Dort
wird ausgeführt, dass weil ein sehr wesentlicher Weriunterschied von
Kulturboden und Allmend, Waldung inbegriffen, existiere, und weil,
wenn auchdas ins Gebiet des Eisenbahntracäs fallend-e Kulturland
unentgeltlich abgetreten werden müsste, grosse Ungleichheiten in der
Bei- tragspflicht der verschiedenen Gemeinden sich ergeben mussten,
nichtangenommen werden könne der Gesetzgeber habe so etwas gewolltFür
diese Ansicht beruft sich die Rekurrentin auch auf die Botschaft des
Kleinen Rates zu dem fraglichen Gesetze, und zwardarauf, dass dort gesagt
wird, die Abtretung von Gemeindeboden sei eine Belastung der Gemeinde, die
kaum ins Gewicht fallen könne. Dem gegenüber hebt schon das Erkenntnis
des Grossen Rates vom 31. Mai 1901 hervor, dass Art. 6 des Gesetzes
nichtv zwischen einzelnen Kategorien des Gemeindegutes unterscheide,
insbesondere nicht zwischen kultiviertem und unkultiviertem Land. Es
kann nun aber nicht als willkürlich bezeichnet werden, wenn auchin
der Anwendung des Gesetzes ein solcher Unterschied nicht gemacht wird,
zumal auch die Behauptung nicht widersprochen werden konnte, dass nach
bündnerischem Rechte die unentgeltliche Abtretnng kultivierten und
unkultivierten Gemeindebodens zu Strassenanlagen die Regel bilde. . .

Z. Wenn somit der Versuch, den rekurrierten Entscheid vom Standpunkt
des kantonalen Rechtes, und vvorn Standpunkt der Rechtsverweigerung
aus anzufechten, als ganzlich misslungen zu bezeichnen ist, so ist des
fernern zu untersuchen, wie es sich mit der behaupteten Verletzung eines
durch die Bundesverfassung unddurch ein Bundesgesetz gewährleisteten
Jndividualrechtes verhalt.

Jn dieser Beziehung ist zunächst hervorzuheben, dass die Rekrurentin dem
Gesetzgeber des Kantons Graubünden keineswegs das Recht zum Erlass des
den Bau der Rhätischen Bahn betreffendenI. Abtretung von Privatrechten. N°
80. 473

Gesetzes bestreitet. Sie anerkennt implicite (ng. sub E 2 hievor)
die die Subventionen der Gemeinden betreffende Bestimmung in Art. 6
desselben, soweit sie sich auf unkultivierten und Waldboden bezieht. Es
ist auch nicht einzusehen, mit welchen Gründen den Kantonen das Recht
zum Erlass von Gesetzen, durch welche die Gemeinden zu Leistungen von
Eisenbahnsubventionen verpflichtet werden, bestritten werden könnte. Die
Bestimmung von Art. 26 der Bundesverfassung ist hie-für ungeeignet
und mit Unrecht von der Rekurrentin als verletzt bezeichnet. Sie gibt
dem Bunde nur das Recht der Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der
Eisenbahnen. Sie hindert aber die Kantone nicht, für einzelne Eisenbahnen
mit Genehmigung des Bandes Spezialgesetze zu erlassen. Ebensowenig
steht der Art. 23 B-.V dem Gesetz des Kantons Graubünden vom 20. Juni
1897 entgegen. Allerdings hat der Bund aus diesem Artikel das Recht
zum Erlass des Erpropriationsgesetzes vom 1. Mai 1850 mit Bezug auch
auf den Eisenbahnbau abgeleitet, und es kann nicht bestritten werden,
dass, soweit nicht besondere Verträge mit den Erpropriaten etwas anderes
bestimmen, alle zum Bau von Eisenbahnen erforderlichen Zwangsabtretungen
nach Massgabe dieses Gesetzes vor sich zu gehen haben.

Aber im vorliegenden Falle ist durchaus nicht feststehend, dass es
sich um eine Erpropriation im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die
Abtretung von Privat-rechten handle, sondern durch Art. 6 des Gesetzes
betreffend die Rhätische Bahn wird nach der Auffassung des Kleinen und
des Grossen Rates den Gemeinden, welche von der Bahn berührt werden,
als Äquivalent für die ihnen aus dem Bau und Betrieb entstehenden
Vorteile, eine Subvention in Form unentgeltlicher Abtretung des zum
Bau erforderlichen Gemeindebodens auferlegt. Diese Leistung wird als
eine öffentlich-rechtliche bezeichnet, dies schon dieser juristischen
Qualität wegen nicht unter das Bundesgesetz betreffend Abtretung von
Privatrechten vom 1. Mai 1850 fallen könne.

Da die Rekurreutin nicht bloss keinen Versuch gemacht hat, dem Bündner
Gesetzgeber das Recht zu bestreiten, die Gemeinden zur Leistung solcher
Subventionen zu verpflichten, gegenteils das Gesetz anerkennt, soweit
es sich auf Abtretung unkultivierten und Wald-Gemeindebodens bezieht,
und nicht nachweist, noch nachzu-

474 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IL Abschnitt. Bundesgesetze.

weisen versucht, dass ein rechtlicher Unterschied zwischen der Abtretung
unkultivierten Landes, Wald inbegriffen, und der Abtretung kultivierten
Landes fei, und da die durch dieses Gesetz den Gemeinden auferlegten
Leistungen offenbar Subventionen sind, die den Gemeinden wegen der
Vorteile auferlegt werden, die ihre Verkehrsverhältnisse durch den Betrieb
der Bahn erfahren, also Subventionen aus Gemeindegut als Ausgleich von
der Gesamtheit der Gemeindeeinwohner zukommenden Vorteilen, so liegt in
der That eine Leistung öffentlich-rechtlicher Natur vor, eine Leistung
im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt der Gemeinde aus dem für diese
Wohlfahrt bestimmten Vermögen der Gemeinde.

4. Trotz einiger Ähnlichkeit des vorliegenden Falles mit dein vom
Bundesgericht am 21. November 1895 beurteilten Falle der Gemeinden
Hottwll, Stein, Gansingen u. s. w. liegt doch ein wesentlicher Unterschied
vor. Damals handelte es sich um die Frage, ob durch Dekret des Grossen
Rates die Gemeinden zu unentgeltlicher Abtretung des zum Eisenbahnbau
benötigten Gemeindelandes verpflichtet werden können. Diese Frage wurde
vom Bundesgericht verneint, einmal, weil dein Grossen Rat, der nicht
Gesetzgeber fei, die zum Erlass des Dekretes erforderliche Kompetenz nicht
zustehe, und dann aber auch mit Rücksicht auf die in der Verfassung des
Kantons Aargau anders als in Graubünden geordnete Gemeindeautonomie Die
Rekurrentin kann sich also nicht auf den eitierten Entscheid berufen,
sondern der Rekurs muss auf Grund der vorstehenden Erwägungen als
unbegründet bezeichnet werden.

5. Unter diesen Umständen braucht auf die durch die Rechtsschriften
der Parteien noch keineswegs abgeklärte Frage der Legitimation der
Bürgergemeinde zum Reknrs nicht eingetreten zu werden. Denn der Rekurs
müsste auch dann abgewiesen werden, wenn die Legitimationsfrage im Sinne
der Reknrrentin zu entscheiden wäre-

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.II. Auslieferung von Verbrechern und
Angeschuidigten. N° 81. 475

II. Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten. Extradition de
criminels et d'accusés.

81. Urteil vom Z. Oktober 1901 in Sachen Bern gegen Aargau.

Die Frage, was Auslieferungsdelikt sei, beuriee'lt sich nach dem
Auslieferungsgesetz (von 1852} selbst, nicht nach den kantonalen Straf-
gesetzen. Verfolgung wegen Ueberîretîmg des (z-ern-isc?ren)1ei)enrs
mittelpolizeigeseizes: falle at die inki'iminierten Handlwzgen merke-r
den Tleetzbestand des Betrugs ?

A. Die Firma C. Speedy, Weinhandlung in Zofingen, deren Inhaberin Frau
Catharina Herdy ist, hatte durch den Ehemann der letztern Adolf Herdy
als Prokuristen und den Reisenden R. Hunziker verschiedenen Witten im
Kanten Bern Wein ver-· kauft. Diese Weine wurden von den zuständigen
Sanitätsbehörden (Anfsichtsbeamter und Kantonschemiker) als Knnstweine
oder doch nicht reine Natur-weine erklärt, worauf die Direktion des
Innern in der Sache vor den zuständigen Richterämtern von Nidau, Viel,
Pruntrut und Aargau Strafklage erhob. Die Strafverfolgung richtete sich
einerseits, wenigstens in einigen der Fälle, gegen die betreffenden Kaufen
anderseits überall auch gegen die beiden Eheleute Herdy. Beschuldigt
wurden die Beklagten der Übertretung des § 12 Ziff. II des kantonalen
Lebensmittelgesetzes vom 26. Hornung 1888, worin eine grössere Zahl von
Thatbesiänden verkehrspolizeilicher Natur sowohl bei vorsätzlicher als
bei fahrlässiger Zuwiderhandlung unter Strafe gestellt werden

B. Zwecks Durchführung dieses Strafverfahrens stellte der Regierungsrat
des Kantons Bern auf Antrag der betreffenden Untersuchungs-behörden
beim Regierungsrate des Kantons Aargau gestützt auf das Bundesgefetz
vom 24. Juli 1852 das Begehren, die Eheleute Herdy, welche im Kanton
Bern wegen Widerhandlung gegen das bernische Lebensmittelpolizeigesetz
resp. wegen Betruges verfolgt seien, auszuliefern, eventuell aber,
sie im Kamen
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 27 I 467
Datum : 01. August 1901
Publiziert : 31. Dezember 1902
Quelle : Bundesgericht
Status : 27 I 467
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 466 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. personnelle


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gemeinde • weiler • frage • bundesgericht • subvention • politische gemeinde • kulturland • aargau • bundesverfassung • vorteil • eisenbahngesetz • regierungsrat • wein • kantonales recht • wald • beschuldigter • entscheid • sondernutzung • legitimation • stein
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