550 Givilrechtspflege.

Besteller eingetretenen Zufall, der Vertrag bezüglich der noch
nicht geleisteten Arbeit allerdings als erloschen gilt, und der
Besteller daher zu weiterer Gegenleistung, als der Vergütung bereits
geleisteter Arbeit und Auslagen nicht verpflichtet ist, stellt das
eid- genössische Obligationenrecht für den Dienstvertrag eine analoge
Bestimmung nicht aus. Daraus folgt, dass der Dienstherr dadurch,
dass er infolge eines bei ihm eingetretenen Zufalls an der Annahme
der Dienste des Dienstpflichtigen verhindert ist, von dem Vertrage
nicht ohne weiteres entbunden wird. Dagegen wird die bei ihm durch
Zufall und ohne sein Verschulden eingetretene Unmöglichkeit, von den
Diensten des Angestellten Gebrauch machen zu können, allerdings in der
Regel ein wichtiger Grund sein, aus welchem gemäss Art. 846 O.-.R die
Aufhebung des Dienstvertrages vor Ablauf der Dienstzeit verlangt werden
kann (ng. Hafner, Komm. zum Obligationenrecht, Art. 346, Anm. 1).
Nach Art. 346 DAR. beurteilt sich demnach die für das Schicksal der
Klage entscheidende Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen fei,
den Klager, wie es geschehen ist, zu entlassen, und welche Ansprüche
diesem aus dem Dienstvertrage noch zustehen. Dass nun die Verhängnng
des Expropriationsbannes über einen Teil des Terrains, auf welchem die
von der Beklagten projektierten Häuser erstellt werden sollten, und die
daraus entstandene Unmöglichkeit, die Dienste des Klägers für die dafür
in Aussicht genommenen Arbeiten zu verwenden, als wichtiger Grund für die
vorgenommene Kündigung anzusehen sei, darf nach den Akten ohne weiteres
angenommen werden. Dieser Auflösungsgrund ist keinem Verschulden eines
Vertragsteiles zuzuschreiben; es sind daher nach Art. 346 Abs. Z die
ökonomischen Folgen der borzeitigen Auflösung des Vertrages vom Richter
nach freiem Ermessen, unter Würdigung der Umstände und des Ortsgebrauches
zu bestimmen. Als wegleitend hat die Erwägung Platz zu greifen, dass
einerseits die Wirkung der Auflösung in der Regel billiger-

weise denjenigen zu treffen hat, in dessen Person die Ursache eingetreten
ist, andrerseits aber das Gesetz die Verpflichtung zu vollem Schadenersatz
nur an vertragswidriges Verhalten knüpft. In Anbetracht aller Umstände
erscheint es hiernach als gerechtfertigt, die Beklagte zu verpflichten,
dem Kläger an den Schaden,IV. Obligaiionenrecht. N° 70. 551

welchen die kantonalen Gerichte in unanfechtbarer Weise auf den
Betrag von 1600 Fr. festgestellt haben, die Hälfte zu ersetzen. Bei
Zuerkennung des vollen Schadenersatzes sind die kantonalen Jnstanzen
von der Erwägung ausgegangen, dass die Beklagte in der Lage sei,
im Erpropriationsprozesse vom Exproprianten Ersatz auch desjenigen
Schadens zu verlangen, der nicht nur unmittelbar sie selbst, sondern
mittelbar auch den Klage-r infolge der Expropriation betroffen hat; für
einen solchen Entschädigungsanspruch der aus der Person eines mit dem
Expropriaten in einem Dienstverhältnis stehenden Dritten hergeleitet wird,
bietet jedoch das eidg. Expropriationsgesetz keine Grundlage Demnach hat
das Bundesgericht erkannt: Die Berufung der Beklagten wird in dem Sinne
als begründet erklärt, dass die Entschädigung, welche die Beklagte dem
Kläger zu leisten hat, auf 800 Fr. herabgesetzt wird.

70. Urteil vom 13. Juli 1900 in Sachen Stalder gegen Liidi & Sie.

Aar-f nackt Muster ; Zusicherungder Rei-nheit der Ware (Kirschwasser)
; arglistége Lieferueeg nicht wrtragsgemässer Ware. WandeZu-ngsund
Schadenersatzklage des Käufers, Art. 243 sf., ! 10 sf., Spec. 116 0.-R.

A. Durch Urteil vom 20. Januar 1900 hat das Obergericht des Kantons
Luzern erkannt:

1. Die Klage sei im Sinne von Motiv 5 des Urteils beschieden.

2. Mit ihren übrigen Begehren seien die Parteien abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen, und unter Einreichung einer begründenden Rechtsschrift den
Berufungsantrag gestellt, es sei die Klage gänzlich abzuweisen und
das Widerklagebegehren zuzusprechen. Die Kläger haben sich der Berufung
angeschlossen mit dem Antrag, es sei die ihnen zugesprochene Entschädigung
auf die in der Klage

552 Civilrechtspflege.

geforderte Summe von 2206 Fr. 35 Ets. nebst Zins seit LTL

August 1898 zu erhöhen. In der Beantwortung der Berufung-s-

schrift des Beklagten beantragen sie Abweisung der Berufung.

Ebenso beantragt der Beklagte Abweisung der Anschlussberufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Beklagte Stalder, Kirschwasserdestillateur in Bignan,

offerierte den Klägern am 27. Februar 1898 unter Zusendung eines
Meisters Kirschwasser per Liter zu 2 Fr. 10 (ars. franko Burgdorf,
Gebinde retour, Ziel 3 Monat oder gegen bar 20,50 Sconto. Tags darauf
bestätigten die Kläger diese Osferte und bemerkten dazu: Bevor wir Ihnen
jedoch einen Auftrag erteilen können, bitten wir Sie, uns zu sagen, ob
Sie für Reinheit Jhres Produktes schriftliche Garantie leisten werden. Da
die Lebensmitteluntersucher im Kanton Bern sehr streng sind und kein
Liqueur verkauft werden dars, dessen Reinheit und Unverfälschtheit
nicht garantiert und vom Kantonschemiker nachgewiesen ist, so müssen
wir selbstverständlich daran sehen, nur reine und garantiert echte
Ware einzukaufen. Wenn Sie also für diesen Kirsch betreffend Echtheit
Garantie bieten können, so sind wir nicht abgeneigt, Ihnen einen Austrag
zu überschreiben Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 29. Februar, er
garantiere für die Reinheit seiner Ware; er habe den Klägern absichtlich
ein grösseres Muster geschickt, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich von
deren Güte zu Überzeugen. Am 2. März bestätigten die Kläger dem Beklagten
den Empfang dieses Schreibens Und ersuchten ihn, ihnen als Muster circa 1
Liter Kirschwasser von der bereits bemusterten Partie à, 2 Fr. 10 Ets. zu
senden, mit dem Bemerken, sie müssen die Qualität zuerst prüfen und
lassen Ordre eventuell folgen. Als nun der Beklagte am 4. März berichtete,
er schicke ein kleines Korbfläschchen von 12 Liter zur Probe, antworteten

die Kläger am folgenden Tag: Im Besitz Jhres Geehrten vom '

4. ct. bitten wir Sie, Uns als Probe nur 1 Liter zu senden, jedoch nun
sofort, denn wir sind auf den Artikel sehr pressiert.. Jst Ihr Kirsch
gut, d. h. vollgrädig,Ä so wird ein grösserer Auftrag sofort folgen,
Nachdem dann der Beklagte das verlangte Muster geschickt und eine Anfrage
der Kläger über die Grösse derGebinde beantwortet hatte, bestellten die
Kläger bei ihm mittelstIV. obligationenrecht. N° 70, 558--

Postkarte vom 10. März 1896 1 Korbslasche 50 60 Liter, 2 Korbslaschen
à 25 30 Liter, zusammen ea. 120 Liter nach eingesandtem Muster und
gemäss Osferte vom 27. Februar- und änderten diese Bestellung, da
der Beklagie ihnen mitteilte, dass er die gewünschten Gebinde nicht
gerade zur Verfügung habe, am 11. März dahin ab, dass sie ein Fässchen
aus Eschenholz von 149 Liter Inhalt verlangten Der Beklagte führte die
Bestellung aus, und die Kläger bezahlten die aus 385 Fr. lautende Faktur,
unter Abrechnung von 2059 Sconto und des auf 9 Liter Manto entfallenden
Betrages Im September 1897 verkauften die Kläger an den Wirt Santschi
zum Kreuz in Gunten, Kanton Bern, 15 Flaschen Kirschwasser, das, wie
die Vorinstanz thatsächlich feststellt, von der Sendung des Beklagten
her-rührte Auf Veranlassung des Santschi fand eine amtliche Untersuchung
dieses Destillates statt; das Certisikat des bernischen Kantonschemikers
gingdahin, dasselbe habe entschieden nicht die Eigenschaften eines
echten Kirschwassers, es bestehe vielmehr vorwiegend ans ordinärem
Branntwein. Gegen Santschi, den Beklagten Stalder und Werner Lüdi,
Anteilhaber der klägerischen Firma wurde ein Strafverfahren wegen
Widerhandlung gegen das bernische Gesetz betreffend den Verkehr mit
Nahrungsund Genussmitteln eingeleitet, in welchenr der Beklagte zugab,
dass sich in dem den Klägern gelieferten Kirschwasser Zwetschgenwasser
befunden habe. Durch Urteil des Gerichtspräsidenten von Thun vom 20. April
1898 wurde sowohl Baptist Stalder, als auch Werner Lüdi schuldig erklärt
der Widerhandlung gegen das Lebensmittelpolizeigesetz und verurteilt:
Stalder zu 8 Tagen Gefangenschaft und 300 Fr. Busse, sowie znr Bezahlung
von VfB der ergangenen Kosten des Staates bestimmt ans 28 Fr. 90 Cts.,
und Werner Lüdi zu einer Geldbusse von 200 Fr. und zu Bezahlung von
1/3 der ergangenen Staatskosten, bestimmt auf 14 Fr. 45 Ets. Santschi
wurde freigesprochen Im September 1898 erhoben nun die Kläger beim
Bezirksgericht Weggis gegen Stalder Klage mit dem Rechtsbegehren,
der Beklagte habeihnen eine Summe von 2206 Fr. 35 (été. zu bezahlen;
SieInachten geltend: Dadurch, dass der Beklagte die Echtheit, Vernheit
und Unverfälschtheit des Destillates ausdrücklich garantterte, während
er wohl wusste, dass dasselbe weder echt noch rein, son-

554 Civilrechtspflege.

dem verfälscht gewesen, habe er absichtlich eine widerrechtliche Handlung
begangen, und hafte den Klägern deshalb gestützt auf

Art. 50 ff. O.-Ji. für all den Schaden, der ihnen aus ihrer ss

Verurteilung entstanden sei; er sei aber auch auf Grund von Art. 110
ff. schadenersatzpflichtig, da er ausdrücklich die Pflicht ss übernommen
habe, reines Kirschwasser zu liefern; indem er dies nicht gethan, habe
er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt und hafte daher nach Art. 110
O.-R. Das Verschulden des Beklagten zmüsse als ein schweres bezeichnet
werden. Der Schaden, welchen der Beklagte der Klägerin zu ersetzen habe,
bestehe einmal in dem Betrag der Geldbusse und der Kosten, zu welchen sie
in dem Strafprozess durch das Urteil des Gerichtspräsidenten von Thun
verurteilt worden seien, sowie in ihren daherigen aussergerichtlichen
Kosten. Der Hauptschaden der Kläger rühre jedoch daher, dass sie
infolge ihrer Verurteilung, die auf die betrügerische Handlung Edes
Beklagten zurückzuführen sei, in ihrem geschäftlichen Rufe, seine ernste
gewissenhafte Firma zu sein, gelitten, und dadurch Kunden verloren haben
und noch verlieren werden. Dieser Schaden sei mit 1500 Fr. jedenfalls
nicht zu hoch bemessen. Im weitern verlangen die Kläger Bezahlung ihrer
Rechnung an Santschi im Betrag von 46 Fr., welche Santschi wegen der
schlechten Beschaffenheit der gelieferten Ware zu zahlen sich weigere,
sowie Rückgabe des bezahlten Betrages der Faktur des Beklagten vom
13. März 1896 mit 296 Fr. 10 Cts., wogegen sie sich verspflichten, das von
ihnen noch nicht verkaufte Kirschwasser dem Beklagten zurückzuerstatten
und für das gebrauchte Kirschwasser mit der ihm zustehenden Forderung zu
kompensieren auf Grund des Ankaufspreises von 2Fr. 10 Ets. per Liter. Der
Beklagte beantragte Abweisung der Klage und forderte seinerseits
widerklageweise eine Entschädigung von 2000 Fr. Er behauptete, der mit
den Klägern abgeschlossene Kaufvertrag sei ein Musterkauf gewesen, und
ein solcher schliesse den Kan aus garantierte Qualität aus. Mit seiner
Garantieerklärung habe der Beklagte nichts anderes sagen wollen, als
dass die Ware bezüglich der Reinheit der eingesaudten Probe entsprechen
solle. Die Kläger hätten die Qualität der Ware genau gekannt und auch
wohl gewusst, dass zu einem so billigen Preise, wie der verabredete,
kein reinesIV. Ohligationenrecht. N° 70. 555

Kirschwasser geliefert werden könne; sie hätten mala. fide gehandelt,
indem sie dieses Kirschwasser verkauften und vom Beklagten schriftliche
Garantie verlangten; denn sie hätten die Gesetzgebung

im Kanten Bern gekannt und nach Kenntnisnahme der Qualität

ss der Ware gewusst, dass dieses Kirschwasser im Kamen Bern nicht
verkauflich sei und deshalb durch Einholen der Garantieerklärung die
Haftbarkeit von sich abzulenken versucht. Das sei Betrug und

mala fides. Für den von ihnen verübten Betrug und für den durch ihre
unwahren Depositionen in der Strafuntersuchung dem Beklagten gestisteten
Schaden seien die Kläger nach Art. 50 O.-R. verantwortlich Wenn die
Kläger gesagt hätten, dass ein Musterkauf stattgefunden, und dass sie das
Muster untersucht Und trotzdem das Kirschwasser weiter veräussert haben,
dann wären sie allein gestraft worden-

2. Die Vorinstanz hat im Motiv 5 ihres Urteils, auf welches das eingangs
mitgeteilte Dispositiv Bezug nimmt, folgendes ausgeführt: Vorwürsig
handelt es sich um den Kan einer Quantität vertretbarer Sachen im Sinne
von Art. 252 O.-R. Die klägerischen Begehren gehen auf Wandelung und
Schadenersatz .Es wird daher soweit die Kaufssache noch vorhanden nt,
auf .Wandelung, soweit sie dagegen veräussert oder verhraucht, auf Ersatz
des Minderwertes zu erkennen sein unter Beructsichtigung der klägerischen
Anerbieten. Das noch vorhandene Kirschwasser ist von der Klägerin an
den Beklagten zurückzuerstatten, wogegen letzterer den entsprechenden
Kaufpreis nebst Zins zu 50/0 zu-rückzuvergüten hat. Betreffend die
nicht mehr vorhandene Ware _ inklusive die an Santschi gelieferte sei
der Kaufer gehalten, sich 2 Fr. 10 Cts. ver Liter anrechnen zu lassen
und zwar kompensationsweise Bezüglich des Schadenersatzes ist zu jagen,
dass im Falle der Wandelnng gemäss Art. 203 Q . der Klägerschaft der
Ersatz des unmittelbaren Schadens gutzu,sprechen ist. Des Fernern wird
in Anbetracht des beklagtischen Verschuldens der Verkäufer nach den
Bestimmungen des Art. Akt in Verbindung mit Art. 116 leg. cit. auch
für weitern der Klagerin zugefügten Schaden aufzukommen haben. Was in
Fenster Bitte den geforderten Ersatz der pekuniären Folgen des eat-caf:
prozesses exklusive Schadenersatz betrifft, so glaubt man diesbe-

556 Civilrechtspflege.

züglich von einer Entsprache absehen zu müssen, zumal die Klage in
dieser Hinsicht nicht substanziiert und es überdies nicht bewiesen
ist, dass die Firma zur Geltendmachung solcher Forderungen legitimiert
sei. Ebenso mangelt ein Beweis für die durch die Untersuchung der Klägerin
erwachsene Kreditschädigung im Betrage von 1500 Fr. Gleichwohl gelangt der
hierortige Richter mit Rücksicht auf die stattgehabte Untersuchung und
deren zweifellos schädigenden Einfluss auf das Gewerbe und den guten an
der Klägerin zur grundsätzlichen Anerkennung der Entschädigungspflicht
des Beklagten und glaubt, dass im Hinblick auf die Sachund Aktenlage
eine Pauschalentschädiguug von 300 Fr. an die Klägerin den Verhältnissen
entsprechen durfte, wovon der Verzugszins vom 27. August 1898 an zu
berechnen ist

3. Der Beklagte haftet den Klägern aus dem mit ihnen abgeschlossenen
Kaufgeschäft gemäss den Art. 248 ff. O-R. für den Schaden, den sie durch
Lieferung nicht vertragsmässig beschaffener Ware erlitten haben. Ob
in casu konkurrierend mit dieser Haftung aus Vertrag eine Haftung des
Beklagten wegensog aqnilischen Verschuldens bestehe, wäre nur zu erörtern,
sofern die Vertragsklage nicht ausreichte, um sämtliche Interessen, welche
mit dem Klagebegehren geltend gemacht werden, zu schützen. Da es sich nach
diesem Begehren ausschliesslich um Ersatz von Vermögensschaden, nicht
auch um Genugthuung für Zufügung seelischen Schmerzes handelt, bietet
jedoch die Klage aus dem Kaufvertrag den Klägern ebenso ausreichenden
Schutz, wie die Deliktsklage, und es braucht deshalb nicht besonders
untersucht zu werden, ob eventuell der Thatbesiand für eine Deliktsklage
hier gegeben sei, sondern es genügt, die Haftung des Beklagten aus dem
Vertrage festzustellen-

4. In dieser Beziehung besteht nun nach den Akten und den thatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanzeu kein Zweifel, dass der Beklagte seine
vertraglichen Verpflichtungen nicht gehörig erfüllt hat. Er hat den
Klägern reines Kirschwasser zugesichert und statt dessen unreines,
b. h. gemischtes Kirschwasser geliefert. Die Porinstanz stellt über die
Art der Mischung etwas näheres nicht fest, geht aber davon aus, dass
die Ware den Klägern so geliefert worden sei, wie diese sie teilweise
an Santschi weiter veräussert

haben. Diese Annahme ist nicht aktenwidrig, sondern stimmt
viel-IV. Obligaiionenrecht. N° 70. 557

mehr mit den eigenen Ausführungen des Beklagteu überein; denn der
Beklagte stützt seine Widerklage gerade darauf, dass die Kläger nach
den übersandten Proben haben wissen müssen und auch gewusst haben, dass
das Getränk nach den Vorschriften der beruischen Lebensmittelpolizei
nicht verkauft werden dürfe. Es ist somit als feststehend zu betrachten,
dass die gelieferte Ware die zugesicherten Eigenschaften nicht gehabt
habe, so dass also die in Art.243 O.-R. hinsichtlich der Gewährleistung
wegen Mängel der Kaufsache normierten Rechtswirkungen Platz greifen. Der
Beklagte bestreitet dies mit Unrecht aus dem Grunde, weil der Kan auf
die beiden den Klägern zugesandten Muster hin abgeschlossen worden, und
deshalb der Verkäufer trotz der weitergehenden schriftlichen Zusicherung
vertragsmässig geleistet habe, wenn nur die Ware musterkonform gewesen
sei; denn es ist nicht einzusehen, weshalb der Verkäufer nicht auch beim
Kauf nach Muster noch anderweitige Eigenschaften als die Probemässigkeit
gültig sollte zusichern können (vgl. bundesger. Entsch Amtl. Sanunl.,
Bd. XI, S. 374). Dass etwa die Zusicherung wegen Reinheit der Ware
durch die nachträgliche Zusendung und Entgegennahme eines zweiten, diese
zugesicherte Eigenschaft nicht besitzenden Muster-s wieder aufgehoben
worden sei, darf schon deshalb nicht vermutet werden, weil es sich hier
um eine Eigenschaft handelte, die dem Muster nicht ohne nähere Prüfung
anzusehen war. Obschon also das Muster, nach der Behauptung des Beklagten,
nicht reines Kirschwasser war, durften die Kläger, gestützt auf die
Zusicherung des Beklagten, davon ansgeheu, das Muster enthalte reines
Kirschwasser und es werde auch solches geliefert werden; und indem der
Beklagte die Kläger in diesem Glauben liess, aber wissentlich unreines
Kirschwasser lieferte, machte er sich einer absichtlichen Täuschung
schuldig. Er könnte sich unter diesen Umständen seiner vertraglichen
Gewährspflicht für reines Kirschwasser nur entziehen, wenn er darzuthun
vermöchte, dass die Kläger den wahren Sachverhalt erkannt, und die Ware
dennoch haben behalten wollenz hiefür fehlt aber der Beweis. Daran aber,
dass die Ware gemäss Art. 246 D.M., wegen Unterlassung rechtzeitiger
Mängelrüge als genehmigt betrachtet werden müsse, kann sich der Beklagte
schon deshalb nicht berufen, weil bei absichtlicher

558 Civilrechtspflege.

Täuschung des Käufers durch den Verkäufer die in Art. 2461 vorgesehene
Beschränkung der Gewährleistung keine Anwendung findet. Der Beklagte
haftet somit wegen der geleisteten Zusicherung, und da er diese schuldhaft
nicht erfüllt hat, so beschränkt sich seine Haftung nicht auf den
Inhalt der speziell kausrechtlichen Wandelungsklage nach Art. 252 O.-R.,
erster und zweiter Satz, sondern sie umfasst den vollen Schadenersatz
nach Massgabe des Art. 116 daselbst.

5. Nach dem Gesagten ist in erster Linie die Entscheidung der Vorinstanz
zu bestätigen, laut welcher die begehrte Wandelung des Kaufes gewährt, und
demnach die Kläger gemäss ihrem Klageantrage berechtigt erklärt werden,
dem Betlagten das noch vorhandene Kirschwasser zurückzubieten und dagegen
den bezahlten Kauspreis nebst Zins zu 5 0/0 zurückzuverlangen. Bezüglich
der nicht mehr vorhandenen, inklusive der an Santschi weiterverkauften
Ware herrscht eventuell unter den Parteien darüber kein Streit, dass
in der in Erwägung 5 des vorinstanzlichen Urteils bezeichneten Weise
verfahren werde.

In Bezug aus ihre Entschädigungsforderung sodann haben die Kläger in der
Anschlussberufungsschrift geltend gemacht, dass dieihnen zugesprochene
Summe von 300 Fr. eine durchaus ungenügende sei mit Rücksicht auf die
erfolgte Schädigung ihres geschäftlichen Ansehens und die empfindlichen
Folgen des Strafprozesses, in welchen sie verwickelt wurden. Es ist
jedoch, wasden Schaden aus dem Strafprozesse anbelangt, zu beachten, dass
in diesem Strafprozesse die Kläger, resp. ihr Anteilhaber Werner Lüdi,
nur für ihr eigenes Verhalten zur Rechenschaft gezogen worden sind. Die
vom hernischen Richter ausgesprochene Busse, sowie die sie treffenden
Kosten des Strasprozesses, mit anegriss der ausserrechtlichen Kosten,
haben daher die Kläger ausschliesslichsich selbst zuzuschreiben, und es
besteht deshalb hiesür eine Ersatzpflicht des Beklagten nicht. Dagegen
ist das Verschulden, welches die Verurteilung des Anteilhabers der Kläger
nach sich zog, im Verhältnis zu dem Verschulden des Beklagten immerhin ein
so geringes, dass es sich rechtfertigt, die weitern nachteiligen Felgen,
welche aus dem Weiterverkauf des vom Beklagten gelieferten Kirschwasjers
für die Kläger resultierten, also insbe-l'î. Obligationenrecht. N° 70. 559

sondere die kreditschädigende Wirkung des wegen dieses Weiterverkanfes
durchgeführten Strafprozesses, nicht ausschliesslich aus Rechnung des
vom hernischen Strafrichter den Klägern zu Last gelegten fahrlässigen
Verhaltens zu setzen, sondern den Beklagten den wegen seines dolosen
Verhaltens die Hauptschuld an diesen Folgen trifft, dafür in der
Hauptsache auch verantwortlich zumachen. Was die Höhe der daherjgen
Entschädigung anbetrifst, so fehlt es, wie die Kläger selbst anerkennen,
durchaus an Anhaltspunkten für eine genaue Schadensfeststellung
Die Entschädigung ist daher nach freiem richterlichem Ermessen, in
Würdigung aller Umstände, zu bestimmen; ein genügender Grund, von.
der vom Vorderrichter als angemessen erachteten Summe von 300 Fr. als
Pauschalentschädigung abzugehen ist nicht vorhanden, und daher das
angefochtene Urteil hinsichtlich der Hauptklage inallen Punkten zu
bestätigen.

6. Die Widerklage anbelangend, so erscheint dieselbe auf Grund der
Erwägungen zur Hauptklage ohne weiteres als unbegründet. Die Behauptung
des Beklagten, die Kläger hätten sich einesBetruges dadurch schuldig
gemacht, dass sie ihn zur Erteilung seiner Garantie für Reinheit der
Kaufsache veranlassten, oder dass-, sie sich dem hernischen Richter
gegenüber aus diese Zusicherung beriefen, ohne gleichzeitig des Kaufs
nach Muster Erwähung zu thun, bedarf zu ihrer Widerlegung keiner besondern
Erörterung

Demnach hat das Bundesgericht ss erkannt:

Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberusung derKläger werden
als nnbegründet abgewiesen, und daher das lsrteil des Obergerichts des
Kantons Luzern in allen Teilen bestatign
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 II 551
Datum : 13. Juli 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 II 551
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 550 Givilrechtspflege. Besteller eingetretenen Zufall, der Vertrag bezüglich der


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • schaden • schadenersatz • strafprozess • zusicherung • bundesgericht • besteller • verhalten • vorinstanz • zufall • eigenschaft • weiler • tag • thun • verurteilung • zins • busse • ersetzung • rechtsbegehren • widerklage
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