286 Civilrechtspflege. den Prioritätsaktionären allerdings nur eine
sehr unvollkommene

Garantie für die Deckung von Aussällen, die sie in einzelnen Jahren aus
ihrer Vorzugsdividende erleiden. Allein diese Erwä-

gung berechtigt nicht zur Annahme, dass ein derartiges Vorzugs--

recht überhaupt nicht gewollt, sondern statt dessen ein nnbeschränktes
Nachbezugsrecht gewollt sei. Wie das Vorzugsrecht auf die Jahresdividende,
so versteht sich auch das Nachbezugsrecht einer beson- deren Kategorie
von Aktionären nicht von selbst, es muss vielmehr-, um zu gelten,
ausdrücklich eingeräumt sein. Es handelt sich hiebei nm Privilegien,
die nicht ausdehnend interpretiert werden dfn-fen, und der Umstand, dass
das Privilegium, welches den Prioritäten der beklagten Aktiengesellschaft
eingeräumt ist in seiner praktischen Anwendung sich als sehr unvollkommen
erweist, darf nicht dazu führen, dasselbe über das Mass hinaus weiter
auszudehnen, auf welches es in den Statuten unzweideutig beschränkt
worden ist.

3. Was die Frage nach den abzugebenden Coupons anbetrisft, so haben
die Kläger den Beschluss der Generalversammlung vom 24. Juni 1899,
dass gegen die Auszahlung der aus dem Reinertrag von 1898 zur Verteilung
gelangenden Dividende sämtliche uneingelöst gebliebenen Coupons abgegeben
werden sollen für den Fall, dass ihr Standpunkt in der Hauptsache nicht
gutgeheissen werden sollte, nicht angefochten. Ebenso gehen die Parteien
darin einig, dass der Dividendenschein des Ertragsjahres das nächste
Anrecht auf die Dividende habe, dass also mit der Dividende pro 1898
der Coupon dieses Jahres eingelöst merde.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen, in der Meinung, dass das in g 27 litt. (:
der Statuten der Arth-Rigibahn-Gesellschaft den Prioritätsaktien gewährte
Nachbezugsrecht auf ein Jahr beschränkt sei, und dass aus dem Reinertrag
des Jahres 1898 die Vorzugsdioidende für dieses Jahr gegen Aashändigung
des Coupons pro 1898 bezahlt werden soll. _Il. Obligationenrecht. N°
40. 287

40. Urteil vom 4. Mai 1900 in Sachen Rast gegen Volks-baut Luzern.

Biirgum? Selbstzahferschaft. Art. 495 (). R. Klage gegen den BeSt
gen · Seebstamuemng; Verwirkemg wegen Nichtanzeige des Konkuî'sessi
des Ha-esptschssuldners durch den Gläubiger, Art. 510 Abs. 2 und 3
0.-R. Inhalt und Umfang der Bzîrgscîeaftsverpflichtung per Gebrüder
Rast J. Georg Rast (neben nennanderen Bue-gen). Irrtum im Bewegge'unde,
Ars. 21 0.-R.

A. Durch Urteil vom 3. Januar 1900 hat das Obergericht des Kantons
Luzern erkannt: L 1. Die Gebrüder Johann Georg Rast und Martin Ludwig
Rast haben die Bürgschaft vom 4. Dezember 1896 nicht anzuerkennen,
und seien daher nicht gehalten, der Klägerin unter solidarischer
Haftbarkeit 20,000 Fr. nebst Zins zu 6 0/0 seit 21. Juni 1897, und 4
Fr. Wechselprotestkosien zu bezahlen, und es sei dieses Klagebegehren
Biff. 1 im ganzen Umfange abgewiesen

?. Dagegen sei der Beklagte Johann Georg Rast als der Klägerin persönlich
verpflichtet Bürge gehalten, derselben 20,000 Fr. nebst Zins zu 6 Wo
seit 21. Juni 1897 und 4 Fr. Wechselprok testkosten zu bezahlen.

3. Mit ihren weiter gehenden Begehren seien die Parteien abgewiesen. -

B. Gegen dieses Urteil haben die Berufung an das Bundesgericht erklärt:

1. Johann Georg und Ludwig Rast, mit dem Antrag, die Klage sei des
Gänzlichen abzuweisen.

2. Die Litisdennnziaten: Th. meach, Julius Blauw,Dr.

Moser, J Lang-Hirzel, Fr. Widmer, J. Balmer und Fr. Pfyffer,

mit dem Antrag: Das Dispositiv 2 des obergerichtlichen Urteils sei
aufzuheben, und die Klage gänzlich abzuweisen.

G. In der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht erneuert
Fürsprech Beck namens der Beklagten seinen schriftlich gestellten
Berufungsantrag. Dr. Allgäuer erneuert seinen schriftlich gestellten
Berufungsantrag Fürsprech Burri beantragt namens der Klägerin Bestätigung
des angefochten-In Urteils in der Hauptsache-.

288 Civilrechtspflege.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Beklagte Johann Georg Rast in Ebersol, Kanton Luzern, hat mit der
Unterschrift: per Gebrüder Rast J. Georg Raff, neben neun andern Personen
einen vom 4. Dezember 1886 datierten Bürgund Selbstzahlerschaftsakt
unterzeichnet, durch welchen sich die Unterzeichner der Klägerin,
Volksbank in Luzern, für einen dem Alois Wüest-Vucher in Luzern gewährten
Eigenwechselvorschusz von 20,000 Fr. nebst Zins und allfälligen Kosten
als solidarische Virgen und Selbstzahler zu haften verpflichteten,
sobald 10 Bürgen unter-zeichnet haben. Im April 1897 fiel der Schuldner
Atois Wüest in Konkurs. Die Klägerin hielt sich für ihre Forderung
an die Burgen und Selbstzahler, begegnete jedoch der Einwendung, die
Unterschrift per Gebrüder Rast J. Georg Ras sei ungültig, somit sei
der Bürgschaftsvertrag überhaupt nicht zu Stande gekommen, indem nun
nicht 10, sondern nur 9 Unterschriften vorhanden seien. Hieraus erhob
die Klägerin beim Bezirks-gereicht Luzern Klage gegen J. Georg Rast für
sich persönlich und namens seines Bruders Martin Ludwig Rast, indem sie
die Rechtsbegehren stellte:

1. Die Gebrüder Joh. Georg und Martin Ludwig Rast haben die Bürgschaft
vom 4. Dezember 1896 anzuerkennen und unter solidarischer Hastbarkeit
der Klägerin 20,000 Fr. nebst Zins zu 6 0/O seit 21. Juni 1897 und 4
Fr.-Wechselprotestkosten

zu bezahlen.

· 2. Eventuell: Der Beklagte Joh. Georg Rast habe als der Klägerin
gegenüber persönlich verpflichteter Bürge derselben 20,000 Fr. nebst Zins
zu 60/0 seit 21. Juni 1897 und 4 Fr. Wechselprotestkosten zu bezahlen.

3. Subeventuell: Der Beklagte J. Georg Rast habe der Klägerin
Schadenersatz im Betrage von 20,000 Fr. nebst Verzugszins von 20,000
Fr. zu 6 0/0 seit 21. Juni 1897 zu bezahlen.

Zur Begründung dieser Klage machte sie im wesentlichen geltend:
J. Georg Rast lebe mit seinem einzigen Bruder Martin Ludwig Rast in einer
bäuertichen Geschwistergemeinschastp Er sei, als der ältere der Brüder,
nach Landesübung der GeschäftsführerII. Obiigationenrecht. N° 40. 289

der landwirtschaftlichen Gemeinschaft und habe als solcher ein
unbeschränktes Repräsentationsrecht. Deshalb sei er ohne weiteres befugt
gewesen, im Namen der Gemeinschaft die Urkunde vom 4. Dezember 1896
zu unterzeichnen. Überdies habe Martin Ludwig Rast die Eingehung der
Bürgschaft gebilligt. Diese bestehe daher gegenüber den Gebrüdern Rast
zu Recht. Eventuell habe sich J Georg Rast immerhin persönlich als Bürge
verpflichtet Ein die beiden physischen Personen umfassender, und doch als
eigene juristische Persönlichkeit von ihnen abtrennbarer Verband sei nicht
vorhanden Auch habe I. Georg Rast kurz vor dem Ausbruch des Konkurses
Über Wüest auf der Volksbank unter Bezugnahme aus die eingegangene
Bürgschast erklärt : für das bin ich noch gut genug, und damit die
eingegangene Verpflichtung für seine Person ausdrücklich bestätigt
Weiter eventuell wäre J. Georg Rast der Klägerin als falsus procurntor
schadenersatzpflichtig. Die Beklagten beantragten, die Klage sei mit
allen Rechts-begehren des gänzlichen, eventuell angebrachiermassen
abzuweisen, indem sie ausführten: Ein gültiger Bürgschaftsvertrag
eristiere nicht; denn J. Georg Rast habe den Vürgschassakt nur unter
Vorbehalt der Zustimmung seines Bruders unterzeichnet, welche Zustimmung
nicht erfolgt sei. Eine bäuerliche Geschwistergemeinschaft, wie sie von
der Klägerin behauptet werde, bestehe zwischen den Beklagten nicht. Das
Rechtsverhältnis, in welchem die beiden Brüder Rast zu einander stehen,
sei einfach das zweier Miteigentümer. Wenn man aber auch annehmen
wollte, dass eine landwirtschaftliche Güter-gemeinschaft bestehe und
bei einer solchen der eine Gemeinschafter den andern in Geschäften,
welche die Gemeinschaft betreffen, vertreten könnte, so müsste man dies
im vorliegenden Falle gleichwohl verneinen, weil nach der Natur des in
Frage stehenden Geschäftes diese Voraussetzung nicht zuträfe; denn die
Eingehung einer Bürgschaft habe keinen Bezug auf den landwirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb Der Annahme sodann, dass J Georg Rast sich individuell
für sich selbst und für den Bruder habe verpflichten wollen, widerspreche
der Wortlaut der Unterschrift. Aus demselben ergebe sich unzweifelhaft,
dass J. Georg Rast nicht zivei Verpflichtungen habe eingehen wollen,
eine individuelle und eine kollektive, sondern nur eine kollektioe
geriert. Bei Wegs-alt

290 Giviirechtspflege. -

der letztern könne daher nicht davon die Rede sein, dass nun die erstere
gelte; denn für diese fehle ein entsprechender Wortlaut. J. Georg Rast
hafte eventuell auch nicht auf Schadenersatz. Er habe sich weder als
falscher Stellvertreter geriert, noch überhaupt der Klägerin einen
Schaden verursacht; zudem wäre die Schadenersatzfordernng verjährt, da
sie nicht innerhalb Jahresfrist geltend gemacht worden sei. Der Klage
stehe endlich die Einrede der mangelnden Substanzierung entgegen. Aus
der Natur der Bürgschaft als eines accessorischen Schuldverhältnisses
folge prozessualisch, dass aus Bürgschaft nur in der Art wirksam geklagt
werden könne, dass Thatsachen behauptet werden, welche eine Hauptschuld
zu konstatieren geeignet sind. Die ganze Klageschrift enthalte aber
keine Klagebehauptung, welche eine Hauptschuld des Wüest zu Gunsten der
Klägerin zu begründen geeignet ware. Eventuell sei die Klage verwirkt
wegen unterlassenen und verspäteten Regresses. Ersteres treffe zu
gegenüber Ludwig Rast, der gar nie eine Konkursnachladung erhalten
habe, letzteres gegen J. Georg man, der zwar eine Nachladung erhalten
habe, aber so spät, dass es ihm nicht mehr möglich gewesen sei, an der
ersten Gläubigerversammlung teilzunehmen. Den Beklagten sei dadurch an
der wirksamen Verfolgung ihrer Rechte zur eventuellen Schadloshaltung
Nachteil erwachsen, wofür auf die Konknrsakten verwiesen werde.

2. Die Vorinstanz stützt ihre eingangs angeführte Entscheidung auf
folgende Erwägungen: Die Gebrüder Rast bilden eine sog. bäuerliche
Gemeinderschaftz dieses Rechtsverhältnis sei im Kanton Luzern nach
den gemeinrechtlichen Grundsätzen über Familienund Erbrecht geregelt,
und begründe nicht eine durchgreifende Gütergemeinschaft, zumal neben
dem gemeinschaftlichen Vermögen noch Sondervermögen der einzelnen
Gemeinschaftsglieder bestehe. Die Gemeinderschaft stelle sich daher
nicht als juristische Person dar, sondern vielmehr als eine Verbindung
mehrerer physischer Personen zur Wahrung ihrer Interessen. Umfang und
Inhalt der Vertretungsbefugnis bleiben beschränkt auf die zum ordentlichen
Wirtschaftsund Verwaltungsbetrieb der Gemeinderschaft gehörenden Geschäfte
Die Frage, ob J Georg Rast durch die auf die Bürgschaftsurkunde vom
4. Dezember 1896 gesetzte Unterschrift sichII. Obiigationenrecht. N°
40. 291

und seinen Bruder verpflichtet habe, sei hienach zu verneinen; einmal
weil die Eingebung von Bürgschaften ausser dem Bereich der Befugnisse des
Gemeinschaftsvertreters falle, und ferner, weil der Beweis nicht erbracht
sei, dass Martin Ludwig Rast seinen Bruder Johann Georg zur Eingehung von
Bürgschaften autorisiert habe. Dagegen habe es zweifellos in der Absicht
des Johann Georg Rast gelegen, sich persönlich zu verpflichten; hiefür
sprechen in durchaus unzweideutiger Weise die Aussagen des Zeugen Brun,
eines glaubwiirdigen Zeugen im Sinne von § 192 des C.-L)i.-V., wonach der
Beklagte J Georg Rast auf dem Büreau der VolksBank erklärt habe, wenn der
Bruder nicht wolle, so sei er der Bank noch gut genug für das Berbürgte
Auf Grund dieser Aussage, welche durch das Zeugnis des Verwalters Winiger
unterstützt werde, sei die Unterschrift dahin zu interpretieren, dass
sich J. Georg Rast auf alle Fälle individuell habe verpflichten wollen.

3. Nachdem die Vorinstanz das erste Klagebegehren der Klägerin abgewiesen
hat, und gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht ergriffen
worden ist, ist die Frage, ob Martin Ludwig Rast durch den Bürgschaftsakt
vom 4. Dezember 1896 der Klägerin gegenüber als Bürge und Selbstzahler
verpflichtet worden sei, rechtskräftig in verneinendem Sinne erledigt,
Und es erweist sich somit die Berufung des Vertreters der Gebrüder
Rast, soweit sie im Namen des Martin Ludwig Rast erklärt worden ist,
als gegenstandslos. Der Beurteilung des Bundesgerichtes unterliegt
demnach nur die Klage gegen J. Georg Rast.

4. Was nun zunächst die Einreden der mangelnden Substanzierung und der
Verwirkung dieser Klage anbelangt, so erscheinen dieselben als offenbar
nnbegründet. Die Einrede der mangelhaften Substanzierung der Klage ist
insoweit civilrechtlicher Natur und daher geeignet, mittelst der Berufung
der Beurteilung des Bundesgerichtes unterstellt zu werden, als es sich
dabei um die Frage handelt, was für Thatsachen behauptet sein müssen,
damit die sämtlichen materiellrechtlichen Voraussetzungen des erhobenen
An-, spruches in der Klage geltend gemacht seien. Sie gehört dagegen
ausschliesslich dem Prozessrecht an, und entzieht sich gemäss Art. 57
O.-G. der Kognition des Bundesgerichtes, soweit sie sich darauf

292 Civilrechtspflege.

stützt, dass die zum Klagefundament gehörigen Thatsachen nicht in der
prozessualisch vorgeschriebenen Form vorgebracht worden seien. Nun sind
aber sämtliche, zum Klagesundament der vorliegenden Bürgschaftsklage
erforderlichen Thatsachen behauptet, wenn geltend gemacht worden ist,
dass der Beklagte sich für die Schuld, deren Bezahlung die Klägerin von
ihm verlangt,als Bürge und Selbstzahler verbürgt habe. Dies ist in der
Klage geschehen, so dass dieselbe daher genügend substanziert ist. Ob
dieKlägerin jene, das Klagesundament bildende Behauptung in der, nach
dem kantonalen Prozessrecht vorgeschriebenen Form aufgestellt habe,
ist nach dem Gesagten in der Berufungsinstanz nicht zu erörtern. Die
Einrede der mangelnden Substanzierung derKlage erweist sich demnach als
unbegründet. Dasselbe gilt von der Einwendung, die Klage sei verwirkt,
weil die Klägerin dem Beklagten erst so spät eine Nachladung zugestellt
habe, dass es ihm nicht mehr möglich gewesen sei, an der ersten
Gläubigerversammlung teilzunehmen. Allerdings ist der Gläubiger gemäss
am. 510 O.-.R verpflichtet, sobald er von dem Konkurse des Hauptschuldners
Kenntnis erhält, die Burgen davon zu benachrichtigeu. Allein gesetzt,
die Klagerin hätte diese Pflicht verletzt, so wäre nach Abs. 3 desselben
Artikels die Bürgschaftssorderung keineswegs ohne weiteres ver-wirkt;
die Klägerin würde ihre Ansprüche gegen den Beklagten nur soweit verloren
haben, als diesem aus der behaupteten Unterlassung ein Schaden entstanden
wäre. Dass dem Beklagten ein Schaden entstanden sei, hat jedoch der
Beklagte in keiner Weise zu begründen versucht

5. Die Frage nun, ob der Beklagte J. Georg Rast der Klägerin durch die
Unterschrift, welche er auf die Bürgschaftsurkunde vom 4. Dezember 1896
gesetzt hat, persönlich als Bürge und Selbsizahler für die mit der Klage
geltend gemachte Forderung verpflichtet worden sei, ist mit der Vorinstanz
zu besahen. Beide Parteien gehen darin einig, dass unter dem Ausdruck
Gebrüder Rast nicht die Bezeichnung eines durch die beiden Brüder Rast
gebildeten besondern Rechtssubjektes zu verstehen sei, sondern dass damit
zwei Rechtssubjekte, die physischen Personen J. Georg Rast und Martin
Ludwig Rast genannt seien. Diesen Standpunkt hat namentlich auch stets
der Beklagte i. Georg Rast eingenommen-

',II. Obiigationenrecht. N° 40. 293

und nicht nur die Behauptung der Klägerin, dass zwischen ihm und
Martin Ludwig Rast eine Geschwistergemeinschaft bestehe, bestritten,
sondern ausdrücklich erklärt, er habe durch die Beisetzung der fraglichen
Unterschrift in seinem eigenen Namen und im Namen seines Bruders gehandelt
Die Unterschrift per Gebrüder Rast J. G. Rast will also nichts anderes
sagen, als was mit einer Unterschrift ausgedrückt wäre, die lautete:
J. (Hem-g Rast für mich und meinen Bruder. Hatte aber die Unterschrift
diese Bedeutung, so hat der Beklagte J. G. Rast durch dieselbe auch
erklärt, sich persönlich verpflichten zu wollen, wenn gleich nicht
allein, so doch zusammen mit seinem Bruder, und es fragt sich daher
bloss, in welchem Umsange er sich persönlich verpflichtet habe, und
inwieweit seine Verpflichtung durch den Umstand beeinflusst werde,
dass laut rechtskräftigem Urteil der Voriustanz der Bruder Martin Ludwig
Rast durch die Unterschrift nicht verpflichtet wurde, Aus der Bestimmung
des Bürgschastsaktes, wonach derselbe in Kraft treten sollte, sobald 10
Bürgen unterzeichnest haben, ergibt sich, dass im Verhältnis der Bürgen
zu einander ein jeder derselben nur mit einem Zehntel belastet sein
wollte, und da der Bürgschaftsakt ausser der Unterschrift per Gebrüder
Rast noch 9 weitere Unterschriften trägtbestehi kein Zweifel, dass die
Bürgschaft der Gebrüder Rast als einheitliche Verpflichtung gemeint
war, in dem Sinne, dass dieselben (im Verhältnis der Bürgen unter
einander) zusammen mit U..., und nicht etwa jeder von ihnen mit i,!
zu partizipieren hatten. Gegenüber dem Gläubiger begründete aber jede
Unterschrift die solidarische Haftbarkeit des Unterzeichneten für
die ganze Bürgschasisschuld. Wenn daher die Brüder Rast zusammen als
Bürgen und Selbstzahler ihre Unterschrift, als eine der erforderlichen
10 Unterschriften gaben, so berechtigten sie dadurch den Gläubiger, von
ihnen zusammen den ganzen Betrag der verbürgten Schuld zu fordern. Die
Unterschrift Gebrüder Rast hatte somit gegenüber dem Gläubiger nicht etwa
die Bedeutung zweier Bürgschastsverpflichtungen, lautend aus je 10,000
Fr., sondern einer einheitlichen Bürgschaftsverpslichtung, laufend aus
20,000 Fr., wofür jeder der beiden Bürgen solidarisch haftete, wogegen
allerdings, im Verhältnis der beiden Bürgen unter

294 Civilrechtspflege.

einander, jeder nur mit der Hälfte an der zu zahlenden Summe partizipieren
sollte. J. Georg Rast ist danach durch die Unterschrift Gebt-Wer Rast
der Klägerin gegenüber als Bürge und Selbstzahler für den ganzen
Betrag der Hauptschuld verpflichtet worden, es wäre denn, dass das
Nichtzustandekommen einer Bin-gschaftsverpflichtung seines Bruders bewirkt
hätte, dass auch er selbst nicht verpflichtet wurde, oder wenigstens nicht
in dem vollen Umfange. Der Umstand, dass die Unterschrift für Martin
Ludwig Rast nicht verbindlich war, konnte jedoch für J Georg Rast nur
dann befreiend wirken, wenn dieser die Bürgschast unter der Bedingung
eingegangen war, dass neben ihm auch Martin Ludwig Rast Bin-ge. An
eine solche Bedingung ist nun aber die Bürgschaftsverpflichtung des
J Georg Rast nicht geknüpft worden. Wie das Bundesgericht bereits in
seiner Entscheidung in Sachen Lötscher gegen Ganz (Amtl. Samml. der
bundesger. (Smith.,'W' eien. Um sich zu seiner Befreiung darauf berufen
zu können, dass Martin Ludwig Rast nicht Bürge geworden sei, müsste
der Beklagte J. Georg Rast daher darthun können, dass er erklärt habe,
sich nur für den Fall verpflichten zu wollen, als auch Martin Ludwig
Rast als Bürge verpflichtet sei; eine solche Erklärung ist jedoch weder
in dem Biirgschaftsakt enthalten, noch sonst in den Akten nachgewiesen
Jm Gegenteil stellt die Vorinstanz fest, der Beklagte J. G. Rast habe
auf dem Bureau der Volksbank erklärt, wenn der Bruder nicht wolle, so
sei er der Bank noch gut genug für das Verbürgte. Aus dieser Erklärung,
die der Beklagte abgab, als er bereits wusste, dass Martin Ludwig Rast
eine Bürgschaftsverpflichtung nicht anerferme, geht deutlich hervor,
dass der Beklagte selbst nicht der An-

sicht war, dass seine Bürgschast mit derjenigen seines Bruders ,

stehe und falle, sondern dass er sich auch für den Fall als-Bürge
verpflichtet betrachtete, als der Bruder nicht haftbar war-.

Der Beklagte kann sich endlich auch nicht etwa darauf berufendai;
er sich bei Eingehung seiner Vürgschaftsverpflichtung in
einemll. Obligationenrecht. N° 4-1. 295

Irrtum über den Umfang der versprochenen Bezahlung befunden habe; denn
in Beziehung auf den Umfang seiner Bürgschaftsverpflichtung machte es
keinen Unterschied, ob neben ihm sein Bruder als Mitbürge verpflichtet
war oder nicht; dagegen kam es hierauf allerdings an rücksichtlich der
ökonomischen Folgen der eingegangenen Verpflichtung, indent, wenn der
Bruder neben ihm Bürgschaft leistete, der Beklagte sich für die Hälfte
der zu zahlenden Bürgschaftssumme an diesen halten konnte. Wenn aber der
Beklagte die Bürgschaft in dieser Voraussetzung eingieng, und dieselbe
sich als irrig erwies, so handelte es sich hiebei lediglich um einen
Irrtum im Beweggrunde, der nach am. 21 QxR die Verbindlichkeit des
Vertragesnicht hinderte.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird als unbegründet
abgewiesen, und das angefochtene Urteil des Obergerichtes des Kantons
Luzern in allen Teilen bestätigt

41. Urteil vom 12. Mai 1900 in Sachen Schär gegen die Unfallund
Krankenkasse der Baugewerbe im Bezirke Zurich.

Uefa/[versicherung auf Grund der Bestimmungen über Haftpflickèî,
jedochauch fürNichääetrieäsunfdlle. Bedeutet-ng der Statutenbesie'mmemg,
dass bei grobe-m Selbstversclzeelden des Verunfaläten die Entschädigung
vermindert oder gdnzle'clzss verweigert werden dürfe, and dass
die Entscäeid nng hierüber dem Voi-stcmde zustefae. Liegt grobes
Selbstversckutden ver? Thatbestandfeststellung ; grösseres Ver-scient(im
des dritten Urkebers des Schadens. Umfang der Entschädigung.

A. Durch Urteil vom 8. Februar 1900 hat die Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zürich erkannt:

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger 2500 Fr. nebst Zins zu i) 0/0 seit
9. Juni 1897 zu bezahlen; die Mehrforderung wird abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in rich-
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Dokument : 26 II 287
Datum : 04. Mai 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 II 287
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 286 Civilrechtspflege. den Prioritätsaktionären allerdings nur eine sehr unvollkommene


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • unterschrift • bundesgericht • zins • frage • schaden • coupon • weiler • vorinstanz • hauptschuld • irrtum • zeuge • rechtsbegehren • bewilligung oder genehmigung • gemeinderschaft • bezirk • burg • schadenersatz • einwendung • bedingung
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