188 Civilrechtspflege.

präsidenten von Signau abgegebenen Erklärung nicht richtig, dass
das angefochtene Urteil auf Anwendung des kantonalen, statt des
eidgenössischen Rechtes beruhe. Aus dieser Erklärung erhellt, dass der
Gerichtspräsident bei der die Entscheidung tragenden Erwägung, dass der
Vogt verpflichtet sei, für die Beköstigung des. Vögtlings aufzukommen,
sofern es diesem nicht möglich war, diedaherigen Aufwendungen aus dem
eigenen Verdienste zu bestreiten, sich nur nebenbei auf das kantonale
Recht berufen hat, indem er bemerkte, diese Verpflichtung ergebe sich
übrigens auch- aus dem bernischen Vormundschaftsrechte Jene Erwägung
beruhte somit nach dieser Erklärung in erster Linie nicht auf dem
bernischen Vormundschaftsrechtez dass der Gerichtspräsident zu derselben
aus Grund anderer kantonalgefetzlicher Bestimmung ge-· langt sei, geht
aus seiner Erklärung nicht hervor; sie beruht vielmehr offenbar auf
dem in Art. 33 Abs. 2 QR. ausgesproä chenen Grundsatze, dass auch der
nicht verlragssähige Kontrahent nach Treu und Glauben aus dem von ihm
abgeschlossenen Geschäfte soweit haftet, als die Leistung, für welche die
Vergütung gefordert wird, für ihn nützlich verwendet worden ist. Ob nun

in casu dieser Thatbestand vorliege oder nicht, hat das Bundes'

gericht als Kassationsinstanz nicht zu beurteilen. Denn das Rechtdtnittel
der Kassationsbeschwerde in Civilsachen ist nicht zur Sicherung der
richtigen Anwendung des eidgenössischen Privatrechts, sondern lediglich
dazu bestimmt, die Anwendung des kantonalen (oder ausländischen) Rechts
zu verhindern, wo eidgenössisches Recht zur Anwendung kommt, und da, wie
bemerkt, nicht feststeht, dass der kantonale Richter seine Entscheidung
auf das kantonale Recht gestützt hat, muss die Beschwerde abgewiesen
werden. · Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Kassationsbeschwerde
wird als nnbegründet abgewiesensVII. Schuldbetreibung und Konkurs. N°
27.71 189

VII. Schuldbebreîbung' und Konkurs. Poursuite pour det-tes et failh'te.

27. Urteil vom 8. Februar 1900 in Sachen Burkhalter & Eie. gegen Jörg

Kai/okat/onsstreifigkeit. Streitwert, Art. 59 Org.-Ges. Massgeäen-der
Zeitpee-nki für Geltendmachung eine?Fordermeg im Konkurse. -- Wesen und
Wirkungen des Naah/aesvertrags, Art. 303, 315 und 316

Bein-Ges. Wirkung des spd'ter-n Konkm'ses auf einen frei-beim
walasseserircxg.

A. Am 21. Juli 1898 wurde ein von A. Mathys-Jörg, gew. Negotiant in
Oberburg, nachgesuchter Nachlassvertrag richterlich bestätigt. Nach diesem
Nachlassvertrag hatte der Schuldner Mathys seinen Knrrentgläubigern 30
0/0 ihrer Forderungen zu bezahlen und zwar in drei Raten von 10 00 auf
30. Juni, 31. August und 1.Dezember 1898. In dem Nachlassverfahren hatte
die Firma F. Burkhalter & Cie.-in Langenthal eine Forderung von 2688 Fr.
75 Ets. eingegeben. An die hierauf entfallende Nachlassdividende bezahlte
der Schuldner die beiden ersten Raten; die dritte auf 1. Dezember fällige
Rate wurde nicht bezahlt. Die Firma Barkhaiter & Eie. verlangte deshalb,
gestützt auf Art. 315 B.-G., in betreff ihrer Forderung die Aufhebung
des Nachlassvertrages. Dieses Begehren wurde unterm 12. Dezember 1898
sdon der untern Nachlassbehörde gutgeheissen, und am 28. Januar 1899
bestätigte die obere kantonale Nachlassbehörde auf Berufung hin die
erstinstanzliche Verfügung Inzwischen hatte die Firma F. Burkhalter &
(Sie. gegen-A. Mathys-Jörg das Konkursbegehren gestellt, und am 10. Januar
1899 war gegen letztern der Konfur? eröffnet worden. In diesem gab die
genannte Firma ihre Ursprungliche Forderung von 2688 Fr. 75 CLS. unter
Abzug "der erhaltenen Nachlassraten von 540 Fr. 1-5 Eis. mit 2148 Fr.
GO Cis-. nebst 53 Fr. 30 Ets. Kosten ein und wurde mit diesem Betrage in
Klasse V zugelassen. Am Nachlassoertrag des A. Mathys hatte mit seinem
nach der Schätzung des Sachwalters

190 ' Civilrechtspflege.

3005 Fr. 85 Cts. betragenden, durch das Pfand nicht gedeckten Teil einer
faustpsändlich versicherten Forderung auch Christian Jörg, Negotiant in
Sumiswald, teilgenommen. Am 9. Januar 1899 stellte dieser ebenfalls bei
der untern Nachlassbehörde das Begehren um Aufhebung des Nachlassvertrages
mit Bezug auf seine Forderung, weil Mathys die ihm zukommenden Raten
nicht geleistet habe. Dieses Begehren wurde am18. Januar gutgeheissen,
und gestützt hierauf wurde nun auch Jörg auf sein Begehren im Konkurse
des A. Mathhs für seine ganze ursprüngliche Forderung in Klasse V des
Kollokationsplanes aufgenommen.

B. Diese Anweisung focht die Firma Burkhalter & Cie. gerichtlich an,
indem sie folgende Begehren stellte: 1. Es sei die 'von Christian Jörg
im Konkurse des A. Mathys-Jörg, gem. Negt. in Oberburg, eingegebene und
anerkannte Forderung von 4507 Fr. 10 Cis. um 2104 Fr. 10 Cts. d. h. um
70 9/0 der Summe Von 3005 Fr. 85 Cts., welche als nicht pfandversichert
im Nachlassverfahren des A. Mathhs partizipiert haben-. herabzusetzen
und aus dem Kollokationsplan zu eliminieren. 2. Es sei der Betrag, um
welchen der Anteil des Christian Jörg an der Konkursmasse herabgesetzt
wird, zur Befriedigung von F. Burkhalter & Cie. bis zur vollen Deckung
ihrer Forderung mit Einschluss der Prozesskosten zu verwenden. Die
Begehren wurden damit begründet, dass im Zeitpunkt der Konkurseröffnung
der Nachlassvertrag mit Bezug auf die Forderung des Beklagten nicht
aufgehoben gewesen sei und dass diese deshalb im Konkurse nur in dem
nach Massgabe des Nachlassvertrages reduzierten Betrage geltend gemacht
werden könne. Die erste Instanz hiess die Klage grundsätzlich gut,
dagegen erkannte der Appellationsund Kassationshof des Kantons Bern,
an den der Beklagie appelliert hatte, unterm 10. November 1899: Die
Klägerschaft, Firma Burkhalter & Cie., ist mit ihren beiden Klagsbegehren
abgewiesen." Im Urteil wird zunächst ausgeführt, dass wenn der Beklagte
für die nachgelassenen 70 % nicht als Konkursgläubiger anerkannt werden
könne, auch der Klägerin diese Eigenschaft für 70 0/0 ihrer ursprünglichen
Forderung fehle; auch zu ihren Gunsten sei nämlich der Nachlassvertrag
definitiv erst nach derKonkurseröfsnung aufgehoben worden, indem der
erstinstanzliche VII. Schnldbetreidung und Konkurs. N° 27. 191

Entscheid vom 12. Dezember 1898 weitergezogen und erst am 28-. Januar
1899 oberinstanzlich bestätigt worden sei; der Klägerin fehle danach
für 70 % ihrer Forderung die Aktivlegitimation. Jhr Anspruch erweise
sich aber überhaupt als nnbegründet. Richtig sei zwar, wenigstens im
allgemeinen, dass Konkursgläubiger nur derjenige sei, dem zur Zeit der
Konkurseröffnung eine Forderung an den Gemeinschuldner zustehe; immerhin
sei es nicht erforderlich, dass die Forderungen in jenem Zeitpunkte
in ihrer vollen rechtlichen Wirksamkeit bestehen, sondern es genüge,
wenn sie ihrem Rechtsgrunde nach vorhanden seien. Nun gehe infolge des
Nachlassvertrages und seiner Bestätigung der nachgelassene Teil der am
Vertrage beteiligten Forderungen nicht unter, sondern es bestehe dieser
Teil trotzdem noch fort und sei nur mit einer das Nachforderungsrecht
ausschliessenden Einrede behaftet. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut
von Art. Bif) B.-G., wo gesagt sei, das; der Gläubiger mit Bezug aus
seine Forderung die Aufhebung des Nachlasses verlangen könne, und
werde unterstützt durch Art. 303 B.-G. Dazu femme, dass der Gläubiger
durchseine Zustimmung zum Nachlassvertrag nur erkäre, dass er bereitsei,
vom Nachlassschuldner eine gewisse Teilleistung als volle Be- friedigung
anzunehmen, während von einem wirklichen oder präsumtiven Verzichtwillen
mit Bezug auf den nachgelassenen Teil der Forderung nicht die Rede
sein könne; es handle sich lediglichum eine Zahlungsmodalität, welche
den rechtlichen Bestand der Forderung unberührt lasse. Demnach sei im
vorliegenden Falle der Beklagte auch für den nachgelassenen Teil seiner
Forderung als Konkursgläubiger zn betrachten, trotzdem der Nachlass mit
Bezug auf seine Forderung erst nach der Konkurseröffnung aufgehoben
worden sei, dies um so mehr, als bereits vor der Konkurseröffnung
objektiv festgestanden sei, dass der Nachlassschuldner ihm gegenüber
die Bedingungen des Nachlassvertrages nicht erfüllt habe. Damit sei der
Rechtsgrund für die Aufhebung des Nachlasses bezw. für die Beseitigung
der der Nachforderung der nachgelassenen Quote entgegenstehenden Einrede
geschaffen gewesen.

C. Gegen dieses Urteil hat die Firma F. Burkhalter & Eie-v die Berufung an
das Bundesgericht ergriffen, um vor diesem ihr Klagebegehren aufzunehmen

192 Gwilrechtspflege.

, D. Christian Jörg schliesst in erster Linie dahin, es sei der
Bernfungsklägerin das Forum des Bundesgerichts zu verschliessen.
Jnder Sache selbst wird auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

ss 1. Nach der Praxis des Bundesgerichts bemisst sich der Streitwert
in den Kollokationsstreitigkeiten, in denen ein Gläubiger die Zulassung
eines andern Gläubigers oder den ihm angewiesenen Rang ansicht, soweit
derselbe für die Frage der Zuständigkeit des Bundesgerichts von Bedeutung
ist, nach dem Betrage der Forderung, deren Kollokation angefochten wird
(vgl. z. B. Amii. Samml., Bd. XIX, S. 840). Vorliegend beläuft sich dieser
Beitrag auf 700Xo von 3005 Fr. 85 Cts. oder auf 2104 Fr. 10 Ets. Der
erforderliche Streitwert ist somit vorhanden. Allerdings erreicht nach
den Angaben des Berufungsbeklagten das gegenwärtige streitige Interesse
den Betrag von 2000 Fr. bei weitem nicht. Allein in der Regel kann
dieses Interesse bei der Erhebung von Kollokationsstreitigkeiten nicht
bestimmt werden, da die Kollokation der Verwertung der Aktiven vorangeht
(vgl. Art. 244 in Verbindung mit Art. 252 ff. B.-G.), und deshalb auch
Kollokationsstreitigkeiten vor der Liquidation der Aktivmasse anzuheben
sind und sich meistens ohne Rücksicht auf diese und vor Beendigung
derselben abwickeln. Und nun kann die Frage des Streitwertes nicht durch
die Zufälligkeit beeinflusst werden, dass sich ein Kollokationsstreit
über die Liquidation der Aktiven -hinauszieht. Vielmehr müssen für die
Beantwortung derselben überall die nämlichen Faktoren massgebend sein,
Und ist deshalb auch da, wo ausnahmsweise bei der Klagserhebung oder
bei der Berufung an das Bundesgericht feststeht, welche Dividende auf
die angefochtene Kollokation entfällt, nicht hierauf, sondern auf den
nominellen Betrag der Forderung des Beklagten abzustellen.

2 .....

3. Die Klage geht davon aus, dass zur Geltendmachung einer Forderung
im Konkurse nur derjenige berechtigt sei, dem im Zeitpunkt der
Konkurserösfnung gegenüber dem Gemeinschuldner eine Forderung
zusteht. Dieser Satz ist in der Fassung, die ihm von der Vorinstanz
gegeben worden ist, dass nur solche Forde-VII. Schuldbelreihung und
Konkurs. N° 27. 193

rungen im Konkurse geltend gemacht werden können, die wenigstens ihrem
Rechtsgrunde nach im Zeitpunkte der Konkurseröffnung schon eriftent waren,
nicht zu beanstanden. Der Konkurs setzt eine abnormale Vermögenslage
des Gemeinschuldners voraus, die darin besteht, dass derselbe seinen
Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann oder will, und er dient
dazu, durch zwingsweise Beschlagnahrne und Verwertung seiner Aktiven den
drohenden Verlusten entgegenzutreten und dieselben möglichst gleichmässig
zu verteilen. Schon der prozessualische Mechanismns, mittelst dessen nach
schweizerischem Recht dieses Ziel erstrebt wird, erheischt, dass für
die Feststellung der Gläubigergemeinschaft, die am Konkurse teilnimmt,
ein fixer Zeitpunkt massgebend sei, und zwar kann dies nach der ganzen
Regelung des Verfahrens nur der Zeitpunkt der Konkurseröffnung sein. Aber
auch die Bestimmungen des materiellen Konkursrechts führen zum nämlichen
Ergebnis. Wenn das Gesetz die Wirkungen, die der Konkurs auf die Rechte
der Gläubiger ausübt, mit der Eröffnung desselben , emtreten lässt
(ng. Art. 199, 202 ff., 286 f. B.-G.), so setzt es überall voraus-,
dass die Forderungen in diesem Zeitpunkt schon bestehen; und wenn der
Schuldner mit dem Ansbruch des Konkurses das Recht der freien Verfügung
über sein Vermogen verliert (Art. 204), so zeigt dies, dass letzteres für
später entstandene Verbindlichkeiten nicht in Anspruch genommen werden
dari. Es ist ferner zu beachten, dass grundsätzlich der Zeitpunkt der
Konknrseröffnung auch für die Bildung der Aktivmasse entscheidend ist '(ng
Art. 197 Abs. 1 und Art. 265 Absz 2 B.-G.). Wenn Art. 197 Abs. 2 bestimmt,
dass Vermögen, das-dem Gemeinschuldner vor Schluss des Konkursverfahrens
anfallt, gleichfalls zur Konkursmasse gehöre, so ist dies eine Ausnahme,
die wohl wesentlich Erwägungen praktischer Natur, insbesondere dem
Bestreben entspringt, solches Vermögen nicht zum Gegenstand eines
besondern Erekutionsversahrens werden zu lassen. Jst aber grundsätzlich
die Aktivmasse aus den Zeitpunkt der Konkurseroffnung festzustellen,
so muss dasselbe für die Passivmasse gelten, hinsichtlich deren eine
dem Abs. 2 des Art. 197 analoge Bestimmung nicht besteht. Sonach frägt
es sich denn bloss, Jb dem Beblagten beim Ausbruch des Konkurses über
Mathys sur die bestrittenen XXVI, 2. 1900 13

194 , Civilrechtspflege.

70 0steiner Ansprache in V. Klasse eine exequierbare Forderung an
denGemeinschuldner zustand oder nicht. .

4. Diesbezüglich ist zunächst der Vorinstanz darin beizupflichten,
dass durch den Abschluss bezw. die Bestätigung des Nachlassvertrages
die dadurch Betroffenen Forderungen keineswegs untergegangen
find. Der Nachlassvertrag ist eine behördlich bestätigte, mit
gewissen Zwangswirkungen ausgestattete Vereinbarung zwischen dem
Schuldner und seinen Gläubigern, bezw. der Majorität derselben, über
die Art, wie sich der erstere von seinen Verpflichtungen gegenüber
letztern, die er in normaler Weise zu erfüllen nicht im Stande ist,
soll lösen können. Der Vertrag bezieht sichsomit allerdings nicht
bloss auf die erekutiven Rechte der Gläubiger, sondern er berührt
auch den materiellen Bestand ihrer Forderungen, indem der Schuldner,
wenigstens civiliter, davon befreit werden soll. Diese Wirkung knüpft
sich aber nicht unmittelbar an den Abschluss oder die Bestätigung
des Vertrages, sondern erst an die Erfüllung der Vertragsbedingungen
Dass die Ansprüche aus dem Nachlassvertrag mit novierender Wirkung
an Stelle der ursprünglichen Forderungen träten oder dass sofort mit
dem Ver-fettwerden des Nachlassvertrages diese gänzlich oder für den
durchdie zugesicherte Leistung nicht gedeckten Teil als erloschen zu
gelten hätten, könnte höchstens angenommen werden, wenn etwas derartiges
ausdrücklich vereinbart worden ware. Wo dies, wie im. vorliegenden Falle,
nicht zutrifft, kann dagegen unter keinen Umständen davon gesprochen
werden, dass der Schuldner ganz oder teilweise von seinen Verpflichtungen
befreit sei, bevor der-Nachlassvertrag erfüllt ist; m. a. W. es ist der
darin enthaltene teilweise Verzicht oder Erlass der Forderungen unter
die Bedingung gestellt, dass dem Gläubiger das im Vertrag Zugesicherte
geleistet werde. Diese Auffassung war im bundesrätlichen Entwurfe
zumBundesgefetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 23. Februar 1886
zu positivem Ausdruck gelangt, indem darin folgende Be-: stimmung
unter den Vorschriften über den Nachlassvertrag erscheint: Art. 39:
Der Schuldner wird durch Erfüllung des Konkordates von jeder weitern
Verpflichtung gegenüber seinen Gläubigern befreit; vorbehalten bleiben
anderweitige Bestimmungen des Konkordates, u. s. w. Die Bestimmung wurde
inVII. Schuldhetreihung und Konkurs. N° 27. 195)

etwas veränderter Fassung bis zur letzten fog. redaktionellen
Be-reinigung beibehalten. Näher als der Schluss, dass man mit dem
schliesslichen Fallenlassen eine materielle Änderung vornehmen wollte,
liegt die Annahme, dass man dieselbe als selbstverständlich und somit
als überflüssig betrachtete. Allerdings enthielt die Vorschrift nach
ihrer Fassung nicht zwingendes Recht. Allein, was man der Disposition
der Parteien vorbehalten wollte, und was wohl auch nach Wegfall der
Bestimmung ihrer Disposition vorbehalten bleibt, ist nicht sowohl die
Stipulation, dass die ursprünglichen Forderungen schon vor der Erfüllung
des Nachlassvertrages erlöschen sollen, als vielmehr die Vereinbarung,
dass trotz der Erfüllung der Schuldner von den ursprünglichen
Verbindlichkeiten noch nicht befreit sein solle. Diese Lösung ist auch
die der Natur der Sache entsprechende Die Nachlassgläubiger sind gewiss
nicht gewillt, auf die blosse Zusicherung gewisser Leistungen hin ihre
Forderungen aufzugeben, und wenn sie sich zu einem teilweisen Verzicht
bereit erklären, so geschieht dies nur, weil sie ein sicheres weniger
einem unsichern mehr verziehen. Sicher aber ist eine Leistung nicht
schon dann, wenn sie versprochen, sondern erst dann, wenn sie erfüllt
ist. Danach wurden denn auch im vorliegenden Falle die Forderungen
an den Schuldner Mathys durch den Abschluss bezw. die Bestätigung des
Nachlassvertrages fürs erste in ihrem Bestande nicht berührt, und der
damit verknüpfte Erlass oder Verzicht konnte erst eintreten oder wirksam
werden mit dem Eintritt der Bedingung, unter der er zugestanden war,
d. h. mit der Zahlung der Nachlassdividende. Da nun diese Bedingung sich
nicht erfüllt hat, ist auch die Wirkung eines teilweisen Erlasses oder
Verzichts nicht eingetreten, und stand vom Boden des materiellen Rechts
aus nichts entgegen, dass die Forderung des Beklagten im Konkurse des
A. Mathys in ihrem ursprünglichen Betrage angemeldet und zugelassen wurde.

5. Nun wird aber aus Art. 315 B.-G. der Einwand hergeleitet, dass im Falle
der Nichterfüllung der Bedingungen des Nachlassvertrages die behördliche
Aufhebung des Nachlassvertrages verlangt und ausgewirkt sein müsse, bevor
die Forderung in ihrem frühern Bestände geltend gemacht werden könne, und
dass deshalb vorliegend der Beklagte, da die Aufhebung des Nachlasses zu

196 Givilrechtspflege.

seinen Gunsten erst nach der Konkurserbsfnung über A. Mathhs erfolgt
sei, im Konkurse nicht den ungedeckten Teil seiner ursprünglichen
Forderung, sondern nur die nichtbezahlte Nachlassquote habe liquidieren
dürfen. Diesbezüglich fällt in Betracht: Es ist richtig, dass ein gültig
zu Stande gekommener Nachlassvertrag der exekutiven Geltendmachung der
dadurch Betroffenen Forderungen gegenüber dein Nachlassschuldner im Wege
steht und dass deshalb, sofern der Vertrag noch wirksam sein sollte,
solche Forderungen auch in einem später über denselben ausgebrochenen
Konkurse nicht geltend gemacht werden könnten· Nach Art. 315 B.-G
fallen ferner in der That die Wirkungen des Nachlassvertrages,
wenn dessen Bedingungen nicht erfüllt werden, nicht von selbst
dahin, sondern es bedarf, um den Vertrag aus dem Wege zu räumen,
eines Ausspruches der Nachlassbehörde, der zudem, im Gegensatz zum
Widerruf des Nachlassvertrages wegen Unredlichkeit gemäss Art. 316,
nur individuell, für den die Aufhebung verlangenden Gläubiger, und
nichtgenerell, für alle Gläubiger, wirkt. Eines solchen, die Aufhebung
des Nachlasses aussprechenden Dekretes der Nachlassbehörde bedarf es
jedoch dann nicht, wenn über den Schuldner der Konkurs ausbricht, bevor
er die ihm nach dem Nachlassvertrage obliegenden vermögensrechtlichen
Leistungen erfüllt hat; vielmehr sind die Gläubiger, denen gegenüber diese
Bedingungen beim Ausbruch des Konkurses nicht erfüllt sind, sei es, dass
der Schuldner nicht leisten konnte oder wollte, oder dass er noch nicht
zu leisten brauchte, ohne weiteres Verfahren berechtigt, ihre Forderungen
in ihrem ursprünglichen Betrage unter Abrechnung allfällig erhaltener
Abschlagszah{ungen anzumelden und dafür konkursmässige Befriedigung
zu verlangen. M. a. W. die Wirkungen des Nachlassvertrages mit Bezug
auf die exekutive Geltendmachung der ursprünglichen Forderungen fallen
in solchen Fällen, wenigstens für die Dauer des Konkurses, mit dessen
Eröffnung dahin. Der Nachlassvertrag ist eine besondere, gegenüber der
eigentlichen Zwangsvollsireckung mildere Form der Auseinandersetzung
des bedrängten Schuldner-Z mit seinen Gläubigern, die an die Stelle
der erstern tritt und nicht neben derselben bestehen "kann. Allerdings
können ordentliche-r Weise während der Abwicklung des Nachlassoertrages
nach dessenVII. Schuldhetreibung und Konkurs. N° 27. 197

Bestätigung neue Spezialexekutionen gegen den Schuldner eingeleitet und
es kann gegen ihn auch der Konkurs eröffnet werden; denn der Schuldner
ist von der Bestätigung des Nachlassvertrages an in der Regel in seiner
Verpflichtungsfähigkeit nicht mehr beschränkt, und auch davon, dass sein
Vermögen den Nachlassgläubigern dinglich oerhastet ware, wird höchstens
ausnahmsweise die Rede sein können. Allein wenn auch so unter Umständen
eine Zwangsvollstreckung für eine neue Verpflichtung neben

. der Abwicklung des Nachlassvertrages einhergehen kann, so ist

doch ein Ineinandergreifen der verschiedenen Liquidaiionsverfahren,
ein Einwirken derselben aufeinander gänzlich ausgeschlossen,
und bei Kollisionen muss das eine vor dem andern zurücktreten
Eine solche Kollision ist nun vorhanden, wenn ein Schuldner, der
gemäss Nachlassvertrag seinen Gläubigern zu bestimmten Leistungen
aus seinem Vermögen verpflichtet ist, diese Bedingungen allen oder
einzelnen gegenüber nicht erfüllt hat und nunmehr über ihn der Konkurs
ausbricht. Denn da die Konkurseröffnung dem Schuldner die Disposition
über sein Vermögen entzieht, so ist ihm dadurch die Erfüllung des
Nachlassvertrages verunmöglicht. Da ferner für die Konkursgläubiger
kein rechtlicher Zwang besteht, die Erfüllung auf sich zu nehmen,
so ist die zutreffende Lösung der vorhandenen Kollision die, dass der
Nachlassvertrag für die Gläubiger-, denen gegenüber er nicht erfüllt
ist mit der Konkurseröffnung aufhört, wirksam zu sein, bezw. dass
dieselben ohne Rücksicht auf den Vertrag berechtigt sind, statt
der akkordmässigen konkursmässige Befriedigung zu verlangen. Wenn
durch den Ausbruch des Konkurses es offenbar geworden ist, dass die
Ausnuandersetzuug mittelst Nachlassvertrages, die zur Abwendung oder
zur Aufhebng der Zwangsvollstreckung versucht wurde, nicht zum Ziele
geführt hat und nicht mehr dazu führen Yann, so muss von selbst den
Gläubigern wiederum das Recht erstehen, gemäss ihren materiellen Rechten
an der bevorstehenden allgemeinen Zwangsliquidation teilzunehmen; und es
erscheint als völlig überflüssig, dass in diesen Fällen auch noch das
Verfahren nach Art. 315 durchgeführt merde. Die Einwendungen, die der
Schuldner im Falle des Art. 315 vor der Nachlassbehörde erheben könnte-,
kann er auch im Konkursoerfahren vorbringen (vergl.

·198 Civilrechtspflege.

Art. 244 B.-G.); und soweit mit Art. 315 ein Schutz der Gläubiger
gegen nnlautere Abmachungen bezweckt sein sollte, entfällt das
Bedürfnis nachlassbehördlicher Prüfung der Frage, ob die Bedingungen des
Nachlassvertrages erfüllt seien, im Konkurse deshalb, weil die Organe der
Gläubigergemeinschaft diese Prüfung vornehmen und den einzelnen Gläubigern
erst noch das Recht der Anfechtung von Ansprachen zusteht, die ihrer
Ansicht nach zu Unrecht anerkannt worden sind. Dass der Nachlassvertrag-,

wenn er dem Schuldner vermögensrechtliche Leistungen auferlegt, _

nicht zur Folge haben kann, dass in einem vor Erfüllung des Vertrags über
ihn ausgebrochenen Konkurs nur die unbezahlte Nachlassdividende liquidiert
werden könnte, ergiebt sich auch daraus, dass der Anspruch auf letztere
ein stringenter und absoluter ist, und eine weitere Schmälerung oder
Änderung nicht duldet. Auch diese Betrachtung bestätigt, dass, wenn vor
der Erfüllung des Nachlassvertrages der Konkurs ausbricht, in demselben
nicht die nicht erfüllten Nachlassleistungen zu liquidieren find,
dass vielmehr die nicht ausgewiesenen Nachlassgläubiger von vornherein
und ohne dass es eines Verfahrens nach Art. 815 B.-G. bedarf, mit dem
ursprünglichen Betrag ihrer Forderungen als Konkursgläubiger zugelassen
werden müssen. Dass der diligente Nachlassgläubiger, der den Konkurs
herbeigeführt hat, auf diese Weise um die Früchte seiner Diligenz kommt,
mag teilweise richtig sein, entspricht aber durchaus dem den Konkurs
beherrschenden Prinzip der Parität der Gläubiger.

6. Die Frage, ob die Klägerin aktiv zur Klage legitimiert sei, bezw. ob
ihrer Klage nicht der Einwand entgegenstehe, dass ihre Kollokation mit
dem nämlichen Mangel behaftet sei, wie die angefochtene des Beklagten,
braucht unter den obwaltendensUrnstäw den nicht nachgeprüft zu werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird verworfen und das angefochtene Urteil des
Appellationsund Kassationshofes des Kantons Bern in allen Teilen
bestätigt. VIL. Schuldbeireibnng und Konkurs. N° 28. 199

28. Urteil vom 14. Februar 1900 in Sachen v. Wattenwyl und Konsorten
gegen Konkursmasse Pfister-Dür.

!nfechtussgsklaga, gestützt auf Art. 287 2277". 2 and Ars. 288
Beta-Ges. Legitimation, Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1 god. Ueblichsses
Zahlungsmittel?A. Im Jahre 1895 fiel der Bauuuternehmer Michael Meier in
Bern in Konkurs. Seitdem betreibt seine (Sheireen, Emma Meier-Fricker,
das Geschäft auf ihren Namen und ihre Rechnung. Am 25. November 1897
trat sie dem Kaufmann J. J. Pfister-Dür in Burgdorf, mit dem sie
in Geschäftsbeziehungen stand,v von ihrem Bauguthaben an die Herren
Johann Spahni. "Heizer, und Johann Spahni, Schlosser, beide in Bern,
gemäss 1;,Bauvertrag vom 29. Juni 1897 für Erstellung des Hauses Nr. 44
Hopfenweg, eine Summe von 4000 Fr. unter Anzeige an die Drittschuldner
förmlich ab, mit Erkennen, den Ge1genwert von Psister-Dür erhalten zu
haben in Lieferungen, dafür quittierend. Diese Abtretung fochten Fürsprech
v. Wartenwhl in Bern, Johann Müller, Dachdeckermeisier, daselbst,
und die Sparund Leihkasfe Bern, die die Frau Meter für verschiedene
Forderungen fruchtlos betrieben und am 27. Januar 1898 auch Pfändung
auf das an J. J. Psister-Dür abgetretene Guthaben erwirkt hatten, unter
Berufung auf am. 287 Ziff. 2 und Art. 288 Betr.-Ges., gerichtlich an. Der
Beklagte wendete ein: Sein Geschäftsverkehr mit Frau Meter sei von Anfang
an auf Grundlage der Bedingung erfolgt, dass Frau Meter ihm für seine
Lieferungen Abtretungen auf ihre Klientschaft aus-stellen müsse. Auf
dieser Grundlage sei auch das Geschäft zu Stande gekommen, wonach Pfister
der Frau Meier Backsieine für den Neubau der beiden Spahni lieferte. Beim
Abschluss des Geschästs habe Psister ausdrücklich die Bedingung gestellt,
dass ihm Frau Meier zur Deckung seiner Forderung von über 4000 Fr. für
Backfteinlieferungen ihr Guthaben an die beiden Spahni in entsprechendem
Betrage abtreten müsse. Diese Vereinbarung sei schon vor dem
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 II 189
Datum : 08. Februar 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 II 189
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 188 Civilrechtspflege. präsidenten von Signau abgegebenen Erklärung nicht richtig,


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schuldner • bedingung • bundesgericht • beklagter • richtigkeit • konkursmasse • streitwert • frage • rechtsgrund • weiler • stelle • kollokationsplan • konkursdividende • entscheid • bewilligung oder genehmigung • kantonales recht • kassationshof • vorinstanz • deckung • materielles recht
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