516 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs--

zuheben, unter dem Vorbehalt immerhin, dass er die Kosten der erstern
dem Schuldner nicht in Rechnung bringen darf. Zum gleichen Ergebnis
führt die Betrachtung, dass der Betreibungsbeamte nicht verpflichtet
ist, ein Betreibungsbegehren daraufhin zu prüfen, ob die betreffende
Forderung bereits den Gegenstand eines frühem Zahlungsbefehls gebildet
habe. Vorbehalten bleiben natürlich solche Fälle, in denen ein zweiter
Zahlungsbefehl lediglich missbräuchlicher, chikanöser Weise erlassen
werden wollte. Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer
erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

99. Entscheid vom 10. Dezember 1900 in Sachen Trinca.

Bekanntmachung der Steigerung ; Aufiorderung zur Geltendmachung
der Ansprüche, Art. 138, Ze'fi. 3, Bean-Ges. Mitteilung des
Lastenverzeichnisses, Art. 140 cod.

_I. Am 20. Juni 1899 stellte Alphons Trinca in Poschiavo ein Begehren
um Betreibung auf Pfandverweriung gegen Johann Morosani in Brusio. Als
Forderungssumme nannte das Begehren den Betrag von 13,792 Fr. ohne
Beifügung von Zinsen. Als Forderungstitel wurde angegeben: Darlehen
vom 1. Juni 1889, hypotheziert unter Nr. 902, Band 3, Seite 556,
mit Zinsen und Kosten. Das Betreibungsamt Brusio stellte darauf am
1. Juli 1899 den Zahlungsbefehl für den obigen Forderungsbetrag von
13,792 Fr. aus. Am 2. Januar 1900 verlangte der Gläubiger die Verwertung,
worauf das Betreibungsamt die Steigerung auf den 3. März anordnete und dem
Gläubiger am 3. Februar hievon Mitteilung machte, unter Angabe des Ortes
der Steigerung und mit der Bemerkung, dass die SteigerungsBedingungen
vom 28. Februar an im Amtslokale aufliegen. Da bei der Steigerung kein
Angebot erfolgte, so blieb dieselbe resultatlos. Am 28. März 1900 teilte
das Amt dem Gläubiger mit,und Kankurskammer. N° 99. , 517

dass die zweite Steigerung am Z. Mai stattfinden werde. Am
26. April schrieb der Gläubiger dem Betreibungsamte, er habe aus den
Steigerungsbedingungen ersehen, dass die betriebene Forderung bloss mit
13,792 Fr., das Kapital und die bis zum 20. Juni 1900 erlaufenen Zinsen
umfassend, beziffert worden sei; das Amt möge deshalb noch die zugehörigen
Zinsen vom Datum des Betreibungsbegehrens an bis zur Zahlung aufnehmen.

Auf die Weigerung hin, dies zu thun, reichte Trinea bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde Beschwerde ein. Er habe, führte er aus, in seinem
Betreibungsbegehren die Einforderung der in Frage stehenden Zinsen
verlangt-. Sodann sei ihm die nach Art. 138 des Betreibungsgesetzes
vorgeschriebene, auch ihm als Pfandgläubiger zuzustellende Aufforderung
nicht zugekommen und habe er infolgedessen keine Gelegenheit gehabt,
die in den Zahlung-sbefehl aufgenommene Forderung zu ergänzen. Deshalb
erscheine das ganze Steigerungsverfahren als ungültig. Auch habe
man ihm das Lastenverzeichnis nicht mitgeteilt, wie der Art. 140
des Betreibungsgesetzes es vor-schreibe Es sei nach all dem ein neues
Lastenverzeichnis aufzustellen und in dasselbe die fragliche Zinsforderung
auszunehmen

II. Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde unterm 28. August
1900 aus nachfolgenden Gründen ab:

Rekurrent selbst habe, wie feststehe, die Betreibungssumme auf nur
13,792 Fr. beziffert und gegen den in diesem Sinne ausgesertigten
Zahlungsbefehl keine Einwendung erhoben. Eine Erhöhung dieser den
Gegenstand der Betreibung bildenden Summe im Laufe des weitern Verfahrens
sei unzulässig Zu den Personen sodann, welche der Betreibungsbeamte nach
Art. 138 des Betreibungsgesetzes zur Eingabe ihrer Ansprüche aufzufordern
habe, gehöre selbstverständlich der betreibende Gläubiger nicht, da
dessen Ansprüche ja den Gegenstand der Betreibung bilden, daher ans
dem Betreibungsbegehren sich ergeben müssen, und eine Vervollständigung
dieser Ansprüche auläszlich der Steigerung jedenfalls nicht

ss statthaft wäre. Was sodann die Mitteilung des Lastenverzeich-

nisses nach Art. 140 des Betreibungsgesetzes anlange, so scheine dieselbe
allerdings unterlassen worden zu sein. Eine dadurch be-

518 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

dingte Verletzung der Interessen des Rekurrenten sei aber nicht
ersichtlich. Trinca behaupte nicht einmal, die rechtliche Existenz der
Lasten bestreiten zu können. Übrigens sei die fragliche Mitteilung noch
möglich und deren Vornahme dem Betreibungsamte zu empfehlen.

III. Diesen Entscher zog Trinca rechtzeitig an das Bundesgericht weiter
mit dem Begehren: es sei das Betreibungsamt Brusio zu verhalten, die
Aufforderung nach Art. 138 des Betreibungsgesetzes und die Mitteilung nach
Art. 140 eod. allen Gläubigern zuzusenden, in der Meinung, dass das Amt
das Steigerungsverfahren seit dem 3. März 1900 von neuem beginnen folle,
oder eventnell die Akten vor der zweiten Steigerung zu vervollständigen
habe.

In der Begründung wird ausgeführt: Die Aufforderung des Art. 138 des
Betreibungsgesetzes sei allen Gläubigern, also auch dem betreibenden,
zuzustellen. Das ergehe sich daraus, dass das Gesetz dies-bezüglich
zwischen den Gläubigern keine Unterscheidung mache. Die Aufforderung
nach Ziff. 3 des eitierten Artikels bilde einen notwendigen Teil der
gesamten Steigerungsbekanntmachung und bedinge deren Gültigkeit; sie
hätte also auch gegenüber dem Rekurrenten als betreibendem Gläubiger
ergehen müssen. Die gegenteilige Auffassung würde zu einer unzulässigen
Schlechterstellung des betreibenden gegenüber den andern Gläubigern führen
Rekurrent habe bei Anhebung der Betreibung nur die bis dahin entstandenen
Ansprüche geltend machen können. Zum Zwecke eben, die Geltendmachung
auch der nachträglich entstehenden Ansprüche zu ermöglichen, und damit
aus einer Hinansschiebung der Betreibung durch Fristverlängerungen dem
Gläubiger kein Schaden erwachse, habe der Gesetzgeber die Aufforderung
des Art. 138 verlangt. Die Nichtmitteilung des Lastenverzeichnisses
habe für den Rekurrenten, was die Vorinstanz zu Unrecht bestreite, einen
Nachteil gehabt, insofern ihm dadurch die Möglichkeit einer Prüfung der
aufgenommenen Lasten genommen worden sei. Wenn endlich die kantonale
Aufsichtsbehörde die nachträgliche Mitteilung des Lastenverzeichnisses
für angängig halte, so sollte doch das gleiche notwendig bezüglich
des nachträglichen Erlafses einer Aufforderung nach Art. 138 des
Betreibungsgesetzes gelten. und Konkurskammer. N° 99. · 519

IV. Die kantonale Aufsichtsbehörde trägt in ihrer Vernehmlassung unter
Verweisung auf die Motive ihres Entscheides auf Abweisung des Relurses an.

Die Schuldbetreibuugsund Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Zahlungsbefehl sei nicht
in einer dem Betreibungsbegehren entsprechenden Weise ausgefertigt worden,
da dieses auch auf die in Frage stehenden Zinse sich erstreckt habe,
kann auf den Rekurs wegen Verspätung nicht eingetreten werden. Denn es
wäre Sache des Reknrrenten gewesen, die Richtigkeit des Zahlungsbefehls
innert gesetzlicher Frist seit dessen Erhalt auf dem Beschwerdewege
anzufechten. Nachdem dies aber nicht geschehen und der Befehl in Kraft
erwachsen ist, waren die nachfolgenden Betreibungsakte auf Grundlage
desselben und nach Massgabe seines Inhaltes vorzunehmen

2. Was die behauptete Verletzung des Art. 138, Ziff. 3 des Bundesgesetzes
anlangt, so ist die Vorinstanz von der Auffassung ausgegangen, dass
die daselbst vorgesehene Aufforderung zur Eingabe von Ansprüchen dem
betreibenden Gläubiger gegenüber nicht zu erfolgen habe; denn dessen
Ansprüche müssten sich, weil sie Gegenstand der Betreibung seien, aus
dem Betreibungsbegehren ergeben und eine Vervollständigung derselben
anlässlich der Steigerung erscheine jedenfalls nicht als statthaft. Nun
ist, wie schon gesagt, richtig, dass der Betrag der Betreibung, wie
er aus dem rechtskräftig gewordenen Zahlungsbefehl sich ergibt, nicht
nachträglich erhöht werden kann. Dies schliesst aber für den betreiben-
ben Gläubiger die Möglichkeit nicht aus, anlässlich der Verwertung der
Liegenschaft nicht nur andere ihm zustehende Pfandansprachen, sondern
auch die in Betreibung gesetzte in höherem Umfange, z. B. betreffend
einer nicht betriebenen Quote oder nicht betriebener Zinse, geltend zu
machen. Denn der betreibende Gläubiger steht gewiss bezüglich dieser in
der Betreibung nicht inbegrisfenen Ansprüche, was ihre Berücksichtigung
beim Zwangsberkaufe der Liegenschaft, namentlich also ihre Aufnahme
in den Kollokationsplan und das Lastenoerzeichnis anlangt, in gleichen
Rechten wie ein dritter Berechtigter. Es muss ihm also diesbezüg-

520 B. Entscheidungen der Schuidbetreibungs-

lich auch die Anmeldung des am. 138, Ziff. 3 cit." in gleicher
Weise gestattet bezw. vorgeschrieben fein. Demgemass bestimmt
der Art. 139 des Bundesgefetzes (der laut Art.156 B.-G ebenfalls
auf das Pfandbetreibungsverfahren anwendbar ist), dass auch
dem Gläubiger, d. h. dem betreibenden Gläubiger, ein Exemplar der
Steigerungsbekanntmachung des Art. 138 zuzustellen sei, ohne zu erklären,
dass diese Bekanntmachung ihm gegenüber die Aufforderung der Biff. 3
des Art. 138 cit. nicht zu enthalten habe. Es lässt sich auch nicht
einwenden, der betreibende Gläubiger sei, im Gegensatze zu den andern
an der Liegenschaft Anspruchsberechtigten, von Anhebung der Betreibung
an und ohne amtliche Kenntnisgabe in der Lage, seine Interessen auch
bezüglich seiner nicht in Betreibung gesetzten Ansprüche zu wahren. Denn
er kann immer mit der Möglichkeit rechnen, dass die betriebene Schuld
vor der Anordnung der Steigerung bezahlt wird und damit die Betreibung
dahinsällt bezw. die Anmeldung seiner weitern Rechte gegenstandslos wird.

3. Steht nach dem Gesagten fest, dass der Rekurrent bezüglich der
Geltendmachung der fraglichen Zinse gleich zu behandeln ist wie ein
dritter Anspruchsberechtigter, so fragt es sich im weitem, ob er mit ihnen
nach em. 138 Ziff. 3 wegen Nichtanmeldung vom Ergebnis der Verwertung
auszuschliessen sei.

In dieser Beziehung wird zunächst vom Rekurrenten selbst nicht behauptet,
dass die erwähnten Zinfe als eine aus den öffentlichen Büchern
ersichtliche Forderung im Sinne obiger Bestimmung sich darstellen
und dass demnach eine Anmeldungspflicht hinsichtlich ihrer gar nicht
bestanden habe.

Sodann hat der Rekurrent von der Steigerung nicht etwa schlechthin keine
Kenntnis erhalten; er wurde vielmehr in·Gemässheit der Ziffern 1 und
2 des Art. 138 des Bandes-gesetzes amtlich vom Zeitpunkte und Ort der
Steigerung und vom Aufliegen der Bedingungen verständigt, und nur die
mehr-erwähnte Aufforderung der Ziff· 3 cit. ist ihm gegenüber nnterblieben
Diese Unterlassung für sich allein kann aber jedenfalls einen Grund zur
Aufhebung der Steigerung nicht abgeben. Denn wenn der Beschwerdesiihrer
von der Abhaltung der letztern Mitteilung erhielt, so musste er, da es
das Gesetz ausspricht und die Kenntnis desselben von ihm gefordert wird,
auch wissen, dass anlässlichund Konkurskammer. N° 99. ' 521

des Eigentumsüberganges der Liegenschaft ein Bereinigungsverfahren
bezüglich der auf ihr ruhenden Lasten ftattfindet und dass hiebei die
Berechtigten ihre bezüglichen Ansprüche selbst anzuweiden verpflichtet
find. Immerhin wird in Fällen wie dem vorliegenden für den Berechtigten
die 20tägige Frist zur Anmeldung zu wahren sein, d. h. es muss diese von
der vielleicht später erst erfolgen den Ankündigung der (Hani zu laufen
beginnen und muss demgemäss auch die 10tägtge Bestreitungsfrist des
Art.140 sich unter Umständen entsprechend hinausschieben, was dann eine
Verschiebung der Gant selbst zur Folge haben kann. Nun hat aber hier der
Rekurrent die Steigerungsanzeige am 3. Februar 1900 erhalten, ohne dass
er von da an innerhalb 20 Tagen, d. h. bis zum 23. Februar 1900, sich zu
einer Anmeldung der nicht betriebenen Forderungsansprache veranlasst
sah. Es ist demnach die sub 3 Art. 138 cit. angedrohte Präklusion
bezüglich dieser Ansprache eingetreten, d. h. deren Berücksichtigung am
Ergebnisse der Verwertung ausgeschlossen Damn vermochte auch die nachher
erfolgte Anordnung einer zweiten Steigerung nichts zu ändern. Denti,
wie das Bundesgericht bereits entschieden hat (Amii. Sammlung Band
XXV, 1. Teil, Nr. 53, in Sachen Deillon), ist für die zweite Gant eine
Abänderung des Lastenverzeichnisses nicht zulässig

4. Was das Begehren des Rekurrenten auf Mitteilung des
Lastenvrrzeichnisses nach Art. 140 des Bundesgesetzes betrifft, so hat
bereits die Vorinftanz diese Mitteilung an den Rekurrenten als geboten
erklärt und deren Vornahme dem Amte aufgetragen Wenn aber der Rekurrent
darüber hinaus-gehend darauf anträgt, die Mitteilung habe auch an die
andern Gläubiger zu erfolgen (dass dies nicht bereits geschehen sei, steht
übrigens gar nicht fest), so mangelt ihm diesbezüglich jedes rechtliche
Interesse zur Beschwerde und also auch die Legitimation zu derselben. Das
gleiche gilt auch insofern, als Trinca in seinem Rekursantrage um Erlass
der Aufforderung des Art. 138, Ziff. 3 nicht nur an ihn persönlich,
sondern an die Gläubiger schlechthin, nachfucht.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen.
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Dokument : 26 I 516
Datum : 10. Dezember 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 516
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 516 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-- zuheben, unter dem Vorbehalt immerhin,


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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