512 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

stücke erblickt werden können. Der Entscheid sei gesetzwidrig, und es
sei deshalb, in Aufhebung desselben, die Beschwerde Vicari gutzuheissen,
eventuell sei solche der zuständigen kantonalen Behörde zur materiellen
Beurteilung zuzuweisen.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Die Kompetenzqualität ist der Natur der Sache nach im Konkurse bei der
Aufnahme des Konkursinventars geltend zu machen. Der Gemeinschuldner
hat hier alle Gelegenheit, da nach Art. 224 des Betreibungsgesetzes
im Inventar sämtliche Vermögensstücke, auch die nach Art. 92 bes
Betreibungsgesetzes von der Beschlagnähme befreiten, auszuführen sind, und
da nach Art. 228 des Betreibungsgesetzes das Inventar dem Gemeinschuldner
vorzulegen ist, damit er sich Über dessen Vollständigkeit und Richtigkeit
ausspreche. Dies ist denn auch der Zeitpunkt, in dem derselbe seine
Kompetenzen geltend zu machen hat, und wenn er mehr herausverlangt,
als was ihm nach dem Inventar überlassen werden will, so hat er ein
solches Begehren jetzt beim Konkursverwalter, bezw. innert zehn Tagen
beschwerdeweise bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu stellen. Dass es
sich vorliegend um Gegenstände handelt, die im Inventar als Eigentum eines
Dritten bezeichnet waren, ändert hieran nichts. Zunächst ist diesbezüglich
der Auffassung des Rekurrenten entgegenzutreten, dass damals, als er die
Richtigkeit des Inventars anerkannte, die Gegenstände unbestrittenermassen
Eigentum der Ehesran des Gemeinschuldners gewesen seien. Erstlich
wären dieselben doch nicht in das Verzeichnis der zur Masse gehörenden
Gegenstände aufgenommen worden, wenn der Konkursverwalter von vornherein
das Eigentum der Ehefrau hätte anerkennen wollen. Und zudem war von
Gesetzes wegen das Eigentum der Ehefrau nur ein widerrufliches (Art. 2
des bernischen Gesetzes betreffend Erläuterung einiger Bestimmungen
des Personenrechts vom 26. Mai 1848), in dem Sinne, dass die Gläubiger
jederzeit die Admassieruug und konkursmässige Verwertung verlangen
konnten. Von beiden Gesichtspunkten aus erscheint es nicht als zutreffend,
wenn behauptet wird, am 12. Juni 1900 sei das Eigentum der Ehefrau an
den fraglichen Objekten unbestritten gewesen. Der Gemeinschuldner musste
vielmehr damitund Konkurskammer. N° 98. 513

rechnen, dass die Masse die Objekte beanspruche, und für den Fall musste
er damals schon die Kompetenzqualität geltend machen. Denn abgesehen
davon, dass die Vindikation von Seiten eines Dritten die Ansprüche
des Gemeinschuldners an sich nicht berührt, geht es nicht an, dass das
Ergebnis eines zu Gunsten der Masse entschiedenen Vindikationsprdzesses
hinterher dadurch in Frage gestellt merde, dass der Gemeinschuldner
die nämlichen Gegenstände als Kompetenzstücke heraus-verlangt Würde
dies als zulässig erklärt, so wäre damit ungerechtfertigter Trölerei
Vorschub geleistet Demnach muss auch mit Bezug aus Gegenstände, deren
Zugehörigkeit zum Vermögen des Gemeinschuldners bestritten ist, die
Frage der Kompetenzqualität von Anfang an und ohne Rücksicht auf den
Drittanspruch gestellt und eventuell zum Entscheide gebracht werden
(vergl. Archiv III, Nr.-1, W, Nr. 41, 83, 115). Aus diesen Gründen hat
die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen

98. Entscheid vom 16. November 1900 in Sachen Salrein.

Zulässigkeit mehrfacher Z ahlemgsbefehxle für diesefòe Forderung. Art! 9
Baer,-Ges. Frist zur Beschwerde gegen Beh-eièemg.

1. Gegen die Eheleute Emil und Karoline Salrein-Ankele sind aus Begehren
der Frau Marg. Ritschard, Negotiantin m Bern, am M.,/"13. November 1899
Zahlungsbefehle erlassen worden sur seine Forderung von 1033 Fr. 40
Cis die sich auf einen Schuldschein der Eheleute Salrein vom 5. Mai
1894 und einen Verlustschein aus den Ehemann Salt-ein vom 8. Dezember
ists-i stützte Gegen diese Betreibungen haben die Schuldner rechtzeitig
Rechtsvorschlag erhoben, der Ehemann Salrein mit der Erklarung,

514 8. Entscheidungen der Schuidhetreihungs-

er sei seit dem Konkurs nicht zu neuem Vermögen gekommen, die Ehefran
wegen Nichtschuld. Am 25. Juli 1900 ergingen an die Eheleute Salrein
auf Veranlassung der Gläubigerin neueZahlungsbesehle für die nämliche
Schuld. Da ein Rechtsvorschlag innert Frist nicht erfolgte, schritt
das Betreibungsamt Bern auf Begehren der Gläubigerin am 20. August
zur Psändung. Mit Eingabe vom 28. August-ein September stellten die
Eheleute Salrein bei der kantonalen Beschwerdeinstanz das Begehren,
es sei die gegen sie vollzogene Psändung, sowie das ganze, derselben zu
Grunde liegende Betreibungsverfahren aufzuheben, weil nach Art. 79 des
Betreibungsgesetzes ein Gläubiger, gegen dessen Zahlung-Zbefehl Recht
vorgeschlagen worden sei, nicht einfach den Zahlungsbefehl erneuern
könne, sondern den Weg des ordentlichen Prozesses betreten müsse. Die
bernische kantonale Aufsichtsbehördewies die Beschwerde mit Entscheid
vom 21. September 1900 ab, unter Verweisung auf ein Präjudiz in Sachen
Julie von Saurnoff-LaRoche vom Zi. Mai 1900, in dem ausgeführt sei, es
stehe nichts entgegen, dass der Gläubiger trotz einer bereits hängigen,
aber durch Rechtsvorschlag eingestellten Betreibung für die nämliche
Forderung ein neues Betreibungsversahren einleiten fiume,. wogegen nicht
ausgeschlossen sei, dass der Schuldner wegen chikanösem Missbrauch des
dem Gläubiger zustehenden Rechts zu wiederholter Anhebung der Betreibnng
für die nämliche Forderung geschützt werde.

II. Gegen diesen Entscheid haben die Eheleute Salrein den Rekurs an das
Bundesgericht ergriffen, vor dem sie Beantragen, es sei in Abänderung
desselben das gegen sie ergangene Betretbungsverfahren aufzuheben und
insbesondere auch die Psändung zu kassieren.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskamuier zieht in Erwägung:

Die Beschwerde der Rekurreuten hätte von der Vorinsianz schon wegen
Verspätung zurückgewiesen werden sollen. Die neue Betreibung, deren
Zulässigkeit in Frage steht, ist am 25. Juli angehoben worden, während
die schuldnerischen Eheleute Salrein sich erst nach der am 20. August
vorgenommenen Pfändung beschwerten, d. h. lange nach Ablauf der
Beschwerdefrist. Auch kann nichtund Konkurskammer. N° 98. 515

etwa gesagt werden, die Anhebung einer neuen Betreibung sei in einem
solchen Falle schlechthin ausgeschlossen und es könne dagegen jederzeit
Beschwerde geführt werden. Denn wenn auch Art. 79 des Betreibungsgesetzes
den Sinn haben sollte, dass durch den Erlass des Zahlungsbefehls
das Betreibungsrecht konsumiert sei und dass, wenn Rechtsvorschlag
erfolgte, nichts übrig bleibe, als den Weg der Rechtsöffnung oder des
ordentlichen Prozesses zu betreten, so ist doch nicht ersichtlich,
dass öffentlich-rechtliche Gründe oder die gemeinsamen Interessen des
Schuldners und seiner sämtlichen Gläubiger eine derartige Ordnung der
Dinge erforderten und dass diese deshalb als eine solche zwingenden
Rechts angesehen werden müsste, deren Jnnehaltung jederzeit anbegehrt
werden könnte. Aber auch wenn rechtzeitig Beschwerde erhoben worden wäre,
hätte dieselbe abgewiesen werden müssen. Der Erlass eines Zahlungsbefehls
kann in seinen Wirkungen nicht mit der Anhebung der Klage verglichen
werden in dem Sinne, dass damit eine Art Rechtshängigkeit eintrete, die
der Wiederholung des nämlichen Aktes entgegenstünde. Der Zahlungsbefehl
ist eine formale amtliche Aufforderung zur Zahlung, die, falls sie
Unwidersprochen bleibt, dem Gläubiger die Durchführung der Exekution
sichert, die aber durch eine blosse Erklärung des Schuldners, dass er
Recht vorschlage, völlig unwirksam gemacht werden kann. Die Einleitung
der Betreibung, d. h. eben der Erlass des Zahlungsbefehls, ist ein in
sich abgeschlossenes Verfahren, das dazu dienen soll, dem Gläubiger
einen vollziehbaren Titel zu verschaffen, das aberwenn dieser Zweck
nicht erreicht wird, weil der Schuldner Recht vorschlägt, ein weiteres
prozessualisches Verhältnis zwischen den Parteien nicht begründet und
demgemäss auch nicht geeignet ist, dem Schuldner-, der für die gleiche
Forderung nochmals betrieben wird, eine der exceptio litis pendentis
analoge Einrede zu verschaffen. Das materielle Rechtsverhältnis zwischen
den Parteien, wie auch die formalen Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit
können sich nach Erlass des ersten Zahlungsbefehls derart ändern, dass
der Grund zum Rechtsvorschlag dahinfällt, wie z. B. im vorliegenden Falle
der Ehemann Salrein in der Zwischenzeit zu neuem Vermögen gekommen sein
kann. Und da kann es dem Gläubiger doch nicht versagt sein, neuerdings
die Betreibnng an-

516 B. Entscheidungen der Schuldbetreîbungs--

zuheben, unter dem Vorbehalt immerhin, dass er die Kosten der erstern
dem Schuldner nicht in Rechnung bringen darf. Zum gleichen Ergebnis
führt die Betrachtung, dass der Betreibungsbeamte nicht verpflichtet
ist, ein Betreibungsbegehren daraufhin zu prüfen, ob die betreffende
Forderung bereits den Gegenstand eines frühern Zahlungsbefehls gebildet
habe. Vorbehalten bleiben natürlich solche Fälle, in denen ein zweiter
Zahlungsbesehl lediglich missbräuchlicher, chikanöser Weise erlassen
werden wollte. Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer
erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen.

99. Entscheid vom 10. Dezember 1900 in Sachen Trinca.

Bekanntmachung der Steigerung; Aufforderung: zur Geltendmachung
der Ansprüche, Art. 138, Ziff. 3, Bein-Ges. Mitteilung des
Lastmeerzeéchnisses, Art. 140 god.

_I. Am 20. Juni 1899 stellte Alphons Trinca in Poschiavo ein Begehren
um Betreibung aus Pfandderwertung gegen Johann Morosani in Brusio. Als
Forderungssumnte nannte das Begehren den Betrag von 13,792 Fr. ohne
Beifügung von Zinsen. Als Forderungstitel wurde angegeben: Den-leben
vom 1. Juni 1889, hypotheziert unter Nr. 902, Band 3, Seite 556,
mit Zinsen und Kosten." Das Betreibungsamt Brusio stellte darauf am
1. Juli 1899 den Zahlungsbefehl für den obigen Forderungsbetrag von
13,·792 Fr. aus. Am 2. Januar 1900 verlangte der Gläubiger die Verwertung,
woraus das Betreibungsamt die Steigerung auf den 3. März anordnete und dem
Gläubiger am Z. Februar hievon Mitteilung machte, unter Angabe des Ortes
der Steigerung und mit der Bemerkung, dass die Steigerungsbedingungen
vom 23. Februar an im Amtslokale aufliegen. Da bei der Steigerung kein
Angebot erfolgte, so blieb dieselbe resultatlos. Am 28. März 1900 teilte
das Amt dem Gläubiger mit,und Kankurskammer, N° 99. . 51?

dass die zweite Steigerung am 3. Mai stattfinden werde. Am
26. April schrieb der Gläubiger dem Betreibungsamte, er habe aus den
Steigerungsbedingungen ersehen, dass die betriebene Forderung bloss mit
13,792 Fr., das Kapital und die bis zum 20. Juni 1900 erlaufenen Zinsen
umfassend, bezifsert worden sei; das Amt möge deshalb noch die zugehörigen
Zinsen vom Datum des Betreibungsbegehrens an bis zur Zahlung aufnehmen.

Auf die Weigerung hin, dies zu thun, reichte Trinca bei der kantonalen
Aufsichtsbehörde Beschwerde ein Er habe, führte er aus, in seinem
Betreibungsbegehren die Einforderung der in Frage stehenden Zinsen
verlangt. Sodann sei ihm die nach Art.138 des Betreibungsgesetzes
vorgeschriebene, auch ihm als Pfandgläubiger zuzustellende Aufforderung
nicht zugekommen und habe er infolgedessen keine Gelegenheit gehabt,
die in den Zahlungsbesehl aufgenommene Forderung zu ergänzen. Deshalb
erscheine das ganze Steigerungsverfahren als ungültig Auch habe
man ihm das Lastenverzeichnis nicht mitgeteilt, wie der Art. 140
des Betreibungsgesetzes es vorschreibe. Es sei nach all dem ein neues
Lastenverzeichnis aufzustellen und in dasselbe die fragliche Zinsforderung
aufzunehmen.

H. Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde unterm 28. August
1900 aus nachfolgenden Gründen ab:

Returrent selbst habe, wie feststehe, die Betreibungssumme auf nur
13,792 Fr. beziffert und gegen den in diesem Sinne aus-gefertigten
Zahlungsbefehl keine Einwendung erhoben. Eine Erhöhung dieser den
Gegenstand der Betreibung bildenden Summe im Laufe des weitern Verfahrens
sei unzulässig Zu den Personen sodann, welche der Betreibungsbeamte nach
Art. 138 des Betreibungsgesetzes zur Eingabe ihrer Ansprüche aufzufordern
habe, gehöre selbstverständlich der betreibende Gläubiger nicht, da
dessen Ansprüche ja den Gegenstand der Betreibung bilden, daher aus
dem Betreibungsbegehren sich ergeben müssen, und eine Vervollständigung
dieser Ansprüche anlässlich der Steigerung jedenfalls nicht statthaft
wäre-. Was sodann die Mitteilung des Lastenverzeichnisses nach Art. 140
des Betreibungsgesetzes anlange, so scheine dieselbe allerdings
unterlassen worden zu sein. Eine dadurch be-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 513
Datum : 12. Juni 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 513
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 512 B. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-- stücke erblickt werden können. Der


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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