504 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs-

verwaltung und Gläubigerausschuss) weder berechtigt noch verpflichtet
sein, dem Kottmann gegenüber als ihrer Gegenpartei einen verbindlichen
Entscheid über den Bestand und den Umfang des von ihm erhobenen Anspruches
abzugeben. Diese Streitfrage materiellrechtlicher Natur liegt vielmehr
ausschliesslich in der Zuständigkeit des Richters, an den sich Kottmann zu
wenden hat, wenn er sich mit dem abweisenden Bescheide der Konkursorgane
nicht befriedigen will. Dabei kann natürlich nicht von Bedeutung sein,
ob die Ansprache Kottmanns rechtlich als Mietzinsforderung zu betrachten
sei oder nicht. Darüber und über die daraus resultierenden Konsequenzen
betreffend Zahlungspflicht ze. wird eben der Richter zu entscheiden
haben. Demgemäss ist die Vorinstanz zu Unrecht auf die Begehren des
Kottmann eingetreten und muss

.

aus diesem Grunde der Rekurs geschützt werden.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird im Sinne der Motive begründet erklärt und-

damit der Entscheid über die sireitige Forderung vor den Richter
verwiesen.

95. Entscheid vom 18. Oktober 1900 in Sachen Pini. Amtssprache für die
Betreibemgsund Konkursdmier.

I. Im'Konkurse der Firma Baumberger, Senftleben &: Cie. in Zürich
stellte das Konkursamt Enge an Enrico Pini in Bellinzona als angeblichen
Massaschuldner eine briefliche Anfrage, die in deutscher Sprache abgefasst
war. Pini antwortete italienisch, erhielt aber den Brief zurück mit
dem Bemerken, dass die Eingabe in deutscher Sprache zu machen oder
dass die Übersetzungskosien beizulegen seien. Pini beschwerte sich
hiegegen bei der untern, und nachdem er von dieser abgewiesen worden
mar, bei der obern kantonaleu Aufsichtsbehörde, die am 25. August die
Beschwerde ebenfalls abwies, aber immerhin durch die Obergerichtskanzlei
eine deutsche Übersetzung des Briefes des Pini kostenlos erstellenund
Konkurskammer. N° 95. 505

liess. Die kantonale Aufsichtsbehörde führt in ihrem Entscheid zunächst
aus, dass die zürcherische Gerichtssprache die deutsche sei, weshalb
die Gerichts-behörden verlangen könnten, dass die Eingaben entweder in
deutscher Sprache abgefasst seien oder dass die Kosten der Übersetzung
vorgeschossen werden. Diese Grundsätze müssten aber auch für die
azürcherischen Konkursämter gelten,s da diese eben auch kantonale Amter
seien. Wenn Art. 116 der Bundesverfassung die deutsche, französische und
italienische Sprache als Nationalsprachen des Bundes erkläre, so bedeute
dies lediglich, dass diese drei Sprachen, wenigstens in gewissem Umfange,
für die Bundesbehörden massgebend seien (Warner-Morel, Bundesstaatsrecht,
Band III, Seite 237); die kantonalen Behörden würden aber von jener
Verfassungsvorschrift nicht berührt. Es liege auch nichts triftiges
dafür vor, dass Art. 116 der Bundesverfassung diese letztern Behörden,
wenigstens soweit Bundesrecht in Betracht komme, ebenfalls im Auge
habe. Bei der Wichtigkeit einer solchen Anordnung wäre dieselbe, wenn
beabsichtigt, gewiss ausdrücklich erlassen worden. Man habe aber nicht
daran gedacht, z. B. bezüglich der Materien der Bundesverfassung, des
Eheund Civilsiandsgesetzes, der Haftpflichtgesetze, des Obligationenrechts
u. s. w. eine so eingreisende Konsequenz zu ziehen, letztere wäre
auch schwer durchführbar, da die Gerichtspersonen nur zu einer kleinen
Minderzahl der drei Nationalsprachen mächtig seien; speziell bei den
zürcherischen Betreibungsund Konkursbeamten hätte die Verpflichtung zur
Entgegennahme französischer oder italienischer Eingaben grosse Übelstände
im Gefolge, wie Verzögerung der A1ntshandlungen, irrtümliche Auffassung
solcher Eingaben und dergleichen.

II. Pini rekurriert gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht, um zu
wissen, ob er pflichtig sei, in den bevorstehenden Verhandlungen mit dem
Konkursamt Enge sich der deutschen Sprache zu bedienen und Mitteilungen
und Briefe, die in deutscher Sprache abgefasst find, entgegenzunehmen; er
meint, dass die Auffassung der Vorinstanz jedenfalls da nicht zutreffe,
wo das Amt in seinem Interesse sich an einen Dritten wende, welcher der
deutschen Sprache nicht mächtig und in einem italienisch sprechend-In
Kanton niedergelassen sei. Es wird beantragt, das

I

506 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs--

Konkursamt Enge sei anzuweisen, die italienischen Eingaben des Rekurrenten
entgegenzunehmen und selbst in italienischer Sprache zu antworten.

Die kantonale Aufsichtsbehörde verweist statt einer Vernehmslassnng auf
die Begründung ihres Entscheides

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Es handelt sich zur Zeit um blosse, brieflich geführte VorVerhandlung en
über einen Anspruch, den das Konkursamt Enge namens der Masse Baumberger,
Senftteben & (Sie. an den Rekurrenten erhebt, und nicht um gesetzlich
vorgeschriebene Verfügungen oder Erlasse des Amtes, bezw. Eingaben eines
Dritten. Dafür, in welcher Sprache Vorverhandlungen zu führen seien,
kann ein allgemeiner Grundsatz nicht aufgestellt werden; insbesondere
kann es nicht darauf ankommen, welches die Amtssprache der betreffenden
Stelle sei; vielmehr hängt es vom Belieben des Schreibenden ah, weicher
Sprache er sich bedienen will, und steht es umgekehrt dem Adressaten
frei, Eingaben, die nicht in der ihm geläusigen Sprache abgefasst sind,
unberiicksichtigt zu lassen, bezw. in seiner Sprache zu beantworten. Nicht
eine bestimmte Regel, sondern das Interesse, in den Verhandlungen
zu einem Resultate zu gelangen, wird sonach dafür massgebend sein,
ob ein Amt mit einem in einem andern Sprachgebiet wohnhaften, anders
sprechenden Dritten in der Sprache des letztern korrespondieren und in
dieser Sprache abgesasste Eingaben desselben entgegennehmen wolle. Was
dagegen die eigentlichen amtlichen Verfügungen und Erlasse des Konkursamts
und anderseits die Eingaben betrifft, die von Dritten an ein solches Amt
zu richten find, so ist hiefür die Amtssprache massgebend Welches die
Amtssprache sei, beantwortet sich aber für die kanionalen Behörden, wozu
auch die Konkursämter gehören, nach kantonalem Rechte. Die Anerkennung der
deutschen, französischen und italienischen Sprache als Nationalsprachen,
wie sie in Art. 116 der Bundesverfassung ausgesprochen ist, macht
dieselben noch nicht zu Amtssprachen der kantonalen Behörden; dies hätte
zur unannehmbaren Folge, dass alle kantoualen Behörden und Beamten der
drei Sprachen mächtig sein oder dassund Konkurskammer. N° 96. 507

die Kantone amtliche Übersetzungsstellen errichten müssten, eine
Verpflichtung, die aus der Bundesverfassung gewiss nicht hergeleitet
werden farm.

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Der Rekurs
wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

96. Entscheid vom 5. November 1900 in Sachen Sommer.

siUntee'kaItssi-îeitreîge cm den Gemeinschulaîner aus der Masse. Art. 229,
Abs. 2, Beth-Ges. Stellung des Bundesgerichts. Art. 19 eod. Unzulässigkeit
der Beiträge aus verpfdîndetere Gegenständen ; Stellung der
Pfandgleîubiger im Konkurse.

Durch Rekursentscheid vom 31. August 1900 hat die beruische
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs in Abänderung des
ersiinstanzlichen Entscheides, durch den ein bezügliches Begehren
des Gemeinschuldners abgelehnt worden war, den Verwalter im Konkurse
des Friedrich Sommer, Steinhauermeisters in Bern angewiesen, diesem
einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 50 Fr. auszurichten. Es
wurde dies als den Verhältnissen, dem Stande der Masse einerseits, den
persönlichen Verhältnissen des Schuldners und seiner Familie anderseits,
entsprechend bezeichnet und bemerkt, dass die Beiträge jedenfalls bis
zur Verwertung der Liegenschaften auszurichten seien. Gegen diesen
Ent- scheid hat der Konkursverwalter, Notar Ramseyer, den Rekurs an
das Bundesgericht ergriffen, indem er wiederholt, was er schon vor den
kantonalen Jnstanzen geltend gemacht hatte, dass sich in der allgemeinen
Konkursmasse kein Vermögen befinde, indem die zur Masse gehörenden
Liegenschaften verpfändet und auch die Mietzinse, die dieselben abwerfen,
den Pfandgläubigern verfangen seien, dass aber nach Mitgabe von Art. 262,
Abs. 2 des eidgenössischen Betreibnngsgesetzes und § 89 des hernischen
Einführungsgesetzes dazu Alimente für den Gemeinschuldner nicht aus

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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 504
Datum : 18. Oktober 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 504
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 504 B. Entscheidungen der Schuldbetreihungs- verwaltung und Gläubigerausschuss)


Stichwortregister
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