414 A. Siaatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Steuerhoheiten über seine Einkommensund Vei1nögensverhältnisse
auseinanderzusetzen und an die Bedürfnisse einer Mehrheit von
Staatshaushalten beizutragen, wenn er aus dienstlichen Gründen sich in
mehreren Kantonen aushält, doch wohl dem Geiste, aus dem das Verbot der
Doppelbesteuerung hervorgegangen ist, widersprechen dürfte, da dieser
Verfassungsgrundsatz auch den Privaten davor schützen soll, dass er
in seiner freien Bewegung ausserhalb des Wohnsitzkantons siskalisch
behelligt werde, und ein individuelles Verfassungsrecht hierauf vorliegt
(so Speiser in der Zeitschrift für schweiz. Recht, n. F., Bd. XVII,
S. 72 mit Bezug auf den Fall (immer} In concreto verliert jedoch dieses
Argument an Wirksamkeit, da der Rekurrent sich in erster Linie gegen
die Besteuerung durch Zürich während des ganzen Jahres wendet Und der
Steuerhoheit Verns für die Zeit seines Aufenthaltes in Thun den Vorrang
zuerkennt. Dagegen kann für den Vorrang Zürichs weiterhin angeführt
werden, dass diese Lösung den Vorzug der Klarheit und Einfachheit hat

5. Fraglich könnte höchstens noch sein, ob nicht der Thatsache des
faktischen Aufenthaltes aus dienstlichen Gründen in der Weise Rechnung
zu tragen fei, dass der Kanton Bern als Aufenthaltskanton wenigstens
für die Zeit des Aufenthaltes für einen Teil der Gesamteinkünste
des Rekurrenten fteuerberechtigt erklärt werde, etwa, wie der Kanton
Zürich ganz eventuell beantragt, nur für das Berufseinkommen. Eine
solche Teilung empfiehlt sich aber zunächst schon deshalb nicht, weil
dadurch die Stenerbeziehungen mehrerer Kantone und eines Privaten zu
mehreren Kantonen statt einfacher nur noch verwickelter würden, während
umgekehrt die Tendenz des Bundesgerichtes in Doppelbesteuerungssachen
immer mehr dahin geht, möglichste Einheit und Vereinfachung herbeizuführen
(Vgl. auch Speis er, a. a. O.

S. 78 f.) Und sodann könnte diese Teilung ihre innere Begrün-

bung nur darin finden, dass die Steuer als Äquivalent für Gegenleistungen
des Staates an den Privaten aufgefasst würde; diese sogenannte
Tauschtheorie aber ist von der modernen Volkswirthschastslehre, welche
das Steuer-recht materiell auf die Notwendigkeit des Staates für das
gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen und aus die damit verbundenen
staatlichen FunktionenII. Doppelbesteuerung-. N° 79. 415

formell auf die Souveränität und Zwangsgewalt des Staates stützt, als
unzulänglich erkannt worden (ng. M. v. Heckel in Elsters Wörterbuch
der Volkswirtschaft, Bd. H, S. 649; Helferich in Schönbergs Handbuch
der politischen Okonomie, 3. AUT., Bd. III, S. 131). Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:

Für das Jahr 1899 wird sowohl bezüglich des Vermögens wie bezüglich des
Einkommens des Rekurrenten der Kanton Zürich allein und ausschliesslich
steuerberechtigt erklärt.

79. Urteil vom 18. Oktober 1900 in Sachen Erben Honegger-Steiner gegen
Zürich

Ez'àscîeafismacîz)steeeer auf einem von einemim Kantone Zürich wohnha-ften
Gesellschafler zu Gunsten der im Kein-Ton Aargau domizil-ier- ten
Gesetz-Wme gemachten Depositum. Streit über die Steuerberechti--

gung.

A. Am 25. September 1897 verstarb in Thalweil Ernst Honegger-Steiner von
Zürich, gewesener aktiver Anteilhaber der in Bremgarten domizilierten
Kommandiigesellschaft Robert Honegger & Cie. Er wurde beerbt von seiner
Ehefrau Jda Honegger-Steiner, seiner Mutter Julie Honegger-ssSchmid und
seinen Brüdern Heinrich, Robert, Karl und Walter Honegger. Der Verstorbene
hatte in den letzten Jahren vor seinem Tode in Thalweil ein Kapital
von 80,000 Fr· versteuert. Die amtliche Schätzung des Nachlasses ergab
ein Vermögen von 474,876 Fr. 50 Cis. Mit Verfügung der Finanzdirektion
des Kantons Zürich vom 17. Mai 1898 wurde nunmehr den Erben unter
Zugrundelegung eines steuerpflichtigen Nachlasses von 45(),000 Fr.,
wovon im Kanton Zürich 80,000 versteuert worden seien, eine fünffache
Nachsteuer pro 1895 und 1896 und die einfache Ergänzungssteuer pro 1897
im Gesamtbetrage von 14,256 Fr. auferlegt. Hiegegen reichten die Erben
ein Nevisionsgesuch ein,worin sie unter anderm geltend machten :

416 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

Der Erblasser Ernst Honegger sei mit seinem Bruder Robert zusammen
Anteilhaber der Firma Robert Honegger & Cie. (Sei: denftoffweberei und
Baumwollspinnerei) mit 100,000 Fr. Kapital beteiligt gewesen. Diese
Stimme habe er in Bremgarten versteuern müssen, ebenso wie einen
Betrag von 123,000 Fr. in Werttiteln, welche bei der eidgenössischen
Bank in Zürich deponiert seien und die dem Etablifsemente in
Bremgarten als Betriebskapital und Reserve dienen. Gemäss § 3, b des
zürcherischen Steuergesetzes sei das ausser dem Kanton befindliche aus
Grundeigentum bestehende oder mit einem solchen verbundene Besitztum
eines Kantonseinwohners von der Vermögenssteuer ausgenommen, wenn für
dasselbe da, wo es liege, eine Vermögenssteuer zu entrichten sei. Diese
Voraussetzung treffe für die zwei genannten Beträge zu.

B. Die Finanzdirektion erklärte unterm 2. Oktober 1899 das Revisionsgesuch
teilweise für begründet, in dem Sinne nämlich, dass sie (neben einer,
hier nicht in Frage stehenden Ermässigung der Schätzung der ererbten
Liegenschasten) den Abzug der erwähnten Kapitaleinlage von 100,000
Fr. von dem im Kanton zu versteuernden Vermögen gestattete. Demzufolge
stellte sich die Nachsteuerforderung noch auf insgesamt 10,084 Fr. 80 Cfs.

Bezüglich des Betrage-Z von 123,000 Fr. wurden die Ersuchsteller mit
nachfolgender Begründung abschlägig beschieden: Das Inventar enthalte
nicht den mindesten Anhaltspunkt dafür, dass über den darin angeführten
Kapitalkonto von 100,000 Fr. hinaus noch andere Aktiven des Nachlasses
Bestandteile des Geschäftes in Bremgarten seien. Sollte aber auch der
Erblasserthatsächlich ein Depositum bei der Eidgenössischen Bank in
Zürich, das mit im Inventar ausgeführten Titeln identisch wäre, gegenüber
der Steuerbehörde Bremgarten als Bestandteil des Fabrikgewerbesonds
daselbst deklariert und versteuert haben, so könnte dieser Umstand
das Steuerrecht des Kantons Zürich nicht beeinflussen. Denn es handle
sich auf alle Fälle nur um einen Forderungsanspruch an die Firma,
der steuerrechtlich nicht zum Vermögenskomplex der letztern gerechnet
werden dürfe, so wenig wie z. B. ein auch im Inventar angesiihrtes
Kontokorrentguthaben des Erblassers gegenüber der Firma von 31,572
Fr. 45 Cis-.

C. Jnfolge einer erneuten Eingabe gelangte die Streitsache an-e.,

Il. Doppeibesteuerung. N° 79. 417

den Regierungsrat des Kantons Zürich als Rekursinstanz. Derselbe teilte
in seinem Entscheide vom 1. Februar 1900 bezüglich der Besteuerung
des Postens von 123,000 Fr. den Standpunkt der Finanzdirektion,
wobei er zur Begründung noch hinzufügtet Die im Inventar aufgezählten
Wertschriften hätten ihre Eigenschaft als Privatvermögen des Erblassers
durch eine allfällige Verpfändung für die Schulden der Gesellschaft
nicht verloren. Es ergebe sich denn auch aus dem Jnventare selbst,
dass die Zinsen der betreffenden Werts chriften keineswegs dem
Gesellschaftsvermbgen, sondern dem Kontokorrentguthaben des Erblassers
zugeschrieben worden seien.

D. Nunmehr ergriffen die Erben Honegger rechtzeitig den staatsrechtlichen
Rekurs an das Bundesgericht, wobei sie ausführtem

Es handle sich um einen Fall interkantonaler Doppelbesteuerung; und
zwar wollen die zürcherischen Behörden die Erbschaft des Ernst Honegger
mit einer Steuer. und sogar mit einer Straffteuer, belegen für einen
Vermögensteil, den jener während den betreffenden Steuerperioden
ständig an einem andern Orte, nämlich im Kanton Aargau, versteuert
babe. Das Besteuerungsrecht bezüglich der fraglichen Wertpapiere stehe
bundesrechtlich unzweifelhaft dem genannten Kanioue zu, da diese Valoren
in die Kommanditgesellschaft Robert Honegger & (Sie. eingekehrt gewesen
seien. Die ordentlichen Kapitaleinlagen der Gesellschafter hätten
sich nämlich infolge Neubauten als unzureichend erwiesen. Sie hätten
deshalb zusammen der Firma Wertschriften im Nominalwerte von 259,000
Fr. eingeliefert, wozu Ernst Honegger mit den im Streite liegenden
Valoren beigetragen babe. Diese Titel habe die Firma als solche und als
ihr Eigentum laut bezüglichen Verträgen vorn 20. Juli 1893 und 21. Mai
1895 saustpfändlich bei der eidgenössischen Bank hinterlegt und dafür
einen Kredit in der Höhe von rund 300,000 Fr. bekommen. Demgemäss seien
auch die Coupons dieser Wertpapiere von der Bank jeweils der Firma
gutgeschrieben worden, während die letztere sie wiederum den einzelnen
Sorii im Kontokorrent gutgeschrieben habe. Der Notninalbetrag der
eingelieserten Titel sei jedem Gesellschafter auf feinem Kapitalkonto
notiert worden. Freilich seien diese Einlagen bei der Gewinn- und
Verluftverteilung nicht in Berücksichtigung gefallen.

418 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Dein komme aber keine Bedeutung zu; denn die Gewinnverteilung brauche
gesetzlich keine gleiche und nicht proportional zu sein den gesamten
(hier zum Teil in Geld, zum Teil in Sachen bezw. Forderungen bestehenden)
Einlagen der einzelnen Gesellschafter-. Als entscheidend erscheine
vielmehr, dass die Papiere der Gesellschaft bis auf weiteres zu Eigentum
Überlassen und von ihr als Eigentum für ihren Betrieb zur Erreichung
ihres Gesellschaftszweckes verwertet worden seien. Eventnell wäre zum
mindesten bei der Zweifelhaftigkeit der Frage, wem das Befieuernngsrecht
zustehe, anzuordnen, dass die zürcherischen Behörden von der Erhebung
einer Strafsteuer absehen.

E. Zur Vernehmlassung aus den Rekurs bringt der Regierungsrat des Kantons
Zürich im wesentlichen vor:

In dem (nad) zürcherischetn Steuerrechte für die Festsetzung der Steuer
massgebenden) amtlichen Inventar siguriere als Beteiligung an der Firma
Robert Honegger & Cie. laut Kapitalkonto lediglich der Posten per 100,000
Fr. Dagegen seien darin die in Frage stehenden Wertschriften nicht
als Eigentum der Gesellschaft, sondern des Erblassrrs angeführt. Sie
können demnach unmöglich als Geschäftseinlage angesehen werden. Ein
Eigentumsübergang an den Papieren erscheine sogar als ausgeschlossen
nach der Darstellung des Sachverhaltes, wie ihn die Erben Honegger
selbst vor den kantonalen Jnstanzen gegeben hätten. Sie hätten z. B.
davon gesprochen, dass die Titel für Schulden der Firma gleichsam
verpfändet gewesen seien. In der That hätten auch diese Valoren von der
Firma unter ihrem Namen verpfändet werden und doch Eigentum des Ernst
Honegger bleiben können. Letzterer habe lediglich sein Einverständnis
zur Verpfändung zu erteilen gehabt, ohne dass dem Pfandgläubiger das
Rechtsverhältnis zwischen ihm als Eigentümer und dem Verpfänder habe zur
Kenntnis gebrachtwerden müssen. Wenn auch die Summe Von 123,000 Fr. im
Hauptbuche (Kapitalien-Konto) der Firma als Depositen bei der Eidg.Bank
auf den Namen des Ernst Honegger eingetragen sei, so erscheine dies
angesichts der vielen gegen die Rekurrenten sprechenden Momente nicht als
eine Thatsache von genügender Beweiskraft, und es ergebe sich übrigens
der Inhalt jener Eintragung nicht mit Bestimmtheit aus dem Wortlaute
der darüberII. Doppelbesteuerung N° 79. 419

beigebrachten amtlichen Beglaubigung. Dass eine wirkliche Kapitaleinlage
nicht beabsichtigt gewesen sei, erhelle auch daraus, dass Ernst
Honegger am 5. Juli1893 Anteilhaber der (gleichen Tages in das
Handelsregister eingetragenen) Firma geworden sei, und zwar wie die
andern Gesellschaften nur mit feiner Bareinlage, während der erste
Faustpfandvertrag schon vom 20. Juli 1893 datiere; demnach habe man
offenbar bei Eingebung des Gesellschaftsvertrages die Wertschriften
absichtlich nicht als Firma-Eigentum behandeln wollen. Andernfalls
würde die Abtretung derselben auch nicht zu ihrem Nominal-, sondern zu
ihrem viel höhern Kurswerte erfolgt sein. Ferner hatte, angesichts des
Art.530 des Obligationenrechts und des Umstandes-, dass die Einkehr der
Papiere die Gewinnverteilung modifiziert haben würde, eine diesbezügliche
vertragliche Festsetzung erfolgen müssen, und es hätten im weitern den
Gesellschaftern für diese Einlagen 40/0 Zinsen gutgeschrieben werden
sollen, was offenbar alles nicht geschehen sei. Vielmehr habe man, wie aus
einem Vermerke im Nachlassinventar sich folgern lasse, einfach die Zinse
der zu Faustpfand gegebenen Werttitel dem betreffenden Gesellschafter
bezw. Eigentümer der Titel gutgeschrieben. Letztere hätten lediglich für
die Faustpfandforderung der Bank gehaftet, nicht aber zu Gunsten dritter
Kreditoren. Die Gesellschafter hätten sie der Gesellschaft zum Zwecke
der Verpfändung nach den Grundsätzen der Gebrauchsleihe geborgt. Dem
Gesagten entsprechend sei ferner die Beteiligung der Kommanditärin
Witwe Julie Honegger-Schmid stets, d. h. auch nach Hingabe ihres Anteils
an Wertschriften (im Nominalwerte von 35,000 Fr.), mit 100,000 Fr. im
Handelsregister eingetragen gewesen, und sei nach dem Tode des Ernst
Honegger dessen Witwe Jda Honegger als Kommanditärin nur mit dessen
wirklicher Kapitaleinlage von 100,000 Fr. ins Geschäft eingetreten. Nach
all dem handle es sich unmöglich um einen bundesrechtlich an ihrem
Domizil verfteuerbaren Vermögensbestandteil einer Gesellschaft, eine
vom Privatvermögen des Verstorbenen gesonderte selbständige Einheit-

F. Replikando führen die Rekurrenten aus:

Darauf, wie sie etwa das ftreitige Rechtsverhältnis benannt hätten, komme
nichts an, sondern das juristische Wesen desselben sei entscheidend. Wenn
übrigens auch die Wertpapiere der Firma

420 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt Bundesverfassung.

von ihren Anteilhabern nur als Drittmannspfand überlassen worden waren,
so wäre dies doch eine Überlassung sürdie Erhöhung des Betriebsfonds
eine Leistung jedes Soeius zur Erreichung des Gesellschaftszweckes, und
insoweit eine Vermögenseinlage gewesen. Massgebend für das Steuer-recht
könne nicht die juristische Umkletdung eines Verhältnisses sein, sondern
seine wirtschaftliche, vermögensrechtliche Funktion, also hier die Bindung
der fraglichen Vermögensteile im Geschäfte Aber abgesehen hievon stehe
eben fest, dass Ernst Honegger beim Pfandakte in keiner Form teilgenommen
habe, dass die Valoren, die zudem Jnhaberpapiere seien, von der Firma
als ihr Eigentum versetzt worden seien, und dass es sich überhaupt,
was sowohl das Verhältnis nach innen, zwischen Gesellschaftern und
Firma, als dasjenige nach aussen, gegenüber Dritten, anlange, um eine
Übergabe zu Eigentum auf Zeit oder unter Resolutivbedingung handle für
so lange, als die Gesellschaft der Valoren bedürfe. Wenn die schon
in den 80er Jahren eingekehrten Titel in den Gesellschaftsverträgen
keine Erwähnung gefunden hätten, so komme dies daher, weil man ihre
Verwendung im Geschäfte nur als eine vorübergehende betrachtet und
stets auf die Möglichkeit ihrer Liberierung gehofft habe. Dagegen
bernhe ihre Einlage in das Geschäft auf mündlicher Vereinbarung und
auf Eint-trägen in den jeweiligen Hauplbüchern Eine Änderung der
Gewinnund Verlustteilung sei nicht erforderlich gewesen, da dieselbe
nach bestimmten Bruchzahlen fixiert worden sei und deshalb auch für den
Gewinn aus den ursprünglichen Geldeinlagen und den Valoreneinschüssen
habe gelten können, und da ferner jeder Gesellschafter ungefähr so viel
(an Wertpapieren) beigesteuert habe, als es ihm nach seiner Beteiligung
traf. Ebenso sei das gesetzliche Merkmal der Verzinsung gegeben, indem die
den einzelnen Gesellschaftern ausgehändigten Erträgnisse der von ihnen
eingekehrt-en Wertpapiere ungefähr einen Zins von 4C70 ihres Kurswertes
repräsentieren Die Behauptung, die Firmagläubiger als solche, abgesehen
von der Eidgenössischen Bank, hätten kein Recht aus die Werttitel als
Gesellschaftsgut, sei unrichtig und übrigens unerheblich, da die Valoren
auf alle Fälle der genann-

ten-Bank verschrieben und damit als Geschäftssonds in das Geg schaft
geflossen seien. Dass hinsichtlich der Kommanditbeteiligung

si 4-

si Mp ksisisi _; *

II. Doppelbesteuerung. N° 79. 421

der Witwe Julie Honegger eine Publikation ihrer Wertschrifteneinlage
nicht stattgefunden habe, erkläre sich aus der Erwartung einer bloss
vorübergehenden Dauer der Valorennachsrhüsse. Bei Frau Jda Honegger
anderseits sei eine bezügliche Publikation unterblieben, weil sie den
Nachschuss herausverlangt und seither auch heraus-erhalten habe.

G. In seiner Duplik macht der Regierungsrat des Kantons Zürich noch
geltend:

Die Eintragung des Valorenzuschusses der Kommanditärin Witwe Julie
Honegger-Schmid in das Handelsregister wäre nach Art. 602 O.-R. und
gemäss dem bundesgerichtlichen Entscheide in Sachen Künin (Amtl. Sig.,
Bd. XIX, S. 668, Erw. Z) von entscheidendem Gewicht für die Möglichkeit
einer Besteuerung ihrer Einlage am Gesellschaftssitze. Diese Eintragung
sei unterlassen worden, weil man eine Haftbarkeit der Kommanditärin über
den Betrag von 100,000 Fr. hinaus nicht gewollt habe. Demnach hätten es
aber offenbar auch die übrigen Gesellschafter mit den ihrerseits der
Firma hingegebenen Wertpapieren nicht anders halten und diese Papiere
ebenfalls nur leihweise hergeben wollen. Der Umstand, dass man die
Zinse der Wertpapiere ihrem betreffenden Eigentümer einfach zuschrieb,
beweise einenteils, dass sie nicht als aus dem Geschäfte herrührende
Erträgnisse, sondern als solche der Titel selbst betrachtet worden seien,
andernteils, dass die Gesellschafter die Valoren lediglich zum Zwecke
der Verpfändung ansgehändigt hätten. Sodann fehle es für die Annahme
einer Eigentumsübertragung an der Verabredung eines Übernahmspreist-s.
Gegen diese Annahme spreche endlich auch, dass bei Abschluss des
Gesellschaftsvertrages vom Jahre 1893 die bereits vorher hergegebenen
Titel nicht als Einlagen erwähnt worden seien.

H. Der Regierungsrat des Kantons Aargau, dem zur Wahrung der Interessen
dieses Kantons von der Vernehmlassung der zürcherischen Regierung
Mitteilung gemacht wurde, trägt in seiner bezüglichen Eingabe auf
Gutheissung des Reknrses an, mit einer Begründung, die sich im
wesentlichen mit der von den Rekurrenten gegebenen deckt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Zur Bestreitung der Steuerberechtigung des Kantons Zürich

422 A. staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

stellen die Rekurrenten wesentlich daran ab, dass die fraglichen
Wertpapiere vom Erblasser Ernst Honegger als aktiven Teilhaber der
Kommanditgesellschaft Robert Honegger & (Sie. in Bremgarten dieser
Gesellschaft zu Eigentum überlassen worden seien. In der That sind
für eine derartige Überlassung gewichtige Anhaltspunkte in den Akten
vorhanden. So spricht dafür namentlich der Umstand, dass die Valoren im
Kapitalkonto des Ernst Honegger neben seiner ordentlichen Kapitaleinlage
gebucht wurden und dass ihre Verpfändung bei der Eidgenössischen
Bank ohne sein Zuthun von der Gesellschaft selbständig und im eigenen
Namen vorgenommen worden ist. Der Wille, Eigentum zu übertragen, wird
bei einer so weit gehenden Einräumung der Verfügungsmöglichkeit wohl
als vorhanden anzunehmen sein Dem steht auch nicht entgegen, dass die
Gesellschaft die von ihr in eigenem Namen bezogenen Couponsbeträge der
Wertschriften dem Gesellschafter ihrerseits wieder durch Gutschrift im
Kontokorrent zuwandte. Denn diese Zuwendungen lassen sich wohl unter
dem Gesichtspunkte einer der weitern Gewinnverteilung vorgängigen,
der Höhe nach in Abweichung von Art. 556, Abs. 2 des Obligationenrechts
geregelten Verzinsung der Wertpapiereinlage ausfressen Und selbst wenn man
es hiebei mit einem vom Gesellschafter vorbehaltenen Rechte auf den Bezug
der Früchte der in die Gesellschaft eingekehrten Sachen zu thun hätte,
so stände dies einem Eigentumsrechte der Gesellschaft an den Sachen
selbst doch nicht entgegen. Ebenso lässt sich der Umstand, dass die
Wertpapiere später dem Gesellschafter in natura, wieder zufallen sollen,
mit dieser Auffassung wohl vereinbaren, in der Weise nämlich, dass man das
Eigentum der Gesellschaft als ein resolutiv bedingtes betrachtet. Sodann
gestattet auch die Unterlassung der Kommanditärin Julie Honegger-Schmid,
ihre Wertpapiereinlage zur (Eintragung im Handelsregister anzumelden,
keinen sichern Schluss auf das Rechtsverhältnis, das zwischen der
Gesellschaft und den aktiven Gesellschaftern bezüglich der von diesen
übergebenen Valoren besteht. Denn der aktive Gesellschafter und der
Kommanditär befinden sich

gesetzlich nicht in der gleichen Stellung, und es ist deshalb nicht s

ohne weiteres anzunehmen, dass ihre Leistungen an die Gesellschaft gleich
zu beurteilen seien.II. Doppelbesteuerung. N° 79. ' 423

Immerhin mag all dem gegenüber zugegeben werden, dass die von
der Rekursbeklagtschaft für ihren gegenteiligen Standpunkt geltend
gemachten Gründe einer erheblichen Bedeutung nicht entbehren. So muss
namentlich nach den gegebenen Verhältnissen der Umstand, dass diese
Einkehr von Valoren in den beiden Gesellschaftsverträgen von 1893
und 1895 keine Erwähnung gefunden hat; auffallend erscheinen. Diese
Bedenken erweisen sich aber nicht als durchschlagend, insbesondere
nicht, wenn man berücksichtigt, dass in Doppelbesteuerungsfragen
keineswegs ausschliesslich auf das civilrechtliche Verhältnis, in
welchem sich das Steuerobjekt befindet, abgestellt werden kann, sondern
dass wesentlich auch seine wirtschaftliche Bestimmung und Verwendung
mit in Betracht gezogen werden muss. Man würde sonst z. B. zu der
steuerrechtlichsunannehmbaren Konsequenz gelangen, dass es möglich wäre,
eine in einem Kantone mit erheblichem Kapital arbeitende Gesellschaft
der Besteuerung in diesem Kanton sogar gänzlich zu entzieher indem die
Gesellschafter ihren Beitragsleistungen nur eine Form zu geben brauchten,
die sie nicht als Gesellschafts-gut im Rechtssinne erscheinen lassen
würde.

Vorliegenden Falles sind nun die fraglichen Wertpapiere wirtschaftlich
gesprochen im Geschäfte in Bremgarten in einer nach Zweck und Wirkung
durchaus ähnlichen Weise angelegt, wie die Bareinlagen selbst. Durch
die Einwerfung der Valoren in das Geschäft bezwecken die einzelnen
Gesellschafter nicht etwa, der Gesellschaft von sich ans auf dem Wege
eines DarlehenssKredit zu gewähren und damit einen Akt der Verwaltung
ihrer persönlichen Vermögen vorzunehmen, bei dem ihre Eigenschaft
als Gesellschafter und die Rücksicht auf die Gesellschaft gar nicht
in Frage stände. Sie wollen es vielmehr dem Geschäfte ermöglichen,
sich bei Dritten einen Kredit zu verschaffen, dessen es infolge
Vergrösserung seiner Anlagen bedarf und stellen ihm zur Erreichung
dieser Absicht die Werttitel aus ihrem privaten Vermögen zur Verfügung
Jn einer solchen Verfügungsftellung liegt wenigstens im ökonomischen
Sinne eine in Verfolgung des gesetzien Gesellschaftszweckes gemachte
Geschäftseinlage. Und ihrerseits hat die Gesellschaft die für sie ans
diesen Einlagen resultierenden Vorteile voll aus-genützt Auf dem Wege
einer Verpfändung bei der

424 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Cidgenössischen Bank hat sie den durch die Titel repräsentierten
Vermögens-wert in einer ihren Interessen dienenden Weise liquid
gemacht und als Betriebsfonds in das Geschäft einfliessen lassen.
Dieser Vermögens-wert als solcher arbeitet nun ausschliesslich im und
für das Geschäft und ist wie Geschäftsgut den Risiken eines ungünstigen
Ganges des Unternehmens ausgesetzt Den Gesellschaftern aber wurde dadurch
anderseits eine Verfügung über denselben entzogen auf so lange, bis er
wieder durch Liberierung der Titel von seiten der Gesellschaft aus dem
Geschäfte herausgenommen und ihnen zurückerstattet wird.

Aus diesen Erwagungen wirtschaftlicher Natur in Verbindung mit ebenfalls
sur die Rekurrenten sprechenden Gründen rein rechtlichen Charakters
muss man dazu gelangen, die Befugnis zur Besteuerung der im Streite
liegenden Titel dem Kanton Aargau zuzuerkeunen, als demjenigen Kantone,
in welchem sie als Gesellschafts-vermögen angelegt sind. Damit erscheint
der Rekurs in der Hauptsache als begründet und braucht auf die eventuellen
Anbringen der Rekurrenten betreffend Aufhebung der Nachsteuerverfügung
nicht eingetreten zu werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird begründet erklärt, womit die Verfügungen der
Finanzdirektion bezw. des Regierungsrates des Kantons Zurich, soweit
sie die Besteuerung der im Streite liegenden Wertschriften betreffen,
dahinfallen.lll. Pressfreiheit. N° 80. 425

III. Pressfreiheit. Liberté de la presse.

80. Urteil vom 29. November 51900 in Sachen Jäger gegen Kessler und
Konsorten.

Verurteilung wegen Eferverletzung ; liegt darin eine Verleszung der
Pressfreiheit ?

A. Im Februar 1899 brach in der Maschinenfabrik Brown, Boveri &. Cie. in
Baden ein Streik aus, der die öffentliche Meinung stark beschäftigte Am
22. Februar brachte die Nummer 44 der in Baden erscheinenden, von Josef
Jäger redigierten Schweiz. Freie Presse-i ein Eingesandt, in dem unter
dem Titel Ein Verbrechen an der Arbeiterschaft- ausgeführt wurde, dass
sich an den Streik schlimme Folgen für die gesamte Arbeiterschaft der
schweizerischen Maschinen-Grossindustrie knüpfen, da sich die Prinzipale
dieser Brauche infolge des bodenlos leichtfertig vom Zaune gerissenen
Badener Streikes syndiziert haben, was ihnen gegenüber der Arbeiterschaft
ein schweres Übergewicht verschaffe, wogegen die Dynamo-Arbeiter in Baden
einen vollen Wochenlohn und die verschiedenen Arbeiterorganisationen
in der Schweiz überdies einige tausend Franken weggeworfen hätten. Die
Verhältnisse hätten sich gleich gestaltet, wie beim Bierbrauerstreik
und beim Bierboykott in Zurich. Auch bei jenem unglückseligen Streik,
heisst es weiter, hatten zum Teil dieselben Leute die Hände im Spiel, die
beim-Badener Streik Rollen spielten, ohne Jedoch in Baden ihr Schäflein
ins Trockene bringen zu können, wie damals in Zürich ! Der Schluss des
Artikels lautet: Als aufrichtiger Freund der Arbeiter, der ihre loyalen
und ernsthaften Bestrebungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
und der Arbeitslöhne jederzeit thatkräftig unterstützt hat, bedauere ich
die einseitige Machtvermehrung der Fabrikanten, die der Badener Streik
mit Notwendigkeit herbeiführen musste, und mit dem Ein"fender in der
gestrigen Nummer erkläre auch ich es als ein

Verbrechen an der Arbeiterschaft, sie in diesen Streit getrieben zu

haben."
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 415
Datum : 18. Oktober 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 415
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 414 A. Siaatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. Steuerhoheiten


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
eigentum • wertpapier • streik • bundesverfassung • bundesgericht • erbe • inventar • doppelbesteuerung • regierungsrat • erblasser • witwe • frage • weiler • aargau • stein • wert • einzelne gesellschaften • unternehmung • berechnung • nominalwert
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