88 A. smatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

Abänderung treffen. Es muss also auch in diesem Punkte beim grossrätlichen
Dekrete sein Bewenden haben.

5. Die Anträge der Rekurrentinnen betreffend die Kapellen in Hellikon
erledigen sich mit dem Entscheide des Bundesgerichts vom 28. Dezember
1898, sowie mit den vorstehenden Ausführungen.

6. Glocken, Orgel und Kirchengeräte folgen als Zubehörden der Hauptsache

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

IV. Pressfreiheit. Libertè de la presse.

5. Urteil vom 31. Januar 1900 in Sachen Schneider gegen Jäger.

Verweng der Pressfreikeit durch ein Strafurteil wegen Ehrverletzung ?

A. In Nr. 351 des Aargauer Tagblattes vom 24. Dezember 1898
erschien unter Neuestes und Telegramme folgende Korrespondenz: Bern,
23. Dez. (S-Korr.) Nat-Rat und Redaktor Jäger hat sich heute morgen im
Nationalratssaale eine unerhörte Flegelei gestattet, die so recht den
Revolver-Politiker und -Journalisten kennzeichnet, und die öffentlich
an den Pranger gestellt zu werden verdient. Der Sachverhalt ist in
Kürze solgender: Der Bundesstadt-Korrespondent der N. Z. Z., Dr. Kuns,
hatte in seine Berichterstattung über die letzthin stattgehabte Be
prechung der Doppel-Jnitiative im Schosse der sreisinnig-deinokratischen
Fraktion der Bundesversaminlung eine Bemerkung ein geslochten betreffend
gewisse Freisinnige, die mit den Sozialisten an einem Seil ziehen. Diese
Bemerkung war absolut sachlich gehalten. Nationalrat Jäger aber, der sich
(nach dem alten Sprichwort: Wenn man einen Bengel unter eine HeerdeS
.....IV. Pressfreiheit. N° 5. 89

,-,wirst, grunzt die, so man getroffen) durch dieselbe getroser fühlte,
machte seiner Wut sofort Luft durch gehassigä personliche Aussälle
gegen Dr. Knus in der Nummer vom 11: Dezember der Sch. F. Pr." Der so
Angegrisfene erteilte hierauf dem ::Herrn Nationalrat in Nr. 854 der
*N. Z. Zig die wohlverdiente Zurechtweisung, in Worten, die offenbar dem
Herrn nicht besonders lieblich ins Ohr klangen, die aber fnichts Von den
Gemeinheiten des Jägerschen Wörterbnchesv enthielten. Heute morgen mm,
einige Minuten nach 9 Uhr, direkt vor Jrossniing der Schlusssitzung im
Nationalrate, ging Nationalrat Zager im Na; tionalratssaale direkt auf
den ebenfalls anwesenden Dr. Inn

los, insultierte denselben in gemeinster Weise, mit si Aus-drucken wie:
Jump, Lausbube, Dummkops u. s. w. und erossnete ihmer hätte ihn beorseigt,
wenn er ihn anderswo und nicht in diesein Saale getroser hatte. Dies
alles wickelte sich ab exit der Herrn Nationalrat Jäger auszeichnenden
Gerauschlosigkeit und unter den Augen verschiedener Mitglieder des
Nationalrats und einiger Vertreter der Presse. Kurz daraus oersanimelte
siegvder Nat; die Sitzung wurde eröffnet, und Herr Nationalrat Jager
inahin seinen Platz ein, stolz wie immer,. mit dem ihm bekanntlich eigenen
Bewusstsein, der Beste der im Saale versamniellten Besten zu sein. Der
von ihm derart Jnsultierte war. natur-Eh in Anbetracht des Ortes, wo der
Vorgang sich abspielte, mg ständig wehrlos. Welche Folgen Dr. Knus der
Sache gel en "wird, wissen wir nicht. Aber das sagen wir Herrn Natian rat
Jaget ins Gesicht: Beute, welche ihr Mandat als Yertrixtex des Volkes in
der Weise ausüben, dass sieuden Ort, der sie se bs vor allem schützt,
und der nur für anstandige Leute bestimiilrit i, dazu missbrauchen,
Wehrlose und sogar Kollegen zu besusxn und zu bedrohen, wie Sie es
gethanzgehoren nicht"iin denU ationalratssaal, sondern höchstens in
einen Kuhstall. räser Parlament war bisher stolz darauf, m dem Rufe zu
stehen,Rassf es Anstand und gute Sitte hochhalte. Will man ihm diesen n
"erhalten, so darf man jedenfalls nicht lange zusehen, wie gewdissse
Lente in seinem Schosse den Kot und Unrat abschuttexn Auch la

fängt nicht lieblich, aber: Auf einen groben Klotz gehoicätqein gro er
Keil. Jnsolge dieses Artikels erhob Nationalrat Niager gegen

40 A. Staalsrechfliche Entscheidungen, I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Dr. Wed er, Redaktvr des Aargauer Tagblattes", Strafktage wegen
Ehrverletzung Im Laufe des Verfahrens nannte Dr. Weder den heutigen
Rekurrenten, Redaktor Karl Schneider in Bern als Verfasser des
eingeklagten Artikel-Z, und gegen diesen stellte der Kläger in der
Hauptverhandlung vor Bezirksgericht Aarau folgende Rechtsbegehren: 1. Der
Beklagte sei angemessen zu bestrafen. 2. Die Ehre des Klägers sei am
Protokoll zu wahren 8. Der Beklagte habe das Urteil auf seine Kosten im
Aargauer Tagblatt zu publizieren. 4. Es sei dein Kläger zu gestatten,
dass er das Urteil auch noch in andern Blättern publizieren dürfe.
Der Beklagte Schneider beantragte Abweisung der klägerischen Begehren,
indem er den Standpunkt einnahin, die Schilderung des Vorfalles vom
24. Dezember 1898 entspreche der Wahrheit, wofür er Beweis durch Zeugen
anerbot, _ und im übrigen enthalte der eingeklagte Artikel nur eine
berechtigte Kritik des Verhaltens des Klägers. Das Bezirksgericht Aarau
verurteilte mit Urteil vom 18. März 1899 den Beklagten zu einer Geldbusse
von 30 Fr., eventuell zu 71/g Tagen Gefangenschaft, sowie zur Publilation
des Dispositivs des Urteils auf seine Kosten im Aarganer Tagblatt, und
zu den gerichtlichen und aussergerichtlichen Kosten, und erklärte die
Ehrverletzung von Richteramtes wegen als aufgehoben Einen gegen dieses
Urteil vom Beklagten ergriffenen Rekurs hat das Obergericht des Kantons
Aargan mit Entscheid vom 5. September 1899 abgewiesen Die Begründung des
zweitinstanzlichen Urteils lässt sich dahin zusammenfasseii: Der Beklagte
hätte das Recht gehabt, das Benehmen des Klägers, wenn es so gewesen
wäre, wie er behauptete, schärfftens zu tadeln und es als ungehörig und
höchst unschicklich zu bezeichnen. Allein ein derartiges Benehmen des
Klägers gäbe dein Beklagten nicht das Recht, Über das ganze Wesen oder
fiber die ganze Persönlichkeit des Klägers ein Urteil auszusprechen,
welches eine Missachtung der Persönlichkeit und Würdigkeit des Klägers im
allgemeineii enthalte. Das sei nun aber mit der eingeklagten Korrespondenz
der Fall was im einzelnen ausgeführt wird. Unter diesen Umständen könne
auch dem eventuellen Rekursbegehrem die Akten zu vervollständigen,
nicht entsprochen werden, denn auch wenn alles, was der Beklagte noch
beweisen wolle, wahr wäre-soIV. Pressfreiheit. N° 5. 41

würde daraus für ihn doch kein Recht erwachsen sein, dem Kläger die
Achtungswürdigkeit so allgemein abzusprechen, wie er es gethan habe. '
. B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Schneider rechtzeitig
den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht wegen Verletzung
der Pressfreiheit (Art. 18 der aargauischen Kantonsund Art. 55 der
Bundesverfassung) ergriffen, mit dem Antrage: das angefochtene Urteil des
Obergerichts bezw. dasjenige des Bezirksgerichts Aarau sei aufzuheben
Jn der Begründung macht er zunächst geltend, dass eine Verletzung
der Pressfreiheit in der Verweigerung der Beweisabnahme liege; die
Beweise seien nicht nur für den behaupteten Vorfall vom 24. Dezember
18538, sondern für das Benehmen des Klägers im allgemeinen und fur
die Richtigkeit der Kritik im ganzen anerboteii worden. Die Thatsache
an sich sei richtig, und alles übrige sei nur Kritik, und zwar wie
der Rekurrent des nähern auszuführen versucht berechtigte, erlaubte
Kritik; die Achtungsminderung, die der Kläger erlitten habe, sei nicht
eine Folge dieser Kritik, sondern eine Folge des eigenen Benehmens des
Klägers. Ubrigens sei bei der FragL obs die Kritik das Mass des Erlaubten
Überschreite, auch der un, den der Kläger in der Presse bei der Polemik
anzuschlagen pflege und die Thatfache seiner mehrfachen Vorbestrafung
wegen Pressver e en u berücksichtigen ZED; Kläger und Rekursgegner
trägt auf Abweisung des Rekurses an. Er führt im wesentlichen aus:
Eine Zeugenabhorung sei unnötig gewesen, da der eingeklagte Artikel
lschon von andern Gesichtspunkten aus injuriös fei. Derselbe sei nicht
eine Kritik des Klägers, sondern eine Besudelung. Ubrigens habe das
kantonale Gericht den Begriff der Ehrverletzung zu bestimmen und das
kaiitonale Strafrecht souverän auszulegen, und konnte das Bundesgericht
nur einschreiten, wenn vom kantonalen Gericht ganz willkürlich wäre
vorgegangen worden, was nicht zutreffe. D. Das Obergericht des Kantons
Aargau hat auf Einreichen von Bemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht
zieht in Erwägung: 1. Der Reknrrent beschwert sich einzig und allein
uber Verletzung der durch die Bandes-, wie durch die aargauische Kantons-

42 A. Staazsfflchfliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

verfassung gewährleisteten Pressfreiheit, nicht etwa auch noch über
Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetz oder über Rechtsverweigerung,
obschon sein einer Beschwerdepunkt: die Beschwerde wegen Nichtabnahme
der anerbotenen Beweise, auch hierauf hindeutet. Die Garantie der
Pressfreiheit nun, wie sie in Art. 55 V.-V. ausgesprochen ist, enthält
nicht lediglich eine Schranke für die kantonale Gesetzgebung in dein
Sinne, dass dadurch die Censur u. dgl. Massregeln gegen die Presse
verboten wären, sondern sie giebt den Einzelnen ein konkretes, posttives
Judividualrecht öffentlich-rechtlichen Inhaltes: das Recht der freien
Meinungsäusserung durch die Schrift, insbesondere durch die Presse;
und dieses Recht untersteht, da es eben durch die Bundesverfassung
gewährleistet ist, dem Schutz des Bundes. Wenn nun ein Privater sich
auf dem Wege des staatsrechtlichen Rekurses über Verletzung dieses
Rechtes durch ein kantonales Strafurteil beschwert, so ist allerdings
daran festzuhalten, dass das Bundesgericht als Staatsgerichtshof auch in
Prozessstrafsachen nicht Strafgericht oberer Instanz weder Appellations-,
noch Revisionsnoch Kassationsinstanz ist, und somit die Anwendung und
Auslegung des kantonalen Strafrechts auf den konkreten Thatbestand nicht
nachzuprüfen hat (vgl. Amtl. Samml. der bundesgerichtl. Entsch Bd. VIII,
S. 411, Erw. 3; Bd. XV, S. 54, Erw. 4; Bd. XVI, S. 638, Erw. 1; Bd. XXIV,
1. Teil, S. 50, Erw. 1 f.). Allein da es sich bei der Pressfreiheit um ein
bestimmt abgegrenztes, positives Recht gegen die Staatsgewalt handelt,
und da dieses Recht von Bundeswegen gewährleistet ist, ist die Stellung
des Bundesgerichts einem kantonalen Strafurteile gegenüber-, das wegen
Verletzung der Pressfreiheit angefochten wird, eine wesentlich andere,
als wenn es sich um eine Beschwerde gegen ein kantonales Strafurteil
wegen Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze, oder wegen materieller
Rechtsverweigerung handelt: im letztern Falle steht nur der allgemeine
Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetze und der Anspruch des
Bürgers auf Rechtsschutz durch die Gerichte in Frage, und kann daher das
Bundesgericht notwendigerweise nur einschreiten, wenn eine Verletzung
dieser Grundsätze vorliegt, d. h. wenn der kantonale Richter entweder
sich förmlich geweigert hat, Recht zu sprechen,IV. Pressfreiheit. N° 5. 43

obschon er kompetent war, oder zwar formell Recht gesprochen, aber das
kantonale Strafrecht rein willkürlich, in einer mit dessen Sinn und
Geist unvereinbaren Weise ausgelegt hat. Anders bei der behaupteten
Verletzung der Pressfreiheit: hier hat das Bundesgericht nachzupriifen,
ob im einzelnen Falle die Grundsätze des Strafrechts derart angewendet
worden seien, dass dadurch der Jnhalt des verfassungsmässigen Rechts
der freien Meinungsäusserung durch die Presse verletzt worden sei
(ng. Amii. Sammi., Bd. II, S. 196, Erw. 3; Bd. VI, S. 512 f.; Bd. VU,
S. 411, Erw. 3; Bd. XXIV, 1. Teil, S. 50, Erw. 1). Das Bundesgericht
hat daher nicht nur dann einzuschreiten, wenn offenbar berechtigte,
kein Rechtsgut verletzende Meinungsäusserungen bestraft worden sind
(so allerdings im allgemeinen die frühere Praxis, s. die oben eitierten
Urteile aus Bd. VIII, XV und XVI), sondern schon dann, wenn überhaupt
Grundsätze des Strafrechts in der Weise angewendet worden sind, dass
dadurch die Pressfreiheit in concreto beeinträchtigt ist; denn nicht
nur die offenbare und willkürliche Verletzung, sondern jede Verletzung
der Pressfreiheit widerstreitet dem Bundesrecht (vgl. dazu Herrn. Huber,
Zum Begriff der Pressfreiheit, S. 59 ff.; BlumerMorel, Handbuch, Z. Aufl.,
Bd. I, S. 509).

2. Danach ist denn im vorliegenden Falle zu untersuchen, ob in der
Bestrafung des Reknrrenten wegen Ehrverletzung eine Beeinträchtigung
des Grundsatzes der Pressfreiheit liege, und dieser Frage ist
präjudiziell die, ob die eingeklagte Korrespondenz den Thatbestand einer
Ehrverletzung enthält, und zwar ist diese letztere Frage, zumal das zur
Anwendung gebrachte aargauische Strafgesetz eine Begriffsbestimmung der
Ehrverletzung nicht enthält, nach allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen,
insbesondere an Hand der Strafrechtswissenschaft zu entscheiden; das auch
dann, wenn das kantonale Strafgesetzbuch eine Definition des Begriffes
enthalten würde, da auch dann geprüft werden müsste, ob nicht in einer
der Pressfreiheit unterstehenden, durch sie geschützten Publikation zu
Unrecht eine Jnjurie gefunden worden sei. Danach wird man sagen dürfen,
dass nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen als Ehrverletzung jedenfalls
anzusehen ist die Behandlung eines Menschen nach Mass nicht vorhandener
Unehre, die Bezeugung

44 A. Szaalsrechfliche Entscheidungen. i. Abschnitt. Bundesverfassung.

einer Missachtung, die gemäss der Achtungswürdigkeit, auf welche jeder
Mensch als solcher und gemäss seinem Verhalten im allgemeinen und
in einem speziellen Falle Anspruch hat, nicht gerechtfertigt ist. Jn
Anwendung dieser Grundsätze auf die eingeklagte Korrespondenz und auf
die Frage, ob die Bestrafung wegen dieser Korrespondenz eine Verletzung
der Pressfreiheit enthalte, ist zu sagen: Der Rekurrent stützt seine
Kritik des Rekursgegners auf zwei thatsächliche Behauptungen: auf den
Vorfall vom 24. Dezember 1898 und auf die Behauptung, der Rekursgegner
sei schon oft wegen Pressinjurien bestraft worden. Allerdings gab der
Vorfall vom 24. Tezember 1898, den der Rekurrent zum Ausgangspunkte
seiner Angriffe auf den Rekursgegner genommen, dem Rekurrenten das Recht
zum schärfsten Tadel des Vorgehens des Rekursgegners, sofern sich jener
Vorfall wirklich so zugetragen hatte, wie der Rekurrent behauptet, und wie
Übrigens ernstlich nicht bestritten zu sein scheint; eine blosse Kritik
dieses Vorfalles hätte die Grenzen erlaubter Meinungsäusserung nicht
Überschritten, insbesondere keine Ehrverletzung in dem entwickelten
Sinne enthalten, das auch dann nicht, wenn dabei scharfe Ausdrücke,
wie Flegelei" u. dgl., gebraucht worden wii ren; sowohl eine Kritik des
Vorsalles selbst, wie ein daran anschliessender Tadel des Rekursgegners
wäre durchaus erlaubt gewesen. Allein der Rekurrent ist in seinem Artikel
viel weiter gegangen; er hat nicht nur das Gebahren des Rekursgegners
bei jenem Vorfalle kritisiert, einem herben Tadel unterzogen, sondern
er hat die Gelegenheit benutzt, dem Rekursgegner im allgemeinen die
Menschenwürde und die Würde in seiner Thätigkeit als Journalift und
Politiker abzusprechen. Dies geschieht ganz unzweidentig durch die beiden
Schlussabsätze des eingeklagten Artiktels, sowie durch den gegenüber dem
Rekursgegner gebrauchten Ausdruck Revolver-Politiker und -Journaliit. Die
Ausdrücke, der Rekursgegner gehöre nicht in den Nationalratssaal, sondern
höchstens in einen Kuhstall, weil nicht geduldet werden könne, dass im
Nationalrate gewisse Leute ihren Kot und Unrat abschütteln in diesem Sinne
sind die beiden Schlussabsätze ganz offenbar zu interpretieren erklären
den Rekursgegner nicht nur mit Rücksicht auf die bestimmten behaupteten
Thatsachen unwürdig, im Nationalrate zu sein, sondern sie thun dies in
Herabwürdigung seiner Persönlichkeit,IV. Pressfreiheit. N° 5. 45

ja, indem sie ihn geradezu zum Tier stempeln, oder doch wenigstens
Ausdrücke gebrauchen, die in diesem Sinne ausgelegt wer- den können;
eine derartige Missachtung des Rekursgegners war aber weder wegen
jenes Vorfalles, auch wenn er sich so, wie der Rekurrent behaupten
zugetragen hat, noch wegen anderer m den Akten liegender und vom
Rekurrentenangerufener Thatsachen, speziell der Vorstrafen des
Rekursgegners wegen Pressinjurien,. gerechtfertigt. Ebenso enthält die
Bezeichnung als FiebolvewPolIttker und -Journalist eine Missachtung der
Persönlichkeit des Rekursgegners, die nach Lage der Akten ebenso wenig
berechtigt erscheint: sdurch jenen Ausdruck wird der Rekursgegner als
em Mensch bezeichnet, der zur Erretchung seiner politischen Zielebund
In der Ausubung seiner journalistischen Thätigkeit gewaltthange, also
Verwerfliche, unerlaubte Mittel anwende; in diesem Vorwurfe aber liegt,
sofern der Verletzte ihn nicht durch sein eigenes Benehmen verdient hat,
eine Ehrverletzung; die vom Rekurrenten namhaft gemachten Vorstrasen
des Rekursgegners gaben ihm kein Recht zu einer derartigen Beurteilung
des Rekursgegners. Wohl mag. dem .Rekurrenten zugegeben werden, dass
der Rekursgegner beia Preszpolemiken einen weniger strengen Massstab als
den sonst ublichen anlegen dürfte, da er sich notorischerweise schon des
öftern Strafen wegen Ehrverletzungen durch die Druckerpresse zugezogen
hat..A-llem das kann nicht hindern, dass der eingeklagte Artikel selbst
die aussersten Grenzen einer erlaubten Kritik, eines gerechtfertigten
Tadels, ubere schreitet, und somit durch die Gewährleistung der
Pressfreiheit nicht mehr gedeckt ist. Dass die Nichtabnahme der
anerbotenen Beweise eine Verletzung der Pressfreiheit nicht ·enhalt, folgt
schon aus der Begründung des Obergerichts, dass diese Abnahme unnötig
fei, da auch dann, wenn alles, was der Rekurrent beweisen wolle, wahr
wäre, eine Ehrverletzung vorlage; diesem Satze tft, 'sswie aus dem schon
gesagten erhellt, zuzusttmmen Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 38
Datum : 31. Januar 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 38
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 88 A. smatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. Abänderung


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • nationalrat • beklagter • aargau • presse • bundesverfassung • journalist • schneider • frage • aarau • verhalten • verfassung • mass • richtigkeit • richterliche behörde • willkürverbot • entscheid • garantie der menschenwürde • rechtsbegehren • parlament
... Alle anzeigen