162 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

leistet, dass er für eine günstige Verwertung des Pfandobjektes Sorge
tragen und dieses gutfindenden Falles selbst übernehmen kann und dass
er endlich gegen die Existenz des Pfandrechtes selbst Einwendung erhebt.

2. Nach der Bedeutung, welche gemäss den obigen Ausführungen der
Zustellung der Ausfertigung des Zahlungsbefehles an den Dritteigentümer
zukommt, kann aber die Unterlassung dieser Zustellung den Dritteigentümer
nicht, wie Rekurrent annimmt, berechtigen, die Aufhebung der Betreibung
zu verlangen. Die mehrgenannte Bestimmung hat den Charakter einer blossen
Ordnungsvorschrift, von deren Beobachtung die Gültigkeit der Betreibung
nicht abhängt. Es geht in der That nicht an, dass der Gläubiger die
Rechtsstellung, die er durch die bisherigen Beträbungsmassnahtnen
gegenüber dem betriebenen Schuldner erwerben hat, durch eine derartige
Unterlassung des Amtes wieder einbüssen sollte. Damit werden natürlich
anderseits die Rechte ausserhalb der Betreibung stehender Drittperfonen
nicht berührt. Wenn solche an dem Objekte, auf welches sich die Betreibung
richtet, unbelastetes Eigentum beanspruchen wollen, so können sie gemäss
Art. 155 des Betreibungsgesetzes verlangen, dass vor der Versteigerung
zunächst das in den Art. 106 109 vorgesehene Verfahren zur entsprechenden
Anwendung femme, und es wird hiedurch der Regel nach ihr Recht in
genügender Weise gewahrt werden. Da die Möglichkeit der Fortsetzung der
Betreibung von der Erledigung des Verfahrens nach Art. 106 109 abhängt,
wird der betreibende Gläubiger selbst die rechtzeitige Nennung des ihm
bekannten Dritteigentümers in seinem Interesse finden, und es tragen im
weitern neben den Art. 151 153 auch noch die Art. 125 und 139 dafür Sorge,
dass dieVersteigerung nicht ohne Wissen aller Beteiligten erfolge. Sollte
trotzdem ausnahmsweise durch ein Verschulden des betreibenden Gläubigers
oder des Betreibungsbeamten die Verwertung ohne Wissen des Eigentümers
erfolgen, so wird dem letztern vorbehalten bleiben, den Fehlbaren für
den ihm infolge Missachtung der Art. 151 153 des Betreibungsgesetzes
eingetretenen Schaden verantwortlich zu machen. Es lässt sich deshalb auch
nicht sagen, dass die Bestimmungen der genannten Artikel, wenn sie als
blosse Ordnungsvorschriften aufgefasst werden, jeden Wert verlieren. Dass
übrigens im vorliegen-und Konkurskammer. N° 31. 163

den Falle dem Rekurrenten durch die gerügje Versäumung des Amtes ein
wirklicher Schaden habe entstehen können, dürfte mit der Vorinstanz
kaum anzunehmen sein. Denn wenn auch der Beschwerdeführer bezüglich der
gegen Küng und Erzinger gerichteten Betretbungen keine Ausfertigung des
Zahlungsbesehles nach Art. 153 cit. erhielt, so wurde ihm doch eine
solch-e zugestellt bezüglich der gleichzeitig angehobenen Betreibung
gegen Preisig. Dadurch aber wurde ihm-. genügend Gelegenheit gegeben,
um in Hinsicht auf eine mögliche Verwertung der allen drei Betreibungen
gemeinsamen Pfandobjekte seine Interessen im Sinne der vorstehenden
Erwägungen wahren zu können. Demnach hat die Schuldbetreibungs und
Konkurskammer erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen

31. Entscheid vom 24. März 1900 in Sachen Winter und Genossen.

Stellung vier Betreibungsund Aufsichtsbehörden gegenüber den
Nachlassbehò'rden und Gerichtffl bez. der Frage. der Nachlassstundung
und der Konkursm'öfi'nung. Nach Erò'ffnang des Konica-mes ist eine
Nachlassstundung (Art. 298 Bein-Ges.) ausgeschlossen. Ari. 317
Bein-Ges. Bedeutung der Publikation des Kankurses.

I. Am 29. Dezember 1899 erklärte sich Jos. Rüedi, Schreiner in Littau,
gegen den verschiedene bis zur Verwertung vorgerückte Betreibungen hängig
ware-n, beim Gerichtspräsidenten von Kriens und Malters insolvent. Dieser
machte hievon dem zuständigen Betreibungsund Konkursamt Anzeige mit der
Bemerkung, dass am 1. Januar 1900 der Konkurs eröffnet werde. Gestützt
hieran wurde die ausgeschriebene Liegenschaftssieigerung zurückgerufen.
Die Konkurseröffnung erfolgte dann nicht am 1., sondern am 5. Januar
1900. Dem Konkursamt wurde hievon Anzeige gemacht. Bevor jedoch die
Konkurserössnung publiziert wurde, teil-te der Gerichtspräsident dem
Konkursamt mit, dass dem Schuldner auf sein Gesuch hin Nachiassstundung
gewährt worden sei und dass die Konkurserösfnung deshalb zurückgezogen
merde. Unterm

164 (1. Entscheidungen der Schuldbetreibungs--

11. Januar beschwerten sich gegen diese Verfügung des Gerichtsprästdenten
drei Gläubiger des Riiedi, die heutigen Rekurrenten, bei der
Justizkommission des luzernischen Obergerichts, weil es dem
Gerichtspräsidenten nicht zugestanden sei, die Konkurseröffnung
zurückzuziehen Mit Entscheid vom 27. Januar 1900 wies die Justizkommission
als kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs die
Beschwerde ab, weil ein Widerspruch zwischen der Konkurseröffnung
einerseits und der Gewährung der Nachlassstundung und dem Rückzug der
Konkurseröffnung nicht vorliege, da der Schuldner jederzeit, auch nach
der Konkurseröffnung, einen Nachlassvertrag anzusirengen berechtigt
uud anderseits der Gerichtspräsident als Nachlassbehörde verpflichtet
gewesen sei, falls er die in Art. 293 ff. des Betreibungsgesetzes
normierten Voraussetzungen für gegeben erachtete-, dem Schuldner nach
Massgabe von Art. 295 Stundung zu gewähren, was gemäss Art. 297 die
Einstellung des Betreibungsverfahrens, mithin die Sistierung sowohl der
Grundpfandverwertung, als der Konknrseröffnung zur Folge gehabt habe.

II. Gegen diesen Entscheid beschweren sich die Rekurrenten beim
Bundesgericht und stellen den Antrag, es sei derselbe, weil gesetzwidrig,
aufzuheben und zu verfügen, dass über Schreiner Riiedi der Konkurs
durchzuführen und dagegen die bewilligte Nachlassstunbung als hinfällig
zu erklären sei.

III. Die kantonale Aufsichtsbehörde trägt, im wesentlichen unter
Berweisung auf die Erwägungen ihres Erkenntnisses, auf Abweisung des
Rekurses an.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Die Aufsichtsbehörden sind nach der im Betreibungsgesetze Vorgenommenen
Kompetenzausscheidung nicht befugt, die dem Schuldner Rüedi von der
Nachlassbehörde gewährte Nachlassstundung aufzuheben, auch wenn sie
sich als gesetzwidrig herausstellen sollte; ebensowenig steht ihnen eine
solche Kompetenz zu hinsichtlich der daraufhin vom Gerichtspräsidenten
von Kriens und Malters ver-fügten Aufhebung der Konkurseröffnung, sofern
angenommen wird, dass der Gerichlspräsident dieselbe als Konkursrichter
erlassen habe. Dagegen haben dieselben allerdings dann das Recht, die
letzterwähnte Verfügung aufzuheben, wenn davonund Konkurskammer. N°
31. 165

ausgegangen wird, der Gerichtsprästdent habe bei Erlass derselben als
Aufsichtsbehörde über das Konkursamt von Kriens und Malters gehandelt,
in welchem Falle in der Verfügung die Weisung zu erblicken wäre, dass der
am 5. Januar erfolgten Konkurseröffnung wegen der seither dem Schuldner
gewährten Nachlassstundnng keine Folge zu geben sei. Das war offenbar auch
die Meinung der luzernischen Justizkontmifsion, die über die Beschwerde
der Rekurrenten als kantonale Aufsichtsbehörde- entschieden hat. Auch
wenn übrigens davon ausgegangen wird, es habe der Gerichtspräsident als
Konkursrichter gehandelt, wären die Vollstreckungsorgane (das zuftändige
Konkursamt und die Auffichtsbehörden) an seine Verfügung nicht unbedingt
gebunden; vielmehr stünde ihnen eine selbständige Kognition darüber zu,
ob dieselbe überhaupt auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe, und sie
wären befugt, darüber hinwegzugehen, sofern es sich ergeben sollte,
dass die Verfügung dieser Grundlage entbehre und gegen zwingende
Vorschriften des Gesetzes verstosse. Denn die Vollstreckungsorgane
sind den Gerichts-behörden im allgemeinen nicht subordiniert, sondern
koordiniert, und sie brauchen sich unberechtigte Eingriffe der letztern
in das ihnen zugewiesene Rechtsgebiet nicht gefallen zu lassen. Und zwar
können in einem solchen Falle die Aufsichtsbehörden fogar von Amtes wegen,
und ohne dass es einer Beschwerde bedarf, den untern Vollstreckungsorganen
den rechten Weg weisen.

2. Sachlich nun ist zweifellos, dass derv Rückt-usder Konknrs-eröffnung
eine der gesetzlichen Ordnung und dem durch die Kon- kurseröfsnung
geschaffenen Zustand der Gleichstellnng der Gläubiger durchaus
zuwider-laufende Verfügung war. Wenn einmal der Konkurs eröffnet ist,
und alle damit nach dem Gesetze verbundenen Folgen eingetreten sind,
so hat sich der Konkursrichter als solcher in das Verfahren nicht
weiter einzumischen, bis es sich um den Schluss desselben (Art, 288)
oder um dessen Widerruf (Art. 195 f. und 317) oder um die Einstellung
des Verfahrens wegen Vermögensmangel (Art. 230) oder um Anordnung
des summarischen Verfahrens (Art. 231 des Betreibungsgesetzes)
handelt. Abgesehen hievon ist der Konkurs vom Konkursamte bezw. der
Konkursverwaltung unabhängig vom Konkursrichter dem Gesetze gemäss
durchzuführen Hieran kann der Umstand nichts ändern, dass nach der
Eröffnung des Konknrses166 (1. Entscheidungen der Schuldbeireibungs-

vom Schuldner ein Nachlassvertrag vor-geschlagen wird. Dies hemmt die
Weiterführung des Konkurfes in keiner Weise und insbesondere kann von
einer Nachlassstundung im Sinne von Art. 295 in einem solchen Falle
keine Rede sein. Der Zweck der Nachlassstundung mit Bezug auf die
Veränderung der Rechtsstellung des Schuldners, die Beschränkung seiner
Handlungsfähigkeit einerseits, die Einstellung von erekutiven Massnahmen
und des Laufs von Verjährungsund Verwirkungsfristen anderseits, entfällt
vollständig, wenn über denselben der Konkurs eröffnet ist, und auch die
Vorschriften darüber, was während der Nachlassstundung zu geschehen habe
(insbefondere Jnventaraufnahme und Schuldenruf), treffen in diesem Falle
nicht zu. Es ist demgemäss auch in Art. 317 des Betreibungsgesetzes,
wo der Nachlassvertrag im Konkurs, d. h. nach Eröffnuug des Konkurses,
im Anschluss an die Bestimmungen über den Nachlassvertrag ausser Konknrs
im wesentlichen durch Verweisung auf die für letztern aufgestellten
Bestimmungen normiert ist, den Vorschriften über die Nachlassstundung
nicht gerufen. Wie wenig ein nach der Konkurseröffnung angestrebter
Nachlassvertrag das Konkursverfahren zu hemmen vermag, zeigt
insbesondere auch die Bestimmung in Art. 317, dass die Verhandlung
über den Nachlassvertrag erst in der zweiten Gläubigerversammlung
stattzufinden habe, sowie die ebendaselbst getroffene Anordnung, dass
die Konkursverwaltung an die Stelle des Sachwalters trete. Aus allem
dem geht klar hervor, dass der Konkurs weiterzuführen ist, auch wenn
der Schuldner nach dessen Eröffnung einen Nachlassvertrag anstrebt
und dass es schlechterdings nicht angeht, den Gang des Verfahrens nach
jenem Momente durch Nachlasssiundung aufzuhalten. Wenn die kantonale
Aufsichtsbehörde sagt, dass das Konkurserkenntnis eine Betreibungshandlung
sei und den Abschluss der Betreibung auf Konkurs bilde, so ist, auch wenn
die Auffassung als richtig hingenommen werden will, nicht einzusehen,
wiefo dies an dem Gesagten etwas ändern sollte. Die Vorinstanz beruft
sich diesbezüglich auf Art. 297 des Betreibungsgesetzes, wo allerdings
bestimmt ist, dass während der Nachlassstundung eine Betreibung gegen
den Schuldner weder angehoben, noch fortgesetzt werden kann. Allein
diese Wirkung der Nachlassstundung kann natürlich da nicht eintreten,
wo letztere selbst ausgeschlossen ist, d. h. nachund Konkurskammer. N°
31. 167

eröffnetem Konkurse. Es wäre ferner auch falsch, anzunehmen, dass die
Wirkungen des Konkurserkenntnisses erst mit der Publikation desselben
eintreten. Die Konkurseröffnung wird nicht erst mit der letzern perfekt,
sondern diese ist einfach eine formale gesetzliche Folge der erstern. Jn
Fallen, in denen der Schuldner durch Insolvenzerklärung den Konkurs
herbeiführt, kann es sich sogar fragen, ob nicht die Wirkungen der
Konkurserbffnung schon mit der Jnsolvenzerklärung eintreten. Es
ist denn auch nicht der Konkursrichter, der die Publikation des
Konkurserkenutnisses anordnet, sondern das Konkursamt, und dieses
hat falls es nicht etwa die Voraussetzungen der Art. 230 oder 231
des Betreibungsgesetzes für gegeben erachtet ohne weiteres von Amtes
wegen die Publikation vorzunehmen. Nachdem somit dem Konkursainte das
Konkurserkenntnis mitgeteilt mm:, hatte dasselbe auch vorliegend
ohne anderes die durch das Gesetz vorgeschriebenen Massnahmen
für die Durchführung des Konkurses zu treffen, d. h. zunächst
das Konkurserkenntnis zu publizieren, eventuell die Zustimmung des
Konkursrichters zur Einsiellung des Verfahrens wegen Vermögensmangel
oder zur Durchführung des summarischen Verfahrens nachzusuchen. Die dem
Schuldner nach der Konknrseröffnung erteilte Nachlassftundung konnte ihn
dieser Pflicht nicht entheben, und der Mitteilung des Gerichtspräfidenten,
dass die Konkurseröffnung aufgehoben wurde, hatte er, wenn sie vom
Konkursrichter ausging, von vornherein keine Berücksichtigung zu schenken,
eventuell wenn sie von dem Gerichtspräsidenten als Aufsichtsbehörde
erlassen wurde, ist sie durch den heutigen Entscheid als ungesetzlich
zu erklären und aus dem Weg zu räumen (vgl. Archiv HI, Nr. 115).

Demnach hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen für begründet erklärt und
demgemäss, unter Aufhebung der entgegenstehenden Weisung der untern
kantonalen Aufsichtsbehörde das zuständige Konkursamt angewiesen, dem
Konkurserkenntnis über Schreiner Rüedi vom 5. Januar 1900 die gesetzliche
Folge zu geben.LAUSANNE. _ IMP. GEORGBS BRIDEL & C
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 26 I 163
Datum : 24. März 1900
Publiziert : 31. Dezember 1901
Quelle : Bundesgericht
Status : 26 I 163
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 162 C. Entscheidungen der Schuldbetreibungs-- leistet, dass er für eine günstige


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schuldner • nachlassstundung • konkursamt • weisung • weiler • schreiner • stelle • frage • schaden • vorinstanz • von amtes wegen • konkursverwaltung • treffen • summarisches verfahren • ordnungsvorschrift • wissen • betreibung auf konkurs • gesetzmässigkeit • schuldbetreibung • einstellung des verfahrens
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