944 Civilrechtspflege.
Frage der Kenntnis der Überschuldnng ein erhebliches Gewicht nicht
beigelegt werden. Die aus Art. 287 Abs. 2 Bett-Geizhageleitete Einrede
ist sonach zu schützen und die Klage, soweit sie sich auf diesen Artikel
stützt, abzuweisen
5. Zur Begründung der Klage aus Art. 288 Betr.-Ges. gehört der Nachweis,
dass beim Schuldner die Absicht obgewaltet habe, seine Gläubiger zu
benachteiligen oder einzelne Gläubiger zu begünstigen, und dass dem andern
Teil diese Absicht erkennbar gewesen sei. Nach den Verumständnngen,
unter denen der Faustpsandvertrag vom 1. Juli 1897 zu stande gekommen
ist, kann nun kaum angenommen werden, dass Hildebrand das Bewusstsein
gehabt habe, dass er damit eine seine Kreditoren schädigende Handlung
begehe. Er hat nicht etwa sofort seine Zahlungen eingestellt, sondern
noch mehrere Zahlungen geleistet; insbesondere löste er gerade am 1. Juli
und wahrscheinlich mit einem Teile des Geldes, das er von den Beklagten
erhalten hatte, eine Tratte des Klägers von 611 Fr. 20 Cis. ein Dies weist
doch darauf hin, dass er damals glaubte, er werde sich halten können und
dass von einer frandulösen Absicht kaum gesprochen werden kann. Vollends
aber kann nach den frühem Feststellungen nicht als erwiesen angesehen
werben, dass den Beklagten eine solche Absicht erkennbar war. Wie sie
nicht wissen konnten, dass Hildebrand, objektiv gesprochen, überschuldet
war, so hatten sie auch keinen Anlass zu der Vermutung, dass er in fraudem
credit-drum handle. Auch die Klage aus Art. 288 ist deshalb abzuweisen
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird verworfen und das angefochtene Urteil in allen Teilen
bestätigt.X. Schuldbetreibung und Konkurs. N° 115. 945
115. Urteil vom 6. Dezember 1899 in Sachen Boget gegen Braunschweig.
Art. 276 u. 217 Bett.-Ges. Anwendbarkeit auch im Nachlassverfahren
ausser Konkurs.
A. Mit Urteil vom 8. Juli 1899 erkannte die Appellationskammer des
Obergerichts des Kantons Zurich über eine Klage des Jules Boget, des
Inhalts, der Beklagte S. Braunschweig sei schuldig, anzuerkennen, dass
dem Kläger eine Forderung von 2129 Fr. 30 Cis. gegen ihn zustehe, in
Abänderung des Urteils der ersten Instanz, welche die Klage gutgeheissen
und dem Kläger für seine Forderung Anspruch auf Nachlassdividende
zuerkannt hatte: Die Klage wird abgewiesen.
Der dem Urteil zu Grunde liegende Thatbesiand ist folgender: Der
Kläger stellte an die Qrdre des Beklagten 19 Gefälligkeitswechsel im
Gesamtbetrage von 6951 Fr. aus, die er dem Beklagten übergab und die
dieser weiter begab. Auf Verfall hatte der Beklagte nicht stir Deckung
gesorgt und da der Kläger auf Präsentation ebenfalls nicht zahlte, gingen
die Wechsel unter Protest an die Inhaber zurück. Diese trieben hieran den
Kläger in Konkurs. Es gelang ihm, einen Nachlassvertrag abzuschliessen,
in dem die Wechselgläubiger 30 0/0 ihrer um den Betrag der Protestund
Retourspesen erhöhten Wechselforderungen erhielten. Ungefähr gleichzeitig
kam ein vom Beklagten ausser Konkurs angestrebter Nachlassvertrag zu
stande, worin den Gläubigern ebenfalls 30 0/0 angeboten wurden. Die
Jnhaber der Gefälligkeitswechsel des Klagers wurden im Rachlassverfahren
des Beklagten mit ihren ganzen ursprünglichen Forderungen zugelassen
Der Kläger seinerseits machte einen Deckungsanspruch geltend für die
von ihm bezahlten 30 0/0 der Wechselfordernngen im Betrage von 2129
Fr. 30 Ets. Vom Sachwalter wurde dieser Anspruch nicht anerkannt,
woraufhin Boget denselben einklagte mit der Begründung, dass es sich
um eine selbständige civilrechtliche Mandatsklage (Art. 400 O.-R.) und
nicht um eine wechselrechtliche Regressklage handle. Der Beklagte trug
auf Abweisung an, indem er
946 Civilrechtspflege.
hauptsächlich betonte, dass der Schuldner, der sich durch Abschluss
eines Nachlassvertrages gegenüber dem Gläubiger liberiere, nicht von
einem Mitverpslichteten für einen Teil der nämlichen Schuld belangt
werden dürfe. Eventuell wurde eine Kompensationseinrede erhoben.
Jnrechtlicher Beziehung führt die Appellationskammer zunächst,
in Übereinstimmung mit der ersten Instanz, aus, dass die rechtliche
Grundlage des klägerischen Anspruchs das zwischen den Parteien bestehende
Mandatsverhältnis bilde, weshalb die Klage nicht schon mit der Einrede
beseitigt werden forme, dass die Wechselforderungen aus irgend einem
Grunde dem Beklagten gegenüber untergegangen seien. Wohl aber könne
es sich, was die erste Instanz nicht untersucht hatte, fragen, ob ein
solcher Anspruch im Nachlassverfahren gleichzeitig (knmulativ) mit dem
Hauptanspruch geltend gemacht und dafür eine besondere Nachlassdividende
beansprucht werden könne. Diese Frage wäre, fährt das Urteil fort,
zweifellos zu verneinen, wenn es sich um einen Konkurs, statt um einen
Nachlassvertrag handeln wurde, wie sich ohne weiteres aus Art. 216 und
217 Betr.-Ges. ergebe. Die hier getrosfene gesetzliche Regelung habe
ihren innern Grund offenbar darin, dass das Gesetz verhindern wollte,
dass zwei oder mehrere ihrem Inhalte nach identische Forderungen, die
in Wirklichkeit nur ein Passivum des Kridaren darstellen, wie diejenige
des Hauptgläubigers und des Mitverpflichteten zum Nachteil der übrigen
Konkursgläubiger eine grössere Quote der verfügbaren Masse beanspruchen
können, als nach reiner Proportionalrechnung (im Verhältnis der Aktiven
zu den Passiven) auf sie entfiele (Kohler, Lehrbuch des Konkursrechtes,
§ 61, und Entscheidungen des deutschen Reichgerichts in Civilsachen,
Bd. XIV, S. 172 ff.). Diese eigentlich nur für den Konkurs aufgestellten
Grundsätze müssten nun aber auch beim Nachlassvertrag zur Anwendung
kommen. Dieser sei eine im Interesse des Gemeinschuldners eingeführte
mildere Art des Konkurses bezw. der Vermögensliquidation. Daraus folge,
dass der Schuldner hiebei seinen Gläubigern gegenüber jedenfalls nicht
schlechter gestellt werden dürfe, als er es im Falle des Konkurses
wäre. Dies müsste aber geschehen, wenn eine Forderung, die im Konkurse
nur einmal zur quotalen Befriedigung käme, im Nachlassoerfahren mehrfach
berücksichtigtX. Schuldhetreibung und Konkurs. N°115. 94?
doerden müsste. Dadurch würde das Zustandekommen eines Flachlassvertrages
unter Umständen erheblich erschwert, indem die liber- -gen Gläubiger
ein Interesse daran hätten, statt des Nachlasses den Konkurs zu
verlangen. Zudem setze das Gesetz bei der RegeJung des Nachlassvertrages
(Titel XI) stillschweigend voraus, dass dabei die Vorschriften des
materiellen Konkursrechts (Titel V_I) zur Anwendung kommen, wie sich
z. B. daraus ergebe, dass in Art. 305 Abs. 2 von den privilegierten
Gläubigern (Art. 219) sdie Rede sei. Die gegenteilige Auffassung
würde endlich zu der sicherlich nicht im Sinne des Gesetzes liegenden
Konsequenz führen, idass die rechtliche Lage der Beteiligten beim
Nachlassdertrag ausser Konkurs und im Konkurs eine verschiedene ware,
da jedenfalls fur .letzern die durch den Konkursausbruch geschaffene
Situation massgebend sein müsse. Auf die Kompensationseinrede, die die
untere Instanz abgewiesen hatte, trat die Appellationskammer nicht siem.
B. Gegen das Urteil der Appellationskammer hat der Klage-: edie Berufung
an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag, ses sei dasselbe aufzuheben
und in Wiederherstellung des erstmstanzlichen Urteils zu erklären, es
sei der Beklagte schuldig anzuerkennen, dass der Kläger gegen ihn eine
Forderung von 2129 Fr. ZO W. und hiesür Anspruch auf Nachlassdioidende
habe.
C. Der Beklagte schliesst aus Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: .
1. Die erste Instanz hat die Klage geschützt, weil dem Kläger sein
auf einem selbständigen Rechtsgrund beruhender Anspruch auf Erstattung
der zu teilweiser Bezahlung der Wechselforderungen ausgelegten Beträge
zur Seite stehe und es sich nicht um die Geltendmachung des bezahlten
Teils der Wechselforderungenf an Stelle und gemäss den Rechten der
ursprünglichen Glaulnger handle. Diese an sich richtige Erwägung
entscheidet jedoch, was schon die Appellationskamtner erkannt hat, den
Rechtsstreit nicht. Die Klage zielt, wie der Anlass zur Klageerhebung
und die Forxmulierung des Klagebegehrens in der Berufungserklärung
zeigen, sdarauf ab, den Kläger mit der eingeklagten Forderung an dem
Nachlassvertrag des Beklagten teilnehmen zu lassen. Der NachlassVertrag
ist nun aber eine Auseinandersetzung des Schuldner-s mit sder Gesamtheit
seiner Gläubiger-. Der Kläger steht somit, wenn ser auf Zulassung zum
Nachlassvertrag des Beklagten dringt, nicht
948 Civilrechtspflege.
nur diesem, sondern auch den übrigen Gläubigern desselben gegenüber,
und es frägt sich, ob nicht mit Rücksicht auf die Rechte dieser letztern
der Schuldner sich der Teilnahme des Klägers wider-setzen könne.
2. Bevor der Kläger die Wechselforderungen zum Teil bezahlthat, war
er mit dem Beklagten für die ganzen Beträge nach Wahl der Gläubiger
solidarisch haftbar-, und Gläubiger wurde er seinerseits erst durch
die geleisteten Teilzahlungen Da diese in der Ausrichtung der von
ihm nachlassvertragsgemäss geschuldeten Dividende bestanden, wurde
dadurch der Kläger den Gläubigern gegenüber von seiner Verpflichtung
befreit, bezw. konnte diese ihm gegenüber nicht mehr geltend gemacht
werden. Dagegen blieb der Beklagte Schuldner der Wechselgläubiger gemäss
der ursprünglichen Verpflichtung. Unter normalen Verhältnissen konnten
diese allerdings vom Beklagten nur den Rest ihrer Forderungen verlangen,
Und stand dem Kläger für seine Teilzahlungen das Rückgriffsrecht auf
denselben neben den ursprünglichen Gläubigern zu. (Art. 166 O.-R.). Nun
befindet sich aber der Beklagte in einer abnormalen Vertnögenslage,
indem er ebenfalls einen Nachlassvertrag abgeschlossen hat, nach
welchem seine Gläubiger nur 30 "jo ihrer Forderungen erhalten. Und
da muss es sich denn Tragen, ob die Teilzahluugen des Klägers auch
für einen solchen Fall fürden Veklagten befreiend wirkten, ob nicht
vielmehr trotz derselben im Nachlassverfahren die Wechselgläubiger die
ganzen ursprünglichen Forderungen geltend machen können und ob nicht
infolgedessen die Forderung des Klägers davon auszuschliessen sei.
Z. Thatsächlich sind im vorliegenden Falle die Forderungen der
Wechselgläubiger im Nachlassverfahren des Beklagten im ganzen
ursprünglichen Betrag angemeldet und ohne Widerspruch zugelassen
worden. Dies kann jedoch den Rechten des Klägers keinen Eintrag thun,
da er nicht in der Lage war, sich gegen die Anmeldung und Zulassung
jener Forderungen aufzulehnen. Wenn diesedaher zu Unrecht mit den ganzen
Ursprunglichen Beträgen eingestellt worden wären, während ihnen nur
für den nngedeckten Betrag die Nachlassdividende hätte zuerkannt werden
sollen, see kann dies dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen und nicht
bewirken, dass er vom Nachlassvertrag für den Teil ausgeschlossen sei, für
den er hätte angewiesen werden sollen.X. Schuldhetreibung und Konkurs. N°
115. 949
4. Würde über den Beklagten der Konkurs eröffnet worden sein und es
sich um die Teilnahme des Klägers an seiner Konkursmasse handeln, so
könnte die Lösung der entscheidenden Fragen nicht zweifelhaft sein. Die
Rechtsstellung des Gläubigers zu mehreren Mitverpflichteten und der
letztern unter sich hat für den Fall, dass einer der Mitverpflichteten
oder mehrere derselben in Konkurs geraten, im Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs ihre positive Normierung erfahren in am. 218
und 217 Betr.-Ges.
Während em. 216 voraussetzt, dass mehrere Mitverpflichtetegleichzeitig im
Konkurse sich befinden und schon auf den analogen Thatbestand successiver
Konkurse nicht mehr passt, bezieht sichArt. 217 auf alle Fälle, in denen
ein Mitverpflichteter vor der Konkurseröffnung oder während des Konkurses
über einen andern Mitverpflichteten dem Gläubiger eine Teilzahlung
geleistet: hat. Offensichtlich verfolgen beide Bestimmungen den Zweck,
zu verhindern, dass ein Mitverpflichteter aus dem Konkurse einesandern
Mitverpflichteten etwas erhalte, bevor der Gläubigergänzlich befriedigt
ist Das Gesetz will den Gläubiger, Îiir dessen Forderung mehrere haften,
insofern begünstigen, als er in der Geltendmachung seines Anspruches
gegen jeden einzelnen Mitverpflichteten auch dann nicht durch die andern
beschränkt werden soll, wenn er aus deren Vermögen teilweise Befriedigung
erhalten hat. Daneben liegt den Art. 216 und 217 auch in Hinsicht aufdie
Interessen des Schuldners und der übrigen Gläubiger ein gemeinsames Moment
zu Grunde. Diesen gegenüber stellen sichdie Forderung des ursprünglichen
Gläubiger-s und die des Mitverpflichteten, der eine Teilzahlung geleistet
hat, als eine materiell,.. dem Inhalt nach einheitliche Verpflichtung
dar. Wie nun vom Schuldner ausser Konkurs nicht mehr als die einfache
Befriedigung einer solchen Forderung verlangt werden kann, so soll
dieselbe auch in seinem Konkurse nicht mehrfach geltend gemacht undes
soll seiner Masse nicht mehr entnommen werden dfn-fen, alsdie dem Betrag
der ursprünglich einheitlichen Schuld entsprechende Dividende Es wird
insoweit die konkursmässige Befriedigung der effektiven Befriedigung
gleichgestellt und als Erfüllung betrachten Gemeinsam ist den beiden in
Frage stehenden Bestimmungen nun.
: 950 ' Civilrechtspflege.
aber weiter auch der formale rechtliche Mechanismns, mittelst .-dessen
sie den erwähnten gemeinsamen Zwecken zu genügen suchen. Dem Gläubiger
wird das Recht zugestanden, nicht nur ohne Rücksicht auf seine Eingabe im
gleichzeitigen Konkurs eines Mitiverpflichteten sowie auf die Dividende,
die er aus diesem zu erwarten hat, sondern auch ohne Rücksicht auf
allfällig schon vorher von einem Mitverpslichteten an ihn geleistete
Teilzahlungeu im .-Konkurse eines andern Mitverpflichteten seine ganze
Forderung anzumelden und dafür die daran entfallende Konkursdividende
zu verlangen bis zu seiner vollen Befriedigung; erst dann und nur ixmit
Bezug auf einen allfälligen Überschuss, den jene Dividende ergiebt,
kann es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Mitverpflichteten über
ihre gegenseitigen Ansprüche kommen, wenn solche überhaupt bestehen. In
dieser Richtung unterscheidet sich die gegenwärtig geltende Fassung
des Art. 217 von derjenigen, die m sämtlichen Entwürfen bis zur letzten
sog. redaktionellen Vereinigung erscheint. Dort lautete die Bestimmung:
Hat jemand, welchem mehrere Personen für die gleiche Schuld verpflichtet
find, eine Teilzahlung erhalten, so kann er im Konkurse eines Schuldners
nur für den Rest seiner Forderung als Gläubiger auftreten. -- Dagegen
wird ein Mitschuldner oder Bürge, welcher die Teilzahlung geleistet hat,
für den Betrag derselben unter die Konkursgläubiger aufgenommen Es hat
jedoch der Gläubiger das Recht, Anweisung auf den dem Mitschuldner oder
Bürgen zussfommenden Anteil an der Verteilungsmasse bis zur vollständigen
Deckung der Forderung für sich zu verlangen. Der Mitschuldner oder
Vürge wird bei der Verteilung erst nach dem Gläubiger und nur insoweit
berücksichtigt, als die von ihm geleistete Zahlung seinen Anteil an
der Schuld übersteigt- Auch mit dieser Fassung wurde dem Gläubiger vor
dem Mitverpflichteten, der eine Teilzahlung geleistet hatte, im Konkurs
eines andern Mitverpflichteten sein Vorrecht eingeräumt. Während jedoch
nach den Entwürfen der Gläubiger im Konkurse des Mitverpslichteten nur
den nach Abzug der geleisteten Teilzahlung verbleibenden Rest anmelden
:durfte, hat er nach dem Gesetz das Recht, für den ganzen ursprünglichen
Betrag der Forderung Anweisung zu verlangen, und während nach dem System
der Entwürfe das Vorrecht des Gläu-X. Schuldbetreibung und Konkurs. N°
Ils· 951
bigers vor dem Mitverpflichteten in der Weise gewahrt wurde, dass derselbe
den Anteil des letztern beanspruchen konnte, schliesst das Gesetz die
Mitverpflichteten von vornherein von der Teilnahme an der Masse aus, so
lange der Gläubiger nicht volle Befriedigung erlangt hat. Die Bestimmung
der Entwürfe stammt, wie die Botschaft des Bundesrates vom 6, April 1886
( S. 71) ausdrücklich erwähnt, aus dem französischen Rechte (Art. 542 544
des code de commerce), dem übrigens in dieser Beziehung auch die Rechte
anderer Länder gefolgt sind. Und wenn darin dem Gläubiger in Ergänzung
der vorbildlichen Bestimmungen des code de commerce ein Vorrecht auf
die den Mitverpflichteten für die geleistete Teilzahlung entfallende
Konkursdividende anerkannt ist, so ist die Wurzel einer solchen Vorschrift
wohl ebenfalls im französischen Recht, speziell in dem Satze des Art. 1252
des code civil zu suchen, dass die Subrogation dem Gläubiger, der nur zum
Teil befriedigt worden ist, nicht schaden dürfe. Die Bestimmung geht somit
von dem Verhältnis des Gläubigers zu dein Mitverpflichteten aus, der die
Teilzahlung geleistet hat, und es liesse sich von diesem Gesichtspunkte
aus an Hand der Lehre über die Subrogation die Anschauung begründen,
dass das Vorrecht des Gläubiger-s nur dann Platz greifen dürfe, wenn
der Mitverpflichtete, der die Teilzahlung geleistet hat, dem Gläubiger
gegenüber noch verpflichtet ist und gemäss dieser Verpflichtung die
Dividende, die er aus dem Konkurse eines andern Mitverpflichteten erhält,
doch wieder dem Gläubiger bis zu seiner vollen Befriedigung herausgeben
müsste (vgl. Vischer, Der Rückgriff des Bürgen nach schweiz. Obl.-Recht,
Zeitschrift des schweiz. Juristeuvereins, Bd. XXIX, S. 48 bis 52). Nach
der zum Gesetz gewordenen Fassung ist eine solche Beschränkung des
Vorrechts des Gläubiger-Z nicht mehr möglich. Der Ausgangspunkt ist
demnach nicht mehr das Verhältnis des Gläubigers zu dem Mitverpslichteten,
der die Teilzahlung geleistet hat, sondern das Verhältnis desselben
zu dem andern Mitverpflichteten, der in Konkurs gefallen ist. Diesem
gegenüber ist der Gläubiger unter Umständen berechtigt, trotzdem er von
einem andern Mitverpflichteten eine Teilzahlung erhalten hat, die ganze
ursprüngliche Forderung geltend zu machen, wobei das Gesetz ausdrücklich
bemerkt, gleichviel, ob der Mitverpflichtete
952 Civileechtspflege.
gegen den Gemeinschuldner rückgrisssberechtigt ist oder nicht Damit
ist gegeben, dass auf die Art der Mitverpstichtung desjenigen, der die
Teilzahlung geleistet hat, ob Bürgschaft oder Selbstschuldnerschast
u. s. w., und aus den Grund, weshalb sie geleistet und angenommen wurde,
ob dies gezwungen oder freiwillig geschah, nichts ankommen kann. Dann
darf aber auch, wenn der Mitverpflichtete rückgrisssberechtigt isf, nicht
unterschieden werden, ob man es mit einem auf dem Eintritt in die Rechte
des ursprünglichen Gläubigers sich stützenden eigentlichen Regressansprach
oder mit einem auf selbständiger rechtlicher Grundlageberuhenden
Anspruch zu thun habe. Und endlich ist es bei einer solchen Regelung
des Verhältnisses durchaus gleichgültig, ob der Mitverpflichtete, der
die Teilzahlung geleistet hat, noch Schuldner
des Gläubiger-s sei oder nicht. Der Gläubiger geht ihm unter ss
allen Umständen kraft der ihm durch das Gesetz dein Gemeinschuldner
gegenüber eingeräumten Rechte vor. Wirddie Bestim- mung vom
Billigkeitsstandpunkt aus betrachtet, so besagt sie, dass weder der
Gläubiger noch der Gemeinschuldner bezw. die übrigen Konkursgläubiger
durch die Zufälligkeit, dass vor Ausbruch des Konkurses ein
Mitverpflichteter eine Teilzahlung geleistet hat, schlechter gestellt
werden sollen. Es rechtfertigt sich dies deshalb, weil der Gläubiger,
wenn er die Teilzahlung nicht erhalten hatte, seine Forderung, ohne seine
Rechte gegen den Mitverpflichteten zu verlieren, im Konkurs des Schuldners
ganz hätte eingehen können, während anderseits der Mitverpflichtete sich
in diesem Falle aller Regel nach für den Ausfall, den er decken muss,
am Schuld-
ner auch nicht erholen könnte, und weil ferner ohne die Teil
zahhmg der Schuldner bezw. seine Masse für nicht mehr als die
Ursprüngliche Forderung aufzukommen gehabt hätte. Der rechtliche
Gesichtspunkt der neuen Fassung aber ist der, dass eine von einein
Mitverpslichteten geleistete Teilzahlung sür die andern Mitverpflichteten
nicht absolut befreiend wirkt und dass die unter normalen Verhältnissen
mit einer Teilzahlung verknüpften Folgen der teilweisen Tilgung der
Forderung und eventuell der Erzeugung eines Regressanspruches einein
Mitverpflichteten gegenüber, der in Konkurs gerät, erst eintreten,
wenn die Forderung ihre gänzliche materielle Befriedigung gefunden
hat (vgl. Goldschmidt, Über den Einfluss von Teilzahlungen eines
Solidarschuldners auf dieX. Schuldbetreihung und Konkurs. N° 115. 953
Rechte des Glänbigers gegen andere Solidarschuldner, insbesondere
nach eröffnetem Konknrs u. s. m., in der Zeitschrift für das gesamte
Handelsrecht, Bd.X1V, S. 397z der nämliche, Hauptund Nachbürge u. s. w.,
in den Jahrbüchern sür Dogmatik, Bd. XXVI, S. 345, sowie insbesondere
Kohler, Konkursrecht, S. 355 is. 11. S. 366 ff.). Hieraus würde sür den
vorliegenden Fall, wenn der Betlagte sich im Konkurs befände, folgen,
dass die Wechselgläubiger berechtigt waren, ihre ganzen ursprünglichen
Forderungen anznmelden und bis zu ihrer vollen Befriedigung zu
liquidieren, und dass es anderseits dem Kläger nicht zustände, seine
Forderungen neben denjenigen der Wechselgläubiger geltend zu machen, dass
derselbe vielmehr nur dann und nur insoweit an Stelle der Gläubiger an
der Liquidation teilnehmen könnte, als die denselben zukommende Dividende
den vollen Betrag ihrer Forderungen übersteigen würde. Wird angenommen,
es hätte der Konkurs für die Kurtentgläubiger das gleiche Ergebnis
gehabt, zwie das Nachlassverfahren, so würde die letztere Eventualität
als nicht zutreffend zu erklären und die Klage somit abzuweisen sein,
wie dies übrigens vom Kläger selbst in der Berufungsschrist anerkannt ist.
5. Aus den bisherigen Ausführungen über die rechtliche GrundLlage,
aus der Art. 217 Betr.-Ges. beruht, ergibt sich nun aber weiter, dass
man es dabei nicht mit einem spezifisch konkursrechtlichen Satze,
sondern mit einer aus dem Wesen der Solidarforiderung herzuleitenden
materiellrechtlichen Schlussfolgerung zu thun hai. Diese Auffassung
wird dadurch unterstützt, dass schon vor Erlass des eidgenössischen
Betreibungsgesetzes das leigationenrecht Bestimmungen über die Rechte des
Gläubigers im Konkurse mehrerer Solidarschuldner aufstellte und dieselben
unter die Vorschriften über die materiellen Wirkungen der Solidarität
einreihte (s. Art. 167 u. 810 O.-R.). Wirdhievon ausgegangen, so muss
Art. 217 nicht nur im Konkurse, sondern auch im Nachlassversahren eines
-Mitverpslichteten angewendet werden. Auch hier ist die Vermögenslage
des Mitverpslichteten eine abnormale und findet mit Rücksicht daraus
ein concursus creditorum statt. Auch hier besteht für den Gläubiger,
der eine Teilzahlung erhalten hat, die Gefahr, trotz des Borhandenseins
mehrerer Mitverpflichteter nicht ganz gedeckt zu werden, wenn er nur
mit dem Rest seiner Forderung
954 Givilrechlspflege.
am Verfahren teilnimmt. Es muss ihm daher hier ebenfalls das Recht
eingeräumt werden, seine ganze Forderung geltend zu machen. Der Umstand,
dass die Art der Liquidation im Nachlassververfahren eine andere ist,
als im Konkurs, vermag hieran nichts zu ändern. Massgebend ist, dass der
Abschluss eines Nachlassvertrages aller Regel nach wie der Konkurs eine
ökonomische Situation des Schuldner-s zur Voraussetzung hat, die es ihm
verunmöglicht, seine Verpflichtungen gänzlich zu erfüllen. Allerdings
sind ferner die Wirkungen des Nachlassvertrages für die Forderungen der
Gläubiger andere, als im Konkurse, indem dieselben
gegenüber dem Nachlassschuldner untergehen, oder doch nicht mehr-
geltend gemacht werden können. Um so eher muss es aber dem Gläubiger
gestattet werden, von diesem, trotz einer von einen?
andern Mitverpflichteten erhaltenen Teilzahlung, für seine ganze-
ursprüngliche Forderung die Nachlassdividende zu verlangen. Fraglicher
ist allerdings mit Rücksicht ans die besondern Wirkungen des
Nachlassvertrages, ob es dem Mitschuldner, der die Teilzahlung geleistet
hat, nicht billigerweise gestattet werden sollte, neben derForderung
des Gläubigers seinen durch die Teilzahlung erworbenen Anspruch im
Nachlassverfahren ebenfalls zu liquidieren. Allein einer solchen
Lösung steht die rechtliche, und zwar materiellrechtliche Erwägung
zwingend entgegen, dass sich dem Schuldner und seinen übrigen Gläubigern
gegenüber die Regressforderung des Mitoerpflichteten doch nur als Teil
der ursprünglich einheitlichen Forderung darstellt und dass er sich
dadurch, dass er sich dem-. Gläubiger gegenüber von der ganzen Forderung
befreit, auch von der durch die Teilzahlung einem Mitverpsiichteten
entstandenen Teilforderung löst. Übrigens giebt der Kläger selbst zu,
dass beim Nachlassverfahren im Konkurs Art. 217 zur Anwendung zu:.
kommen habe-, weil die Rechtsstellung der Gläubiger dieselbe bleibe,
wie sie durch die Konkurserössnung geschaffen wurde. Allein da die Lage,
in welche die Gläubiger infolge der Konkurserösfnung unter sich geraten,
durchaus ähnlich ist derjenigen, in der sie sich in einem ausser Konkurs
vom Schuldner eingeleiteten Nachlassverfahren befinden, so muss sich hier
die Frage, in welchem Umfange die Gläubiger im Verhältnis zu einander
zur Liquidation zuzulassen seien, ebenso nach den allerdings ausdrücklich
nur für-X. Schuldbetreiimng und Konkurs. N° 115. 955
das Konkursverfahren aufgestellten Grundsätzen beantworten, wie sich ihr
Rang nach den konkursrechtlichen Regeln bestimmt Und-s anderseits ist es
dem Schuldner auch bei dieser Art der Liquidation, bei der er meistens
alle verfügbaren Mittel zu teilweiser Befriedigung seiner Gläubiger
verwenden wird, nicht zuzumuten- dass er für eine materiell einheitliche
Forderung mehr ausrichte,. als die auf den ursprünglichen Betrag derselben
falleude Quote. Die Auffassung, dass Art. Li? im Nachlassverfahreu
ausser Konkurs nicht zur Anwendung femme, ist zudem nicht nur mit
den-, allgemeinen Betrachtungen über den rechtlichen Gehalt und die
rechtliche Tragweite der Bestimmung als solche unvereinbar, sondern es
stehen ihr auch die von der Vorinsianz hervorzuhebenen, speziell aus
dem Wesen und Zweck des Nachlassvertragess ausser Konkurs geschöpften
Argumente entgegen. Es ist diesbezüglich namentlich hervorzuheben, dass
die Natur des Nachlassvertrages als eines Surrogates des Konknrses und
die Tendenz dessGesetzes, den Abschluss von Nachlassverträgen ausser
Konkurs zuserleichtern, aus die Anwendbarkeit des Art. 217 hinweist,
und dass es eine Verkennung jener Momente bedeuten win-de, wenns erklärt
werden wollte, dass im Nachlassverfahren ausser Konkurs der Gläubiger,
der von einem Mitverpflichteten eine Teilzahlung erhalten hat, nur mit dem
Restbetrag zugelassen werde, oder dass derjenige, welcher die Teilzahlung
leistete, neben dem mit der ganzen Forderung partizipierenden Gläubiger
teilnehme (vgl. hiezu,s. Entscheidg. des deutschen Reichsgerichts in
Civilsachen, Bd. II, S. 182; Bd. XIV, S. 172 ff.; Kohler, Konkursrecht
S. 464 f.). Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird verworfen und das angefochtene Urteil
derAppellationskammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom: 8. Juli
1899 in allen Teilen bestätigt.