926 Civilrechtspfiegsie.
8. Die Kläger erheben nun aber weiter auch Anspruch auf denjenigen
Teil des von der Beklagten zu Unrecht bezogenen,uder den am Prozesse
nicht beteiligten Glaubigern zugekommen ware. Sie stützen diesen
Anspruch aus die Bestimmung von Art.. 200 Abs. 3 B.-G., wonach im
Falle eines Kollokationsstreites zwischen zwei Gläubigern der Betrag,
um den der Anteil desBeklagten an der Konkursinasse herabgesetzt wird,
zur Befriedigung des Klägers bis zur vollen Deckung seiner Forderung mit
Einschlussc der Prozesskosten dient. Allein vorliegend handelt es sich
nicht um einen Kollokationsstreit, sondern um die Anfechtung der Vertei-
lungsliste. Die Aufstellung der letztern ist in der Regel eine blosse-
Rechnuugsoperationz es wird deshalb im eigentlichen Konknrs-
verfahren der angeführte Satz des Art. 250 in der Praxis nichtanaewendet,
wenn man es lediglich mit einem Anstand betreffend
Berichtigung jener Liste zu thun hat. Und zwar offenbar mit Recht
nicht. Art. 250 Abf. 3 B.-G. erosfnet denw prozessierenden Gläubigern
die Möglichkeit auf einen Gewinn uber den Anteil hinaus, der ihnen bei
richtiger Kollokation zugekommen ware. Der Gläubiger gelangt infolge
des für ihn erfolgreichen Ausganges des Kollokationsprozesses dazu, aus
der Vermogensmasse des Konkursiten Anteile, die sonst bei ansanglich
richtiger Kollokation anderen Gläubigern zugekommen waren, sur sich
zu beanspruchen. Das ist etwas durchaus singulares und lasst sich
nicht nur dadurch erklären, dass es der Billigkeit entspricht,wenn dem
Gläubiger, der das Risiko eines Anfechtungsprozesfes auf sich nimmt,
auch die Vorteile des Prozesse-s zu gut kommen, sondern beruht auch
auf der weitern Erwagungzdass der Geltendmachung ungerechtfertigter
Ansprachen, wie sie in Liquidationen, in welchen eine Mehrzahl von
Gläubigern miteinander konkurrieren, erfahrungsgemäss häufig gemacht
werden, wirksamer entgegengetreten werden kann, wenn demjenigenr der
die Anfechtung unternimmt, auch die Aussicht eröffnet wird, dass ihm·und
nicht den Dritten der Prozessgewinn zukommt. Diese Gesichtspunkte fallen
bei der Anfechtung der Verteilungsliste dahin, da die Rechtsstellung der
Parteien durch den Kollokationsplan bereits festgestellt ist. Wenn aber
sonach für das eigentliche Konkursverfahren die
Anwendung von Art. 250 Abs. Z auf die Anfechtung der
Vertei-,X. Schuldbetreibung und Konkurs. N° 113. 927
lungsliste nicht zu gestatten ist, so ist sie auch in einer vertraglich
nach Konkursrecht durchzuführenden Liquidation nicht zuzulassen. Dies
um so mehr, als bei einer auf Vertrag beruhenden Aquidation die weitere
Voraussetzung der Anwendbarkeit des Art. 250 Abs. 8, dass die übrigen
Gläubiger nicht mehr anfechtungsberechtigt find, nicht in gleicher Weise
mit dem unbenutzten Ablauf der Anfechtungsfristen als liquid betrachtet
werden kann, wie bei der eigentlichen Konkursliquidation.
9. Die Art, wie die Berzinslichkeit der zurückzuerstattenden Summe von
den kantonalen Jnstanzen geregelt wurde, ist nicht angefochten worden
und offenbar auch zutreffend, da vom 29. November 1895 an die Beklagte
sich in unrechtmässigem Genuss der den Klägern zukommenden Quote befand
und am 20. November 1896 Verzug eintrat.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung der Kläger wird verworfen. Diejenige der Beklagten wird
insofern für begründet erklärt, als Dispositiv 2 des obergerichtlichen
Urteils vom 18. April 1899 dahin abgeändert wird, dass die Betlagle
verhalten wird, den Klägern einen Betrag von 4904 Fr. 93 Ets. nebst
Zins zu 40/0 vom 29. November 1895 bis 20. November 1896 und Zins zu
50/0 seit 20. November 1896 zu erstatten. Im übrigen wird die Berufung
der Beklagten ebenfalls verworfen und das angefochtene Urteil besiätigt.
113. Urteil vom 19. Oktober 1899 in Sachen Eisenhut-Geissberger gegen
Gebrüder Gegauf.
Klage eines Konkewsiten aus einem Provisionsversprechen. Abweisung zur
Zeit wegen mangelnder Aktivlege'timation. Art. 204 Abs. 1, 205 Abs. :z',
197 und 269 Abs. i Rank-Ges.
A. Mit Urteil vom 31. August 1899 erkannte das Ober-gericht des Kantons
Thurgau im Rechtsstreite zwischen den ruhetzierten Parteien über die
Rechtsfrage, ob die Beklagten pflichtig
928 Givilrechtspflege.
seien, dem Kläger auf die Summe von 43,909 Fr. 70 Cis. für gelieferte
Waren das Betressnis von 10 0/0 mit 4891 Fr. als schuldig anzuerkennen
und zu bezahlen, nebst Zins zu 5 % seit 10. März 1899, in Bestätigung
des erstinstanzlichen Urteils: Sei die Rechtsfrage verneinend entschieden
· Dem Urteil liegen folgende Thatsachen zu Grunde: Durch
Verpflichtungsschein vom 8. Dezember 1891verpflichreten sich die
Beklagten, dem Kläger auf sämtlichen von diesem {Tage an auf die Firma
Pullmann & Cie. in St. Gallen ausgestellten Fakturen eine Kommission
von 10 "o zu vergüten. Der Kläger erhob, hierauf gestützt, im Frühjahr
1899 gegen die Beklagten Klage auf Bezahlung von 4391 Fr., indem er
behauptete, dass dieselben seit 8. Dezember 1891 an Pullmann & Cie. Waren
im Gesamtbetrage von 43,909 Fr. 70 Ets. geliefert hätten. Die Beklagten
bestritten zunächst die Aktivlegitimation des Klägers: Er sei im März
1892 in Konkurs gekommen, d. h. zu einer Zeit, da der Anspruch aus sie
bestanden habe; nach Art. 269 Betr.-Ges. sei demnach nicht der Klager,
sondern dessen Konkursmasse forderungsberechtigt. Im Fernern machten
die Beklagten geltend, dass nur für die durch den Kläger vermittelten
Waren eine Provision versprochen worden sei, dass sie aber durch
dessen Vermittlung keine Besiellungen von Pullmann & Cie. erhalten
hätten. Schliesslich wurde eingewendet, dass sich der Provisionsschein
nur auf Stickereiwaren bezogen habe, dass aber der grösste Teil der
Fakturen Maschinenlieferungen betreffe. Der Kläger replizierte in
formeller Hinsicht: Im Jahre 1892 habe der Kläger noch nicht gewusst,
ob die Beklagten etwas geliefert oder nicht, ob er überhaupt schon eine
Forderung an sie habe oder nicht. Er sei zudem wieder rehabilitiert und
der Konkurs ausgetragen Vor der obern Instanz brachte der Kläger weiter
an: Er habe dem Konkursamt seiner Zeit von seinem Provisionsanspruch
Mitteilung gemacht, allein dieses habe erklärt, es überlasse ihm diesen
Anspruch, gleichsam als Alimentationsbeitrag·
Jn rechtlicher Beziehung führt das obergerichtliche Urteil aus: Es stehe
fest, dass beim Konkursausbruch über den Kläger sein Provisionsanspruch
an die Veklagten schon bestanden habe. Trotzdem er in seiner Höhe noch
unbestimmt gewesen sei, habe er einX. Schuldbetreihung und Konkurs. N°
113. 929
Aktivntn der Masse gebildet und sei gemäss Art. 222 Betr.-Ges. an diese
übergegangen Der Anspruch könne deshalb nicht mehr vom Kläger geltend
gemacht werden, sondern entweder von seiner Masse oder von irgend jemand,
der sich von dieser die bezüglichen Rechte habe abtreten lassen. Die
Behauptung des Klägers, die Masse habe ihm den Anspruch überlassen,
könne als Novum nicht mehr berücksichtigt werden. Das Obergericht
gelange infolgedessen zu dem Schlusse, dass der Anspruch gegenüber
dem Kläger zwar nicht unter-gegangen sei, dass aber diesem ein Recht
zu dessen Geltendmachung nicht mehr zustehe, weshalb die Einrede der
mangelnden Aktivlegitimation zu schützen und die Klage angebrachtermassen
abzuweisen sei.
B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag, es sei dasselbe aufzuheben und der Prozess an
die thurgauischen Gerichte zur materiellen Entscheidung zurückzuweisen
Der Vertreter der Beklagtschaft schloss auf Abweisung der Berufung und
Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Bezüglich des vorab zu prüfenden Einwandes der mangelnden
Aktivlegitimation steht zunächst fest, dass Eisenhut nach Ausstellung
des fraglichen Verpflichtungsscheines in Konkurs gefallen ist,
und es behauptet der Kläger selbst nicht, dass der Konkurs in
seinen civilrechtlichen Folgen dahingefallen sei, dass ein Widerruf
desselben stattgefunden habe. Wenn er sich nämlich daraus beruft,
dass er rehabilitiert und der Konkurs ausgetragen sei, so will er mit
letzterer Bemerkung offenbar nur sagen, dass das Verfahren durchgeführt
sei, und was die Rehabiliiation betrifft, so bezieht sich diese nur
auf die öffentlich-rechtlichen Folgen des Konkurses und ist für die
heute streitige civilrechtliche Frage völlig unerheblich. Durch die
Konkurseröfsnung nun ist der Kläger den Konkursgläubigeru gegenüber
in seiner Dispositionsbefugnis über die Vermögenssiiicke, die in die
Masse fielen, gemäss Art. 204 Abs. 1 Betr.-Ges. eingestellt worden
Jnsbesondere konnte er auch über Forderungen, die zur Masse gehörten,
nicht mehr frei verfügen, d. h. er durfte solche weder abtreten, oder
in seinem persönlichen Interesse zur Kompensation verwenden, noch durfte
930 Givilrechtspflege.
er sich dafür zu seinen Handen Zahlung leisten lassen. In
letzterer Hinsicht ist zum Schutze der Gläubiger in Art. 205 Abs. i
Betr.-Ges. ausdrücklich bestimmt: Forderungen, die zur Konkursmasse
gehören, können nach Eröffnung des Konkurses nicht mehr durch Zahlung
an den Gemeinschuldner getilgt werden; eine solche Zahlung bewirkt den
Konkursgläubigern gegenüber nur insoweit Befreiung, als das geleistete
in die Konkursmasse gelangt is . Daraus folgt denn, dass der Schuldner
eines Gemeinschuldners, der von diesem auf Bezahlung einer zur Masse
gehörenden Forderung belangt wird, den Nachweis verlangen kann, dass
die Gefahr-, doppelt bezahlen zu müssen, nicht besteht, und dass er
die Zahlung verweigern kann, so lange dieser Nachweis nicht geleistet
ist. Nun hat der Kläger allerdings behauptet, die Masse habe ihm
die Forderung quasi als Alimentation abgetreten. Allein es ist diese
Behauptung von den Vorinstanzen aus prozessualischen Gründen aus dem
Recht gewiesen worden und hieran ist das Bundesgericht nach bekannter
Regel gebunden. Zin übrigen aber kann es sich nach dem vorhandenen
Prozessmaterial nur fragen, ob dadurch, dass der Konkurs verpflogen iii,
die Gefahr für den Drittschuldner doppelt bezahlen zu müssen, und damit
die daraus hergeleitete sog. Einrede der mangelnden Aktivlegitimation
beseitigt sei. Dies ist zu verneinen. Die Dispositionsbeschränkung des
Gemeinschulduers bezieht sich auf alles Vermögen, das in die Konkursmasse
gehört. Dasselbe ist den Gläubigern verstrickt, ihrem Beschlagsrecht
verfallen, ob dieses thatsächlich ausgeübt werde oder nicht. Es ergibt
sich dies nicht nur aus der allgemeinen Fassung von Art. 197 Betr.-Ges.,
wonach sämtliches Vermögen, das dem Gemeinschuldner zur Zeit der
Konkurserösfnung angehört, gleichviel wo sich dasselbe befindet, die
Konkursmasse bildet, sondern auch aus Art. 269 Abs. 1 leg. cit. Die aus
Art. 205 Betr.-Ges. her-geleitete Einrede steht somit der Klage auch nach
Durchführung des Konkurses noch entgegen ..... Fraglich kann danach nur
noch sein, ob die Forderung, die den Gegenstand der Klage bildet, in die
Konkursmasse gehörte oder nicht. Die Vorinstanz bejaht dies ohne weiteres,
und es scheint auch der Kläger selbst diesen Staudpunkt einzunehmen,
sonst hätte er nicht seinen allerdings erst vor X. Schuldbetreibung und
Konkurs. N° 113. 931
oberer Instanz erhobenen Einwand damit substanzieren können, dass ihm
die Forderung ququ als Alimentation vom Konkurssamt überlassen worden
sei. Thatsächlich kann denn auch darüber, dass die Forderung zur Masse
gehörte, kein Zweifel bestehen. Der Rechtsgrund, auf den sie sich stützt,
liegt in dem Verpflichtungsscheindom 8. Dezember 1891. Dieser enthält
alle Elemente, die erforderlich waren, um ein Forderungsrecht in der
Person des Klägers zur Entstehung zu Bringen. Jnsbesondere bedurfte es
danach keiner weitern Thätigkeit des Berechtigten mehr, um die in seinem
Rechtsgrund vorhandene Forderung zu einer existenten zu machen. Dieselbe
war allerdings in ihrer Höhe unbestimmt und deren realer Jnhalt abhängig
von zukünftigen Thatsachen. Wenn jedoch diese eintraten, so gewann damit
ohne weiteres, ohne dass es irgend einer andern Thätigkeit des Klägers
bedurfte, sein Forderungsrecht nach Massgabe des Verpflichtungsscheines
eine feste Gestalt. Zur Konknrsmasse gehören aber nicht nur ihrem
Betrage nach bestimmte oder fest bestimmbare Forderungen, sondern auch
bedingte und solche, die in ihrer Höhe erst durch spätere, vom Willen
des Berechtigten unabhängige Thatsachen bestimmt werden. Die Berufung
ist somit zu verwerfen, immerhin mit der Modifikation, dass die Klage
nicht ohne anderes, sondern im Sinne der obigen Ausführungen lediglich
zur Zeit abgewiesen wird. Demnach hat das Bundesgericht erkan nt:
Die Berufung wird im Sinne der Erwägungen verworfen und das angefochtene
Urteil des thurganischen Obergerichtes insofern bestätigt, als die Klage
zur Zeit abgewiesen wird.