864 Civilrechtsptîege.

ob der Kläger das von ihm versprochene Darlehen geleistet, bezw. in
genügender Weise angeboten habe, ist somit irn Gegensatz zu dem
angesochtenen Urteil verneinend zu Beantworten. Danach wäre grundsätzlich
das Urteil aufzuheben, und die Sache zu neuer Entscheidung, aus Grund
der vom Bundesgericht getroffenen rechtlichen Beurteilung des genannten
Präjudizialpunktes, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nun haben sich
jedoch die Parteien heute beidseitig damit einverstanden erklärt,
dass das Bundesgericht hievon absehe und die Streitigkeit auch in der
Hauptsache durch Urteil erledige; in der That hätte die Rückweisung
praktisch keinen Zweck. Denn das angesochtene Urteil geht mit dem
erstinsianzlichen Richter davon aus, dass der Liegenschaftenkaus
suspensiv an die Bedingung geknüpft gewesen sei, dass der Kläger dem
Beklagten das am 9. September 1898 vereinbarte Darlehen verschaffe,
und dass somit bei Nichteintritt dieser Bedingung der Beklagte aus
dem Liegenschastenkaus nicht verpflichtet sei. Mit der Entscheidung,
dass der Kläger die ihm aus dem Darlehensvertrag obliegende Leistung
nicht erfüllt, bezw. nicht genügend angeboten habe, ist somit von dem
Standpunkt aus, den die Vorinstanz in dem angefochtenen Eutscheid in
der rechtlichen Beurteilung des Liegenschaftenkaufes eingenommen hat,
die Abweisung der Klage ohne weiteres gegeben. '

Demnach hat das Bundesgericht e r fa n nf :

Die Berufung des Beklagten wird als begründet erklärt, und daher in
Aufhebung des Urteils der Appellationskammer des Qbergerichts des Kantons
Zürich vom 22. August 1899 die Klage abgewiesen.VII. Obligationenrecht. N°
104. 865

104. Urteil vom 2. Dezember 1899 in Sachen Gastl gegen Wirz.

Werkvertrag. Abzug am Werklohn wegen Vee'spc'lftemg und wegen
Mängel. Replik der Genehmigung des Wer/ces. Art. 361 und 357 Abs. i
{).-R. Abäiefm'ung des Werkes.

A. Durch Urteil vom 15. September 1899 hat das Kantons: gericht des
Kantons St. Gallen erkannt, der Kläger habe sich an seiner Forderung von
5896 Fr. 25 Ets. den Betrag von 1559 Fr. 40 Cis. in Abrechnung bringen
zu lassen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in richtiger Form
die Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit dem Antrage: Es sei
zu erkennen, der Beklagte sei nicht berechtigt, von der klägerischen
Forderung einen Abzug zu machen; eventuell sei dem Beklagten nur ein
Abzug von 700 Fr. resp. 10 0/0 gemäss Expertengutachten gestattet

G. Der Beklagte ersucht in seiner Antwortschrist um Bestätigung des
kantonsgerichtlichen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Parteien schlossen am 14· April 1898 miteinander einen sogenannten
Bauvertrag ab, wonach der Beklagte Wirz dem Kläger Gastl die sämtlichen
Zimmer-, Schreinerund Glaserarbeiten siir ein Haus und eine Scheune
in der FRW, Gemeinde Utznach, auf des Beklagten Grund und Boden, in
Akkord übergab. Das Bauholz zum Abbund war vom Beklagten zu liefern.
Die Scheuer sollte bis zum 28. Mai 1898 so hergestellt fein, dass der
Beklagte ungehindert das Heu einsammeln konnte. Der ganze Bau, Haus
und Scheune, hatte bis 1. August 1898 untadelhaft fertig erstellt zu
sein. Sämtliche Arbeiten waren solid und untadelhast zu erstellen. Nach
der Feststellung der Vorinstanz war die Scheune circa Mitte Juli 1898,
das Haus im Januar 1899 beziehbar. Am Z. Januar 1899 stellte der Kläger
dem Beklagten über die Arbeiten Rechnung, d. d. 27. Dezember 1898; die
Rechnung enthält Posten für Arbeiten aus der Zeit vom August bis 24·
Dezember 1898 und beläust sich aus 6998 Fr.

866 Civilrechtspflege.

25 Cts., abzüglich vom Beklagten bezahlte 1100 Fr., so dass der Saldo
zu Gunsten des Klägers auf 5896 Fr. 25 Cis. lautet. Am 27. gleichen
Monats schrieb der Beklagte dem Kläger, er anerkenneQdie Rechnung nicht,
schon weil dieselbe bedeutend übersetzt fei; ferner behalte er sich
die Prüfung des Werkes bis nach Erstellung desselben vor, und wahre
sich diesbezüglich alle Rechte. Nach erfolglosem Zahlungsbefehl erhob
hierauf der Kläger gegen den Beklagten die vorliegende Klage, die auf
Zahlung von 5898 Fr. 25 Cts. nebst Zins zu 5 0/0 seit 20. Januar 1899
geht. Der Beklagte beantragte, der Kläger sei mit seinem Klagebegehren in
dem Sinne abzuweisen, dass von dessen Forderung abgezogen werden: 1. Der
Minderwert des Gebäudes infolge mangelhafter und nicht vertragsgemässer
Arbeit; 2. die durch Verschulden des Klägers entstandenen Mehrkosten;
Z. die übersetzten Preisanfätze einzelner Arbeiten und der Gesamtarbeit;
4. der Schaden, der dem Beklagten infolge nicht rechtzeitiger und
mangelhafter Erstellung des Werkes entstanden sei; 5. eine Forderung
des Beklagten an den Kläger von 59 Fr. 40 Cts. Die Vorurstanzen haben
die letztgenannte Forderung des Beklagten, gestützt aus die Anerkennung
des Klägers, geschützt und im übrigen die Forderungen des Beklagten wegen
mangelhafter und verspäteter Erstellung des Werkes gestützt auf Expertise,
Zeugeneinvernahme und Augenschein grundsätzlich als begründet erklärt
und den Betrag der diesbezüglichen Vergütung auf 1500 Fr. festgesetzt.

2. Streitig ist heute nur noch, ob der Beklagte berechtigt sei, an der
an sich anerkannten Forderung des Klägers Abzüge wegen verspateter
Erstellung der Scheune und wegen Minderwertes des Werkes zu machen,
und wenn ja, wie hoch diese Abzüge zu bemessen seien. Den ersteren
Punkt: den Schadenersatz wegen verspäteter Fertigstellung der Scheuue
betreffend, nimmt der Kläger lediglich den Standpunkt ein, die von ihm
zugegebene Verspatung sei auf die Schuld des Beklagten zurückzuführen
(Aus: sührung, dass dies unstichhaltig sei.)

·3. Den Abzug wegen Minderwertes bestreitet der Kläger mit der Behauptung,
der Beklagte habe das Werk genehmigt, wahrend er die Thatsache, dass
Mängel vorhanden seien, ausdrücklich zugibt. Jenen Standpunkt nun
begründet der KlägerVII. Obligationenrecht. N° ii)-L 867

in erster Linie damit, die Mängelrügen des Beklagten seien verspätet; er
stützt sich also auf die in Art. 361 in Verbindung mit Art. 357 Abs. i
O.-R. vorgesehene stillschweigende Genehmigung. Bei Prüfung dieser
Gegeneinrede ist vorab zu untersuchen, wann die Ablieferung des Werkes
erfolgt ist und sonach die in Art. 357 Abs. 1 vorgeschriebene Frist zur
Prüfung begonnen hat; und für Entscheidung dieser Frage ist wiederum
präjudizierlich die weitere, welches Werk nach dem Vertragsinhalte vom
Kläger überhaupt zu liefern gewesen sei. Nach dem blossen Wortlaute
des Vertrages nun könnte angenommen werden, der Werkvertrag sei auf
die Erstellung der einzelnen Schreinerund Glaserarbeiten gegangen, und
alsdann müsste gesagt werden, dass die Frist zur Prüfung jeweilen mit
der Ablieferung dieser einzelnen Arbeiten begann. Allein das kann nicht
der Sinn des Vertrages sein. Durch den von den kantonalen Jnftanzen
vorgenommenen Augenschein ist nämlich erstellt, dass nur der Unterbau
der Gebäude aus Stein, alles übrige dagegen aus Holz konstruiert ist;
wie nun der Beklagte die Maurerarbeit in globo einem Maurer: meister
übergeben hat, so hat er mit der Schreinerund Glaserarbeit in globo den
Kläger betraut; das vom Kläger zu erstellende Werk bestand also nicht in
der Anfertigung der einzelnen Schreinerund Glaserarbeiten, sondern in der
Erstellung der Gebäude, soweit sie aus Holz zu bestehen hatten. Die Frist
für den Beginn der Mängelrüge begann daher erst mit der Ablieferung dieser
Gebäude Diese Ablieferung, Übergabe an den Beklagtem hat nun noch gar
nicht stattgefunden; gegenteils ist von der Vorinftanz festgestellt, dass
zur Beit, als sie ihren Augenschein vornahm, das Werk noch nicht vollendet
war. Allerdings hat der Beklagte die Scheune Mitte Juli 1898 und das
Haus im Januar 1899 bezogenzallein hieraus folgt die Ablieferung nicht;
diese kann vielmehr erst stattfinden nach der gänzlichen Vollendung der
Arbeiten. Etwas anderes wäre nur anzunehmen bei gegenteiliger Vereinbarung
der Parteien, wofür, hier nichts vorliegt. Unter diesen Umständen kann
von einer Verwirkung der Mängelrüge infolge stillschweigender Genehmigung
keine Rede sein. In zweiter Linie behauptet der Kläger, die Mängelrüge
sei dadurch verwirkt, dass der Beklagte bei den Arbeiten stetsfort an-

858 Givilrechtspflege.

wesend gewesen sei und sich vom Gange und der Ausführung derselben habe
überzeugen können, eine Rüge aber niemals erhoben habe. Zuzugeben ist
nun allerdings, dass auch vor der Vollendung des Werkes der Besteller
auf Mängelrügen verzichten und sein Einverständnis mit den Arbeiten
bezeugen kann; allein zur Attnahme eines solchen Einverständnisses
genügt das blosse Stillschweigen des Bestellers und das Unter-lassen
von Reklamationen nicht, da der Besieller vor Ablieferung des Werkes
zur Prüfung nicht verpflichtet ist. Gegen den Beklagten liegt nun aber
höchstens dieses Stillschweigen vor, wenn man nicht sogar annehmen will
er habe mehrfach reklamiert; gegen die dem Kläger geschuldete Redlichkeit
verstösst seine Handlungsweise jedenfalls nicht. Nach Text Uijagtetg
tmetxkl auch die zweite Gegeneinrede des Klägers

n grun e ärt und ' heissen werden. der Lohnaszg grundsatzlich ginge'
4. Hinsichtlich des Quantitativs der dem Beklagten kompensationsweise
zuzusprechenden Summe für Entschädigung wegen Verspatung und Abzug wegen
Minderwertes ist die Vorinstanz offenbar ohne Verletzung von Bundesrecht
über den Ansatz der Experten hinausgegangen, indem sie sich hiebei auf
anderweitige Beweismtttel, insbesondere Zeugeneinvernahme und Augenschein
gestützt hat; für das Bundesgericht liegt kein Grund vor, an,der von der
Vorinstanz auf Grund der Beweisergebnisse und in Anwendung des freien
Ermessens festgesetzten Summe eine Änderung vorzunehmen

Demnach hat das Bundesgerieht erkannt:

Die Berufung wird als nnbegründet abgewiesen und somit das

Urteil des Kantonsgerichtes von St Gallen Vom 15 S . _ . . tember 1899
m allen Teilen bestätigt. epVII. Ohligationenrecht. N° 105. 869

105. Urteil vom 9. Dezember 1899 in Sachen Nordosibahngesellschaft
gegen Kummer.

Klage auf Rückzahlung einer freiwillig bezahlten Meisters-MAri. 72
0.-R. Ewpropriate'on eines Grundstückes, rick-terliche Festsetzung
der Entschädigung; unter Verbali-alt des Naahmasses. Bezahlung
der Entscheîdigzmg ohne vorheriges Naahmass ema! ohne Voròehali,
Spd?tere Verifikation und demzufolge Kèzge auf Rückzahlung des zu viel
Gelez'stetrsin.

A. Durch Urteil vom 14. Juli 1899 hat das Obergericht des Kantons
Schaffhausen die Klägerin mit ihrer Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen und beantragt, es sei in Aufhebung desselben der
Berufungsbeklagte zu verpflichten, ihr 3306 Fr. samt Zins zu 5 % seit dem
1. November 1893 zu bezahlen· Der Berufungsbeklagte beantragt in seiner
Antwortschrift Abweisung der Berufung und sämtlicher Rechtsbegehren der
Klägerinz eventuell: Rückweisung der Sache an die kantonalen Jnstanzen zum
Zwecke materieller Instruktion auf dem Boden des eidgenössischen Rechtes
und unter Vorbehalt aller prozessualischen und materiellrechtlichen
Standpunkte des Beklagten auf dem durch das Bundesgericht festgestellten
Rechtsboden

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In dem Expropriationsprozesse zwischen Martin Kummer in Schafshausen
und der schweizertschen Nordostbahn hat die Jnstruktionskommission des
Bundesgerichtes in ihrem am 25. April 1894 erlassenen Urkeilsantrag
bestimmt, die schweiz. Nordostbahn habe dem Expropriaten Kummer zu
bezahlen: für 2041 Quadrattneter Garten, Wege und Gemüseland, Nachmasz
vorbehalten, 9 Fr. 50 Cts. per Quadratmeter, 19,389 Fr. 50 Cfs." nebst
Zins zu 5 % vom Tage der Inanspruchnahme an. Nachdem beide Parteien
den Urteilsantrag angenommen hatten, wurde derselbe durch Urteil
des Bundesgerichtes vom 21. Mai 1894 als in Rechtskraft erwachsen
erklärt. Dem angegebenen Mass waren, wie nicht bestritten ist, die
Einträge im Grundbuch der
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 865
Datum : 22. August 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 865
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 864 Civilrechtsptîege. ob der Kläger das von ihm versprochene Darlehen geleistet,


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • scheune • vorinstanz • augenschein • zins • frist • darlehen • kantonsgericht • bewilligung oder genehmigung • berechnung • rechtsbegehren • besteller • holz • bedingung • werkvertrag • entscheid • lieferung • werklohn • rückweisungsentscheid
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