772 Civilrech tspflege.

VI. Fabrikund Handelsmarken. Marques de fabrique.

98. Urteil vom 17. November 1899 in Sachen Hediger Söhne gegen
Aktiengesellschaft Cigarrenfabrik Union.

Gab-much einer Eéiquette als verziereneie Au-sstatmng. Fe'eizeichm.
Ein Zeichen, das in einem Lande (im AMM-nde) Gemeingul. is:, Icann auch
in eine-m satt-Im Lande (im Inga-indie} als Freizessicherz ver-wendet
werden, auch wenn es hier noch, nicht Gemeingut geworden ist- AN. 5
Marffensolzntzgesetz.

, A'. Durch Urteil vom 15. September 1899 hat das Civil: gericht des
Kantons Baselstadt erkannt:

Die Klage ist abgewiesen. Die am 27. Dezember 1897 jin schweizerischen
Markenregister eingetragene Marke Nr. 9744 der Firma Hediger Söhne,
Cigarrenfabrik in Reinach, ist im Markenregister zu streichen.

B. Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt und den Antrag gestellt, es seien ihnen die Klagebegehren,
sowie das Rechtsbegehren der Widerklagebeantwortung zuzusprechen.

C. In der heutigen Hauptverhandlung beantragt der Anwalt der
Berufungskläger Gntheissung seiner Berufungsanträge Der Anwalt der
Beklagten beantragt Abweisniig der Berufung

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Klager, Hediger Söhne, Tabakund Cigarreiifabrik in Reinach,
verwendeten seit 1889 für eine bestimmte Sorte Cigarren ihrer
Fabrikation eine Etiquette, welche einen Bedninenkopf in Flechtwerk
darstellt und die Bezeichnung Hadesi trägt. Sie bezogen dieselbe von
der lithographischen Kunstanstalt Meer-walduiid Toberer in Schwabach
bei Nürnberg, welche als Spezialität die Herstellung von Etiquetten zum
Bekleben von Cigarrenkistchen betreibt und den Klägern durch Brief vom
20. Februar 1889 das alleinige Bezugsrecht der fraglichen Packung für
die Schweiz einräumte, während sie sich für andere Länder freie Hand
vorbehielt. Am 30. November 1897 erklärte sie sich, einein von denVI. F
abrikund Haudelsmarken. N° 93. 773

Klägern geäusserten Wunsche entsprechend, damit einverstanden,
dass die Kläger die Hadesi-Ausstattung für sich in der Schweiz
eintragen lassen. Die Eintragnng fand sodann am 27. Dezember 1897 beim
eidgenössischen Amt für geistige-Z Eigentum unter Nr. 9744 statt. Am
28. April 1898 erhoben die Kläger gegen die Leiter der Aktiengesellschaft
"Union" in Basel Strafklage, weil diese die von den Klägern eingetragene
Mart-e Hadesi unrechtniässig für eine von ihr hergestellte minderwertige
anre ebenfalls verwende. Das Strafgericht sprach jedoch die Angeklagten
frei, indem die Untersuchung ergeben hatte, das die Firiiia Meerwald
& Toberer schon dem Vorgänger der Cigarrenfabrik Union, dem früheren
Cigarrenfabrikanten Josef Nell, vom Jahre 1892 an Etiquetten und Packungen
mit dersi Hadenmarke und auch später der Union selbst solche bis zur
Emtragnng der Marke in das schweizerische Markenregister geliefert
hatte. Hieran stellten die Kläger mittelst Civilklage gegenüber der
Aktiengesellschaft Union das Rechts-begehren "es sei der BeilagteU der
Gebrauch der zu Gunsten der Klägerin unter 'Nrss9144 eingetragenen Warte
Hadesi zu untersagen. Mit diesem Rechtsbegehren verbanden sie den Antrag
ans Beschlagnahme und Vernichtiing der bei der Beklagten vorhandenen
Etiquetten, und auf Piiblikation des Urteils. Die Beklagte beantragte
Abweisiing der Klage Und stellte widerklagsweise den Antrag ans Löschiing
gder Marke Nr. 9744, indem sie geltend machte, das das streitige quichen
schon in dem Zeitpunkt, als die Kläger es als Marke eintragen liessen,
dein allgemeinen Gebrauche anheimgefallen set.

Die Vorinstanz hat die Klage abgewiesen und die Widerklage gutgeheissen,
indem sie im wesentlichen aussuhrte: Es sei unbestritten, dass die
Beklagte vor der Eintragung der Mai-te von demselben Fabrikanten, wie
die Kläger die Etiquette geliefert erhielt, trotzdem dieser den Klägern
versprochen habe, nur ihnen allein in der Schweiz zu liefern. Es sei
ferner nachgewiesen, dass auch der Cigarrensabrikant Nell diese Marke
schonsvor der Eintragung verwendet habe. Hierauf komme es aber weniger
an; denn sobald die Priorität im Gebrauche des Zeichens denn fähigen}
zu; stehe, so seien sie auch wahre Berechtigte, ohne Rucksicht ans da
Datum der Eintragung Die Priorität zu beweisen habe derjenige, welcher
das Markenrecht an dem sireitigen Zeichen beanspruche.

774 Civilrechtspflege.

Dieser Beweis sei aber den Klägern nicht gelungen. Schon die Art und
Weise, wie sie sich das Zeichen als Handelsmarke aneigneten, spreche gegen
ihre Priorität Der Beklagten gegenüber seien allerdings die Kläger die
ersten Aneigner des Zeichens Dieser Nachweis genüge jedoch nicht, sondern
die Kläger haben zu beweisen, dass ihnen überhaupt allgemein das Recht
zukomme, sich als die ersten Benützer des Zeichens auszugeben, als die
ersten, welche dasselbe zur Bezeichnung von Waren anwendeten. Nun seien
die Kläger nicht Erzeuger des Zeichens-. Als sie es in Gebrauch zogen,
habe es bereits im Handel bestanden. Es habe einen Handelsartikel der
lithographischen Kunstanstalt Meerwald & Toberer gebildet, welchen diese
jedem Abnehmer verkauft habe, und welche sie heute noch in Deutschland,
wie sie selbst zugebe, an jedermann verkaufe. Die Etiquette sei sonach
keine Individualmarke, und die Kläger haben sie auch thatsächlich nie als
solche benutzt, indem sie ihr nie den Namen ihrer Firma beisetzten. Auch
Meerwald & Toberer haben das Zeichen nie als Handelsmarte für Cigarren
verwendet, sondern es als Etiquette für Cigarrenkistchen zu allgemein
beliebigem Gebrauche verkauft.

2. Der Auffassung der Vorinftanz über die Verteilung der Beweislast bei
Klagen, die die Anerkennung oder die Löschung einer ins Markenregister
eingetragenen Fabrikoder Handelsmarte zum Gegenstand haben, kann
nicht beigetreten werden. Das Bundesgesetz betreffend den Schutz der
Fabrikund Handelsmarken vom 26. September 1890 bestimmt in Liri. ö, bis
zum Beweise des Gegenteils werde angenommen, dass der erste Hinterleger
einer Marke auch der wahre Berechtigte sei. Es stellt also zu Gunsten
des Handelsoder Gewerbetreibenden, welcher ein Zeichen hat eintragen
lassen, die Präsumption auf, dass er berechtigt sei, dasselbe für seine
Ware als Unterscheidungszeichen ausschliesslich zu verwenden. An dem
Gegner, der dieses Recht nicht gelten lassen wifi, ist es, den Nachweis
dafür zu erbringen, dass dasselbe nicht bestehe, sei es, weil er selbst
oder ein Dritter der wahre Berechtigte ist, sei es, weil es sich um
ein Zeichen handelt, das seiner Natur nach, oder in Anbetracht der
Verkehrsgewohnheit, nicht als Merkmal einer bestimmten Herkunft der
Ware gelten kann und daher in der betreffenden Brauche jedermann zum
Gebrauche freisteht.VI. Fabrikund Handelsmarken. N° 93. 775

Dass nun an Stelle der Kläger ein Anderer der wahre Berechtigte zur
Führung der Etiquette Hadesi als Marke sei, behauptet die Beklagte
nicht, sie macht vielmehr geltend, diese Ettquette habe überhaupt nie
als Unterscheidungszeichen für ein bestimmtes Produkt gelten können;
es handle sich um ein Freizeichen, das allgemein für die Verpackung von
Cigarrenkistchen verwendet werde und deshalb von den Klägern nicht zu
ihrem ausschliesslichen Gebrauche beansprucht werden könne.

Hierüber ist zu bemerken: Ihrer Beschaffenheit nach ist die Etiquette
mit dem Beduinenkopfe unzweifelhaft geeignet, als Herkunftszeichen im
Cigarrenhandel verwendet zu werden; es kommt ihr, mit Bezug auf die in
Betracht fallende Ware keinerlei deskriptive Bedeutung zu, sondern sie
hat an sich durchaus die Natur einer Phantasiebezeichnung. Und wenn die
Beklagte darauf hinweist, dass die Kläger sie nicht in Verbindung mit dem
Namen ihrer Geschäftsfirma, sondern ohne diesen in den Handel bringen, so
ist dies völlig unerheblich. Die Marke erfüllt ihre Zweckbestimmung mit
der Jndividualisirung der mit ihr versehenen Ware; diese wird erreicht,
wenn die Marke diese Ware in den Augen des kaufenden Publikums von
anderer Ware gleicher Gattung unterscheidet, so dass es weiss, dass
sämtliche Waren der betreffenden (Hartwig, welche das Zeichen tragen,
von einer und derselben Herkunft sind. Davon, dass das kaufende Publikum
durch das Unterscheidungszeichen auch den Namen oder die Firma des
Produzenten oder des Kaufmanns-, der die Ware in Handel bringt, erfahre,
hängt die Erreichung des Zweckes, dem das Zeichen dienen solt, nicht ab,
und es kann darauf auch für die "Frage, ob das Zeichen schutzfähig sei
oder nicht, nichts ankommen.

Allein trotzdem es sich bei der Etiquette Hadefi um ein Phantasiezeichen
handelt, so kann ihr gleichwohl die individualisierende Kraft fehlen,
sofern nämlich die beteiligten Verkehrskreise sich bereits daran gewöhnt
haben, in ihr eine im Cigarrenhandel gebräuchliche Ausschmückung der
Verpackung zu erblicken; ist dies der Fall, hat das kaufende Publikum
sich daran gewöhnt, die Etiquette als eine blosse Ausschmückung anzusehen,
die Von.verschiedenen Produzenten oder Händlern auf der Verpackung ihrer
Ware verwendet zu werden pflegt, so ist sie zum Freizetchen geworden
und dadurch der ausschliesslichen Herrschaft eines Einzelnen

776 Givilresichtspflege.

entzogen. Im vorliegenden Falle ist nun in dieser Richtung zu bemerken:
Es mag zweifelhaft sein, ob die Hadesietiquette bereits

im Jahre 1889, wo die Kläger sie zum ersten Male für ihre-

Cigarrenkisten gebrauchten, thatsächlich zum Gemeingut geworden war
und nicht vielmehr damals von den Klägern durch warfenmässigen Gebrauch
als ihnen ausschliesslich zustehendes Waren zeichen hätte appropriiert
werden können. Denn über die thatsächliche Verbreitung des Gebrauchs
der Hadesietiquette im Jahre 1889 geben die Akten keinen hinlänglichen
Aufschluss Allein um für die Kläger ein ausschliessliches Recht an der
Hasedietiquette zu begründen, hätte ihr Gebrauch derselben eben ein
markenmässiger, d. h. ein Gebrauch der Zeichnung als Herkunftszeichen,
als Jndividualbezeichnung, nicht als blosse zierende Ausstattung
sein müssen. Diesen Charakter besass aber der klägerische Gebrauch der
Hadesietiquette, wie er aus Grund der mit Meerwald & Toberer im Jahre 1889
getroffenen Abmachung sich gestaltete, nicht. Allerdings liessen sich die
Kläger damals von Meerwald & Toberer das Alleinbezugsrecht der Etiquette
für die Schweiz zusichern; allein Meerwald & Toberer blieben berechtigt,
die Etiquette in Deutschland an Cigarrensabrikanten und Fabrikanten von
Cigarrenkistchen unbeschränkt weiter zu verkaufen (die dann natürlich
von den Klägern auch nicht gehindert werden durften, mit der Etiquette
verzierte Waren nach der Schweiz zu liefern), Die Kläger verzichteten
also damals darauf, das Hadesizeichen als eine ihnen ausschliesslich
zustehende Marke, welche als Judividualzeichen die Herkunft der Ware
aus ihrer Fabrik bezeichnet hätte, zur Geltung zu bringen und begnügien
sich damit, die Etiquette als verzierende Ausstattung zu gebrauchen. Jhr
Gebrauch war also kein 1narken1nässiger, der ein ausschliessliches Recht
aus das Zeichen hätte begründen können. Im Jahre 1897 sodann gedachten
fie allerdings das Zeichen, durch den Eintrag ins Handelsregister als
Marke für sich in Anspruch zu nehmen. Allein in diesem Zeitpunkte war
das Zeichen nun zweifellos zum Freizeichen geworden. Denn wenn auch
kaum gesagt werden könnte, dass dieEtiquette durch den von Meerwald &
Toberer zugestandenen Verkauf an einzelne Konkurrenten der Kläger in
der Schweiz zum Freizeichen geworden sei, so besteht doch kein Zweifel
darüber, dass die Etiquette nun in Deutschland Gemeingut geworden
warVI. Fabrikund Handelsmarken. N° 93. 777

Aus einem von den Klägern selbst eingelegten Briefe von Meerwald &
Toberer an diese vom 7. Januar 1899 geht hervor, dass Meerwald & Toberer
die Etiqnette Hadesi, als deren alleinige Urheber resp. Fabrikanten
sie sich betrachten, in Deutschland allgemein an Cigarrenfabrikanten
und dazu noch an einige infati: dische Kistenfabrikanten thatsächlich
abzusetzen pflegten. Es ergiebt sich dat-aus, dass in Deutschland
diese Etiquette dauernd von ver-, schiedenen Produzenten und Händlern
für Cigarren verwendet worden ist, was notwendig zur Folge haben musste,
dass dort die beteiligten Verkehrskreise sich daran gewöhnten, darin keine
Judi·vidualbezeichnung, sondern eine blosse Ausschmückung zu erblicken.
Jst aber davon auszugehen, dass die Eliquette Hadesi zur Zeit als die
Kläger sie in der Schweiz als Marke sich aneignetettz in Deutschland
bereits zum Freizeichen geworden sei, so kann auch deren (Eintragung
in das schweizerische Markenregister nicht geschützt werden. Wenn ein
Zeichen in einem Land Freizeichen ist, so haben alle Interessenten das
Recht, sich desselben zu bedienen, und sie können es daher infolge der
Handelsfreiheit auch in Länder einführen, wo es noch nicht zum Gemeingut
geworden ist. Denn das Markenrecht ist ein Bezeichnungsrecht für den
Universalverkehr, nicht bloss für den inländischen Verkehr (s. Kohler, das
Recht des Markenschutzes, S. 190). Mit diesem Charakter des Markenrechtes
ist es aber unvereinbar, dass ein und dasselbe Zeichen in dem einen
Land als Freizeicheiy in dem andern als schutzfühige Marke gelte; dies
würde notwendig dazu führen, dass dasselbe auch im Jnlande je nach der
Provenienz der damit bezeichneten Ware verschieden behandelt werden
müsste, was nicht angeht. Die Thatsache, dass ein Zeichen im Auslande
zum Gemeingut geworden ist, reicht daher hin, um die Aneignung desselben
zur Herkunftsbezeichnung auch im Jnlaude auszuschliessen Demnach hat
das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Kläger wird als unbegründet abgewiesen, und daher das
Urteil des Civilgerichts des Kantons Baselstadt in allen Teilen bestätigt
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 772
Datum : 17. November 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 772
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 772 Civilrech tspflege. VI. Fabrikund Handelsmarken. Marques de fabrique. 98. Urteil


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