548 Civilrechtspflege.

aus Art. 50 ff. O.-R., ebenso der mit der Widerklage verfolgte
Entschädigungsanspruch insoweit er, wie dies in zweiter Linie der
Fall ist, ans concurrenee déloyaîe begründet wird. Diese Ansprüche
sind zweifellos, da für sie eine Ausnahmebestimmung nicht gilt, im
ordentlichen kantonalen Jnstanzenzuge zu behandeln; sie sind daher,
da nach dem baselstädtischen Gesetze die Berufung an das kantonale
Appellationsgericht für sie statthaft ist, von der letzten kantonalen
Instanz noch nicht beurteilt. Dagegen ist allerdings der mit der
Widerklage in erster Linie und wesentlich geltend gemachte Anspruch
wegen Patentbruches ein solcher, welcher von dem gemäss Art. 30 des
Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente zu Beurteilung der
Patentstreitigkeiten eingesetzten Civilgerichte als einzige kantonale
Instanz zu beurteilen war. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass
für diesen Anspruch an sich die Berufung vom Civilgerichte, unter Umgebung
der zweiten kantonalen Instanz, direkt an das Bundesgericht geht. Allein
dies kann nicht dazu führen, dass nun auch für den Hauptklageanspruch
und für den Entschädigungsanspruch der Widerklage, soweit er auf
den Klaggrund der concurrence déloyale begründet wird, die zweite
kantonale Instanz umgangen werden könnte; hiefür fehlt es in der That
an jedem Rechtsgrunde, da für diese Ansprüche der ordentliche kantonale
Justanzenzug durch keinen Rechtssatz beseitigt ist. Jst aber danach
die Berufung an das Bundesgericht insoweit zur Zeit nicht statthaft,
da zunächst das kantonale Appellationsgericht angerufen werden muss,
so kann das Bundesgericht gegenwärtig aus die Berufung Überhaupt nicht
eintreten. Denn damit das Bundesgericht auf eine Berufung eintreten könne,
ist erforderlich, dass der Prozess in den kantonalen Jnstanzen vollständig
erledigt sei, dass hinsichtlich aller den Prozengegenstand bildenden
Ansprüche ein vletztinsianzliches kautonales Haupturteil vorliege, wie
denn auch klar ist, dass das Bundesgericht über Vorund Widerklage in einem
Urteile zu entscheiden hat. Dass hinsichtlich des Widerklageanspruchs aus
Patenibruch die Berufung an die zweite kantonale Jnstanz ausgeschlossen
ist, diese also das civilgerichtliche Urteil über diesen Anspruch nicht
abändern kann, vermag offenbar daran nichts zu ändern, dass derjenige
Teil des Prozesses, für welchen die Berufung an das Appellationsgericht
statthaft ist, zunächst an diese Instanz gebracht und"wie ' ' .

si wiss-enan . -..' * -V.... Organisation der Bundesrechtspflege. N°
66. 549

von dieser erledigt sein muss, bevor in der Sache Überhaupt die
Berufung an das Bundesgericht ergriffen werden kann; denn erst mit
diesem zweitinstanzlichen Entscheide liegt für den ganzen Prozess das
letztinstanzliche, der Berufung an das Bundesgericht sähige Haupturteil
vor. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Auf die Berufung wird zur Zeit nicht eingetreten.

66. Urteil vom 29. April 1899 in Sachen Hintze gegen Reichstein.

Art. 58 Abs. 1 Org. Ges.: Haupturteil. Ein Urteil über die
Vollstreckbarkeit eines Anspruchs, uzso ers-rote darüber, ob ein
Schuzdner ,zu neuem Vermögen geàommen sei (Art. 265 Beh-.Ges.), ist
nicht Haupturteil.

A* Durch Urteil vom 5. April 1899 hat das Appellationsgericht des Kantons
Baselstadt erkannt:

Es wird das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Das erstinstanzliche Urteil des Civilgerichts Baselstadt ging dahin :

Der Beklagte wird zur Zahlung von 4597 Mk. 81 Pfg. an die Kläger
ver-urteilt und den Klägern das Recht gewährt, diese Forderung auf dem
Betreibungswege gegen den Beklagten geltend zu machen. _

B. Gegen das appellationsgerichtliche Urteil ergriff der Beklagte am
24. April I. J die Berufung an das Bundesgericht mit dem

.Antrage: Das angefochtene Urteil sei aufzuheben und gemäss dem

erstinstanzlichen Antrage des Beklagten zu erkennen, eventuell die Sache
an die Vorinstanz mit der Auflage zurückzuweisen, es sei über die Frage,
ob der Rekurrent zu neuem Vermögen gelangt sei, auf Kosten der Klagpartei
eine amtliche Jnventur und Bilanz der Firma Hintze & Cie. vorzunehmen,
unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Antrages des Beklagten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Kläger waren in dem im Jahre 1889 Über den Be-

550 Civilrechtspflege.

klagten an seinem damaligen Wohnsitze in Hannover ausgebrochenen
Konkurse für eine anerkannte Forderung mit 4597 Mf; 81 Pfg. zu Verlust
geraten. Nachdem der Beklagte nach Basel

übergesiedelt war, wo er sich als unbeschränkt haftender Teilhaber

der Kommanditgesellschaft E. Hintze & Cie. niedergelassen hatte,
machten die Kläger dort ihre Verlustscheinforderung im Betretbungswege
gegen ihn geltend. Der Kläger erhob Rechtsvorschlag, indem er die
Zulässigkeit der Betreibung unter Berufung auf Art. 265 Schuldbetr.U.
Konk.-Ges. bestritt, weil er nicht zu neuem Vermögen gekommen sei. Die
Kläger erhoben nunmehr gegen den Beklagten (im ordentlichen Verfahren)
Klage dahin: Der Beklagte sei zur Zahlung von 5747 Fr. 26 Ets. (4597
Mk. 81 Pfg.) zu verurteilen. Der Beklagte trug daraus an, es sei die
erhobene Klage abzuweisen. Er bestritt die Existenz der eingeklagten
Forderung nicht, sondern brachte nur vor, dieselbe könne gemäss Art. 265
Abs. 2 leg. cit. gegenwärtig gegen ihn nicht geltend gemacht werden. Das
Civilgericht des Kantons Baselstadt hat diese Einwendung verworfen
und die Klage gutgeheissen, indem es ausführte: Art. 265 Abs. 2 des
eidg. Schuldbetr.u. Kent.: Gesetzes sei im vorliegenden Falle überhaupt
nicht anwendbar. Bei der Frage, ob das Zugrifssrecht des Konkursgläubigers
nach geschlossenem Konkurse einer Beschränkung unterliege, handle es sich
nicht um eine Bestimmung des Verfahrens, für welches das Territorialrecht
ohne weiteres anzuwenden wäre, sondern um den materiellen Inhalt des
Zugrisssrechts eines Gläubigers und die Wirkung der Konkursverteilung auf
dieses Zugriffsrecht und dafür könne nur das Recht des Konkursgerichts
anwendbar sein. Das Recht des Konknrsgerichts (die deutsche K.-O.) kenne
jedoch keine Beschränkung des Zugriffs der Konkursgläubiger. Wollte man
übrigens auch Art. 265 Abs. 2 des eidg. Betreibungsund Konkursgesetzes zur
Anwendung bringen, so müsste dem Gläubiger dennoch das Erekutionsrecht
gewährt werden. Wenn das Gesetz nämlich verlange, dass der Schuldner
zu neuem Vermögen gekommen sein müsse, so sei darunter nicht, wie der
Beklagte annehme, ein Reinverniögen, d. h. der Überschuss der Aktiven
über die Passier verstanden. Das Gesetz wolle das Zugrifssrecht des
Gläubiger-s vielmehr schon dann gewähren, wenn die für Dritteerkennbare
äussere Vermögens-lage des Schuldner-Z Anlass zu neuer-:V.... Organisation
der Bundesrechtspflege. N° 36. 553EURi

Erekution biete. Das Appellationsgericht des Kantons Baselstadt dagegen
führt in seinem angefochtenen, die erstinstanzliche Entscheidung in
ihrem dispositiven Teile bestangenden, Urteile aus: Bei der streitigen
Frage handle cs sich nicht um Bestand und Umfang der Forderung,
sondern ausschlieszlich darnin, ob der Schuldner gegenüber der
Exekution (Betreibung)n die Wohlthat einer Stundung bis zum Erwerbe
neuen Vermogens anrusen könne, und dies berühre das Wesen der Forderung
nicht; diese Wohlthat sei kein der Forderung inhärierendes Elementc keine
Beschränkung des Forderungsrechts in. privatrechtlichenHinsicht, sondern
eine Beschränkung des Exekutionsrechts aus osfentlichrechtlichem Motive
einer Schonung des Schuldnersz es liege eine reine Exekutionsfrage vor,
für die somit-auch das Recht des Exekutionsortes massgebend sei. Dagegen
sei der ersten Instanzdarin beizustiinmen, dass der Fall des Art. 265
Abs. 2 Schuldbetr.u. Konk.-Ges. hier nicht vorliege.

2. Obschon der Prozess im ordentlichen Verfahren gesuhrt worden
ist und darin aus Zahlung der eingeklagteni Forderung geklagt und
erkannt worden ist, so bildeten doch nicht Bestand oder Umfang der
Forderung (welche niemals bestritten waren), sondern lediglich deren
Vollstreckungsfähigkeit (die Zulassigkeit der Betretbung für dieselbe)
den Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung. Diese Frage aber,
welche eine solche rein vvollstreckungsrechtlicher Natur, nicht eine
solche der Rechtsbestandigkeit eines Civilanspruches ist, kann, wie das
Bgideäzgärielät berextinwgdeekgk aus e ro en at (wgs. Entsch. i. . )ro
er gg , Vomg ,gi! Luni h1896, Amtl. Sammlg., Bd XXII, S 488,·und
Entsch. i. S. Flury gegen Steinbruchgesellschaft Qstermundigew
vom 26. Februar 1897, Umts. Sammlg., Bd. XXIII! S. 244 Crw. 2)
niemals den Gegenstand eines Haupturteils im Sinne des Art. 58 Abs. 1
O.-G. bilden. Die Berufung an das Bundesgericht gegen die angesochtene
Entscheidung ist also nicht statthast.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: ·

Auf die Berufung wird wegen Jnkompetenz des Gerichts nicht

etngeteeten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 549
Datum : 29. April 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 549
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 548 Civilrechtspflege. aus Art. 50 ff. O.-R., ebenso der mit der Widerklage verfolgte


Stichwortregister
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