342 cirilrechtsptlege.

41. Urteil vom 4. Mai 1899 in Sachen Aktiengesellschaft der Tuchund
Buckskinfabrik von Fleckenstein-Schulthess gegen Fleckenstein.

Vorzeitige Entlassung des Direktors einer Aktiengesellschafl Art. 650
Abs. 2, Ml und 116 0. R. ; Art. 346 eod. Unfähigkeit zur Erfüäiung
dee übertragenen Stelle? Pflichtverletzungen; speziell: eigenmcîchtige
Gründung einer Finale.. Entlastung (déc/barga). Mass der Entschädigung.

A. Dnrch Urteil vom 9. Dezember 1898 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich erkannt:

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 6124 Fr. 65 Hits... nebst Zins à
5°0 seit 1. Januar 1898 zu bezahlen; im Übrigen ist die Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat der Vertreter der Beklagten recht-: zeitig
und in richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht eingelegt,
mit dem Anfrage, die Klage sei gänzlich abzuweisen.

C. In der heutigen Verhandlung wiederholt der Vertreter derBeklagten
seinen Berufungsantrag und trägt eventuell auf Reduktion der von der
Vorinstanz zugesprochenen Entschädigung an.

Der Vertreter des Klägers beantragt, das angefochtene Urteil sei zu
bestätigen. .

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Im Frühjahr 1891 wurde die Tuchfabrik des FleckensieinWaser in
Wädensweil von ihrem Inhaber ins eine Aktiengesellschaft mit einem
Grundkapital von 600,000 Fr., eingeteilt in 60 Stammaktien zu 10,000
Fr., umgewandelt Ausser den Aktien wurden Obligationen für 400,000
Fr. ausgegeben Die Aktienwaren in der Familie Fleckenstein plaziert. Der
Verwaltungs-rat bestand aus drei Mitgliedern. Nachdem Fleckenstein-Waser
im. April 1892 gestorben war, wurden im März1893 zum Präsidenten des
Verwaltungsrates Nationalrat Dr. Forrer in Winterthur und zu weitern
Mitgliedern die beiden Söhne des verstorbenen Fleckenstein-Waser, Fritz
und der heutige Kläger Walther, V. Obligationemeeht. N° 41. 3431

gewählt, und am 11. Juli 1893 ernannte der Verwaltungsrats Fritz
Fleckenstein zum Direktor und den Kläger Walther Fleckenstein zum
stellvertretenden Direktor, jeden mit einem Jahresgehalt von 12,000 Fr.,
später 9000 Fr., für die Zeit vom 1. April 1893 bis 31. März 1899. Nach
§ 21 der Siatuten hatte der Direktor die Gesellschaft nach aussen zu
vertreten und für sie dierechtsoerbindliche Unterschrift zu führen;
laut § 19 war ihm die Anstellung und Entlassung der sämtlichen Arbeiter
und Angestellten mit einem Jahresgehalt bis auf 3000 Fr. übertragen,
während dem Verwaltungs-rat gemäss § 16 die Acquirierung von Angestellten
mit einem Gehalt von über 3000 Fr. vorbehalten blieb. Das Unternehmen
stand alsbald Schwierigkeiten gegenüber. Im Frühjahr 1894 wurde
ihm von der Schweiz. Kreditanstalt der Blankokredit gekündigt; die
Beschaffung neuen Kapitals erwies sich als schwierig, und zudem zeigte
sich die Notwendigkeitzur Ausführung kostspieliger Neubauten und zur
Anschasfungsvon Maschinen. Forrer trat als Verwaltungsratspräsident
zurück; an seine Stelle wurde Nationalrat Gallati in Glarus gewählt.
Jm Juni 1895 zog der Verwaltungsrat einen Experten, H.. Gränicher, zur
Berichterstattung über die Lage des Geschäftes bei. Das am 8. Juli 1895
abgegebene Gut-achten anerkannte das redliche Bestreben und unermüdliche
Schaffen der beiden Geschäftsleiter, bemerkte aber, sie haben sich in
ihrem jugendlichen Eifer zu allzu raschem Handeln verleiten lassen und bei
der technischenVervollkommnung des Geschäftes zu wenig Rücksicht auf die
vorhandenen Mittel genommen; unterlassene Abschreibungen seien nachzuholen
und das Aktienkapital auf 400,000 Fr. zu reduzieren. Der Kläger wies
diese Vorschläge im wesentlichen zurück; alshauptsächlichstes Mittel
zur Hebung des Geschäftes bezeichnete erdie Vermehrung des Absatzes, der
namentlich in Nordamerika gesucht werden müsse, wofür eine längere Reise
dorthin notwendigsei. Am 12. Juli 1895 erteilte ihm der Verwaltungsrat
hier Austrag und Vollmacht Mitte August 1895 begab er sich nach New-York
Er berichtete von hier aus seinem Bruder Fritz über seine Thätigkeit,
und betonte, es sei schwierig, ein gute-Z Haus als Agenten zu bekommen,
und bleibe nur übrig, sich entwederan Mi-Grossisten (Jobbinghäuser)
zu wenden oder selbst einen

'S-14 Givilrechtspflege.

Reisenden zu engagieren. Als solchen stellte er dann Ende September
durch notarialischen Vertrag den Thomas Rowbottotn in New-York für
die Dauer eines Jahres an, mit festem Gehalt von 150 $ ver Monat und
einem monatlichen Vorschuss von 50 $ auf Rechnung seiner Provistonen
auf den von ihm abzuschliessenden Geschäften; er sagte ihm zudem den
Ersatz seiner Auslagen zu und mietete für ihn in New-York ein Bureau
fur 300 $ per Jahr. Hierauf kehrte der Kläger zurück. Alsbald begann
zwischen Rowbottom und der beklagten Gesellschaft eine regelmässige,
überall in englischer Sprache geführte Geschaftskorrespondenz Die
Briefköpfe des Rowbottom tragen die gedruckte Aufschrift New-York
branch of Fleckenstein-Schulthess, Lumssted, und über der Unterschrift
des Rowbottotn einen Stempel Fleekenstein-schulthess Limited. Diese
Briefe umfassen die Zeit vom 8. November 1895 bis 6. Oktober 1896;
nur einzelne derselben sind vom Bureauversonal der Beklagten auf
der Rückseite Tregistrierr Für die Beklagte wurde die Korrespondenz
vom Klager geführt; die Mehrzahl der Briefe befindet sich in einem
sevaraten Kopirbuch, eine Anzahl im Kopirbuche der Direktion, keine im
allgemeinen Geschäftskopierbuche Rowbottom bezog von der Gesellschaft
vom November 1895 bis Juli 1896 an Salair 1800 $ und als Vorschüsse für
Provision 450 $, ferner eine grossere Summe für Auslagenz er vermittelte
indess nur zwei winzige Bestellungen. Die Jahresbilanz auf 31. März 1896
ergab einen Verlust von 78,081 Fr. 15 Ets. Als eine der Ursachen nicht
die wichtigste wurde in der Verwaltungsratssitzung vom 5. Mai 1896 die
Entamierung des Absatzes in Amerika-I mit 11,914 Fr. 95 Ets. bezeichnet;
im fernern wurde eine Anderung des Geschäftsbetriebe-T eine Verminderung
derFabrikationsunkosten und der Faux-Frais als dringend notwendig
erklärt. In der Generalversammlung vom 13. Juni 1896 wurde der Antrag
des Rechnungsrevisors auf Genehmigung der Jahresrechnung Pro 31. März
1896 unter Decharge-Erteilung an die Organe -einstimmig zum Beschluss
erhoben. Über das amerikanischeGeschäftlt sagt das vom Präsidenten
Gallatt und dem Protokolltuhrer Fritz Fleckenstein unter-zeichnete
Protokoll dieser Generalversamm-i-slung: Ebenso wird der Betrieb des
amerikanischen GeschaftesV. Obligaiionenrechi. N° 41. 3 15

einlässlich diskutirt und machen sich hierüber verschiedene Meinungen
geltend. Ein Beschluss hierüber soll vorläufig nicht gefasst, sondern
dessen Entwickelung abgewartet werden In einem Schreiben an den
Verwaltung-Brut vom 23. August 1896 führte der Experte Gränicher
aus, das Geschäft müsse, wenn es nicht einer verhängnissvollen
Krise entgegengehen solle, gründlich und rasch saniert werden; die
Mittel und der Kredit desselben seien derart prekär, dass mit der
Eventualität einer Zahlungseiustellung gerechnet werden müsse. Jn
der Verwaltungsratssitzung vom 10. September 1896 wurde beschlossen,
dem Th. Rowbottom zu berichten, dass mit Rücksicht auf das vollständig
negative Ergebnis seiner Thätigkeit weitere Leistungen an ihn nicht mehr
gemacht werden. In zwei Generalversammlungen vorn 3. und 7. November
1896 wurde über die Verhältnisse und namentlich auch über die von
einzelnen Aktionären gewünschte Abberufung der Direktoren gesprochen,
und dieselbe am 7. November 1896 beschlossen. Sie erfolgte durch den
Verwaltungsrat auf 31. Dezember 1896, entgegen ihrem Proteste. In der
Folge ergab die Rohbilanz pro 31. März 1897 einen Passivsaldo von 222,030
Fr. 25 Cis-. Das Protokoll der Verwaltungsrathssitzung vom 14. Mai 1897
sagt über diesen Passivsaldo: Dieser erklärt sich hauptsächlich aus dem
Passivsaldo von 78,081 Fr. 15 Cts. vom 31. März 1896, der Verminderung der
Waaren und Fabrikationskonti infolge der auf die richtige Basis gestellten
Wertansätze um 121,069 Fr. 20 Cts. und der Belastung des Ausstellungskonto
mit 11,036 Fr. 85 Cfs. sowie der diese Bilanz belastenden Aus-lagen für
den missgliickten Versuch, als Absatzgebiet Nordamerika zu gewinnen,
im Betrage von 10,677 Fr. 30 Cts. Nach diesem Ergebnisse wurde das
Aktienkapital um die Hälfte, also auf 300,000 Fr., reduziert.

2. Der Kläger verlangte nun auf dem Prozesswege von der beklagten
Gesellschaft die Zahlung seines Jahresgehaltes per 31. März 1897 und
zweier weiterer Jahresgehälter (Bis 31. März 1899), zusammen 27,000 Fr.,
abzüglich einer Anzahl Gegenforderungen der Beklagten im Betrage von
9625 Fr. 35 Età, so dass seine Klageforderung sich auf 17,874 Fr. 65
Cis. beziffertez hievou forderte er Zins zu 5 0/0 seit 10. November 1896
idem Tage seiner ersten Mahnung). Er begründete seine Klage

346 Civilrechtspflege.

damit, die Entlassung sei durchaus ungerechtfertigt gewesen; seine
Bemühungen um eine neue Anstellung und um Verwertung einer Erfindung
seien erfolglos geblieben. Die Beklagte bestritt jeglichen Anspruch des
Klägers, indem sie sich darauf stützte, sie

habe wichtige Gründe zur Entlassung im Sinne des Art. 346

O.-R. gehabt. Als solche nannte sie die offenbare Unfähigkeit des Klägers
zur Leitung des Geschäftes und eine Anzahl grober Pflichtverletzungen
seinerseits-: die eigenmächtige Anstellung des Rowbottom, die Verwendung
eines Angestellten der Beklagterg Brook, zu Privatzwecken, sowie eine
kopflose Reise nach London zur Zusammenkunst mit Rowbottom.

Z. Die Klage stellt sich dar als Schadenersatzklage des vorzeitig
entlassenen Diensinehmers gegenüber dem Dienstherrn, nach Art. 111 und
116 Q-R-. Dabei ist in erster Linie zu bemerken, dass die Beklagte
nach Art. 650 Abs. 2 O.-R. jederzeit zur Abberufung des Klägers
berechtigt war, jedoch allerdings nur unter Vorbehalt allsälliger
Entschädigungsansprüche desselben. Es kann daher der von den Parteien
und auch von der Vorinsianz im vorliegenden Falle mehrfach angerufene
Art. 346 O.-R. hier nicht direkt zur Anwendung kommen, da eben für die
Aktiengesellschaften gegenüber ihren Ausschüssen, Geschäftsführern
und Bevollmächtigten ein freies Abberufungsrecht ausdrücklich
gesetzlich vorgesehen ist. Dagegen wird es sich bei Beurteilung der
Entschädigungsansprüche des Entlassenen allerdings fragen, in welchem
besondern Vertragsverhältnisse der Entlassene zu der Gesellschaft stand,
und wird sich sein Entschädigungsanspruch hienach richten. In easu

war nun dieses Verhältnis zweifellos dasjenige eines freien Dienst-"

vertrages, und massgebend sind somit Art. 338 ff. O.-R., in Verbindung mit
den allgemeinen Vorschriften des Obligationenrechtes über die Erfüllung
von Verträgen Danach wird ein Schadenersatzanspruch dem Entlassenen
dann zugestanden werden müssen, wenn die Abberufung nicht in einem
vertragswidrigen Verhalten seinerseits oder in völliger Unfähigkeit des
Entlassenen zur gehörigen Erfüllung seiner Vertragspflichten ihren Grund
hat. Und zwar liegt die Beweis-last für das Vorhandensein derartiger
Thatsachen demjenigen ob, der daraus einen Anspruch herleitet, d. h. dem
Abberufenden, in casa also der Beklagten. DennV. Obligaiionenrecht. N°
41. 347

die Klage des Abberusenen beruht auf der Thatsache der Nichterfüllung
des Vertrages durch den Abberufer, und nun hat nach allgemeinem
Rechtsgrundsatze derjenige, der einen Vertrag nicht erfüllt, zu beweisen,
dass ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt

{Art, 110 O.-Jt.), und an diesem Grundsatze kann auch der

Umstand nichts ändern, dass der Aktiengesellschaft ein freies
Abberufungsrecht eingeräumt ist; dieses besagt nur, dass sie zur
vor- zeitigen Entlassung jederzeit berechtigt ist, ändert dagegen an
den Grundsätzen über Verbindlichkeit zu Schadenersatz nichts. Auf
diesen Standpunkt hat sich denn auch die Beklagte gestellt, indem
sie geltend macht, der Kläger sei zur Erfüllung seiner Stelle als
stellvertretender Direktor nicht fähig gewesen und er habe sich eine
Reihe von Pflichtverletzungen zu schulden kommen lassen.

4. Was nun in erster Linie die behauptete Unfähigkeit des Klägers zur
Erfüllung der ihm übertragenen Stelle betrifft, so soll dieselbe zunächst
einmal darin liegen, dass dem Kläger im allgemeinen die nötigen Kenntnisse
und namentlich Erfahrungen gemangelt haben. Hiegegen hat die Vorinsianz
mit Recht einge:wendet, dass der Veklagten das jugendliche Alter
des Klägers, aus dem hauptsächlich seine nicht genügenden Erfahrungen
abzuleiten sind, bei Eingehung des Dienstverhältnisses bekannt war; ein
für den Dienstvertrag erheblicher Umstand aber, von dem der Dienstherr
schon bei Abschluss des Dienstvertrages Kenntnis hat, kann jedenfalls
nachträglich von ihm nicht als Entlassungsgrund angerufen werden. Sodann
aber fällt weiterhin in Betracht, dass die Geschäftsführung des Klägers
bis zum 13. Juni 1896 genehmigt worden ist; denn in der Genehmigung der
Geschäftsberichte und der Jahresrechnungen und der Dechargeerteilung
durch die Generalversammlung liegt unzweifelhaft eine Genehmigung der
Geschäftsführung, so dass die Beklagte auf die Geschäftsführung aus
der Zeit vor dem 13. Juni 1896 nur dann zurückkommen könnte, wenn sich
nachträglich Thatsachen herausgestellt hätten, deren Kenntnis im Momente
der Dechargeerteilung die letztere verhindert haben würde. Derartige
Thatsachen sind nun von der Beklagten selber keineswegs behauptet Fraglich
könnte einzig sein, ob nicht der Vorbehalt im Protokolle vom 13. Juni
1896 betreffend das Geschäft in Amerika die Meinung hat, dass Decharge

348 Civilrechtspflege.

hiefür vorläufig noch nicht erteilt werde. Allein aus der vagen
Fassung dieses Passus gegenüber der ganz bestimmt erklärten allgemeinen
Dechargeerteilung kann das nicht geschlossen werden, vielmehr hat jener
Passus offenbar die Bedeutung, dass über die weitere Fortführung des
Geschäftes in Nordamerika vorläufig noch kein Beschluss gefasst werde;
die Entwicklung wollte also abgewartet werden nicht um eventuell den
Kläger verantwortlich machenzu können, sondern um über die Weiterführung
des Geschäftes in Amerika sichere Anhaltspunkte zu gewinnen. In Betracht
kommen kann daher nur die Zeit nach dem 13. Juni 1896. Alleinaus dieserN
Periode liegen keine Thatsachen vor, die einen sicheren Schluss auf die
Unfähigkeit des Klägers zulassen würden. Allerdings ist das Defizit, das
sich bei der Geschäftsberichtsabnahme vom 31. März 1897 herausgestellt
hat, ein ungeheures zu nennen. Allein, dass dasselbe durch die Unfähigkeit
des Klägers herbeigeführt worden ware, ist durchaus nicht erwiesen;
vielmehr krankte das Geschäft der Bekiagten nach der thatsächlichen
Feststellung der Vorinstanz von vornherein an zu grosser Bewertung und
kam dazu die Notwendigkeit grosser, eingehender Verbesserungen; auch das
Verwaltungsratsprotokoll vom 14. Mai 1897 zählt eine ganze Anzahl dem
Kläger nicht zuzurechnender Faktoren auf, die dieses Resultat bewirkt
haben. Wenn endlich die Beklagte sich daran berufen hat dass der Kläger
selber seine Unfähigkeit gegenüber einem ihrer Angestellten, Scheuermaun,

und gegenüber Gränicher anerkannt und erklärt habe, er müsse-

seinen Rücktritt nehmen, so ist das schon deshalb unerheblich, weil das
eigene Verhalten des Klägers bei der Abberufung damit im Widerspruch
steht und nun nur auf dieses Verhalten der Gesellschaft selber, nicht
auf jene gelegentlichen Äusserungen gegenüber Personen, die nicht
Organe der Beklagten waren, Gewicht gelegt werden dars; dazu kommt,
dass die Vorinstanz diese Zeugenaussagen antecipando vom Standpunkte
des kantonalen Prozessrechtes

aus als irrelevant erklärt hat, und hieran ist das Bandes-gericht-

gebunden.

6. Jst nach dem Gesagten eine Unfähigkeit des Klägers zur Bekleidung
seiner Stelle von der Beklagten mit Unrecht geltend gemacht worden,
so fragt sich weiterhin, ob die Beklagte ihm mit';: '. M.; W&W, -. .

,?V. Ohligationenrecht. N° ii. 349!

Grund Pflichtverletzungen zur Last legt Die hauptsachlichsten dieser
Pflichtverletzungens ollen darin bestehen, dass der Klager erstens
eigenmächtig, in Überschreitung der ihm gegebenen Vollmacht und in
Übertretung der Statuten, den Th. Rowbottom engagiert undeine formliche
Filiale in NewYork gegründet und dass er zweitens- diese Thatsachen
dem Verwaltungsrate verheimlicht habe. Dererstere Vorwurf ist nun ohne
weiteres gerechtfertigt. Denn während die Statuten dem Direktor nur die
Anstellung von Angestellten bis auf 3000 Fr. übertragen, Ansiellungen
mit einem- Jahresgehalt über diesen Betrag dem Verwaltungs-rat
vorbehalten,.. und während der dem Kläger vom Verwaltungsrate erteilte
Auftrag nur dahin ging, eine Reise nach Amerika behufs Einziehung der
notwendigen Informationen zu machen, gründete der Kläger eigenmächtig in
New-York eine förmliche kostspielige Finale.. Diese objektive Verletzung
der Statuten und der ihm gegebenen Vollmacht war auch nicht etwa durch
die Umstände entschuldigt ;r nichts nötigte den Kläger zu diesem Vorgehen,
er hätte vielmehr sehr gut dem Verwaltungsrat Anträge Über Gründung einer
Filiale stellen können. Dass der Kläger dagegen dem Verwaltungsrate
und der Gesellschaft die Thatsache der Gründung verheimlichthabe,
wird von der Vorinstanz als nicht erwiesen angenommen,.und dem ist
beizutreten. Abgesehen davon, dass unverständlich ware, weshalb der Klager
diese Verheimlichung vorgenommen hätte, ist, bei der Natur der Beklagten
als einer aus wenigen Personen bestehenden Familienaktiengesellschaft
ganz klar, dass alle Mitglieder von den Vorgängen in der Gesellschaft,
und namentlich auch von der Reise des Klägers Kenntnis haben mussten;
und nun liegt es auf der Hand, dass nach seiner Rückkehr von dein Erfolge
seiner Reise gesprochen wurde, Dazu kommt, dass nach den thatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz, an welche, da sie weder aktenwidrig sind,
noch bundesgesetzliche Bestimmungen über Beweiswürdigung verletzen,
das Bundesgericht gebunden ist die Korrespondenz mit Rowbottom nicht
verheimlicht wurde und die Geldsendungen an ihn nicht verborgen
bleiben konnten. Treffen-. diese Umstände schon für eine Kenntnis der
Gesellschaftsmitglieders zu, so jedenfalls in verstärktem Masse für eine
solche des Verwaltungsrates. Ganz klar ist bei der eigenartigen Zusammen--

·"850 Civilrechtspflege.

setzung des Verwaltungsrates, dass neben dem Kläger sein Bruder Kenntnis
von den Vorgängen hatte. Allein auch der Verwaltungsratspräsident musste
nach den Feststellungen der Voriniianz darüber unterrichtet sein. Jst
sonach dieser zweite Vorwurf ungerechtfertigt, so würde nichtsdestoweniger
jener erste, berechtigte, zur Abberufung des Klägers ohne Schadenersatz
genügen. Allein mit der Vorinstanz ist zu sagen, dass die Beklagte auf
die ihr aus dieser Pflichtverletzung entspringenden Rechte verzichtet hat,
und zwar durch die Dechargeerteilung vom 13. Juni 1896. Vorerst ist nach
Lage der Akten, insbesondere nach den Protokollen des Verwaltungsrates
vom 4. Mai und der Generalversammlung vom 13. Juni 1896, sowie nach
dem oben Ausgeführten ganz klar, fdass der Gesellschaft die begangene
Kompetenzüberschreitung des Klägers bekannt war. Unter diesen Umständen
aber liegt in der Dechargeerteilung ein Verzicht auf allsällige der
Beklagten aus jener Übertretung erwachsenen Rechte. Denn die Decharge
enthält einmal die Zustimmung zu der Geschäftsführung namentlich zu der
Rechnungslegung, sodann die Entlastung der Organe der Geschäftsführung
und damit einen Verzicht aus alle der Gesellschaft hieraus zustehenden
Rechte (vgl. Kaiser, die civilrechtliche Haftung des Vorstandes und
Aufsichtsrates der Aktiengesellschaften und Genossenschaften, S. 68). Dass
die Direktion zu den Organente der Gesellschaft gehört, ist in casu schon
im Hinblick auf § 5 der Statuten zweifellos. Im weitern aber gilt auch
hier das oben in Erwägung 4 ausgeführte.

6. (Jn dieser Erwägung werden die weitern von der Beklagten behaupteten
Pflichtverletzungen des Klägers teils als nicht erwiesen, teils als
gänzlich unerheblich bezeichnet.)

7. Danach erscheint der Schadenersatzanfpruch des Klägers im Prinzipe
als begründet Das Quantitativ desselben richtet sich gemäss konstanter
bundesgerirhtlicher Praxis nach Art. 116 D.M., und beträgt das Interesse
des Klägers an der Erfüllung des Dienstvertrages-, abzüglich derjenigen
Auslagen, die ihm durch die Auflösung des Vertrages erspart werden,
und desjenigen Gewinnes, den er aus dem Freiwerden seiner Arbeitskraft
bei gehöriger Verwendung derselben erzielen konnte. Diese Faktoren
sind von der Vorinstanz in ausgiebigem Masse berücksichtigt worden,
so dassV. Obligationenrecht. N° 41. 351

ein Rechtsirrtum dem angefochtenen Urteile in dieser Hinsicht
nicht zu Grunde liegt. Sodann zieht die Vorinstanz zur Reduktion des
Entschädigungsanspruches des Klägers weiterhin sein Mitverschulden an
der Entlassung in Betracht, das sie in der eigenmächtigen Anstellung des
Rowboitom findet. Nun ist allerdings richtig, dass das Mitverschulden des
Klägers auch bei Schadenersatzklagen aus Vertrag zu berücksichtigen ist;
allein es könnte doch fraglich erscheinen, ob dieser Faktor hier noch
geltend gemacht werden dürfe, nachdem ausgesprochen ist, dass die Beklagte
auf alle Rechte aus jener Pflichtverletzung verzichtet habe. Wie dem
indessen auch sein mag, so erscheint die von der Vorinstanz vorgenomniene
und ihrem freien Ermessen eutspringende Festsetzung der Entschädigung
auf einen Jahresgehalt keineswegs rechtsirrtümlich oder unangemessen;
insbesondere sind dabei die für eine Reduktion sprechenden Umstände,
um welche es sich heute einzig handeln kann, genügend gewürdigt. Danach
stellt sich die Rechnung mit der Voriustanz folgendermassen: Nach
seiner Darstellung schuldet der Kläger an die Beklagte, bei Gutschrift
eines Vierteljahrssalärs per 31. März 1897 noch 625 Fr. 35 Età.; diese
fallen von dem Gehalt für das restierende Dreivierteljahr, im Betrage
von 6750 Fr., in Abzug, so dass eine Forderung des Klägers von 6124.L
Fr. 65 Ets. verbleibt. Die verlangten Verzugszinsen, die nicht speziell
bestritten worden sind, sind seit der Fälligkeit des Salärs, 1. Januar
1897, gutzuheissen. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des
Kantons Zürich vom 9. Dezember 1898 in allen Teilen bestätigt.

xxv, 2. 1899 23
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 342
Datum : 04. Mai 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 342
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 342 cirilrechtsptlege. 41. Urteil vom 4. Mai 1899 in Sachen Aktiengesellschaft der


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • verwaltungsrat • vorinstanz • stelle • aktiengesellschaft • reis • kenntnis • amerika • bundesgericht • verhalten • nordamerika • mass • richtigkeit • unternehmung • dauer • brief • schadenersatz • zahl • bewilligung oder genehmigung • zins
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