178 Civilrechispflege.

V. Schuldbetreibung und Konkurs. Poursuites pour dettes et faillite.

24. Urteil vom 3. März 1899 in Sachen Konkursmasse Schneider gegen
Aargauische Bank und Konsorten.

Anfechtangsklage. Art. 287 Ziff. S.,
Art. 288 ee. 290 Bene.-Ges. Zahiemg eine? nicht
verfiel-MeereSCM/,Eid? Kontokorrentverhehe. Eimer-ZulässAbsicht des
Sehffldnessrs; Kenntnis des

begù'sinstigten Gläubigers .? Klage gegen die Kontokom'e-nt--

(Jürgen, bösgläubige Dritte ?;

A. Durch Urteil vom 2. Dezember 1898 hat das Obergericht des Kautons
Aargau erkannt:

1. Die Klägerin und die unter 2-5 der Klage genannten Beklagten sind
mit ihren Appellationsbegehren abgewiesen

')

8. Wenn die sub 2 5 bezeichneten Beklagten die Einzahlung an die
Konkursmasse geleistet haben, so ist die Forderung der aargauischen Bank
zu ihren Gunsten in die V. Klasse des Konkurses über Samuel Schneider,
Säger, aufzunehmen, alles im Sinne von Erwägung 3 dieses Urteils.

B. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als die Beklagten 2
5 die Berufung an das Bundesgericht erklärt Die Klägerin beantragt, es
sei in Abänderung des Urteils der Klageschluss vollständig, also auch
gegenüber der Aargauischen Bank, gutzuheissen, und dieselbe mit den
Bia-gen, eventuell allein, zurRückerstattung der eingeklagien Beträge
anzuhalten. Die Beilagten 2 5 verlangen dagegen, dass die Klage der
Konkursmasse auch ihnen gegenüber abgewiesen werde.

C. In der heutigen Hauptverhandlung vor Bundesgericht beantragt Fürsprech
Schulthess namens der Klägerin die Gutheissung ihrer Berufung und
Verwerfung derjenigen der Beklagten 2-5. Fürsprech Jsler beantragt namens
der Aargauischen Bank Verwersung der klägerischen Berufung, und namens der
Beklagten 2 5 Gutheissung der Berufung dieser letztern.V. Schuldbeireibung
und Knnkurs. N° %. 179

ibn; Bundesgericht zieht in (Erwiigung:

. Samuel Schneider, Säger in Len bur , lie i ' ' zemberf1896 von der
Aargauischen Bang ing AatktufgiitmderDeer schon früher in Geldverkehr
gestanden hatte) gegen Bürgschaft einen Kredit in laufender Rechnung von
ZOsiOOO Fr. eröffnen Die Bürgschaft wurde geleistet durch die drei Brüder
des Kredit; nehmers, Rudolf, Johann und Johann Jakob Schneider sowie
Jakob Schürch (den Schwiegervater Rudolf Schneiders) indem sich. diese
verpflichteten, für die aus dem Kontokorrentverkehr entspringende
jeweilige Forderung der Aargauischen Bank zudem angegebenen Betrage nebst
Zinsen, Provisionen und Kosten solidarisch als Bürgen und Selbstzahler
zu haften. Am 18. Oktober 1897 fiel Samuel Schneider, nachdem er im
Juni gl. J. sein Geschäft an eine Aktiengesellschaft verkauft hatte, in
Konkurs. Während der Kontokorrent ' mit der Aargauischen Bank am 30. Juni
1897 mit einem Saldo zu Lasten Schneider-s von 30,724 Fr. abgeschlossen
hatte, betrug dieser Saldo im Zeitpunkt des Konkursausbruchs nur
noch 4789 Fr. Schneider hatte inzwischen in zwei Malen erhebliche
Einzahlungen gemacht am 5. Jan 20,000 Fr. und am 3. August 15,000 Fr
mogegen hinwiederum die Bank im Juli und sodann noch am 13. August
verschiedene Zahlungen im Gesamtbetrage von 8894 Fr. 15 Cis. für ihn
leistete. Am 24. Juli 1897 hatte der Bürge Schürch der Aargauischen
Bank seine Bürgschast für S. Schneider aufgekündigt Die Bank lehnte
die Aufkündigung zwar ab, erklärte sich jedoch eventuell zur Annahme
eines Ersatzbürgen bereit, und forderte den S. Schneider am 26. Juli zur
Stellung eines solchen binnen 10 Tagen auf. Am 30. Juli ersuchte Schneider
die Aargauische Bank um Zustellung ihrer Abrechnung, mit der Bemerkung,
dass er infolge Verlaufs seiner Liegenschaften an eine Aktiengesellschaft
den eröffneten Kredit nächster Tage vollständig ahbezahlen werde. Da
jedoch Schneider den verlangten Ersatzburgen nicht stellte, und auch die
in Aussicht gestellte gänzliche Liquidation des Kredites nicht erfolgte,
kündete die Aargauische Bank am S. August 1897 das Kreditverhältnis.

_ 2. Am 8. Januar 1898 beschloss eine ausserordentliche
Gläubigerversammlung im Konkurse des S. Schneider, es sei gegen die
Aargauische Bank und eventuell gegen die Burgen auf Rück-

180 Civilrechtspflege.

ersatz derjenigen Summen zu klagen, die sie durch die unterm 5. Juli
und Z. August 1897 vom Gemeinschuldner gemachten Einzahlungen mehr
erhalten habe, als sie vom 5. Juli bis 13. August für denselben Zahlungen
leistete. Die Konkursverwaltung stellte hieran namensder Konkursmasse
gegen die Aargauische Bank und die genannten Bürgen beim Bezirksgericht
Lenzburg das Rechts-begehren :

1. Es haben die Beklagten anzuerkennen, dass die Zahlungen des
Gemeinschuldners an die Aargauische Bank, (1. d. 5. Juli 1897 im
Nettobetrage von 11,105 Fr. 85 CLE. und d. d. 3. August 1897 im Betrage
von 15,000 Fr. anfechtbar seien.

2. Die Beklagten seien zu verurteilen, unter solidarisch-er Haftbarkeit
diese Beträge mit Zins zu 5 0/0 vom 5. Juli bezw. & August 1897, eventuell
vom Tage der Klage hinweg, in die

Konkursmasse des S. Schneider einzubezahlen.

' 3. Eventuell seien diese Beträge von der Aargauischen Bank,
eventualissime von den beklagten Bürgen unter solidarischer Haftbarkeit
zu bezahlen.

Sie stützte diese Klage auf Art. 287 Biff. 3 und 288 des Bundesgesetzes
über Schuldbetreibung und Konkurs, indem sie behauptete: Als Schneider
der Aargauischen Bank die in Rede stehenden Zahlungen gemacht habe,
sei er gewaltig überschuldet gewesen. Aus dem Verkauf des Geschäftes
im Juni 1897 haben für ihn zwar 66,062 Fr. 60 Cis-. resultiert, die ihm
baar ausbezahlt worden seien, allein in jenem Zeitpunkt habe er ausser
der privilegierten Frauengutshälste von 11,169 Fr. 90 Cis. ungefähr
122,347 Fr. 90 Kurrentschulden gehabt, so dass für diese-, nach
Abzug der Frauengutshälfte, kaum noch 45 0/o verblieben seien. Da
seine Schuld bei der Aargauischen Bank im Momente jener Zahlungen
nicht fällig gewesen sei, liege somit der in Art. 287 Biff. 3 des
Schuldbetreibungs und Konkursgesetzes vorgesehene Fall vor. Überdies
treffe der Anfechtungsgrund des am. 288 des gleichen Gesetzes zu. Nach
der Veräusserung seines Geschäftes habe Schneider seine Vermögens-lage
genau gekannt. Die Zahlungen an Gläubiger, denen seine Verwandten
als Bürgen hafteten, seien in der Absicht erfolgt, diese Gläubiger
bezw. die Bürgen auf Kosten der übrigen Gläubiger zu begünstigen, und
diese rechtswidrige Absicht sei dem andern Teile erkennbar gewesen;
die Zah- V, Schuidbetreibung und Konkurs. N° %. 181

langen seien sogar auf das Drängen der Bürgeu hin gemacht worden.

'S. Was zunächst die Klage gegen die Aargauische Bank anbetrifftf
so ist zu bemerken: Es ist durch die Vorinstanz in unanfechtbar-er
Weise festgestellt, und übrigens auch gar nicht bestritten dass der
Gemeinschuldner zur Zeit, als er die beiden Einzahlun: gen von Z0,000
Fr. und von 15,000 Fr. machte, überschuldet war und da diese Zahlungen
innerhalb der letzten 6 Monate vor der Konkurseröffnnng erfolgt find,
findet der von der Klägerin in erster Linie angerufene Art. 287 des
Schuldbetreibungs und Konkursgesetzes in der That Anwendung, sofern
in denselben eine der daselbst näher bezeichneten Rechtshandlungen
zu erblicken ist Dabei kann es sich einzig fragen, ob die in
Ziffer 3 genannte Rechtshandlung, nämlich die Zahlung einer nicht
verfallenen Schuld, hier vorliege. Dies ist jedoch zu verneinen. Wie
nicht bestritten isi, hatte die Aargauische Bank dem S. Schneider den
Kredit von 30,000 Fr. in Form eines Kontokorrentvertrages in laufender
Rechnung, eröffnet, unb es hat sich auch thatsächlich der beidseitige
Geldverkehr in dieser Form abgewickelt. Nun besteht aber das Wesen
des Kontoforrentderhàltnisses darin, dass erst der durch periodischen
Rechnungsabschluss zu ermittelnde Saldo die Forderung des einen oder
des andern Teils bildet, die gegenseiti-

gen Leistungen also, so lange die Rechnung läuft, zunächst weder

eine SchJIld noch eine Forderung, sondern blosse Rechnungsposten
d. h. blose arithmetische Faktoren für das Schlussergebnis begrün:
dein-(Siehe auch Goldschmidt, System, § 111; Grünhut, in Zeitschr-. für
Privatund öffentl. Recht, Bd. III, S. 505 und Levi, Kontokorrentvertrag,
S. 104.) Die Einlieferung eines Geldbetrages während der Rechnungsperiode
tilgt demnach ebensowenig eine Schuld, bedeutet ebensowenig Zahlung
im Rechtssinne alè} die Empfangnahme dem andern Teile eine Forderung
schafft: Sind daher die beiden Einzahlungen von 20,000 Fr. und 10,0()0
Fr. alsin laufende Rechnung geleistet zu betrachten, so kann davon,
dass sie unter die in Ziffer 3 von Art. 287 Schuldbetreibungs und
Konkursgesetz genannten Rechtshandlungen fallen, nicht die Rede sein,
indem sie sich eben überhaupt nicht als Zahlung einer Schuld darstellen
Dass aber jene Einzahlungen wirklich in den Koniokorrent gemacht worden
sind, unterliegt kei-

182 Civilrechtspflege.

nem Zweifel Das Kontokorrentverhältnis war zu der Beit, als dieselben
erfolgten, von keiner Seite gekündetz nachdem am 30. Juni 1897 eine
Abrechnung stattgefunden hatte, wurde das Verhältnis durch Übertragung
des Saldos aus neue Rechnung fortgesetzt, und eine weitere Abrechnung
hatte nicht stattgefunden Und da ferner bei den beiden anderen Zahlungen
nichts bedungen war, muss davon ausgegangen werden, dass dieselben
nach der Meinung der Parteien gleich wie die übrigen während der Dauer
des Kontokorrentverhältnisses von Schneider an die Aargauische Bank
geleisteten Zahlungen in den Kontokorrentnexus ausgenommen, und demnach
lediglich als Faktoren für die dereinstige Saldoberechnung behandelt
werden sollten. Aus dem Umstande, dass Schneider am 28. Juli die
Einzahlung von 20,000 Fr. als eine grössere Zahlung der Bank angekündigt
hatte, kann ebensowenig auf eine abweichende Vereinbarung geschlossen
werden, wie dai-aus, dass er am 30. Juli 1897, bevor er die 15,000
Fr. einbezahlte, die vollständige Abzahlung des Kredites in Aussicht
stellte. Entscheidend ist, dass auch bei dieser letzten Zahlung die
Rechnung thatsächlich noch nicht abgeschlossen war, sondern weiter lief,
so dass auch diese Zahlungen, wie die früheren, da sie nicht ausdrücklich
zu einem besonderen Zwecke, insbesondere nicht zum Zwecke der Tilgung und
Ausscheidung bestimmter Kontokorrentposten gemacht wurde, die Erfüllung
der durch das Kontokorrentverhältnis begründeten gegenseitige-U
Obligationen in suspenso liess. Wenn thatsächlich die Einzahlungen
Schneiders zwar dessen Guthaben aus dem Kontokorrent vermehrten, so
bewirkten sie doch, so lange die Rechnung nicht abgeschlossen war, in
keiner Weise eine Schuldentilgung, wie sie denn auch jederzeit durch
Bezüge paralysiert werden konnten, soweit Schneider infolge derselben
gegenüber dem Betrage des gewährten Kredites im Vorschusse war.

4. Es kann sich daher nur fragen, ob die genannten Zahlungen aus
dem allgemeinen Gesichtspunkte des Art. 288 des Schuldbetreibungs
und Konkursgesetzes, d. h. deshalb der Aufechtung unterliegen, weil
der Gemeinschuldner sie in der, dem andern Teile erkennbaren Absicht
vorgenommen habe, seine Gläubiger zu benachteiligen, oder einzelne
Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. Die Absicht der
Benachteiligung bezw. derV. Schuldhetreihung und Konkurs. N° 24. 183

Begünstigung einzelner zum Nachteil anderer, ist gemäss der
konstanten Praxis des Bundesgerichts (ng. Antil. Samml, Bd. XXI S. 1277
Erw. 6.) schon dann anzunehmen, wenn die Begünsti: gungwbezw Schädigung
vom Schuldner überhaupt als die natürliche Folge seiner Rechtshandlung
vorausgesehen werden konnte so dass es zur Anwendung von Art. 288
cit. eines besonderen Nachweises, dass dieser Erfolg gerade den Zweck
des Rechtsgeschaftes gebildet habe, nicht bedarf. Nach den aktenmässigen
thatsachlichen Feststellungen der Vorinstanz besteht nun kein Zweisel,
dass der Gemeinschuldner vollständig darüber im Klaren war dass die
angefochtenen Rechtshandlungen eine Begünstigung einzel: ner seiner
Gläubiger enthalten und zum Nachteil der übrigen ausschlagen werden, Denn
nach seiner eigenen Darstellung vor Temankursamt war er sich beim Verkauf
seines Geschäftes im cZum 1897 vollständig bewusst, dass er finanziell
nicht gut stehe und dass auchvder durch den Verkauf erzielte Erlös nicht
langeIf um aus der Ueberschuldung herauszukommen. Wenn er sodann diesen
Erlös-, wie es thatsächlich geschehen ist, einesteils zur Sicherung
des Frauengutes und der Forderung eines einzelnen Gläubigers (Burkhard)
und anderseits zu Einzahlungen in den Kontokorrent bei der Aargauischen
Bank verwendete, für dessen Passtvsaldo sich seine Brüder nebst einem
entfernteren Verwandten verburgt hatten, so liegt auf der Hand, dass
es ihm gerade darum zu thun war, diesen Erlös dem allgemeinen Zugriff
der Gläubiger zu entziehen, um damit einzelne Bevorzugte unter ihnen
moglichst vor Verlust bewahren zu können. Dass jedoch der Aargauischen
Bank bei der Entgegennahme der beiden Einzahlungen vom Juli und August
1897 diese Absicht ihres Kunden bekannt gewesen sei, ist unerwiesen,
und es lässt sich auch nicht sagen

dass die Bank bei der in dieser Richtung von ihr zu erwartenden
Aufmerksamkeit dieselbe hätte erkennen können. Eine besondere
Veranlassung, sich im eigenen Interesse über die finanziellen Verhaltntsse
Schneiders stets genau auf dem Laufenden zu erhalten, hatte sie nicht,
da sie für den ihm gewährten Kredit durch die PML-Wait, wie nicht
bestritten ist, hinlänglich gedeckt war; und un Interesse alljällig
gefährdeter dritter Gläubiger brauchte sie,

solange dasjenige, was ihr über seine Verhältnisse wirklich bekannt

man, keinen begründeten Anlass zu Verdacht gab, besondere Erkan-

184 civjlrechisptlege.

digungen nicht einzuziehen Die Thatsachen, welche die Klägerin zum
Beweise dafür angerufen hat, dass der Aargauischen Bank die fraudulöse
Absicht erkennbar gewesen sei, sind nun aber durchaus nicht derart,
dass die Bank aus den fraglichen Einzahlungen hätte Verdacht schöpfen
müssen. Die Vorinstanz hat in dieser Beziehung richtig ausgeführt,
dass die Aargauische Bank weder aus den Informationen, welche sie Über
Schneider eingezogen hatte, noch aus der Thatsache, dass derselbe im
Juni 1897 sein Sägereigeschäst an eine Aktiengesellschaft verkauft
hatte, ans eine Überschuldung Schneiders schliessen musste, dass
gegenteils die Anstellung Schneiders bei dieser Aktiengesellschaft
als Leiter der Sägerei geeignet war, Vertrauen zu erwecken, und dass
es endlich der Bank nur natürlich erscheinen musste, wenn Schneider,
nachdem er sein Geschäft, und zwar günstig, verkauft hatte, nunmehr
an die Liquidation des Kontokorrentes ging und zu diesem Behufe aus
dem Erlöse erhebliche Einzahlungen leistete. Auch die Auskündignng der
Bürgschaft seitens eines der Bürgen, war nicht geeignet, der Bank den
Verdacht nahe zu legen, dass ihr Kunde überschnldet sei und damit umgehe,
einzelne seiner Gläubiger zum Nachteil der andern zu begünstigen,
vielmehr musste gerade diese Aufkündigung und die damit verbundene
Notwendigkeit, um das Kreditverhältnis fortzusetzen, einen Ersatzbürgen
aufzubringen, als eine weitere durchaus natürliche Ursache erscheinen,
warum Schneider bestrebt war, seine Rechnung zu begleichen. Der Nachweis,
dass der Aargauischen Bank die fraudulöse Absicht des Gemeinschuldners
bei Vornahme der angefochtenen Rechtshandlungen bekannt gewesen sei,
muss hiernach mit der Vorinstanz als misslungen bezeichnet werden,
weshalb die Anfechtungsklage ihr gegenüber abzuweisen ist. '

5. Gegenüber den Bürgen hat die Vorinstanz die Klage gurgeheissen, indem
sie sich auf den Standpunkt stellte, dass dieselben als bösgläubige Dritte
im Sinne des Art. 290 Schuldbetreibungs und Konkursgesetz zu behandeln
seien, und deshalb mit der Anfechtungsklage belangt werden können,
obschon sie das ansechtbare Rechtsgeschäst mit dem Schuldner nicht
selbst abgeschlossen haben. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten
werden. Wenn Art. 290 cit. bestimmt, die Ansechtungsklage könne gegen
diejenigen Perso-V. Schuldbetreibung und Konkurs. N° %. 185

nen angestellt "werden, die mit dem Schuldner die ausechtbaren
Rechtsgeschäfte abgeschlossen haben, oder von ihm in anfechtbarer Weise
befriedigt worden sind, gegen ihre Erben und gegen bösgläubige Dritte,
so unterliegt keinem Zweifel, dass unter diesen Dritten einfach die
Singularfuccesforen des Anfechtungsgegners gemeint sind, die gleich
den Universalsuceessoren desselben von der Klage erreicht werden,
sofern ihr Rechtserrverb in bösem Glauben erfolgt war. Nun ist zwar
richtig, dass die beklagten Burgen infolge der Einzahlungen, welche
der Gemeinschuldner in seinen Kontokorrent bei der Aargauischen Bank
gemacht hat, einen Vorteil erlangt haben, indem ihre Verpflichtungen als
Burgen in dem Masse als diese Einzahlungen reichten, und nicht wieder
durch Bezüge wettgemacht wurden, gegenstandslos geworden sind. Allein
diesen Vorteil haben sie nicht durch Sueeession in die Rechte der
Aargauischen Bank,d. h. desjenigen Rechtsfubjektes, mit welchem
das angefochtene Rechtsgeschäft abgeschlossen worden ist, erlangt,
sondern derselbe war lediglich die Folge der accessorischen Natur jener
Verpflichtung Der von der Vorinstanz für die Passivlegitimation der
beklagten Bürgen angeführte Grund trifft demnach nicht zu. Damit ist
freilich die Möglichkeit der Anstellung einer Anfechtungsklage ihnen
gegenüber nicht von vornherein ausgeschlossen. Wenn festgestellt wäre,
dass die Leistung der Einzahlungen an die Aargauische Bank auf einer
Verabredung zwischen den Bürgen und dem Gemeinschuldner beruhte, dass
dieser den Kontokorrent nach Kräften solle auszugleichen suchen, um die
Bürgschaft gegenstandslos zu machen, oder wenigstens zu erleichtern, der
Gemeinschuldner also sich den Bürgen gegenüber zu jenen Einzahlungen und
zur Unterlassung weiterer Bezüge verpflichtet hätte, so würden offenbar
diese Bürgen die Rechtmässigkeit jener Einzahlungen nach Massgabe der
Grundsätze über die paullianische Klage zu vertreten haben, indem sie sich
alsdann als Erfüllung einer zwischen dem Gemeinschnldner und ihnen selbst
abgeschlossenen Rechtshandlung darstellen würden. Dieser Thatbestand
liegt jedoch nach den Akten in den für das Bundesgericht verbindlichen
thatsäch[When Feststellungen der Borinstanz nicht erweislich vor. Die
Vorinstanz beschränkt sich in der Hauptsache darauf, zu konstatieren,
dass die beklagten Bürgen von der Absicht des Gemeinschuld:

186 Civilrechtspflege.

ners, sie durch die angefochtenen Einzahlungen an die Aargauische
Bank zu begünstigen, Kenntnis gehabt haben oder wenigstens bei einiger
Aufmerksamkeit diese sraudulöse Absicht haben erkennen können. Daneben
führt sie allerdings aus, wenn der Bürge Schürch-Marti an der
Gläubigerversammlung erklärt habe, man habe gedacht, es sei am Platze,
dass S. Schneider vom Erlös aus dem Verkauf seines Geschäftes an die
Forderung der Aargauischen Bank Zahlung leiste, so werde man ohne fehl
zu gehen, sagen müssen, dass dieser Gedanke auch dem Schuldner geäussert
und dieser von den mit Verlust bedrohten Bürgen ersucht worden sei, den
von ihnen verbürgten Kredit ans jenem Erlös in erster Linie zu tilgen
und sie vor Verlust zu schützen. Allein diese Ausführung kann doch
nur in dem Sinne verstanden werden, dass der Vorinstanz, mit Rücksicht
auf die Erklärungen Schürchs, eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür zu
sprechen scheint, dass sowohl Schürch als auch die andern Biirgen den
Gemeinschuldner zur Leistung jener Einzahlungen veranlasst haben. Denn
einerseits ist klar, dass die bezeichneten allgemeinen Erklärungen
Schürchs einen direkten Beweis für die letztere Annahme nicht bilden,
sondern in dieser Richtung bloss eine Vermutung begründen, und anderseits
ist umsoweniger anzunehmen, dass dieselbe als Feststellung eines
Beweisergebnisses im Sinne von Art. 81 des OrganisationsGefetzes gemeint
gewesen sei, als eine solche Feststellung von dem von der Vorinstanz
eingenommenen rechtlichen Standpunkt aus überhaupt nicht notwendig
war. Kann daher nicht als feststehend angenommen werden, dass sich die
beklagten Bürgen bei der in Frage stehenden Begünstigungshandlung des
Gemeinschnldners wirklich beteiligt haben, so muss die Anfechtungsklage
ihnen gegenüber ebenfalls abgewiesen werden Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:

Die Berufung der klägerischen Konkursmasse wird abgewiesen, dagegen
die Berufung der beklagten Bürgen gutgeheissen und demgemäss die Klage
der Masse gegenüber allen Beklagten abgewiesen.Vl. Organisation der
Bundesrechtspflege. N° 25. 187

VI. Organisation der Bundesrechtspflege.

Organisation judiciaire fédérale.

25. Urteil vom 25. Januar 1899 in Sachen Müller gegen Ebersold.

Art. 58 Org.-Ges. : Haupturieil. Gegen Entscheide über die
Emeque'efrbarkeit einer Forderung ist die Berufung nicht statthaft.
Air-;. 85 Bem-Ges.

Durch Urteil des Appellationsund Kassationshofes des Kantons Bern
vom 11. Juni 1897 war Friedrich Ebersold, Redaktor und Verleger des
Jntelligenzblattes in Bern, verurteilt worden, dem Dr. Franz Müller
in Frankfurt a. M. für geleistete Anzahlungen einen Betrag von 9045
Fr. zurückzuerstatten ze. Durch Entscheidung des Bundesgerichts vom
10. Dezember 1897 wurde dieses Urteil mit der Massgabe bestätigt, dass die
Klagesumme vom Tage der Klage hinweg zu verzinsen sei ze. (Koften). Müller
leitete

' nunmehr für die ihm zugefprochenen Beträge Betreibung ein, Eber-

sold erhob indes Rechtsvorschlag mit der Begründung: Die Forderungen
seien durch Gegenleistungen gemäss Notifikation des Ebersold an
Müller getilgt; zudem seien dieselben noch gepfändet und es sei dem
Ebersold untersagt, an Müller Zahlung zu leisten. Müller verlangte und
erwirkte nun definitive Rechtsöfsnung und setzte die Betreibung bis zum
Konkursbegehren fort. Daraufhin deponierte Ebersold die geforderte Summe
beim Richeramte Bern und stellte, indem er gleichzeitig um provisorische
Sistierung der Betreibung nachsuchte, bei der genannten Gerichts-stelle
das Rechtsbegehren: Es sei die von Dr. Franz Müller gegen Friedrich
Ebersold gestützt auf Urteil vom 10. Dezember 1897 eingeleitete Betreibung
für den Hauptbetrag von 9045 Fr. samt Zins seit 24. Dezember 1894 und
Prozesskosten von 950 Fr, nebst Verzugszins en und Betreibungskosten,
welche Beträge am 26. Februar und is. März 1898 beim Richteramt Bern
deponiert wurden, aufzuheben Zur Begründung dieses Rechtsbegehrens führte
Ebersold im wesentlichen aus: Witwe
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 178
Datum : 03. März 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 178
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 178 Civilrechispflege. V. Schuldbetreibung und Konkurs. Poursuites pour dettes et


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aargau • schneider • beklagter • vorinstanz • bundesgericht • kontokorrent • konkursmasse • anfechtungsklage • tag • aktiengesellschaft • schuldner • vorteil • frage • burg • verdacht • kenntnis • zins • rechtsbegehren • dauer • richtigkeit
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