126 Civih'echtspfiege.

Prämienzahlungen. Hieraus folgt, dass die Beklagte den gesamten Betrag
der vom Kläger empfangenen Prämien als Bereicherung herauszugeben hat,
und zwar mit Zins und Zinseszins bis zum Zeitpunkt der Klageanhebungz
denn bei der Natur ihres Geschäftes

ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die eingegangenen Prä.

mien zinsbar angelegt worden seien, und die Beklagte hat auch nicht
behauptet, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Die vom

Tage der Klageanhebung an geforderten Zinse stellen sich rechtlich _ssss

als Prozesszinsen dar; von diesen letztern sind keine Zinsen zu
entrichten, und ist daher das angefochtene Urteil insoweit abzuändern,
als von den seit der Klageerhebung einbezahlten Prämien nicht nur Zins,
sondern auch Zinseszins verlangt wird.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Beklagten wird in der Hauptsache als unbegründet
abgewiesen, und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Solothurn
bestätigt, mit der Abänderung, dass Zinseszinse für die seit der Anhebung
der Klage bezahlten Prämien nicht zugesprochen werden.

18. Urteil vom 25. März 1899 in Sachen Dreyfus Söhne & (Sie. und Genossen
gegen Schweizerischer Bankverein.

Einräwnungf von Gründervawechten bei Konstiéuierung
einer Aktiengesellschaft. Fusion dieser Gesellschaft mit andern
Geseääschafien; wie weit werden die Vorreche'e der Gründe?" dadurch
berührt.? Anwendung eidgenössischenläechtes .? Rechtliche Natur der
Fusion von Aktiengesellschaféen. Art. 669 ().-R.

A. Durch Urteil vom 5. Dezember 1898 hat das Appellationsgericht
des Kantons Baselftadt erkannt: Es wird das erstinstanzliche Urteil
bestätigt.IH. ()hligationnrecht. N° 18. 127

Das erstinstanzliche Urteil lautet:

L Jst das Rechtsbegehren Nr. i in dem Sinne gutgeheissen, dass
festgestellt wird, dass der Beklagte gehalten ist, den Klägern nach
Massgabe ihrer ersten Zeichnungen ein privilegiertes Bezugsrecht an
3M derjenigen Aktienemissionen einzuräumen, die er zwischen 70 und 116
Millionen 666,500 Franken ausschreiben wird.

II. Rechtsbegehren Nr. 2 ist gutgeheissen und demnach der Beschluss
der Generalversammlung vom 19. April 1898 kassiert, soweit er die im
Rechtsbegehren 1 gutgeheissenen Rechte der Kläger verletzt.

III. Rechts-begehren 3 ist als unbegründet abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil hat Advokat Dr. Sulger namens der Kläger
Dreyfus Söhne & Cie., Riggenbach & Cie. und Witwe Cecile Stehlin-Merian
rechtzeitig und in richtiger Form die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen, mit den Anträgen:

I. Dispositiv I des angefochtenen Urteils sei insofern als zu Recht
bestehend anzuerkenner als die Vorinstanz über die unter der Herrschaft
des kantonalen Rechtes erfolgte Begründung eines nicht einseitig
widerruflichen und nicht an die Person der ersten Berechtigten geknüpften
Bezugsrechtes der ersten Aktienzeichner endgültig abgeurteilt hat.

Dagegen sei Dispositiv I insofern aufzuheben, als dasselbe eine
Beschränkung dieses Bezugsrechtes auf 3744 derjenigen Aktienemissionen,
die der Beklagte zwischen 70 und 116 Millionen 866,500 Franken
ausschreiben wird ausspricht

Es sei demnach zu erkennen:

Es wird festgestellt, dass die beklagte Gesellschaft verpflichtet ist,
bei ihren Aktienemissionen bis zur Höhe von 50 Millionen Franken
den Rekurrenten diejenige Anzahl von Aktien zu reservieren, auf
welche dieselben aus Grund des in g Z Absatz 4 und 5 der Statuten des
Basler Bankvereins vom 12/24. Februar 1872 den Zeichnern der Aktien
erster Emission zugesicherten Rechtes nach Massgabe ihrer, resp. ihrer
Rechtsvorgänger Beteiligung an der Zeichnung der Aktien erster Emission
Anspruch erheben können.

II. Dis-positiv II sei in dem Sinne zu bestätigen, dass die Beschlüsse
der Generalversammlung des Schweizerischen Bankvereins

128 Civilrechtspflege.

vom 19. April 1898, soweit sie die Rechte der Rekurrenteu verletzen,
kassiert sind.

III. Dis-positiv IH sei aufzuheben und das Rechtsbegehren Nr. 3 der
Klage, da die Emission der 5 Millionen trotz Einreichung der Klage von
der beklagten Gesellschaft vollzogen wurde, in dem Sinne begründet zu
erklären, dass den Rekurrenten das Recht gewahrt wird, ihre Ansprüche
wegen der nicht erfolgten Refervierung von 191 Aktien dieser Emission für
die Firma Dreyfus Söhne & Cie., von 208 Aktien für die Firma Riggenbach &
Cie. und von 108 Aktien für Frau Witwe Stehlin-Merian gegen die beklagte
Gesellschaft geltend zu machen.

C. Der Vertreter der Beklagten beantragt in rechtzeitig eingelegter
Eingabe, das Bundesgericht möge sich zur Überprüfung in dieser Streitsache
inkompetent erklären. Eventuell für den Fall, dass sich das Bundesgericht
kompetent erklären sollte, schliesst er sich der Berufung an und stellt
die Anträge:

in erster Linie: es sei das Urteil des Appellationsgerichts vom _"

5. Dezember 1898 gegenüber den Berufungsklägern aufzuheben, und die
Klage der genannten ganz abzuweisen;

in zweiter Linie: es sei den Berufungsklägern gegenüber das Urteil des
Appellationsgerichts zu bestätigen;

in dritter Linie: es sei ihnen gegenüber nach dem zweiten Eventualantrage
der Klagebeantwortung unter 4 zu erkennen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

l. Auf Grund einer Übereinkunft vom 23. November 1871

zwischen Vertretern von Basler Banksirmen und des Frankfurter ,

Bankvereins wurde mit konstituierender Generalversammlung vom 12. Februar
1872 der Basler Bankvereinll gegründet, eine Aktiengesellschaft mit Sitz
und Gerichtsstand zu Basel zum Betrieb aller Arten von Bankgeschäften
sowie industriellen und Bauunternehmungen. Das Grundkapital wurde in den
Statuten auf 50 Millionen Franken, eingeteilt in Aktien von je 500 Fr
festgesetzt, wovon jedoch vorläufig nur 30 Millionen Franken auszugeben
waren. § 3 der Statuten vom 12.j24. Februar 1872 bestimmt in Absatz 3
und 4 weiterhin: Weitere Aktienemissionen bis zum obgedachten Maximum
von 50 Millionen Franken erfolgen auf

Beschluss des Verwaltungsrates in Serien von wenigstens
5III. Ohligationenrecht. N° 18. 129

wMillionen Franken oder 10,000 Aktien. Von den Aktien solcher weitern
Emissionen bleibt zunächst jedesmal die Hälfte den WZetchnern der Aktien
erster Emission nach Verhältnis ihrer Aktienzeichnnng, die andere Hälfte
den jeweiligen Inhabern der fsrihrer ausgegebenen Aktien nach Verhältnis
ihres Aktienbesitzes vreserviert. Die Modalität der Geltendmachung
dieses Rechtes und die für dieselbe festzusetzenden Präklusivfristen
waren vom Verwaltungsrat zu bestimmen. Laut Protokoll vom 12. Juni
1872 verständigten sich die bei der Gründung des Basler Bankvereins
thätigen Schweizersirmen, zu denen sich noch eine Anzahl anderer Firmen
und Personen gesellten, über die Verteilung der von ihnen kollektiv
gezeichneten 20,000 Aktien des Basler Bankvereins. Danach erhielten
auf je 20,000 Aktien Bezugsrecht:

Bischofs zu St. Alban für 2500 Aktien.

Ehinger & (Sie. . . . . . . 2500

Passavaut & Cie. . 2500 Z. Riggenbach . . . . . 2500 von Speyr &
Cie. . . . . . 2500 Jsaak Drehsus Söhne 2300 Em. La Roche Sohn .
1300 E. Lüscher & (Sie. 1300

Frei-Herzog . . . . . . . . 1300 Dr. Karl Stehlin. . . . 1300 ' Jede
Aktie wurde mit 400X0 einbezahlt. Schon Ende 1876 bestand, nachdem man
sich genötigt gesehen hatte, eine Anzahl Aktien aus dem Verkehr zu ziehen,
das einbezahlte Aktienkapital nur noch aus 8 Millionen Franken, eingeteilt
in 40,000 Aktien. Nach den Statuten vom 24. April 1877 bestand das
Grundkapital aus 12 Millionen Franken, eingeteilt in 24,000 Aktien von je
500 Fr.; das den ersten Zeichnern der Aktien des Basler Bankvereins in §
3 Abs. 4 der Statuten vom 12.-24. Februar 1872 zugesicherte Vorrecht blieb
ihnen in diesen neuen Statuten (% 3 Abs. 6) ausdrücklich gewahrt, fans in
der Folgezeit des Grundkapital des Basler Bankvereins über 30 Millionen
Franken erhöht werden foffle. Durch Beschluss der Generalversammlung vom
27. März 1890 wurde das Grundkapital auf 15 Millionen Franken erhöht. Auch
bei dieser Statutenrevision wurde das BeXXV, 2. 1899 9

130 Givilrechtspflege.

zugsvorrecht der Gründer in § 5 beibehalten. Im Jahre 1895 -

kam ein Fusionsvertrag des Basler Bankvereins mit dem Zürcher

Bankverein zu stande, in der Weise, dass letzterer sich auslöste und

seine Aktiven und Passiven an den ersteren übertrug, wofür den Aktionären
des Zürcher Bankvereins neue, zu diesem Behufe kreierte Aktien des Basler
Bankvereins zugeteilt wurden. Der

Basler Bankverein änderte demnach in der Generalversammlung .

vom 27. Dezember 1895 seine Firma ab in Basler und Zürcher Bankverein;
das Grundkapital wurde auf 23 Millionen Franken festgesetzt, wovon 15
Millionen in 30,000 voll einbezahlte Aktien von je 500 Fr. eingeteilt
waren, während die die übrigen 8 Millionen Franken repräsentierenden
Aktien gemäss den Bestimmungen des Fusionsvertrages den Aktionären
des Zürcher Bankvereins zugeteilt wurden. Und im Jahre 1896 fand eine
weitere Fusion

des Basler und Zürcher Bankvereins mit der Schweiz. Unionbank _

in St. Gallen und der Basler Depositenbank zum Schweizerischen Bankverein
statt, wiederum so, dass der Basler und Zürcher Bankverein die Aktiven
und Passiven der beiden andern Gesellschaften, die sich aufgelöst hatten,
gegen Überlassung von Aktien aufnahm. Der Gesellschaftsfitz ist in Basel,
mit Geschäftssitz in Basel, Zürich und St. Gallen. Das Grundkapital soll
laut den Statuten vorn 5. Februar 1897 40 Millionen Franken betragen,
wovon dermalen 35 Millionen ausgegeben werden; 15 Millionen

bilden das voll einbezahlte Grundkapital des früheren Basler '
Bankvereins, die übrigen Aktien den Gegenwert der auf den '

Schweiz. Bankverein übergegangenen Aktiven und Passiven der aufgenommenen
Gesellschaften g 5 der Statuten ermächtigt den Verwaltungsrat, die fünf
noch nicht emittierten Millionen zu denihm gutscheinenden Zeitpunkten
auszugeben Absatz 2 bestimmt sodann: Für die Aktien solcher weiterer
Emifsionen wird jeweilen den dannzumaligen Aktionären des Schweizerischen
Bankvereins ein Vorrecht nach Verhältnis ihres Aktienbesitzes eingeräumt,

soweit nicht Ankaufsoder Fusionsverträge ein solches Vorrecht
ausschliessen, oder dasselbe durch das den ersten Zeichnern der ss Aktien
des Basler Bankvereins in § 3 Abs. 4 und 5 der ur'

sprünglichen Statuten des letzteren vom 12.j"24. Februar 1872

zugesicherte Recht beschränkt wird. Durch Beschluss der General;
:III. Obligationenrecht. N° 18. 131

versammlung vom 19. April 1898 wurde das Grundkapital des Schweiz
Bankvereins auf 50 Millionen Franken erhöht und der Verwaltungsrat
ermächtigt, ausser den 5 Millionen, zu deren Emission er bereits laut den
Statuten von 1897 ermächtigt war, auch die weiteren 10 Millionen Franken
insgesamt oder in Teilbeträgen auszugeben Ferner wurde beschlossen,
es sei für sämtliche neu auszugebende Aktien im Gesamtbetrage von
15 Millionen den jeweiligen Aktionären des Schweiz. Bankvereins das
Vorrecht nach Verhältnis ihres Aktienbesitzes einzuräumen In den gemäss
diesem Beschluss revidierten Statuten wurde der Vorbehalt betreffend die
Vorbezugsrechte der ersten Zeichner weggelassen. Am 14.Juni 1898 erliess
der Verwaltungsrat des Schweiz. Bankvereins eine Publikation betreffend
Ausgabe von 10,000 Aktien zu je 500 Fr, für welche den Inhabern der
alten Aktien, nicht aber den ersten rgeidhnern, ein Bezugsvorrecht
vorbehalten wurde.

2. Mit Schriftfatz vom 17. Juni 1898 erhoben Dreyfus Söhne &: Cie.,
C. Lüscher & (Sie., Passavant & (Sie., Riggenbach & Cie. und Witwe Cecile
Stehlin-Merian, sämtlich Rechtsnachfolger der ersten Zeichner des Basler
Bankvereins, Klage mit verschiedenen Rechts-begehren, von denen heute
noch folgende im Streite liegen:

1. Es sei festzustellen, dass die beklagte Gesellschaft verpflichtet ist,
bei ihren Aktienemissionen bis zur Höhe von 50 Millionen Franken den
Klägern diejenige Anzahl von Aktien zu reservieren, aus welche dieselben
auf Grund des in § 3 Abs. 4 und 5 der Statuten des Basler Bankvereins
vom 12.524. Februar 1872 den Zeichnern der Aktien erster Emission
zugesicherten Rechtes nach Massgabe ihrer, resp. ihrer Rechtsvorgänger
Beteiligung an der Zeichnung der Aktien erster Emission Anspruch
erheben Mumm

2. es sei der Beschluss der Generalversammlung vom 19. April 1898,
soweit er ihre Rechte verletze, zu kassieren;"

3,3. es sei die bereits angeordnete Emission zu sistieren, so lange
Nicht 823 Stück neue Aktien für die Kläger reserviert würden.

Die Klage gründet sich im wesentlichen darauf, dass die Be-

game wirtschaftlich und rechtlich kein anderes Gebilde sei als der asler
Bankverein, was sich daraus ergebe, dass der Basler

132 Gwilrechtspflege. [I]. Obiigationenrecht. N° 18. 133

Bankverein stets die Rolle der aufnehmenden Gesellschaft gespielt habe,
welche die Aktiven und Passiven der andern Gesellschaften übernommen
habe. Hiefür beriefen sich die Kläger auf das Handelsregister und auf
die Thatsache, dass die Beklagte keine Handänderungssteuer für die
Übernahme der Liegenschaften des Basler · Bankvereins, wohl aber für
die der Depositenbank bezahlt habe. Die Beklagte trug auf leweisung des
Klagebegehrens an. Sie stellte sich auf den Standpunkt, sie sei rechtlich
und wirtschaftlich gegenüber dem Basler Bankverein ein neues Gebilde. Jm
übrigen · bestritt sie, dasz im Jahre 1872 ein wohlerworbenes Privairecht
zu Gunsten der Kläger begründet worden sei, und dass dasselbe eventuell
nach der Statutenrevision von 1877 fortbestanden habe. Eventuell machte
sie geltend, das Bezugsrecht könne gegen sie jedenfalls nur in dem Umfange
weiter bestehen, als sie hinsichtlich . ihres Gesellschaftskapitals
als Fortsetzung des Basler Bankvereins gedacht werden könnte; die Kläger
hätten durch die Fusionen kein besseres Recht erlangt. Da sie früher ein
Bezugsrecht nur besessen hätten für den Fall, dass das Kapital über 30
Millionen erhöht würde, so greife nach den Fusionen dieses Recht ebenfalls
erst dann Platz, wenn das in den Schweiz Bankverein übergegangene Kapital
des Basler Bankvereins über diesen Betrag hinauswachse; dieser Fall
würde aber erst bei einer Erhöhung des Gesamtkapitals über 70 Millionen
eintreten. Weiter eventuell könnte das Bezugsrecht der Kläger erst
eintreten, nachdem das Grundkapital von 15 Millionen wirklich durch
weitere von keinem fremden Bezugsrecht beschwerte Emissionen auf die
Höhe von 30 Millionen ge, stiegen sei; die heutige Höhe sei nun nicht
durch Emissionen, sondern durch die Fusion erreicht worden; der für das
Inkrafttreten des Bezugsrechts ins Auge gefasste Fall trete somit erst
ein, wenn der Bankverein sein Kapital über 50 Millionen Franken erhöhen
follie. Schliesslich bestritt die Beklagte die Aktivlegitimation der
Kläger, da die im Streite liegenden Rechte höchstpersöw licher Natur
wären. 3. Die erste Instanz (deren Erwägungen vom Appellations gericht
zu den seinigen gemacht wurden) ist zu ihrem eingangs _ mitgeteilten
Urteile aus folgenden Gründen gelangt: Die Aktiolegitimation der Kläger
sei gegeben, da die Bezugsrechte als gewöhn-

liche Privatrechte übertragbar und vererbbar seien. Im Jahre 1872 seien
nun Bezugsrechte zu Gunsten der ersten Zeichner gegenüber dem Basler
Bankverein begründet worden, und diese haben fortgefunden bis zur
Fusiou vom Jahre 1896, was sich durch die jeweilige Anerkennung in den
Statuten äussere. Durch die Fusion mm 1898 sei nun freilich an Stelle des
Basler Bankvereins die Bekiagte, ein wirtschaftlich und rechttich neues
Gebilde, getreten. Allein die Bezugsrechte haben auch ihr gegenüber weiter
bestanden infolge deren Aufnahme in die Statuten der Beklagten. Aber sie
können nur soweit gelten, als sie in diese Statuten aufgenommen seien,
d. h. nur soweit, als sie gegenüber dem Basler Bankverein bestanden haben;
demnach greife das Vezugsrecht der Kläger, das gegenüber dem genannten
erst nach Verdoppelung seines Grundkapitals von 15 auf 30 Millionen
eintreten sollte, gegenüber der Beklagten ebenfalls erst nach Verdoppelung
des Grundkapitals von 35 aus 70 Millionen Platz, und zwar auch dann nur
im Verhältnis des Grundkapitals des Basler Bankvereins zum fusionierten
Gesamtkapital der Beklagten, nämlich im Verhältnis von 15 zu 35 oder von
3 zu 7 und zugleich in der ursprünglichen Beschränkung auf die Hälfte
jeder Emission (demnach zu 3/14) Auch die Endgrenze des Bezugsrechts
sei die alte geblieben; habe sie bei einem ursprünglichen Grundkapital
von 15 Millionen auf 50 Millionen gereicht, so reiche sie nunmehr bei
dem Gesamtkapital von 35 Millionen auf rund 116,666,500 Franken.

4. In erster Linie fragt es sich, inwieweit das Bundesgericht
zur Beurteilung der vorliegenden Streitsache kompetent sei, und
diese Frage fällt, da der für die Zuständigkeit des Bundesgerichts
Erforderliche Streitwert vorhanden und die Berufung unzweifelhaft
gegen ein letztinftanzliches kantonales Haupturteil gerichtet ist, mit
der weiteren zusammen, inwiefern die Streitsache nach eidgenössichem
Rechte zu beurteilen sei. Nun wird die Klage zunächst gestutzt auf die
Statuten des Basler Bankvereins vom Jahre 1872, Und die Frage, ob nach
diesen Statuten das eingeklagte Vorrecht sur die Kläger begründet worden
sei, beurteilt sich nach funtana: [em Rechte, da es sich dabei um die
rechtliche Wirkung einer Thatsache handelt, die vor den 1. Januar 1883
Tag des[34 Civilrechtspflege.

Inkrafttreten-s des schweiz. leigationenrechtes _fällt. Und zwar '
ist das kantonale Recht massgebend nicht bloss für die Frage der _

Existenz und der Natur des eingeklagten Rechts, sondern auch für dessen
Ausdehnung, und kann das Bundesgericht den ersten Berufungsantrag
der Kläger nicht überprüfen. Diese Anwendung des kantonalen Rechts
erleidet auch nicht etwa durch Art. 898 O.-R. eine Änderung Diese
Gesetzesbeftimmung lässt allerdings die Bestimmungen von Statuten von
Aktiengesellschaften und Genossenschaften, die vor dem 1. Januar 1883
rechts-gültig entstanden sind, für einen gewissen Zeitraum auch dann
noch unter der Herrschaft des Obligationenrechts weiter bestehen, wenn
sie den Vorschriften dieses letztern zuwiderlaufen, und erklärt nach
Ablauf dieses Zeitraumes sämtliche Bestimmungen des Obligationenrechts
mit Bezug auf alle von da an abgeschlossenen Rechts-

geschäfte in Kraft. Allein diese Bestimmung hat nur die innere .

Organisation der Aktiengesellschaften und Genossenschaften, und nicht die
vor dem 1. Januar 1883 begründeten Beziehungen zu Dritten im Auge; um ein
Verhältnis zu Dritten aber handelt es sich in casa bei dem eingeklagten
Vorrecht. Was den zweiten Berufungsantrag der Kläger betrifft, so wäre
das Bundesgericht allerdings befugt, über denselben zu entscheiden, da es
sich dabei um eine nach dem 1. Januar 1883 eingetretene Thatsache handelt.
Allein diese Kompetenz wäre lediglich eine formelle, und die

grundsätzliche Frage, ob der angefochtene Gesellschaftsbeschlnss we'

gen Verletzung des eingeklagten Borrechts zu kassieren fei, kann vom
Bundesgericht nicht entschieden werden. Aber hiemit ist die Frage der
Zuständigkeit des Bundesgerichts noch nicht entschieden. Streitig ist
vielmehr auch, welchen Einfluss die Fusionen vom Jahre 1895 und 1896
auf das Vorrecht der Kläger ausgeübt haben, insbesondere, ob durch diese
Fusionen die Gesellschaft, der gegenüber das Vorrecht begründet wurde,
und damit das Vorrecht der Kläger selbst untergegangen sei, wie das die
Beklagte behauptet Die rechtliche Bedeutung dieser Thatsache nun und die

Frage ihrer Wirkung auf das eingeklagte Vorrecht ist, weil es .

sich um eine nach dem Inkrafttreten des Oblgaiionenrechts vorgefallene
Thatsache handelt, nach diesem letztern Gesetz, also nach

eidgenöfsischem Rechte, zu beurteilen. Ebenso richtet sich nach eid-

Ill. Obligationenrecht. N° 18. 135

genössischem Recht die Beurteilung der Frage, welche Tragweite der
Anerkennung der Rechte der Kläger tu den Statuten der Beklagten vom Jahre
1897 Art. 5, zukomme In diesem letztern Umfange ist das Bundesgericht
somit zur Beurteilung der vorliegenden Streitsache zuständig, während
sich die Fragen ob und inwieweit für die Kläger nach den Statuten von
1872 das eingeklagte Vorrecht begründet worden sei, seiner Überprüfuug
entziehen und das angefochtene Urteil hierin endgültig Recht schafft

5. Frägt es sich nun, welche rechtliche Natur den Fusionen vom Jahre
1895 und 1896 zukomme, und welchen Einfluss sie auf die Gesellschaft,
welcher gegenüber das eingeklagt-e Vorrecht nach Annahme der kantonalen
Jnstanzen begründet worden ist, ausgeübt haben, so ist zu bemerken:
Die Fusion mehrerer Aktiengesellschaften kann auf zweierlei Weise
stattfinden: entweder so, dass alle Gesellschaften sich auflösen und zu
einer neuen Gesellschaft vereinigen, oder so, dass die eine Gesellschaft
die. andern mit dem gesamten Vermögen und den Mitgliedern in sich
aufnimmt. Nun sind bei jeder Fusion zwei Elemente, entsprechend der
Natur der Aktiengesellschaften, zu unterscheiden: das wirtschaftliche
und das rechtliche. Im erstern Falle findet ein Untergang aller sich
vereinigenden Gesellschaften statt, und tritt ein neues Rechtssubjekt an
deren Stelle; hier ist die Vereinigung nicht bloss eine wirtschaftliche,
sondern auch eine juristische. Anders verhält es sich dagegen im
zweiten Falle: hier geht die aufzunehmende Gesellschaft unter, sie
verliert ihre Vermögensgrundlage und damit ihre rechtliche Existenz;
sie überträgt ihr Vermögen an die aufnehmend-e Gesellschaft auf dem Wege
der Universalsuccession. Die aufnehmende Gesellschaft dagegen verändert
lediglich ihre wirtschaftliche Struktur, in der Regel unter Änderung ihrer
Firma; allein ein Untergang ihrer juristischen Persönlichkeit findet
nicht statt; die Aufnahme einer oder mehrerer anderer Gesellschaften
berührt ihre juris tische Existenz in keiner Weise, sie bleibt nach
wie vor als Rechtssubjekt bestehen. Der Vertreter der Beklagten hat
nun freiIich den Standpunkt eingenommen, und die kantonalen Jnstanzen
haben diese Auffassung geteilt, dasz bei der Fusion zweier oder mehrerer
Aktiengesellschaften nach den Bestimmungen des schweiz. Obligationenrechts
immer ein Untergang sämtlicher Gesellschaften

136 Givilrechtspflege.

stattfinde, und dass daher diejenige Gesellschaft, die die Rolle
des weiter bestehenden und aufnehmenden Vereins spiele, sowohl
wirtschaftlich als rechtlich ein neues Gebilde sei. Wenn der Vertreter
der Beklagten für diesen Standpunkt geltend gemacht hat, dass die Fusion
von Aktiengesellschaften unter dem Abschnitt Auflösung behandelt sei,
und dass Art. 669 Ziff. 2 O.-Tlt., im Gegensatze zu dem im übrigen
gleichlautenden Art. 247 Ziff. 2 D. H.-G.-B., sage, die Verwaltung
werde von der neuen nicht von der andern -Gesellschaft geführt, so
ist dem entgegenzuhalten: Zunächst kann der erstere Umstand für die
Auffassung des Klägers nicht schlüssig sein, weil eine Gesellschaft
notwendigerweisebei jeder Fusion sich auflösen muss, und sich die Aufnahme
der Bestimmungen über Fusion unter das Kapitel der Auflösung aus diesem
Grunde ungezwungen erklärt, dies um so mehr, als Art. 669 O.-R. die
Fusion von Aktiengesellschaften (wie auch Art. 247 D. H.-G.-B.) nicht in
erschöpfender Weise behandelt, sondern nur eine Anzahl von Bestimmungen
zum Schutze der Gläubiger trifft-. Und jener Abweichung vom Wortlaute
des Vorbildes, des deutschen Handelsgesetzbuches kann wohl kaum eine
entscheidende Bedeutnng beigemessen werden angesichts des Umstandes,
dass in den Materialien zum Gesetze von dieser Abweichung nirgends
die Rede ist, und dass Ziff. 4 und 5 des Art. 669 immer nur von einer
aufgelösten Gesellschaft sprechen. Wenn der fraglichen Redaktionsänderung
eine sachliche Bedeutung überhaupt zukommt, so kann dieselbe jedenfalls
nur darin gefunden werden, dass dadurch die, Unter der Herrschaft
des deutschen Handelsgesetzbuches in der Doktrin vertretene Ansicht,
die Fusiou durch Auflösung beider Gesellschaften sei überhaupt
unstatthaft, hat abgelehnt werden wollen. Hieraus erhellt, dass auch
das schweiz. Oblig.-Recht gleich wie das deutsche Handelsgesetzbuch die
Fusion zweier Aktiengesellschaften in der Weise der Aufnahme der einen in
die andere als das Normale ansieht (vergl. auch Hafner, Komment iL Aufl-,
Art. 669, Ziff. 4), wie dieser Fall denn wohl auch im Leben der Normalfall
sein wird. Bei der Fnsion der letztern Art geht mm, wie bereits bemerkt,
die aufnehmende Gesellschaft als Rechtssubjekt nicht unter. Allerdings
verändert sich die wirtschaftliche Struktur des aufnehmenden Vereins:
das Grundkapital wird vergrössert,Ul. Obligationeurecht. N° 18. 137

die Mitgliederzahl vermehrt fich, Statuten und Firma werden in ber
Regel geändert; allein die aufnehmende Gesellschaft bleibt nach wie vor
juristisch das alte Gebilde.

6. In casu kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass die Fu{fonera
jeweilen in der Form der Aufnahme der einen Gesellschaftin die andere
stattgefunden, und dass der Basler Bankverein und später der Basler und
Zürcher Bankverein hiebei stets die Rolle der aufnehmenden Gesellschaft
gespielt haben: der Basler Bankverein hat niemals seine Auslösung
beschlossen; alle Veränderungen sind durch die Generalversammlungen des
Basler Bankvereins beschlossen und als einfache Statutenänderungen dieses
Vereins angezeigt worden; es fand käufliche Übernahme der Aktien der
aufzulösenden Gesellschaft durch den Basler Bankverein statt. Nach dem in
Erwägung 5 Ausgeführten blieb daher der Basler Bankverein als rechtliches
Gebilde bestehen, und damit blieben auch seine Verbindlichkeiten aufrecht,
soweit sie nicht aus andern Gründen als durch Fusion getilgt worden
sind. Die Aufnahme des Vorbehaltes zu Gunsten der Kläger in Art. 5 der
Statuten der Beklagten vom Jahr 1897 erscheint danach nicht als Begründung
eines neuen Rechtes-, noch als Anerkennung eines alten Anspruches durch
eine neue Gesellschaft, sondern lediglich als Reproduktion der alten
Bestimmung bei Anlass der Statutenreoision. Das Recht als solches ist in
keiner Weise verändert worden; es existiert noch in derselben Art und
Ausdehnung weiter, wie es unter der Herrschaft des kantonalen Rechts
begründet worden ist, und das Bundesgericht ist daher zum Entscheide
darüber, in welchem Umfange es noch bestehe, nicht befugt.

7. Das Bundesgerichr kann sich indessen nicht lediglich inkompetent
erklären und die Berufung wie die Anschlussberusung als Unstatthast
zurückweisen. Denn die Vorinstanzen haben in einer durch das kantonale
Recht beherrschten Frage eine Vorfrage, die auf Grund des eidg. Rechts zu
entscheiden war und entschieden worden ist, rechtsirrtümlich entschieden,
sie haben also bei der BeUrteilung dieser Vorfrage eidgenössisches
Recht verletzt. Von der unrichtigen Prämisse ausgehend: die Beklagte
sei gegenüber dem Basler Bankverein ein neues Gebilde, sind sie dazu
gelangt, das Vorrecht der Kläger insoweit gutzuheissen, als das Kapital
des138 Civilrechtspflege.

Basler Bankvereins ein Bestandteil des Grundkapitals der Beklagten
geworden sei. Diese Schlussfolgerung fällt mit der Umsichtigkeit ihrer
Prämisse. Daraus folgt indessen nicht ohne weiteres die Gutheissung der
Klage; es bleibt noch zu untersuchen, ob das im Jahr 1872 begründete
Vorrecht auch dann anwendbar ist, wenn die Vermehrung des Grundkapitals
nicht durch Emission weiterer Aktien, sondern durch Fusion stattgefunden
hat was von der Beklagten ausdrücklich bestritten worden ist. Diese
Frage wird jedoch zweckmässiger vom kantonalen Gerichte entschieden,
ganz abgesehen davon, ob das Bundesgericht überhaupt befugt ware, sie von
sich aus zu entscheiden, da Art. 83 Qrganis.-Ges. nicht direkt anwendbar
ist, indem die Vorinstanzen nicht etwa kantonales Recht nicht beachtet
haben. Die Sache ist daher zu neuer Beurteilung in diesem Punkte an die
Vorinsianz zurückzuweisen, wobei diese die oben entwickelte Auffassung
vom Wesen und der Wirkung der Fusionen vom Jahre 1895 und 1896 zu Grunde
zu legen hat. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird, soweit es die Berufungskläger betrifft,
aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinsianz
zurückgewiesen, wobei diese die in den Motiven des vorliegenden
Entscheides entwickelte Auffassung über das Wesen

und die Wirkungen der Fusionen des .Basler Bankvereins mit --

dem Butcher Bankverein und des Basler und Ziircher Bankvereins mit der
Schweiz. Unionbank in St. Gallen Und der

Basler Depositenbank zum Schweizerischen Bankverein zu s

Grunde zu legen hai:.Ill. Obligationenresicbt. N° 19. 139

19. A-rrét du 30 mars 1899 dans la cause F t'é-cher contre Exposition
nationale suisse en liquédation à. Genève.

Contrat entre l'exposant et l'Exposition ; nature juridique : dépòt.
Obligations de l'Exposition ; attributions des c-ommissaires de
groupes. Livraison des objets exposés à un tiers ; dommagesintérèts.

Christian Fischer, sculpteur sur bois à Beckenried, & exposé à
l'Exposition nationale de Genève de 1896, dans le groupe 14 (sculpture
sur bois) divers objets de sa fabrication.

Gomme il tenait à ce que son exposition ne fut pas confondue avec celle
des sculpteurs sur bois de I'Oberland bemois, il demanda. à ce sujet des
explications au comité du groupe 14, qui lui répondit par lettre du 4
février 1896: : Les sculpteurs de l'Oberlend font partie du groupe 14,
mais leur exposition sera groupée à part, avec un arrangement Spécial.
Votre exposition ne sei-apas mélée avec celle des Oberlandais, comme
vous paraissez le craindre; ils exposent d'allleurs en collectivité.

Per le kormulaire d'edbésion definitive, l'exposent s'enga: geait à se
conformer aux règlements qui ont été ou seront éleborés, et à supporter
les frais prévus par ceux-ci.

Par lettre du 10 mai 1896, le Secrétaire général de l'Exposition
accusa réception à Fischer de sa lettre du 9, par laquelle celui-ci
lui envoyait un double de la. lettre de voiture concernant les objets
exposés. Il lui envoyeit aussi le certificat d'admission de ces objets et
lui réclameit le feature des dits objets envoyés, indiquant leur valeur,
etc., conformément à l'art. 7 du reglement général de l'Exposition. Cette
lecture lle figure toutefois pas au dossier.

Conformément à l'art. 12 du meme règlement, l'assurance des objets exposés
contre les risques d'ineendie et autres devait étre faite per le Comité
central, aux frais des expoSants. Fischer fit assurer les objets exposés
pour une somme de 3285 fr. et paya la prime d'assurance de 10 0/90 au Co--
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 25 II 126
Datum : 25. März 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 II 126
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 126 Civih'echtspfiege. Prämienzahlungen. Hieraus folgt, dass die Beklagte den gesamten


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