270 A. Staatsrechtliche
Entscheidungen. [II. Abschnitt. Kantonsverfassungen.

demselben aus jener Masse etwas zugeschieden werde. Es ist ja nach dem
Wortlaut des Regierungsratsbeschlusses vom 16. Oktober 1897 ganz klar,
dass die Behörde dem Eigentümer der Mechanischen Ziegelei, wenn er die
Nichteinbeziehung seines Grundbesitzes in die Regulierung verlangt haben
würde, hätte entsprechen müssen. Wenn aber der Industrielle Rothpletz
jeden Zwang, der ihm gegenüber versucht werden wollte, ablehnen konnte,
so geht es nicht an, zu seinen Gunsten und lediglich im Interesse des
Betriebes seiner Ziegelei gegenüber dem Eigentümervon benachbartem
Grund und Boden einen Zwang auszuüben, dem sich ein Grundeigentümer
nur im Interesse der Landwirtschaft zu unterwerfen hat. Mit Recht
hat sich hiegegen die Rekurrentin aus § 9 der Verfassung des Kantons
Baselland berufen. Diehier ausgesprochene Garantie der wohlerworbenen
Privatrechte schützt den Eigentümer davor, dass er ausserhalb des in § 39
derVerfassung anerkannten Zweckes der Förderung der Landwirschaft seinen
Grund und Boden zum Austausch gegen ein anderes Grundstück hingeben müsse,
und es hat das Bundesgericht, dem der Schutz der verfassungsmässigen
Rechte übertragen ist, aus erhobenen Rekurs wegen Verletzung jenes
Grundsatzes einzuschreiten, wenn es, wie hier, klar zu Tage liegt, dass
der Zwangsabtauschv nicht dem allgemeinen Interesse der Landwirtschaft,
sondern dem privaten Interesse eines industriellen Unternehmers dient. Die
angefochtene Abänderung des Regulierungsprojekts ist danach,. weil für
dieselbe die Voraussetzungen des § 39 der Kantonsverfassung zweifellos
nicht vorliegen und deshalb eine Verletzung Von § 9 der Verfassung in
ihr erblickt werden muss, als unzulässig zu erklären. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird als begründet erklärt. Demgemäss wirdder Beschluss
des Regierungsrates des Kantons Basellandschast vom 30. April 1898,
soweit er sich auf die von der Marchioni: mission Allschwil laut
Regulierungsplan von 1898 vorgeschlagene Verlegung der Grundstücke der
Rekurrentin am sog. Ehretsrain bezieht, samt den damit zusamenhängenden
Verfügungen genannter Kommission, aufgehoben.Auslieferung. 1. Vertrag
mit Deutschland. N° 45. 271;

Vierter Abschnitt. Quatriéme section.

Staatsverträge der Schweiz mit dem Ausland-

Traités de la Suisse avec l'étranger.

d * Q--

Auslieferung. Extradition.

1. Vertrag mit Deutschland. Traité avec I'Allemagne.

45. Urteil vom 29. Juni 1899 in Sachen Lind.

Art. 1 Ziff. 16 des Auslieferungsvertrages mit Deutschland.. Der
Ausaiefer-zmgsrichter hat den subjektiven. und objektiven Thaäbesiand
der dem Verfolgten zur Last gelegten Handlung ' nicht see prüfen. Die
Ausiieferungspflicht ist in Ziffe-r 16' des Art. i des Vertrages mit
Deutschland, da de?" Vert-rag keinen Vorbehalt macht, eine unbedingée
und es ist der-Feendie Ausäe'eferemg auch dann ,zu bewilligen, wenn
die Handlung, deretwegen Sie verlangt wird, im Kanton, in dem sich der
Verfolgte auflzàilt, nicht mit Séfflfe bedroht ist.

A. Mit Note vom 10. Juni 1899 hat die kaiserlich deutscheGesandtschaft
in Bern beim schweizerischen Bundesrate die Auslieferung des Jakob Lind
aus Weinheim, Kreis Alza), Grossherzogtum Hessen, aus Grund von Art. 1,
Nr. 16 des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages vom 24. Januar
1874nach Mainz verlangt. Das Auslieferungsbegehren stützt sich aufsi
einen Hastbesehl des Untersuchungsrichters II bei dem Grossherzoglichen
Landgericht der Provinz Rheinhessen vom 3. Juni 1899,.

in welchem der Requirierte des Verbrechens gegen § 159 des-s

'27' A. staatsrechtliohe Entscheidungen. IV_. Abschnitt. Staatsverträge.

sisi e etzbu es beschuldigt wird, und zwar auf Grund
:IstfskleglenFetrkafghsatbestckndes: LindÄ habe ein Liebesverhalth
mstt der Maria geh. Fuch s, jetzigen Ehesrau ePeter Fahl zu Seema,
.tinterhalten. Nach Abbruch desselben sei der guchsoau 1igig 8 Wohnung in
Worms in der Pacht 'vom 13/14. sisufnl _t ein Kleid gestohlen worden, das
ihr Lind zum Gescher getitccckht hatte. Der Verdacht des Diebstahls habe
sich auf Ltnd genwelcher deshalb dem Grossherzoglichen Schoffengerichte
zu vegn; zur Aburteilung überwiesen worden set. Lind sei nun ntach
fee bisherigen Beweisaufnahme sehr belastet, vor dem Hauptedrmlt)1;1i
1. Februar 1899, die ihm bekannte Frau Harnann wie erbn ausgesucht, und
sie durch dringendes Bitten bestirnnit SUV? eg dass sie zu der als Zeuge
vor das Schoffengericht zu b or;nr vorgeladenen Fuchs gegangen fei, und
sie aufgefordert haKei 'dîs Schöffengericht auszusagen, sie könnte sich
bezuglich desd ji U getäuscht haben, es gebe noch mehr von dein Stoff,
ist-Fu ; zw beschwören. Lind habe es dadurch unternommen, die ssxch
1359 Begehung eines Meineides zu verleiten (Verbrechen deb ,@. m des
deutsch. Str.-G.-B.). Die Fuchs habe indessen EURng ,; -zeugeneidlichen
Vernehmlassung vor dem Schosfeugertcht die ah hellsfuJeriIbgginh
welcher am 27. Mai 1899 in Basel verhaftet "worden war, protestiert
gegen die Auslieferung, erstens rboeil e; fdas ihm zur Last gelegte
Verbrechen nicht begangen hac, ux zweitens auf Grund des Schlusssatzes
des .Art. 1 des schweizertts )deutschen Auslieferungsvertrages, weil
dte erfolglose Flustif nn? zum Meineid nach der Gesetzgebung des Kantons
Baselstadt tch)t zmit Strafe bedroht sei, und er demnach wegen der ihm
zur das gelegten Handlung in Basel nicht strafrechtltch verfolgt wer en
fkonäteDas Polizeidepartemeiit des Kantons Baselstadt sprichtosich vin
einem an das eidg Justizund Polizeidepartenient am 14. Juni

1899 erstatteten Bericht über die Frage, ob Lind sich nach dem-

' e des Kanions Baselstadt einer strafbaren Handlung thxlcdräesgtzemacht
habe, dahin aus, dass die erfolglose Ansgtuxfg zum Nieineid nach
baselstädtischem Strafgesetz nicht mit 'r r bedroht fei, Jakob Lind also
nach dortigein Fiecht wegen seine Handlung nicht strafrechtlich verfolgt
werden konnte.Ausîieferung. 1. Vertrag mit Deutschland. 273

D. Mit Zuschrift vom 21. Juni 1899 übermittelt das eidg. Justizund
Polizeidepartenient dem Bundesgerichte die Akten zur Entscheidung

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Aus die vom Requirierten in erster Linie erhobene Einwendung, dass
er die ihm zur Last gelegte Handlung gar nicht begangen habe, kann nicht
eingetreten werden; denn die Prüfung dieser Frage steht lediglich dem in
der Sache selbst urteilenden Strafgerichte zu. Das Bundesgericht hat nur
zu untersuchen, ob die Voraussetzungen der Auslieferungspflicht nach den
Bestimmungen des ·schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages gegeben
seien; dagegen hat es nicht zu prüfen, ob die sämtlichen Merkmale des
subjektiven und objektiven Thatbestandes des dem Requirierten zur Last
gelegten Verbrechens wirklich gegeben, und ob derselbe schuldig oder
hinlänglich verdächtig sei oder nicht,

2. Nun haben sich nach am. 1 Biff. 16 des am 24. Januar 1874 zwischen
der Schweiz und Deutschland abgeschlossenen Auslieferungsvertrages die
beiden Staaten verpflichtet, einander diejenigen Personen auszuliefern,
welche wegen Verleitung eines Zeugen zu falschem Zeugnis als Urheber,
Thäter, oder Teilnehmer in Anklagestand versetzt oder zur gerichtlichen
Untersuchung gezogen find. Ein Vorbehalt, dass die Auslieferung
wegen dieses Deliktes nur dann stattfinden solle, wenn dasselbe nach
den Gesetzgebungen beider vertragschliessenden Staaten mit Strafe
bedroht sei (wie z. B. bei Biff. 9, 12 und 13 dieses Artikele ist in
Biff. 16 nicht beigefügt, und es muss daher, wie das Bundesgericht
schon wiederholt ausgesprochen hat (ng. bundesgerichtliche Entsch.,
Amtl. Samml., Bd. XVIII, S. 188 Crw. 1), davon ausgegangen werden,
dass die Auslieferuiigspflicht eine unbedingte und nicht davon abhängig
sei, dass die That auch im ersuchten Staate mit Strafe bedroht ist. Die
Auslieferung muss demnach gewährt werden, sofern im Sinne der Ziff. 16
von Art. 1 des schweiz.-deutschen Auslieferungsvertrages unter Verleitung
eines Zeugen zuin falschen Zeugnis derjenige Thatbestand zu verstehen

ist, den § 159 des deutschen Str.-G.-B. im Auge hat, und wonach schon
das blosse Unternehmen, einen Andern zum Meineid

zu verleiten, also der Versuch der Anstiftung, als selbständiges

XXV, 1. 1899 18

274 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträge.

vollendetes Verbrechen erscheint Dies muss aber bejaht werden ;.
denn wer ersolgreich einen Andern zum falschen Zeugnis ver leitet,
ist intellektueller Urheber dieses letztern Delikts-, und untersteht
des-halb schon nach Biff. 15 von Art. 1 (welche das falscheZeugnisale
Auslieferungsdelikt bezeichnet) der Auslieferung Wenn also Ziff. 16
nur die erfolgreiche Verleitung zum falschen Zeugnis in sich begreifen
würde, so würde diese Ziffer nicht mehr besagen, als was bereits in
Biff. 15 enthalten ware. Ziffer 16kann demnach, wenn sie überhaupt einen
Sinn haben soll, nur so interpretiert werden, dass sie die Verleitung
zum falschen Zeugnis als selbständiges Thatbesiandsmerkmal behandelt,
und daher die Auslieferungspflicht nicht davon abhängig macht, ob die
Verleitung gelungen sei oder nicht. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Auslieferung des Jakob Lind aus Weinheim an das Land-

gericht Mainz wird bewilligt.

___ ___,

2. Vertrag mit Italien. Traité avec l'Italie.

46. Arrét du 29 juin 1899, dans la cause de Bazcffremont.

Art. 2 chifire 8 et 4 du traité sus-indiqué ; prescription de l'action--

pénale. Faux en écriture publique.

d'lnstruction près le Tribunal civil et penal-

A. Le Juge 1899, un mandat d'arrét contre

(le Venise a delivre, le 3 mars

Laura. fille d'Eugène Leroux et d'Amélie de Besen-, veuve dede 66 ans,
née à Paris et des-

Bauffremont, Francaise, àgée meurant à La Tuur-de Peilz (Vaud), comme
prévenue de s'ètre reudue complice d'un à. Venise en juin 1895 par
'inscription au registre de S. Giovanni Battista infaux en écriture
publique, commisle prètre Cogo et consistant dans l'état civil de la
paroisse deBragora de l'année 1864 d'un acte deAuslieferung. 2. Vertrag
mit Italien. N° 46. 275

kxseanke complètement faux au nom de Gisèle-Hilda Eveline am ' ' _
Godemgxxkäafljxdroya déht prévu par les art. 275 et 63 du

Par ,arrét du 11 mars 1899, la section d'accusation de la Cour d appel
de Venise a décidé de provoquer l'extr d' de la prévenue. a ltlon

Par note du 5 avril 1899, la Le ation d'Itali ' mande an Conseil federal
Pextraiglition de Lauîaîîîîxevîjîe de Bauffremont en s'appuyant sur
l'art. 2, Chiffre 8 du traité d extradition italo-suisse du 22 juillet
1868.

Fette demande ayant été communiquée par l'autorité vaudmse a Ia prévenue,
celle-ci a immédiatement protesté contr son extraditiou et a ensuite
développé ses moyens dans mi mémoue, adresse an Departement de Justice
et Police du canton de Vaud, dont le contenu se resume comme suit'

La prévenue conteste avoir commis le délit qui lui estimpnte. Si meme
elle s'en était rendue coupable elle soutient que la prescription en est
acquise d'après les lois du canton de Vaud. Iles registres dans lesquels
le faux aurait été fabriqué n'auraient pas, selon elle, la valeur d'actes
authentiques et de registres d'état civil. Si l'un d'eux a été falsifié
cela ne peut constituer qu'un faux en écriture privée puni aux termes
de l'art. 179 C. pénal vaudois, d'une réclusion de trois ans au maXImum
et prescriptible par un délai de trois ans en vertu de l'art. 75 du meme
code. Or cette prescription serait actuellement acquise. Pour démontrer
qu'il s'agireit d'un faux en écr1ture authentique, il faudrait établir
que d'après la legxslation en vigueur a Veuise à l'époque du delit les
registres tenue par les prétres avaient la valeur de registres d'état
civfl. Enfin le gouvernement italien n'a pas fourni a l'appui de lea
îliemztzude, ainsi que le veut l'art. 9 du traité d'extredition, m ma
non ni a c ' · ' mamma opie des textes de 101 applicables au faut

B. Ensuite de la communication du dit mémoire que lui &. tante le
Département fédéral de Justice et Police Ia Lé auna d'Italie à Berne a
renouvelé sa demande d'extraditigon par note du 10 juin 1899 accompagnée
d'un nouveau mandat
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Dokument : 25 I 271
Datum : 29. Juni 1899
Publiziert : 31. Dezember 1899
Quelle : Bundesgericht
Status : 25 I 271
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 270 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. [II. Abschnitt. Kantonsverfassungen. demselben


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • italienisch • deutschland • falsches zeugnis • not • zeuge • entscheid • frage • departement • verfassung • kantonsverfassung • weiler • urheber • strafbare handlung • beschuldigter • autonomie • unternehmung • privates interesse • basel-landschaft • basel-stadt
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