830 Civilrechtspflege.

le débiteur. Bien qu'aucune divergence importante n'existàt plus
entre parties au sujet des clauses de la reconnaissance de dette,
il est compréhensible que le pere J. n'ait pu retenir, à ce moment,
des expressions courroucées à. l'adresse du séducteur de son enfant,
mais rien ne démontre que cette manisestation de sentiments d'une jnste
indignation, qu'aucune voie de fait n'a d'ailleurs accompagnée, -ait été
de nature à faire croire au sieur C. qu'un danger imminent le menagait
dans sapersonne ou cla-ns sa vie, surtout si l'on considère quele père
J. était un Vieillard, tandis que le demandeur se trouvait dans toute la
force de l'àge; il a été en outre établi que le fils .I. a empèché son
pere de e toucher le recourant. Il résulte en outre de la correspondance
échangée entre Elise J. etC. peu de jours avant la signature de la cédule,
que ce dernier, se croyant perdu si ses actes étaient découverts, avait à
cette époqne, en dehors de toute considération morale, un intérét majeur
à, conclure Pan-angement dont il s'agit.

Par ces motifs, Le Tribunal fédéral prononce :

Le reeours est écarte, et le jugement rendu entre parties par la Cour
civile de Vaud, le 4 octobre 1898, est maintenu.

96. Urteil vom 9. Dezember 1898 in Sachen Vittonatti gegen Misteli.

Art. 62 0. R.; Pflicht eines Inszitutsvorstehers zur sorgfältigen
Beaufsichtiguflg seine-r Zcîglinge. Kdrperverletzung, einem zeigte-regnon
einem. andern Zrîglmg zegefe'tgsst. Vertragäicke Pflzîeizt zur besonuîern
Beaufs-iehtigung des Ver-{etnea.

A. Durch Urteil vom 10. August 1898 hat das Obergericht des Kantons
Solothurn die Klage abgewiesen. B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger
die Berufung an dasV. Obligationenrecht. N° 96. _ 831

Bundesgericht erklärt, mit der Erkärung, dasselbe werde angefochten,
soweit es die Abweisnng der Klage betreffe, und ebenso betreffend
Nichtzulassung zum Beweis der in Art. Ma enthaltenen thatsächlichen
Behauptungen; erstellt daher die Anträge:

i. Es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom
10. August 1898, soweit angefochten, aufzuheben, und die Sache
zur Aktenvervollständigung hinsichtlich der in Art. Ma enthaltenen
thatsächlichen Behauptungen und zur neuen Entscheidung an das tantonale
Gericht zurückzuweisen. .

2. Eventuell seien dem Kläger seine Rechts-begehren im Sinne der Klage
zuznsprechen '

Jn der heutigen Hanptverhandlung vor Bundesgericht erneuert der Anwalt
des Klägers diese Anträge Der Anwalt des Beklagten beantragt Abweisung
der Berufung Und Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung: _

'il. Der Beklagte is Inhaber einer Knabenerziehungsansialt m Rüttenen
bei Solothurn und nimmt in dieselbe eine beschrantte Zahl von Zöglingen
(15 20) auf, die teils iîn Unterricht im Institut selbst geniessen, teils
die öffentlichen Ochnlen besuchen. Ju den Prospekten ist u. a. gesagt,
dass das fJiistitnt bestimmt sei, das väterliche Heim zu ersetzen,
und dass die Zoglinge sowohl in der Klasse, als ausserhalb des
Unterrichts Übermacht werden. Das Institut befinde sich in der Nähe
der Kantonsschulez mia Zöglinge können an dieser auch bloss einzelne
Fächer besuchen. Dae Institut gebe den Eltern die volle Garantie einer
sorgfaltigen und gewissenhaften Aufsicht, worauf besonders ausmerksainv
gemacht merde. Jin Juli 1894 übergab der Kläger Vittonatti sin Turm dem
Beklagten seine beiden Söhne Ernst-, damals _14 Jahre alt und Giuseppe,
damals 11 Jahre alt, insisem Institut zu einem Pensionspreis von 800
Fr. (wobei Wäsche,.Schre1bmatecrialien, Mitsikunterricht und Arzneien
inbegrifsen sein sollten). ga der vorhergehenden Korrespondenz hatte
der Yeklagte besonders auch auf die Bestimmungen des Prospektes uber
die Aussicht hin-l gewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass bei
der kleinen Zalf)der Zöglinge den Einzelnen eine grbssere gursorge tund
A).1snie;(-3 samkeit zugewendet werden könne. Arn Abend des 22. April 18

832 Ci vilrechtspflege.

besuchte Joseph Vittonatti mit 2 andern Zöglingen des Bekta ten
PaullSalvat und Alexander Kormann, die Turnhalle der Egan-' tonsschule in
Solothurn. Auf dem Heimwege aus derselben abends 6 Ilhr,·wars Paul Salvat,
121/2 Jahre alt, dein Joseph Bitteîflajxlgmts einerlgchleuder einen Stein
in das linke Auge, wodurch e e o vere wurde, da es · künstliches ersegt
werden mug. herausgenommen und durch ein ·2. Am 8. März 1897 reichte der
Kläger gegen den Beklagten Klage mit dem Rechtsbegehren ein, ber Beklagte
sei schuldig und zu verurteilen, dem Kläger zu Hunden seines Sohnes
Giuseppe Schadenersatz zu leisten für die Folgen der diesem letztern
durch Paul Salwar ain 22. April 1896 zugefügten Körperletzung und es
sei die Hohe dieser Entschädigung durch das Gericht festzustellen samt
Zins zu 5 0/0 vom Tage der Verletzung, eveiituell der Klage-, anhebung
an. Die Schadenersatzforderung beziffere der Kläger aus OQ,QOO Fr. Zur
Begründung dieser Klage führte er im wesentlichen an: Für den dem Giuseppe
Vittonatti entstandenen Schaden sei der Beklagte haftbar, weil derselbe
rechtlich verpflichtet gewesen sei, die häusliche Aufsicht über Paul
Salvat zu führen Er habe diesen Knaben unter den gleichen Versprechungeii
und Bedingungen als Zögling aufgenommen, wie den Giuseppe Vikto-

geistigen Entwicklung zurückgeblieben gewesen. Die beiden den
Vittonatti begleitende-n Knaben seien im gleichen Alter und daher zu
dessen Uberwxachung nicht geeignet gewesen Überhaupt habe der Beklagte
die drei Knaben in der Beit, wo sie die Turnstunde in der Kantons:
schule besuchten, unbeaufsichtigt gelassen, obschon er gewusst habe
dass die Knaben seines Instituts das gefährliche Steinschleudern
heimlich betreiben. Der Beklagte haste aber auch ferner weil er
die Vertragliche Verpflichtung übernommen habe, den yKnaben Grufeppe
Vittonatti unter sorgfältiger Aussicht zu halten während und auszerhalb
der Unterrichtsstunden, und er dieser Versaslichtung nicht nachgekommen
sei. Es treffe daher den Beklagteu ein vertragljches Verschulden,
welches in kausalem Zusammenhang mit der Korperverletzung fiche. Der
Beklagte hahesiaucsih die Schadenersatzpflicht teilweise anerkannt,
indem er die Spitalkosten fürV. Obligationenrecht. N° 96. _ 833

sGiuseppe Vittonatti bezahlt habe-. Der Beklagte bestritt die Klage im
ganzen Umfang. Er behauptete, die ihm obliegende Aufsichtsipflicht
in keiner Weise verletzt zu haben. Der Besitz und Gebrauch von
Steinschleudern sei seinen Zöglingen verboten gewesen, und dieses Verbot
sei auch gehandhabt worden. Trotzdem habe Ernst Vittouatti eine Schleuder
versteckt gehalten, und Giuseppe Witw. natti dieselbe am 22. April
1896 mitgenommen, welche dann von Paul Salvat benutzt worden sei. Der
Beklagte hätte das nicht hindern können. Ein Jnstitutsvorsteher könne
nicht mehr than, als ein Verbot erlassen und dasselbe strenge handhaben;
dies sei geschehen. Man könne nicht verlangen, dass er tagtäglich
Jnspektionen anstelle und nach dem heimlichen Besitz verbotener
Gegenstände forsche. Der Kläger habe nicht erwarten können, und es sei
auch nicht seine Meinung gewesen, dass die Knaben aus dem kurzen Weg
zur Turnschule besonders beaufsichtigt werden. Für solche Aufsicht,
die gar nicht üblich sei, müsste ein Institutsvorsteher ein eigenes
Personal halten. Auch Eltern, die ihre Kinder sorgfältig erziehen,
lassen Knaben von 12 Jahren ohne Begleitung von und zur Schule gehen,
ja in der Regel vom î. Schuljahr an. Dem gegenüber machte der Kläger
geltend, eine Beaufsichtigung auf dem Wege zu den öffentlichen Schulen
wäre nicht nur sehr leicht möglich, sondern gesetzliche und vertragliche
Pflicht des Beklagten gewesen. Er berief sich hiefür auf sechs derzeitige
oder gewesene Jnstitutsvorsteher in Biel, Neuenbürg, St. Gallen, Rorschach
und Rolle, indem er den Beweissatz aufstellte, es sei in Privatinstituten,
die in ihren Prospekten den Eltern eine sorgfältige Beaufsichtigung sowohl
während als ausserhalb der Unterrichtsstunden zusichern, üblich, die
Zöglinge, namentlich solche im Alter von 10 14 Jahren, bei Ausgangen aus
dem Institut auf Distanzen von 74 Stunde und mehr Entfernung durch einen
begleitenden Lehrer oder eine andere Vertrauensperson beaufsichtigen zu
lassen, und zwar sowohl zur Verhütung ungebührlichen Betragens ausserhalb
des Instituts-, als zur Verhütnng solcher Handlungen oder Beschäftigungen
der Zöglinge, die denselben oder andern Leuten zum Schaden gereichen
könnten. Der Beklagte bestritt die Erheblichkeit dieses Beweissatzes, weil
derselbe sich mir beziehe auf Institute, in welchen der Gesamtunterricht

834 Civilrechtspflege.

im Institute selbst gegeben werde, während bei ihm nur Sprachen gelehrt,
alle andern Fächer dagegen an der Kantonsschule Solothurn gegeben werden,
was der Kläger gewusst habe.

3. Der klägerische Anspruch stützt sich auf zwei selbständige, von
einander unabhängige Klagegründe. In erster Linie stellt sich die Klage
als Deliktsklage dar, indem der Kläger behauptet, dass der Beklagte
rechtlich zur Ausübung der häuslichen Aufsicht über den Schädiger, Paul
Salvat, verpflichtet gewesen sei, das übliche und durch die Umstände
gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung aber nicht beobachtet
und dadurch die Verletzung des Joseph Vittonatti durch Paul Salvat
verschuldet babe, wonach der nach Art. 61 O.-R. die Haftung des Beklagten
begründende Thatbestand vorhanden sei. In zweiter Linie hat der Kläger
feinen Anspruch aus Vertrag hergeleitet, und erscheint die Klage als
Vertragsklage. Er stützt nämlich seinen Anspruch eventuell darauf, dass
der Beklagte nicht bloss vertraglich die Aufsicht übernommen, sondern sich
zu einem besondern, über das übliche hinausgehende Mass von Sorgfalt in
der Beaufsichtigung verpflichtet, diese Verpflichtung aber nicht erfüllt
habe, und zwischen dem Mangel dieser Sorgfalt und der Verletzung des
Joseph Vittonatti ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Nur auf diesen
zweiten Klagegrund kann sich das von den Vorinstanzen abgelehnte, vom
Kläger aber sowohl in der Berufungserklärung als heute festgehaltene
Beweisanerbieten beziehen; denn darin wird ausdrücklich die Pflicht
des Beklagten zur Beaufsichtigung bezw. Begleitung seiner Zbglinge
auf dem Wege zu und von den öffentlichen Schulen daraus hergeleitet,
dass der Beklagte in seinem Prospekte, welcher einen Bestandteil
des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages bilde, die
sorgfältige Beaufsichtigung der Zöglinge während und ausserhalb der
Unterrichtsstunden zugesichert habe. Solche Zusicherungen sind aber für
die Haftung aus Art. 61 O.-R. ohne Bedeutung, und zwar einmal deshalb,
weil diese Gesetzesbestimmung die Haftung des Aufsichtspflichtigen
nur gegenüber Dritten statuiert, nicht dagegen gegenüber dem zu
Beaufsichtigenden selbst, welcher sich selbst geschädigt hat oder
von einem Dritten geschädigt worden ist, während umgekehrt die in dem
Prospekte des Beklagten enthaltenen Zusicherungen offenbar gerade den
SchutzV. Obligationenrecht. N° 96. _ 839

u Beau i ti. enden im Auge haben; sodann aber. auch desbis? weil dîs
chgesetzlichen Thatbestände, auch der Civildeliktectmt der Regel durch
die Parteiabrede nicht verandert, weder erwei er

ert werden können. . 02.3522? nun die Klage aus Art. 61 O.-R. angeht,
so besteht zwischen den Parteien darüber kein Streit, dass der
Bekleigteczttirt Führung der häuslichen Aufsicht aber Paul Salvat
verpfll )te war. Im fernern hat der Beklagte lseine Haftung nicht
etwa un er Berufung darauf abgelehnt, dass dieselbe (abgesehen von der
Hurechnungsfähigkeit) von einem Verschulden des zu Beaufsichtigen gt, des
Schädigers, abhängig sei, ein solches aber nicht vorliege. i; bestreitet
feine Haftpflicht vielmehr lediglich deshalb, weil imsi Île Verschulden in
der ihm obliegenden Aufsicht nicht zur LVasklfamä Es braucht daher einzig
geprüft zu werden, ob dein e Îsiq de der Beweis dafür, dass er die übliche
und durch hie Ums arg ' gebotene Sorgfalt in der Beaufsichtigung des
Pau. Salth bir obachtet habe, gelungen sei oder nicht. In dieser Hinsicht
is gieim wesentlichen dem Standpunkt der· Bornistanz berzutretetkit
das; selbe hat in durchaus nicht aktenwtdriger Weise festgestel,d m
der Beklagte seinen Zbglingen den Besitz von Steinschaeu eich verboten
und dieses Verbot auch gehandhabthabe Es aszt s U auch nicht etwa sagen,
dass diese Handhabung, wie sie als-er?1es:xnzde betrachten ist, nicht der
übungsgemaszen .unb durch die · mst als gebotenen Sorgfalt entsprochen
habe. Die Vortnstanz minntit U erwiesen an, dass der Beklagte und seineN
Ehesratt von fängt Zeit in den Zimmern der Zöglinge nach Sternschleudern
g sungund wenn solche sich vorgefunden, dieselben megget'tbngmenlt auf
vernichtet haben. Diese Feststellung kann sich allerdtlng Färmann die
Aussage der beiden Knaben Paul Salvat und Läeixr da fie stützen, allein
dieselbe ist für das Bundesgericht ver ;ndich,Verbot jedenfalls nicht
aktenwidrigd ist. es? tgtxrskächnxudes Nîgeflagtens wie übrigens auch
aus er eigen on Stein:

or e t, da" demselben der Besitz und Gebrauch vv .ngudkrkt beiBseinen
Zöglitggleng inJäLondsJeisizetidgruiäegieräix atti, ni t unbekannt ge te
en , ' . ' tnoitctht behagtet worden, dass Paul Said-at ssjenaalîteîne
Zig;schleuder besessen habe, vielmehr steht fest, dass die O etnsch ,

836 civjlrechtspllege.

welche er am 22. April 1896 gebraucht hat, dem Ernst Viktonattt gehörte,
und demselben von Giuseppe Vittonatti zu seinem eigenen Gebrauch
weggenommen worden ist. Besondere Umstände weiche eine spezielle
Aussicht des Paar Sarvat hinsichtlich des Besitzes einer Steinschleuder
erfordert hätten, lagen also nicht vor. Ebensowenig ist klägerischerseits
behauptet worden, es sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass seine
Zbglinge, speziell die Vitto: naisiti, auf ihren Ausgangen zur Schule,
speziell zur Zeit des Unfalls, heimlich Steinschleudern, welche sie sich
trotz den früheren Konfiskationen wieder hätten verschaffen können, mit
sich führten unbsigehrauchten, und der Beklagte habe deshalb besondere
Veranlassung gehabt, sich vor deren Entfernung vom Hause davon dass sie
keine Steinschleudern mit sich führen, zu vergewissernt Man kann also
nicht sagen, dass der Beklagte in dieser Hinsicht die-Übliche und durch
die Umstände gebotene Sorgfalt in der Beaufsichtigung des Paul Salvat
versäumt habe, und das Gleiche gilt hinsichtlich der Unterlassung der
Begleitung der Zöglinge aus ihrem Wege zu und von der Kantonsschule. In
dieser Beziehung kann einfach auf die Feststellungen der Vorinstanz
verwiesen werhen, dass in Solothurn auch die sorgfältigsten Eltern ihre
viel .1ungeren Kinder auf dem Wege von und zur Schule nicht zu begleiten
und zu beaufsichtigen pflegen; dass den Zöglingen des Beklagten die
Weisung erteilt worden sei, sofort nach Beendigung des Unterrichts
unverweilt den Heimweg anzutreten, dass der Beklagte durchschnittlich
10 Zöglinge gehabt habe, welche verschiedene Klassen der öffentlichen
Schulen zu verschiedenen Stunden besucht haben, und weder die örtlichen
Verhältnisse noch der Charakter der Zögliuge Veranlassung zu einer
ausnahmsweisen Begleitung derselben geboten habe. Allerdings könnte
die in Solothurn herrschende Ubung nicht massgebend sein, wenn dieselbe
sich als Sorglosigkeit darstellen würde. Allein hievon ist keine Rede;
vielmehr steht dieselbe ganz in Übereinstimmung mit dem an andern Orten
bestehenden Verfahren. Den meisten Eltern wäre es ja auch gar nicht
möglich, ihre Kinder im Alter des Paul Salvat von und zu der Schule zu
begleiten oder für dieselben eine besondere Begleitung zu bestellen;
einem Erziehungsinstitut aber kannsofern nichts anderes ausgemacht ist,
oder nach den VerhältnissenV. Obligationenrecht. N° 96. 837

sich als ausgemacht ergiebt, doch gewiss keine grössere Diligenz zugemutet
werden, als sorgsamen Eltern.

5. Bei dem zweiten Klagegrund kann nur in Frage kommen, ob der
Beklagte die vertraglich bezüglich des Giuseppe Vittonatti selbst
übernommene Aufsichtspflicht erfüllt habe oder nicht. Denn während der
Deliktsanspruch damit begründet wird, der Beklagte habe die rechtliche
Pflicht zur Beaufsichtigung des Schädigers (Paul Salvat) nicht erfüllt,
kann der vertragliche Anspruch nur darauf gestützt werden, der Beklagte
habe seine bertraglich übernommene Pflicht, den Verletzten, Giuseppe
Vittonatti, durch angemessene Beaufsichtigung vor Schaden zu bewahren,
nicht erfüllt. Nur in dieser Beziehung besteht ein Vertragsverhältnis
zwischen den Parteien, denn der Beklagte hat sich offenbar dem Kläger
nur zur besondern Beaufsichtigung seiner Söhne, nicht auch der andern
Zöglinge verpflichtet, und es kann auch keine Rede davon sein, dass der
Kläger sich etwa auf den vom Beklagten mit dem Machthaber des Paul Salvat
hinsichtlich dieses Zögliugs abgeschlossenen Vertrag als einen Vertrag
zu Gunsten Dritter im Sinne von Art. 128 O.-R. berufen könnte. Frägt
sich demnach, ob der Beklagte die ihm auf Grund des zwischen den
Parteien abgeschlossenen Vertrages obliegende Aufsichtspflicht über
Giuseppe Vittonatti erfüllt habe, so ist zu bemerken: Der Kläger
macht in dieser Hinsicht namentlich geltend, dass nach dem Vertrage,
resp. den in dem Prospekte enthaltenen Zusicherungen, der Beklagte
verpflichtet gewesen sei, den Giuseppe Vittonatti den Gang zu und von
der Schule nicht ohne passende Begleitung machen zu lassen. Es muss
zugegeben werden, dass wenn dem Giuseppe Vittonatti am 22. April 1896
eine passende Begleitung beigegeben worden ware, die Verletzung würde
verhindert worden sein. Allein es ist mit der Vorinstanz anzunehmen, dass
eine solche vertragliche Verpflichtung nicht bestanden habe. Von selbst
versteht sich, dass wenn in dem Prospekt gesagt ist, die Zöglinge werden
während der Unterrichtsstunden beaufsichtigt, dabei nur an den Unterricht
im Jnstitut des Beklagten selbst gedacht ist; denn eine Verpflichtung,
die Zöglinge auch während des Unterrichts in den öffentlichen Schulen zu
beaufsichtigen, konnte und wollte der Beklagte natürlich nicht übernehmen,
da dieselbe ja gar nicht hätte

838 Civilrechtspfl ege.

erfüllt werden können. Die Aufsicht des Beklagten hätte sich daher,
soweit seine Zöglinge die öffentlichen Schulen besuchten, aus die
Begleitung zu und von der Schule beschränken müssen. In der That
behauptete der Kläger, dass diese Verpflichtung bestanden habe und
berief sich hiefür auf Beweis durch Sachverständige Vor den kantonalen
Gerichten scheinen nun aber beide Parteien darüber einig gewesen zu sein,
dass die angerufenen Sachverständigen Vorsteher von Erziehungsinstituten
sind oder waren, in welchen der gesamte Unterricht erteilt wird, die
Zöglinge also nicht ganz oder teilweise auf den Besuch der öffentlichen
Schulen angewiesen find, während in casu kein Streit herrscht, dass bei
Abschluss des Vertrages beide Parteien die Meinung hatten, dass Giuseppe
Vittonatti, wie andere Zöglinge des Beklagten, die öffentlichen Schulen
in Solothurn besuche. Würden daher auch die angerufenen Sachverständigen
den Beweisfatz des Klägers, dass bei Crziehungsanstalten der erstern
Art die Zöglinge überhaupt nicht ohne Begleitung ausgehen dürfen,
erhärten, so wäre dies für das Schicksal der vorliegenden Klage doch
nicht entscheidend. Die Frage, ob der Aufsichtspflicht genügt worden sei,
ist mit Rücksicht auf Treu und Glauben und die Umstände des konkreten
Falles zu beurteilen, danach aber im vorliegenden Falle zu bejahen. Es
steht fest, und war offenbar dem Kläger von Anfang an nicht unbekannt,
dass der Beklagte eine grössere Anzahl von Zöglingen aufnahm, welche
die öffentlichen Schulen besuchen, und er musste voraussehen, dass (wie
dies nach dem Zeugnis des Rektors Kaufmann thatsächlich der Fall war)
dieser Besuch je nach dem Alter und dem Studieiigang der einzelnen
Zöglinge sich auf verschiedene Klassen und Stunden verteile. Dass
unter solchen Umständen die Begleitung der Zöglinge zu und von der
Schule viel Zeit in Anspruch nehmen werde und nur durch eine Mehrzahl
von Personen ausgeführt werden könne, war ohne weiteres klar, und
es musste dein Kläger doch mindestens zweifelhaft erscheinen, ob der
Beklagte bei dem bescheidenen Pensionspreife, den er forderte, eine
solche Begleitung zusichern molle. Setzte er daher Wert darauf, dass
diese Begleitung stattfinde, so musste er sich hierüber vergewissern,
Und es ist auch die Annahme ganz unbedenklich, dass er es gethan habe,
bezw. die Unterlassung einer Begleitung ihm bald nach Verbringung seiner
Söhne in die beklagtische Erziehungs-V. Ohligationenrecht. N° 96. . 839

anstan bekannt geworden sei. Die Vorinstanz stellt thatsächlich

fest, dass der Kläger seine beiden Söhne wiederholt besucht habe, und
von denselben allein, ohne weitere Begleitung-. am Bahnhof, der 2100
Meter vom Hause des Beklagten entfernt ni, abgeholt und

wieder dorthin geführt worden sei. Unbestrirten hat Giuseppe

Vittonatti vor dem 22. April 1896 schon mehr als ein Jahr die städttsche
Primarschule besucht, und es ist nun nicht anzunehmen, dass bei den
Besuchen des Klägers hieruber nicht gesprochen und ihm der Sachverhalt
Unbekannt geblieben sei. Dass ihm die Wahrheit vorenthalten worden fei,
hat er nichtbehauptet, ebensowenig aber, dass er jemals dem Beklagten
Vorstellungen gemacht, bezw. die Nichtbegleitung seiner Söhne auf dein
fWeg zur Schule als vertragswidrig geritgt habe. Auch nachdem ihm der
Beklagte am 24. April 1896 von dein Unfall Mitteilung gemacht hatte-:
ist von ihm die Nichtbegleitung seines Sohnes, trotzdem ihni dieselbe aus
der Mitteilung klar sein musste, nicht getadelt worden; sondern hat er
gegenteils seinen Sohn Ernst Hexenfalls noch bi zum 1. August gl. I. in
dem beklagtischen Jnstttut belassen. Nach dem Grundsatz von Treu und
Glaubens welchem auch dieses Vertragsverhältnis untersteht, kann daher
nicht angenommeaner: den, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei,
den Giuseppe littenatti auf seinen Gängen zu fundbvrznt deruSlTlZsistäel
zu beg eiten, s . durcl eine eei nele Per on eg ei en z . reprDie
thauptukizig gdes Klägers endlichzdass der Feklagte durch Bezahlung
der Spitalrechnnngen für Grufeppe Bittonattl lsîmi Verantwortlichkeit
für dessen Verletzung anerkannt habe, er e ig sich schon dadurch, dass
der Beklagte vorn Klager widerklagsnziteise Bezahlung dieser Auslagen
verlangt und zugesprochen mizar &? hat, und der Kläger gegen diesen Teil
des vormstanzlichen r e die Berufung nicht ergriffen hat. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt: d b ';

' i des Kia ers wird als unbegrün et a gewie en trntkddeastelrilxgilltgdes
Obergerichts des "Kantons Solothurn vom 10. August 1898 in allen Teilen
bestatigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 24 II 830
Date : 04. Oktober 1898
Published : 31. Dezember 1898
Source : Bundesgericht
Status : 24 II 830
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 830 Civilrechtspflege. le débiteur. Bien qu'aucune divergence importante n'existàt


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defendant • hamlet • federal court • lower instance • outside • damage • undertaking • number • obligation • distance • measure • question • reason of action • stone • good faith • autonomy • diligence • decision • solothurn • legal demand
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