552 Civilrechtspflege. . 67. nisten vom 18. Juiins in Sachen
Fridlin-Galliker und Konsorten gegen

Sparkasse Zug.

Berufmîg (m das Bundesgericht. Voraussetzefflgen. Hauptewèeil? U riet-L
über Verbindlichkeit und Tragweite einer vertraglich festgesetzten
Schiedslclaeesel est Haupturteit. Streitwert bei Anfechtung der
Sta,-tuten einer Genossenschaft oder eines Vereins dureh einzelne Mit-
glieder. Eidgenössisches oder Zeus-etwaiges Hecht ; wirtschaftlicher
Verein. Art. 63 Org.-Ges. Verletzt Einführung einer SchiedsÈlausel
durch Mehrkeitsbeschleess wohlerworbenes Rechte der Genos- sensehafter
? Proeisorisehe Statuten?

A. Durch Urteil vom 2. April 1898 hat das Obergericht des Kantons Zug
unter Hinweis auf die faktischen und rechtlichen Erörterungen und in
Bestätigung der erstinstanzlichen Erwägungsgründeli erkannt:

Es sei unter Abweisung der Appellationsbeschwerde das kantonsgerichtliche
Urteil vom 23. Dezember 1897 bestätigt.

B. Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit der Erklärung, sie fechten dasselbe sowohl in formeller
als in materieller Beziehung, und zwar in seiner Totalität an, und
beantragen deshalb:

a. Vorsrageweise:

Es sei das angesochtene Urteil mit Bezug ans die demselben
anhaftenden Mängel (% 63 des Bundesges. Über die Organisder
BundesrechtspslegeJ zur Verbesserung dieser Mängel an daskantonale
Gericht zurückzuweisen. Eventuell, sofern das Bundesgericht finde,
dass die Hebung der Mängel aus andere Weise nicht thunlich sei, sei das
Urteil von Amtes wegen aufzuheben, und die Sache zu neuer Verhandlung
und Beurteilung an das

kantonale Gericht zurückzuweisen.

b. In der Hauptsache:

1. Es sei das obergerichtliche Urteil, insoweit durch dasselbedie
Jnkvmpetenz des staatlichen Gerichts statuiert wird, aufzuheben, und das
Berufungsgericht anzuweisen, die von den WWW: klägern gegen die Sparkasse
Zug gestellten Rechtsbegehren, soweitII. Ohligationenrecht. N° 67. 553

solche nicht bereits einlässlich beurteilt wurden (Rechtsfragen 5

und 6), einvlässlich zu beurteilen (Rechtsfragen 1-4). _ 2. Es setz
unter Aufhebung des genannten Urteils die Berusung der Klager Fridlin
und Mithafie als begründet zu erklären und es se! dasselbe, soweit die
Kläger dadurch mit ihren Rechts: fragen 'o und 6v abgewiesen worden
sind, aufzuheben und es seien den Klagern die von denselben gestellten
Re tsund 6 zuzusprechen. ch fragen 5

C. In der heutigen Verhandlun vor Bunde ' ' der Anwalt der
Berufungskläger, dig die beidensxläketr Träg und Keiser die Berufung
zurückziehen Namens der übrigen Kläger erneuert er seine schriftlichen
Berufungsanträge Der Anwalt der Beklagten beantragt Abweisung dieser
Anträge und Bestätigung des angefochtenen Urteils. '

1DaÎ:Bundesgerùht zieht in Erwägung:

. ceit dem Jahre 1839/1840 betand in 'u Namen Sparkasse im Kanton
Zug bxznx Spaärsse $; ZS; Gesellschaft oder ein Verein, welcher den
Zweck verfolgte bei der armeren Klasse den Sinn für Arbeitsamkeit und
Sparsamkeit dadurch zu erwecken, dass ihr eine Anstalt zur Verfügung
gestellt wurde, bei der ersparte Gelder sicher und zinstragend angelet
werden konnten, sowie Geldbedürftigen auf dem Wege von Arklieben
behilflich zu sein. Die Mitglieder bezogen keinen Gewinn Dieser kam
vollständig dem Unternehmen selbst, oder gemeinnützi; gen Zwecken
zu gut. Der Kantonsrat des Kantons Zug hatte am 30. Dezember 1839
beschlossen, es sei den Grundlagen der zinstragenden Ersparniskasse für
den Kanton Zug die hoheitliche Genehmigung und Garantie erteilt. Als
Sicherheit für die von ihm ubernommene Garantie haftete dem Staat
ursprünglich eine Realkaution von 10,000 Fr., und wurden ihm sämtliche
bei der Anstalt von ihren Debitoren hinterlegte Werttitel verschrieben.
Spater trat an Stelle dieser Sicherheit der als unteilbares Eigentum
der Gesellschaft erklärte, aus den erstmaligen Beiträgen der
Gesellschaftsmitglieder und aus den Geschäftsüberschüssen gebildete
Rein-version nbee die Zinsen des Reservefonds verjagte die Gesellschaft zu
gemeinnützigen Zwecken. Bei den im Laufe der Jahre mehrsach vorgenommenen
Statutenrevisionen wurde an diesen

554 Givilrechtspflsiege.

Grundlagen bis in das Jahr 1891X eisfestgehkanea Über die Auflösung der
Gesellschaft und die Revisto der Statuten bestimmten die (Bis 1891 in
Kraft gebliebenen); Statuten von 1879 (übereinstimmend mit den frühern
von 187p): § 29. Die Auflösung der Anstalt kann nur mit Zustimmung von
3/4 der sämtlichen Mitglieder der Gesellschaft beschlossen werden, worauf
die Liquidation vorzunehmen ist Im Falle der Auflösung der Anstalt soll
der Reservefoud zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden." § 30. Diese
Statuien treten nach erfolgter Genehmigung durch den Regierungsrat in
Kraft; sie können-zu jeder Zeit ganz oder teilweise, jedoch nur nach
angehörtem Bericht und Gutachten der Verwaltungskontmission, abgeändert
werden. Nach voraus-gegangenen längern Verhandlungen legte sodann am
17. November 1891 die Verwaltung der Generalversammlung einen neuen
Statutenentwurf vor, durch welchen die Sparkasse auf wesentlich veränderte
Grundlagen gestellt wurde; einerseits wurde auf die Staatsgarantie
verzichtet, anderseits wurde als Zweck der Genossenschaft- nunmehr
einfach der Betrieb eines Bankgeschäftes aufgestellt Während bis
dahin die Gesellschafter einen Gewinn nicht bezogen hatten, sollten
nun verzinsliche Anteilscheine gezeichnet und die Zeichner neben den
bisherigen Gesellschaftern Mitglieder der Genossenschaft werden und sollte
der Gewinn der Hauptsache nach zu Dividenden verwendet werden. Dieser
Statutenentwurf wurde an der Generalversammlung vom 17. und 24. November
1891 durchberaten, wobei die angegebenen neuen Grundlagen angenommen
wurden. Am Ende der Detailberatung, zu § 38 der Vorlage der Verwaltung,
welche das Jnkrafttreten der neuen Statuten auf 1. Juli 1892 festsetzte,
wurde beschlossen, es in das Ermessen der Verwaltung zu stellen, wann die
neuen Siatuten in Kraft zu treten haben; im fernern wurde beschlossen,
zwei von einem Mitgliede (Bossard-Schwerzmann) beantragte Paragraphen
(gg 39 und 40), welche bestimmten, dass die Statuten vom Präsidenten
und Aktuar zu unterzeichnen, sofort zu drucken und allen Kreditoren
sowie sämtlichen Mitgliedern der bisherigen Sparkassegesellschaft
zuzustellen, und dass die Verwaltung zu beauftragen sei, der Regierung
des Kantons Zug von den neuen Statuten Kenntnis zu geben mit der Anzeige,
dasslI. Obligationenrecht. N° 67. 555

die heutige Sparkasse auf die Garantie des Kantons verzichte, an die
Verwaltung zur endgültigen Erledigung zu überweisen. Hierauf fragte das
Präsidium an, ob jemand Verwerfung der berateneu Statuten beantrage. Auf
diese Anfrage erklärte ein Mitglied (Dr. Zürcher-Deschwanden) zu
Protokoll, dass er sich vorbehalte, Einsprache zu erheben gegen die
beschlossene Zinsverwendung des Reservefonds (eine Verwahrung, welcher
aber später keine Folge gegeben wurde). Ein Verwerfungsantrag wurde
nicht gestellt. Die Statuten wurden nun als auf Grund der Beschlüsse der
Generalversammlung vom 17. und 24. November 1891 angenommen betrachtet
und gedruckt In § 38 derselben ist bestimmt, dass mit Annahme dieser
Statuten, deren Wirksamkeit am 1. Juli 1892 beginne, die alten Statuten
vom Jahre 1870, sowie deren infolge des Obligationenrechts abgeänderte
Paragraphen auf besagten Termin aufgehoben seien. § 87 enthält die
in den frühern Statuten nicht enthaltene Schiedsgerichtsklausel für
alle Streitigkeiten, welche zwischen den Genossenschaftern und der
Genossenschaft entstehen. In der Generalversammlung vom 19. Januar 1892
machte bei Verlesung des Protokolls der letzten Versammlung ein Mitglied
(Bossard-Schwerzmann) die Bemerkung, § 34 der gedruckten Statuten sei
nicht dem Beschlusse der Generalversammlung entsprechend redigiert. Er
beantrage, es sei auf diesen § 34 zurückzukommen Daraufhin bemerkte
ein anderes Mitglied (Dr. Stadlin), er sei einverstanden, dass man die
Revision nicht für abgeschlossen erkläre, er behalte sich vor, nicht
nur aus § 34, sondern auch auf § 7 und 18 der Statuten zurückzukommen
Da die beiden Antragsteller ihre Anträge als Motionen einbrachten, so
gelangten sie in dieser Versammlung nicht mehr zur Behandlung Dagegen
wurden in der spätern Versammlung vom 1. Februar 1892 zwei Motioneu
(der Mitglieder Dr. Stadlin und Dr. Zürcher-Deschwanden) auf Abänderung
einzelner Statutenbestimmungen erheblich erklärt. Am 24. Mai 1892 wurde
sodann eine Abänderung des § 34 der Statuten beschlossen, dagegen ein
Antrag auf Totalrevision der Statuten verworfen und ein solcher auf
weitere Partialrevision verschoben, bis weitere Erfahrungen gemacht
sein werden. Seitens des Regierung-states des Kantons Zug wurde die
Genossenschaft, wie556 Civilrechtspflege. in der Generalversammlung
vom 24 Mai "1892 mitgeteilt wurde, aufgefordert, ihre Statuten We der,
nähern Anpassung an die frühern Statuten zu redidiereJo und wurden
Ansprüche auf den Reservefonds erhoben, wegen elcher der Genossenschaft,
wie in der Generalversammlung vom 6. Dezember 1892 eröffnet wurde,
mit Klageerhebung beim Bundesgerichte gedroht wurde. Der erstern
Aufforderung kam die Genossenschaft nicht nach; dieselbe wurde dann,
nachdem hinsichtlich des Reservefonds im Jahre 1893 ein Vergleich erzielt
worden war, fallen gelassen. Später, am 16. Oktober 1894, beschloss
die Generalversammlung (entgegen dem Antrage des Klägers Uttinger), den
Verwaltungs-rat zu beauftragen, Vorlagen über eine Generalrevision der
Statuten im Sinne der Umänderung verschiedener Bestimmungen betreffend
die Anteilscheine, eventnell im Sinne der Umwandlung der Genossenschaft
in eine Aktiengesellschaft zu machen. Der Verwaltungsrat kam dieser
Aufforderung nach und es wurden infolgedessen am 18. Juni 1895 von der
Generalsi versammlung neue Statuten angenommen Diese Statuten vom 18. Juni
1895 beruhen prinzipiell aus den gleichen Grundlagen wie die Statuten von
1891. Am 11. Mai 1897 erhoben nun Karl Fridlin allié Gattiker, Fabrikant,
Aloi? Uttinger, Major, Georg Schell, alt Stadtrat, und Josef Keiser,
Hafnermeister, alle in Zug, gegen die Sparkasse Zug in Zug Klage mit
den Anträgen:

Jst nicht gerichtlich zu erkennen, die Beklagte Sparkasse Zug sei nicht
berechtigt gewesen und sei überhaupt nicht berechtigt, ohne Zustimmung
sämtlicher beteiligter Genossenschafter, speziell ohne diejenige
der heutigen Kläger, ihre Statuten in der Weise abzuändern, dass der
ursprüngliche Zweck der Sparkasse Zug Betrieb zu gemeinnützigen Zwecken
durch einen andern Zweck, Betrieb eines Bankgeschäftes, ersetzt wird?

2. Sind nicht demgemäss die auf die erwähnte Statutenänderung bezüglichen
statutarischen Bestimmungen, insbesondere diejenigen in den §§ 1 und 31
der neuen Statuten als ungültig zu erklären?

3 Jst nicht gerichtlich zu erkennen, dass die Sparkasse Zug
Nicht berechtigt gewesen und dass dieselbe überhaupt nicht
berechtigtll. Obijgationenrecht. N° 67. 557

sei, ohne Zustimmung der sämtlichen beteiligten Genossenschafter,
speziell ohne diejenigen der heutigen Kläger, ihre Statuten in der ,Weise
abzuändern, dass am Platz der in den ursprünglichen Statuten vorgesehenen
Verwendung der Erträgnisse des Reservefonds zu gemeinnützigen Zwecken
die Verwendung des Reservefonds und seiner Erträgnisse zu Erwerbszwecken
gesetzt wird?

4. Sind nicht demnach die daran bezüglichen Bestimmungen der neuen
Statuten, speziell diejenigen in den §§ 1 in fine, 2, 7 und 33 Al. 2
als ungültig zu erklären?

5. Soll nicht gerichtlich erkannt werden: Es sei die Sparkasse Zug nicht
berechtigt gewesen, und es sei dieselbe überhaupt nicht berechtigt, ihre
Statuten ohne Zustimmung der sämtlichen beteiligten Genossenschafter,
speziell ohne diejenigen der damaligen Kläger, in der Weise abzuändern,
dass dadurch den Genossenschaftern das Recht entzogen wird, ihre Ansprüche
vor den ordentlichen staatlichen Gerichten geltend zu machen?

6. Sind nicht demgemäss die darauf bezüglichen Bestimmungen der neuen
Statuten, namentlich diejenigen in § 36, als ungültig zu erklären?

Dabei gaben sie die Erklärung ab: sie betrachten die Statutenrevision
aus den Jahren 1891 1895 als ein einheitliches Werk und es richten sich
ihre Rechtsbegehren nicht nur gegen das schliessliche Ergebnis dieser
Revision d. h. die Statuten vorn 18. Juni 1895, sondern gegen die gesamte
Statutenrevision, deren schliessliches Ergebnis die Statuten vom 18. Juni
1895 waren.

Die Beklagte stellte das Gegenrechtsbegehren: Es sei gerichtlich zu
erkennen, dass der von der Klagpartei häugig gemachte Rechtsstreit
nicht durch die ordentlichen Gerichte, sondern gemäss Art, 36 der
Genossenschafisstatuten durch ein Schiedsgericht zu beurteilen sei,
und dass demzufolge die beklagte Partei die Einlassung in Hauptsachen
verweigern könne, eventuell seien, falls sich die ordentlichen Gerichte
zur Beurteilung dieses Rechtsstreites kompetent erklären sollten,
sämtliche Rechtsbegehren sub Biff. 1 6 abzuweisen Vom Kantonsgericht
des Kantons Zug wurde, auf ausdrückliches Begehren des klägerischen
Anwaltes, entgegen dem Antrage der Beklagten, beschlossen, es liege in
der beklagtischen

558 Civilrechtspflege.

Protokollerklärung bezw. GegenrechEbethren vorab eine Kompetenzeinrede,
und sei diese daher vor Eintreten in die Hauptsachezu behandeln. Nach
Anhörung der Parteivorträge entschied dann das Kantonsgericht am
14. August 1897, die heutige Kompetenzeinrede sei abgewiesen, die Veklagte
habe sich in dem Sinne auf die Hauptsache einzulassen, dass das Gericht
nach Anhörung der Parteien vorerst die Frage zu entscheiden habe, ob und
inwieweit das schiedsrichterliche Verfahren Platz zu greifen habe. Durch
Entscheidung vom 23. Dezember 1897 hat sodann das Kantonsgericht des
Kantons Zug erkannt:

Es könne unter Abweisung der klägerischen Rechtsfrage Biff. 5,-"6die
Beklagte wegen Jnkompetenz der zugerischen Gerichte die Einlafsung auf
die klägerische Rechtsfrage 1. bis und mit 4 verweigern.

Zur Begründung wird bemerkt: Da die Schiedsklausel einen Bestandteil der
Statuten von 1891 bilde, so bestehe sie zu Recht, sobald die Statuten
pro 1891 als den frühem statutarischen Bestimmungen entsprechend
angenommen erklärt werden müssen. Dies sei zu besahen Die Statuten von
1879 haben keineSchiedsklausel, aber auch kein Verbot einer solchen
enthalten. Es sei nicht bewiesen, dass an der Generalversammlung
vom 1?.-24. November 1891 einer der Kläger gegen die Einführung des
schiedsgerichtlichen Verfahrens protestiert hatte. Ein Verwerfungsantrag
sei damals nicht gestellt worden. Einstimmigkeit für die Einführung
einer Schiedsklausel sei in den Statuten von 1879 nicht vorgesehen,
und es sei auch nicht behauptet worden, dass M Mehrheit hiefür nötig
gewesen wäre. Keiner der Kläger habe, als die Statuten von 1891,
einschliesslich des Art. 37, ausdrücklich und ohne jeden Vorbehalt in
Kraft und die früheren Statuten für aufgehoben erklärt worden seien,
eine Einsprache erhoben, trotzdem einer der Kläger nachweislich an den
Verhandlungen teilgenommen, drei derselben Anteilscheine gezeichnet,
und ein anderer Rechnungsrevisor der Genossenschaft gewesen sei. Nach
Verfluss von mehreren Jahren erscheine eine solche Anfechtung überdies
nicht mehr als statthaft. Zusolge § 37 der Statuten von 1891 bezw-. §
36 derjenigen von 1895 gehöre somit ss die Beurteilung der Streitpunkte
15 der klägerischen Rechts-II. Obligationenrecht. N° 67. 559

frage nicht vor die ordentlichen Gerichte. Gegen dieses Urteil ergriffen
die Kläger einerseits die Appellation, anderseits den Rekurs an das
Obergericht des Kantons Zug. Die Appellation wurde vom Obergerichte
unter Hinweis auf die faktischen und rechtlichen Erörterungen und in
Bestätigung der erstinstanzlichen Erwägungsgründe durch das eingangs
(Fact. A) mitgeteilte Urteil als nnbegründet abgewiesen, und auf den
Rekurs wurde nicht eingetreten, weil die angefochtene Entscheidung ein
Haupturteil und keineswegs eine Entscheidung über verzögerliche Einreden
oder prozessleitende Beschlüsse sei, die Streitsache überdein appellabel
und auch deshalb nach § 119 Al. 2 der zug. C.-P.-Q. der Rekurs nicht
statthaft sei.

2. Zunächst muss sich fragen, ob die Voraussetzungen der
bundesgerichtlichen Kompetenz gegeben seien, h. h. also, ob die an-
gefochtene Entscheidung sich als Haupturteil im Sinne des Art. 58
Organis.-Ges. qualifiziere, ob der gesetzliche Streitwert (Art. 59
Organis.-Ges.) gegeben sei oder es sich allfällig um einen seiner
Natur nach keiner vermögensrechtlichen Schätzung unterliegenden
Streitgegenstand handle, und endlich, ob die Sache (ganz oder teilweise)
nach eidgenössischem Rechte zu beurteilen sei.

3. Als Haupturteil kann selbstverständlich nur die Entscheidung des
Obergerichts über die bei ihm eingereichte Appellation, nicht aber
diejenige über den gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegten
Rekurs in Frage kommen, denn letztere enthält ganz offenbar keine
Entscheidung über einen privatrechtlichen Anspruch, sondern ist
rein prozessrechtlicher Natur; sie entscheidet lediglich über die
Zulässigkeit eines Rechtsmittels Durch die Entscheidung über die
Appellation nun hat das Obergericht das Urteil des Kantonsgerichts,
es könne unter Abweisung der klägerischen Rechtssrage, Biff. 5 u. 6,
die Beklagte wegen Jnkompetenz der zugerischen Gerichte die Einlassung
aus die klägerische Rechtsfrage 1 bis und mit 4 verweigern, einfach
bestätigt. Angesichts dieses Inhalts des Urteilsdispositives möchte
zunächst scheinen, das angesochtene Urteil qualifiziere sich nicht als
Haupturteil, sondern als blosse Kompetenzentscheidung; es entscheide
nicht über einen materiellrechtlichen Anspruch, sondern bloss über eine
Prozessvoraussetzung Allein dies erscheint doch nicht als richtig. Wie
das Bundesgericht stets

560 Civilrechtspflege.

festgehalten hat, qualifiziert sich die Frage, ob eine Rechtsstreitigkeit
durch Schiedsvertrag einem SchiedsgeriWeKund der Kognition des
ordentlichen Richters entzogen sei, als ei e Frage des materiellen
Prioatrechts (vgl. u. a. Amtl. Samen-F der bundesger. Entsch.,
Bd. VII, S. 283, Erw. 4a). Das gleiche muss selbstverständlich auch
gelten, wenn es sich um die Verbindlichkeit und Tragweite einer in
einer Korporationssatzung ausgestellten Schiedsklausel handelt. Nun
urteilt aber die augefochtene Entscheidung über die Verbindlichkeit und
Tragweite der Schiedsklansel der beklagtischen Statuten von 1891/1895;
siesisssisisserflart dieselbe für gültig und auf den vorliegenden
Streitfall nwendbar und weist demgemäss die auf Ungültigerklärung der,
Klansel gerichteten Klagebegehren 5/6 endgültig ab, indem sie ausspricht,
dass folgeweise der Streit im übrigen nicht vor den ordentlichen
Gerichten, sondern von dem statutarischen Schiedsgerichte zum Austrage
zu bringen sei. Diese Entscheidung erscheint in der That als HaupturteiL
Sie entscheidet in erster Linie darüber, ob die Kläger verpflichtet
seien, sich der Schiedsgerichtsklausel der Statuten zu unterwerfen,
oder ob ihnen nicht vielmehr das Recht zustehe, deren Aufhebung zu
verlangen, weil dieselbe in Verletzung der den Klägern, als Mitgliedern
der GenossenschaftSparkasse Bug, aus dein Genossenschaftsverhältnis
zustehenden Rechte aufgestellt worden sei. Sie entscheidet also
über subjektives Privatrecht, über das von den Klägern behauptete
genossenschaftliche Sonderrecht, sich einer ohne ihre Zustimmung
durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Änderung der frühem Statuten in
den streitigen Punkten zu wider-setzen Dass das Urteil, nachdem es die
Schiedsgerichtsklausel als für die Kläger verbindlich erklärt hat, auf die
übrigen Streitpunkte sachlich nicht eintritt, sondern deren Erledigung
dem statutarischen Schiedsgerichte vorbehalt, ändert an dessen Natur
als Haupturteil nichts. Denn es wird durch dasselbe nichtsdestoweniger
der Rechtsstreit, soweit er nicht überham; nach der vorinstanzlichen
Entscheidung, durch gültige Satzung den ordentlichen Gerichten entzogen
ist, endgültig erledigt.

4. Qualisiziert sich demnach das angefochtene Urteil als
Haupturteil, so ist auch der gesetzliche Streitwert gegeben. Die
Streit-Il. Ohligatiouenrecht. N° 67. 561

sache ist keine solche-, Welche ihrer Natur nach keiner
vermögensrechtlichen Schätzung unterliegen würde. Geklagt ist
aus ungültig: erklärung der in den Klagebegehren bezeichneten
Statutenbestimmungen, welche für die gesamte Bestimmung und Verwendung
des Vermögens der beklagten Genossenschaft massgebend sind. Dass danach
den Klagebegehren eine und zwar sehr erhebliche, den gesetzlichen
Streitwert weit übersteigende vermögensrechtliche Bedeutung zukommt,
liegt auf der Hand. Freilich ist nicht genau ersichtlich, welchen Anteil
die Kläger an dem Vermögen der beklagten Genossenschaft besitzen,
und verfolgen dieselben mit ihrer Klage, den gestellten Begehren
nach, welche gegenteils im wesentlichen auf Wahrung des ursprünglichen
gemeinnützigen Charakters der beklagtischen Anstalt abzielen, überhaupt
keine ökonomischen Privatvorteile. Allein dies ist für die Bemessung des
Streitwertes, nach den vom Bundesgericht in Sachen Spar: und Leihkasse
Zofingen c. Gras und Genossen am 17. Dezember 1897 (vgl. Revue, Bd. XVI,
Nr. 29; Umts. Sonnle Bd. XXIII, S. 1828, Erw. 2) aufgestellten Grundsätzen
gleichgültig Denn massgebend ist nach dieser Entscheidung bei derartigen
AnfechtungsHagen, deren Zuspruch präjudiziell wirkt, die angefochtene
Schlussnahme in toto gegenüber allen Beteiligten aufhebt, nicht das
Spezialinteresse der Kläger, sondern das Gesanitinteresse der beklagten
Gesellschaft oder Körperschaft. Demnach ist denn aber hier der gesetzliche
Streitwert selbstverständlich gegeben.

5. Die Kompetenz des Bundesgerichts hängt somit davon ab, ob in der Sache
eidgenössisches oder aber kantonales Recht anwendbar ist. Darüber ist zu
bemerken: Die Sparkasse Zug bestand bereits lange vor Inkrafttreten des
Obligationenrechts und besass offenbar nach dein kantonalen zugerischen
Rechte E 15 des zug. Privatrechts) das Recht der Persönlichkeit In
ihrer Gestalt vor der Statutenrevision von 1891 sodann verfolgte lsie
nicht eigenniitzige Zwecke ihrer Mitglieder, sondern gemeinnutzige
Ziele. Allein nichtsdestoweniger qualifizierte sie sich doch· wohl auch
in dieser Gestalt als Personenverband, welcher gemeinsame Zwecke des
wirtschaftlichen Verkehrs verfolgt, bezw. als wirtschaftlicher Verein
im Sinne der Art. 678 und Til O.-R. Denn-sie betrieb, als einzige
statutarische Thätigkeit (und zwar in nicht

562 Givilrechtspflege.

unbedeutendem Umfange), gewerbmässig durch ein besonderes ständiges
But-can und ständige Einnehmer, Geldsschäthej peziell die Entgegennahme
von Spargeldern [Depositen] und das nsleihen und Anlegen derselben,
wesentlich auf Darlehen), d. h.ss einen Zweig des unzweifelhaft
(vgl. Art. 13 Ziff. 1 c der bundesriitL Verordnung Über Handelsregister
u. Handelsarntsblatt v. 6. lMai 1890) als Handelsgewerbe sich
qualifizierenden Bankiergewetbes Jhre statutenmässige Thätigkeit
war also durchaus eine wirt.chaftliche, handelsgewerbliche. Dass die
Sparkasse Zug diese hss ndelsgewerbliche Thätigkeit vor 1891 nicht in
der Absicht ausübte, den aus dem Gewerbebetrieb sich ergebenden Gewinn
ihren Msltgliedern, sondern, mit gemeinnütziger Tendenz, in der Absicht-
denselben teils dem Unternehmen selbst, teils gemeinnützigen Zwedken
zuzuwenden, ändert an der Natur des Vereins als einestwirtschafk
lichen nichts. Ein Verein, welcher als einzige oder Hauptthätigkeit
den Betrieb eines Handelsgewerbes ausübt, ist ein wirtschaftlicher
im Sinne des Gesetzes auch dann, wenn der, Geschäftsgexvinn nicht den
Mitgliedern, sondern gemeinnützigen Zwecken zukommen soll und überhaupt
der Gewerbebetrieb in erster Linie nicht um eines Geschäftsgewinns,
sondern um des damit für das Gemeinwohl verbundenen Nutzens willen geführt
wird. Auch in diesem Falle bewegt sich die Thätigkeit des Vereins-, trotz
des zu Grunde liegenden gemeinnützigen Monds durchaus und ausschliesslich
auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Verkehrs, und muss daher der Verein
den für wirtschaftliche Vereine geltenden Rechtsnormen unterstehen, wie
dies auch durch das Interesse des Publikums, das mit solchen Vereinen
in Beziehungen tritt, gefordert wird. Aus Art. 880 Ziff. 7 und 703
O.-R. ergiebt sich denn übrigens, dass das Gesetz als wirtschaftliche
Vereine bezw. Genossenschaften jedenfalls nicht nur solche behandelt
wissen wifi, welche die Erzielung eines verteilbaren Reingewinns
bezwecken. Demnach war denn die Sparkasse Zug, auch in ihrer Gestalt
vor der Statutenrevision von 1891, nicht etwa ein Verein zu idealen
Zwecken, welcher nach kantonalem Rechte die Rechte einer juristischen
Person besass und daher der Regelung durch das eidg. Obligationenrecht
durchaus entzogen blieb, sondern sie war ein wirtschaftlicher Verein, der
mit dem Inkrafttreten des Obligationen-ll. 0b1igationenrecht. N° 67. 563

rechts unter die Herrschaft dieses Gesetzes getreten, grundsätzlich
den Vorschriften des 27. Titels desselben über die Genossenschaften
Unterworfen worden war. Da die Sparkasse das Recht der Persönlichkeit
bereits nach dem frühern kantonalen Rechte besass, brauchte sie allerdings
dasselbe nicht erst nach dem Inkrafttreten des Obligationenrechts durch
Eintragung in das Handelsregister zu erwerben, wohl aber war sie gemäss
Art. 865 Abs. 3 und Art. 894 O.-R. als Inhaberin eines eintragspflichtigen
Geschäftes verpflichtet, sich in das Handelsregister eintragen zu
lassen. Dies ist denn auch in der That geschehen: am 81. März 1883 ist
die Sparkasse Zug in das Handelsregister von Zug als Genossenschaft
eingetragen worden. Danach ist denn, wie gesagt, anzunehmen, dass die
Sparkasse Zug schon vor der Statutenrevision von 1891 eine Genossenschaft
im Sinne des 27. Titels des Obligationenrechts war.

6. Erscheinen somit die angefochtenen Statutenbestimmungen als
Schlussnahmen einer dem eidgenössischen Obligationenrecht unterstehenden
Genossenschaft, so ist eidgenössisches Recht jedenfalls insoweit
anwendbar, als es sich um die Frage der Tragweite der in den Statuten von
1891 und 1895 aufgestellten Schiedsgerichtsklausel, sowie darum handelt,
ob die Kläger nicht an die Statuten Von 1891 deshalb gebunden seien, weil
sie dieselben, wenigstens stillschweigend, anerkannt haben. Denn in diesen
beiden Richtungen steht zweifellos die Bedeutung und Wirkung juristischer
Thatsachen in Frage, welche sich unter der Herrschaft des eidg. Rechts
ereignet haben, und daher der Zeit nach diesem Rechte unterstehen. Das
Bundesgericht ist also, da wenigstens teilweise eidg. Recht anwendbar ist,
grundsätzlich kompetent.

7. Jst demgemäss auf die Berufung einzutreten, so erscheint zunächst der
Antrag der Kläger, es sei die angefochtene Entscheidung zu Hebung der
ihr anhaftenden Mängel an das kantonale Obergericht zurückznweisen,
als unbegründet. Die vom klägerischen Anwalt bemängelte Art der
Urteilsmitteilung durch Zustellung des das Protokoll mit dem vollständigen
Urteile enthaltenden Aktenheftes ist, wie das Bundesgericht bereits in
der Entscheidung in Sachen Ehelente Bär gegen Sidler, vom 9. Oktober 1896
(Amtl. Samml., Bd. XXII, S. 1143, Erw. 2) ausgesprochen

564 ' Civilrechtspflege.

hat, wenn auch kaum zweckmässig, so doch Æsichtsdes letzten Absatzes des
Art. 63 Organs-Eies nichsungesetzlich und kann sich die Partei darüber
nicht beschweren. Das obergerichtliche Urteil leidet auch nicht an solchen
Mängeln, welche seine Rückweisung zur Verbesserung bedingen würden. Die
behauptete Ungenauigkeit der Reproduktion der vor dem Obergericht in der
mündlichen Verhandlung gestellten klägerischen Begehren ist ohne sachliche
Bedeutung Im übrigen ist ja allerdings richtig, d das obergerichtliche
Urteil sowohl hinsichtlich des Thatbestandesxals der Entscheidungsgründe
einfach ans die erstinstanzliche Entscheidung verweist. Allein dies
ist nicht ungesetzlich oder unzulässie;, Art. 63 des Organis.-Gesetzes
schliesst durchaus nicht aus da wenn in oberer Instanz neues nicht
vorgebracht wird und dieselbe sich den thatsächlichen und rechtlichen
Ausführungen der ersten Instanz vollständig anschliesst, den in Art. 63
Biff. 2 und 3 aufgestellten Ersordernissen einfach durch Verweisung auf
die erstinstanzliche Entscheidung Genüge geleistet werden kann. Dass er
in zweiter Instanz neue erhebliche, in der erstinstanzlichen Darstellung
der Parteianbringen nicht enthaltene Behauptungen oder Beweisanträge
vorgebracht habe, hat der klägerische Anwalt nicht behauptet. Wenn
es der Fall gewesen sein sollte, so hätte er bei der zweiten Instanz
Vervollständigung des Protokolls unter genauer Angabe der betreffenden
Behauptungen und Beweisanträge beantragen miissen Dies hat er aber
nicht gethan, sondern sich mit der ganz allgemeinen Behauptung begnügt,
das oder-gerichtliche Urteil entspreche den Vorschriften des Art. 63
O.-G. nicht.

8. In der Sache selbst ist zu bemerken: Es mag dahingestellt bleiben,
ob die Frage, ob die Schiedsgerichtsklausel, wie sie in die Statuten
der Beklagten von 1891 eingeführt wird, für die Kläger an sich, kraft
Mehrheirsbeschlusses, auch ohne ihre Zustimmung, verbindlich war,
nach dem zur Zeit der Statutenrevisionw beschlüsse von 1891 geltenden
eidgenössischen, oder nach dem kantonalen Rechte, wie es zur Zeit der
Aufstellung der, im Momente der Statutenrevision für die beklagte
Genossenschaft massgebenden Satzung von 1879 galt, zu beurteilen
ist. Denn auch wenn die Frage der zeitlichen Rechtsanwendung in ersterm
Sinne zu beantworten und demnach das Bundesgericht zur materiellen
Über-II. Ohligationenrechi. N° 67. 565

prfiîungder angefochtenen Entscheidung in der bezeichneten Richtung befugt
sein sollte, so ist der vorinstanzlichen Entscheidung beizutreten. So
viel den Akten zu entnehmen, ist nicht bestritten worden, dass nach den
Statuten der Sparkasse Fug von 1879 eine Abänderung der Statuten durch
Mehrheiisoeschtun zum mindesten durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss
mit sz der Stimmen der sämtlichen Genossenschafter im allgemeinen gültig
verfügt werden konnte, und es scheint dies auch aus dem Zusammenhange der
Vorschriften der §§ 29 und 30 der Statuten von 1879, in Verbindung mit dem
Umstande, dass das zur Zeit des Erlatses der Statuten geltende kantonale
Recht den (singuWren) Rechtssatz, dass Statuten eines korporativen Vereins
nm: unter Zustimmung sämtlicher Mitglieder abgeändert werden können,
nicht enthielt, klar hervorzugehen Gegen die formelle Gültigkeit der
Revisionsbeschlüsse von 1891 sodann ist eine Einwendnng vor den kantonalen
Gerichten nicht erhoben worden. Jst aber danach davon auszugehen, dass
nach den Statuten der Sparkasse Zug von 1879 Statutenabänderungen an
sich mit Mehrheit beschlossen werden konnten, so ist mit der Vorinstanz
anzuerkennenszdass danach auch die Einführung der Schiedsgerichtsklausel
in einer für die sämtlichen Mitglieder bindenden Weise mit der für
Statutenabänderungen nötigen Mehrheit geschehen konnteDenn: Muss einmal
das Mitglied einer Genossenschaft überhaupt sich die Abänderung des
Genossenschaftssiatuts durch Mehrheitsbeschluss gefallen lassen, hat
es sich derartigen Mehrheitsbeschlüssen zum vornherein ganz allgemein
unterworfen, so sind von dieser regelmässigen Verbindlichkeit des
Mehrheitsbeschlusses jedenfalls nur solche Anderungen der korporativen
Verfassung ausgeschlossen,. welche wesentliche Punkte betreffen, die
Sonderrechte der Genossenschafter inn ihrer Substanz und Wesenheit
berühren. Dazu gehört nun die Anderung, welche durch Einführung einer
Schiedsgerichtsklansel herbeigeführt wird, nicht. Dieselbe betrifft
lediglich die prozeffuaîe Behandlung der Streitigkeiten zwischen
Genossenschaft und Genossenschaftern, d. h. die Art und Weise, wie im
Streitfalle das Recht der Genossenschafter und der Genossenschaft zur
rechtlichen Anerkennung zu bringen ist, ohne den materiellen Inhalt,
Bestand und Umfang der Herrscht-istsoder Forderungs-

566 Clvilrechtspflege. ,si/

rechte, welche der Genossenschaft und den-sGenossenschaftern
zustehen, irgendwie zu berühren. Es kann auch nicht, wie die Klä-
ger eingeweudet haben, gesagt werden, dass die Aufstellung einer
Schiedsgerichtsklausel über den Zweck einer Sparkassagenossew schaft
hinausgehe. Denn die Schiedsgerichtsklausel betrth die Ordnung einer
Angelegenheit des genossenschaftlichen Gemeinlebens, die Regelung
der Anstände, welche zwischen Genossens aft und Genossenschaftern aus
dem Genossenschaftsverhältnis entstehen kennen, also die Regelung des
letztern Verhältnissesin sit-eingeFällen, und bewegt sich daher innerhalb
des Geltungsgebieies der Verfügungsgewalt der Genossenschaft

Konnte also die Schiedsklausel der Statuten von 1891 durch
Mehrheitsbeschlusz gültig eingeführt werden, so ist sie 'sofort mit dem
Inkrafttreten der genannten Statuten ins Leben getreten mit Wirkung für
alle seither auftauchenden Rechtsstreitigkeiten, und sieht also auch
der gegenwärtigen Klage entgegen. Ob sie gültig zu Stande gekommen war,
musste allerdings-, nachdem es bestritten worden war, vom ordentlichen
Richter entschieden werden, allein, dies einmal festgestellt, gilt die
Schiedsklausel, ihrem Wortlaute gemäss, allgemein, nicht nur für Anstände,
die ihren Grund in der Zeit seit ihrem Inkrafttreten haben. Woltte
man überdies auch annehmen, dass die Schiedsklausel nicht durch
Mehrheitsbeschluss in einer sämtliche Genossenschafter bindenden Weise
habe eingeführt werden können, so müsste die Berufung doch abgewiesen
werben. Denn so viel scheint unter allen Umständen klar zu sein, dass
die Schiedsgerichtsklausel für die Kläger jedenfalls deshalb verbindlich
ist, weil sie die Statuteu von 1891 zum mindesten stillschweigend,
durch schlüfsige Handlungen anerkannt haben. Der Kläger Uttinger hat
seine Anerkennung der Statuten von 1891 dadurch auf das nnzweideutigste
bekundet, dass er Anteilscheine, welche von der beklagten Genossenschaft
auf Grund dieser Statuten ausgegeben worden find, gezeichnet hat; gab ja
doch dadurch der Zeichner den Willen fund, an der Genossenschaft sich mit
Anteil scheinen beteiligen zn wollen, was nur auf Grund der Statuten von
1891 geschehen, b. h. nur bei Anerkennung der Geltung dieser Statuten
vernünftigerweise gewollt sein konnte. Zudem hat der Kläger Uttinger,
welcher bei der Generalversammlung vomll. Obligationenrecht. N° 67. 567

24. November 1881 anwesend war, auf die Anftage des Präsidenten, ob ein
Verwerfnngsantrag gestellt werde, geschwiegen und dadurch seine Stimme
aufs schlüssigste für die Annahme der Statuten abgegeben. Der Kläger
Fridlin dagegen hat allerdings keine Anteilscheine gezeichnet, dagegen
hat auch er, wie der Kläger Uttinger, nicht nur die ihm mitgeteilten
Statuten von 1891 ohne Einspruch oder Verwahrung entgegengenommen,
sondern auch sein Stimmrecht auf Grund dieser Statuten in der durch die
Statutenrevision von 1891 von Grund aus umgesialteten Generalversammlung
der Genossenschaft Jahre hindurch ohne Verwahrun noch Vorbehalt ausgeübt,
ohne irgendwie zu erkennen zu gebeng dass er die Rechtmässigkeit der
Aufnahme der aus Grund be; Zeichnung von Anteilscheinen nach Massgabe
der Statuten von 1891 beigetretenen Mitglieder nicht anerkenne. Dieses
Verhalten kann nach den Regeln der guten Treue nicht anders denn
als Anerkennung der Statutenrevision von 1891 gedeutet werden Wer
wirklich die veränderte Rechtsgrundlage, welche diese Sta-f tuten
der Genossenschaft gaben, nicht anerkennen wollte, der durfte nicht
vorbehaltlos und ohne Verwahrung während Jahren dazu mitwirken, dass auf
dieser Rechtsgrundlage, auf Grund von nach seiner Meinung ungültigen,
Statuten, die Genossenschaftshrgane bestellt, Beschlüsse gefasst, Gewinne
verteilt wurden, u. s. f und wurde dies auch gewiss nicht gethan haben.

9. Nun wenden die Kläger allerdings ein, in ihrem Verhalten konne
eine bindende Anerkennung des durch die Statuten von 1891 Angeordneten
deshalb nicht erblickt werden, weil diese Statuten überhaupt niemals
volle Rechtskraft erlangt haben, sondern stets nur provisorischer Natur
gewesen seien, derart, dass die Verhandlungen der Jahre 1891 1895 eine
Einheit bilden und erst nn Juni 1895 definitive neue Statuten angenommen
worden seien; bei den Statuten von 1891 habe es sich um einen blossen
nicht bindenden Versuch, eine vorläufige Probe gehandelt, bei welcher·
sich die Mitglieder der alten Sparkasse ihre definitive Gntschltessung
für später vorbehalten haben; dieselben seien nur ein Traktat gewesen,
dem die spätere Vertragsschliessnng erst habe folgen sollen. Dies sei
die allgemeine Meinung auch des Verwaltungsrates gewesen, und es sei
auch bei Anlass der auf Grund

XXIV, 2. 1898 37

568 Civilrechtspflege. , ((

der Statuten von 1891 erfolgten Cmission dsier Anteilscheine von den bei
der Genossenschaft beteiligten Personen den unzufriedenen Gesellschaftern
die Versicherung abgegeben worden, auf diese Statuten brauchen sie sich
bloss provisorisch einzulassen. Diesen Ansführungen kann indesz nicht
beigetreten werden; sie siehe mitdem klaren, unzweideutigen Wortlaute
der von der Ge albersammlung gefassten Beschlüsse in unvereinbarem
Wide-Y&S. In der Generalversammlung vom 24. November 1891 wurden
diein derselben zu Ende beratenen Statuten vorbehaltsund bedingungslos
angenommen; von irgend welchem Vorbehalte, dass die-( selben nur auf Probe
gelten, b. h. jedem einzelnen Mitgliede unbenommen sein solle, später
durch seinen Rücktritt das Beschlossene nach Belieben und Willkür wieder
in Frage zu stellen und den frühern Zustand ins Leben zurückzurufen,
ist in den einzig massgebenden Beschlüssen der Generalversammlung
keine Rede. Jut Gegenteil wurde zu Art. 38 der Statutenvorlage der
Verwaltung ausdrücklich beschlossen, dass die neuen Statuten auf den
von der Verwaltung zu bestimmenden Tag (als welcher später der 1. Januar
1892 bestimmt wurde) in Kraft treten und auf diesen Tag die bisherigen
Statuten aufgehoben sein sollen. Damit war klar und unmissverständlich
bestimmt, dass aus den bezeichneten Tag dieneuen Statuten an Stelle
der alten mit der gleichen Kraft, welche diese besessen hatten, treten,
und ebenso, wie diese, so lange in Kraft bleiben sollen, bis sie durch
statutenmässigen Gesellschaftsbeschluss wieder aufgehoben werden. Daneben
ist für eine Aufhebung durch die Erklärung einzelner Mitglieder, dass
die Probe nicht zu ihrer Befriedigung aus-gefallen sei, kein Raum,
und es darf denn übrigens auch wohl gesagt werden, dass überhaupt im
Leben Statuten von Genossenschaften n. dgl. kaum je in der Meinung auf
Probe werden beschlossen werden, dass deren Widerruf in die Willkür
jedes einzelnen Genossenschafters gestellt sei, dies insbesondere dann
nicht, wenn, wie hier, auf Grund der Statuten neues Kapital zum Betriebe
des genossenschaftlichen Unternehmensdurch öffentliche Subskription
zusammengebracht werden soll, Dass an der Generalversammlung vom
24. November 1891 ein Antrag eines Mitgliedes (Bossard-Schwerzmann)
betreffend zwei neue, bem Entwurfe des Verwaltungsrates beizufügende
Statuten-II. Obligationenrecht. N° 67. 569

paragraphen, an die Verwaltung zur endgültigen Erledigung gewiesen
wurde, beweist nichts dafne, dass die Statuten nicht desinitiv seien
angenommen worden, sondern zeigt gerade, dass die Versammlung die
Statuten an diesem Tage zum Abschluss bringen wollte, und deshalb dem
Verwaltungs-rate überliess, die in dem Antrage enthaltenen Anregungen,
die keineswegs in die Statuten gehörten, in geeigneter Weise zu
erledigen. In der Generalversammlung vom 24. November 1891 sind also,
wie bemerkt neue Statuten bedingungsund vorbehaltlos angenommen worden.
Demgemäss ist denn auch die Verwaltung sofort dazu geschritten dieselben
durch Auflage der Anteilscheine zur Zeichnung auszu: führen, Und ist
daraufhin die Genossenschaft auf den beschlossenen veränderten Grundlagen
durch Aufnahme der neuen Mitglieder und Bestellung der durch die neuen
Statuten vorgesehenen Organe thatsächlich ins Leben getreten. Richtig ist
nun allerdings, dass unmittelbar nach Abschluss der Statutenrevision von
1891 in der Generalversammlung der Genossenschaft Anträge auf Abänderung
einzelner Bestimmungen der neuen, kaum angenommenen Satzung gestellt und
behandelt wurden, wobei ein Mitglied die Redewendnng gebrauchte, es sei
damit einverstanden, dass die Statutenrevision für nicht abgeschlossen
erklärt werde, dass solche Anträge sich später wiederholten und im weitern
Verlaufe zu einer abermaligen Totalrevision der Statuten führten. Allein
dies beweist nicht das mindeste für die Behauptung der Kläger, dass die
Statuten am 24. November 1891 nicht vorbehaltlos und bedingungslos als
nunmehriges Grundgesetz der Genossenschaft seien beschlossen worden. Es
zeigt nur, dass die am 24. November 1891 beschlossenen Statuten alsbald
sich als verbesserungssähig und -bedürftig heraus-stellten Wenn sodann
die Kläger sich auch daraus berufen haben, die Statuten von 1891 haben
deshalb nicht volle Rechtskraft erlangt, und die Unterwerfung der
Kläger unter dieselben sei deshalb ohne rechtliche Bedeutung-, weil
die Regierung des Kantons Zug, deren Genehmigung der Statutenrevision
nötig gewesen sei, diese nicht erteilt, resp. erst im Jahre 1893 erteilt
habe, so erscheint auch das nicht als zutreffend Richtig ist allerdings,
dass das Verhältnis der Sparkassagenossenschaft zum Kanton Zug nach der
Statutenrevision von 1891, durch welche

f f f

570 Civilrechtspflege. [ |

der Zweck der Genossenschaft geändert und auf die kantonale Gig; rantie
verzichtet wurde, einer neuen Regelung resp. einer Lösung-bedurfte und
dass möglicherweise die Regierung des KantonsX Zug berechtigt gewesen
wäre, die Durchführung der Statutenrevision in der beschlossenen Weise
zu hindern. Allein dies his nun thatsächlich nicht geschehen, vielmehr
hat sich der Kanton Zug mit der Beklagten verglichen und gegen eine
Geldabfindung die Durchführung der Statutenrevision geschehen lassen. Die
Mitglieder der Genossenschaft, welche die von der Genossenschaft an der
Generalversammlung derselben, so viel an ihr, definitiv angenommenen
Statuten von 1891 ausdrücklich oder thatsächlich genehmigt haben, können
sich offenbar nicht auf das vielleicht dein Kanton Zug zugestandene, von
ihm aber nicht ausgeübte Recht, die Durchführung der Statutenrevision zu
hindern, berufen, um ihre Unterwerfung unter diese Statuten als rechtlich
bedeutungslos und für sie nicht bindend hinzusiellen, zumal ja der Anstand
mit dem Kanton Zug bereits im Jahre 1893 erledigt wurde und dadurch
jedes Einspruchsrecht des Regierungsrates dahinfiel, von da an aber
die Statuten von 1891 noch während längerer Zeit unbeanstandet in Kraft
verblieben und die Kläger auf Grund derselben ihre genossenschaftlichen
Rechte ausübten. Der eine derselben, Uttinger, hat sogar nach längerer
Zeit nach der Vereinigung des Anstandes mit der Staatsbehörde, an
der Generalversammlung vom 14. Oktober 1894, auf Verwerfung eines auf
Generalrevision der Statuten von 1891 gerichteten Antrages angetragen,
wollte also diese Statuten noch weiter in Wirkung belassen, womit denn
gewiss die Klagebehauptung, die Statutenrevision sei im

Jahre 1891 gar nicht, sondern erst im Jahre 1895 zum Ab-v

schlusse gelangt, die Statuten von 1891 haben eigentlich nie
rechtliche Geltung gehabt, schwer zu vereinigen ist. Demnach hat das
Bundesgericht erkannt: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen
und daher das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zug in allen Teilen
bestätigt.II. Obligationenrecht. N° 68. 571

68. Urteil vom 19. Juli 1898 in Sachen Konkursverwaltung Dörig gegen Dörig

Miäeigentnm (in einer Liegenschaft. Einfache Geselischaft. Hank-um eines
Gesellsckafîers. Voraussetzungen der Bernfang ein das Bundesgericht,
besonders .' Streitwert und Anwendbarkeit eidgenössischen Rechtes. Art.
545 [T. ().-R.

Am 25. Januar 1897 wurde über Josef Dörig, gestützt auf Art. 191
Schuldbetr. u. Konk.-Ges., der Konkurs eröffnet. Der Gemeinschuldner
ist neben seinem Bruder, (Smil Dörig, zur Hälfte Miteigentümer
der Liegenschaft Blatien. Die Verwaltung im Konkurse des Josef
Dörig ging davon aus, es bestehe zwischen den Brüdern Dörig eine
einfache Gesellschaft im Sinne des am. 524 O.-R., welche durch den
Konkurs des einen Gefellschafiers aufgelöst worden fei, so dass das
Gesellschafts-vermögen als solches zur Liqnidation gelangen müsse. Der
Vormund des (Simil Dörig dagegen behauptete, die Konkursverwaltung
dürfe lediglich die Hälfte der fraglichen Liegenschaft zur Versteigerung
bringen. Die Konkursverwaltung erliess daher an Emil Dörig ein Amtsbot des
Jnhaltest Dass die Liegenschaft Blättern an der die Masse die Hälfte als
Eigentum besitzt, als Ganzes versteigert wird und der Erlös zur Hälfte
zur Verteilung gelangt. Der Vormund des (Smil Dörig erhob gegen dieses
Amtsbot Rechtsvorschlag und es gelangte daher die Sache zu gerichtlicher
Behandlung. Das Bezirksgericht Appenzell hat durch erstinstanzliches
Urteil vom 31. Januar 1898 das angefochtene Amtsbot geschützt. Zn der
Begründung dieses Urteils wird ausgeführt: Da die Gebrüder Josef Anton und
Emil Dörig die Liegenschaft Blatten gemeinsam besessen und bewirtschaftet,
also einen gemeinsamen Zweck mit gemeinsamen Mitteln und Kräften verfolgt
haben, so könne kein Zweifel daran obwalten, dass zwischen ihnen eine
einfache Gesellschaft bestanden habe. Da diese Gesellschaft durch den
Konkurs des einen Gesellschafters aufgelöst worden sei, so frage es sich,
in welcher Art und Weise das Gesellschaftsvermögen zu verwerten sei. Nach
Sinn und Geist des Art. 548
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 24 II 552
Datum : 02. April 1898
Publiziert : 31. Dezember 1898
Quelle : Bundesgericht
Status : 24 II 552
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 552 Civilrechtspflege. . 67. nisten vom 18. Juiins in Sachen Fridlin-Galliker und


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
genossenschaft • sparkasse • beklagter • frage • bundesgericht • streitwert • reservefonds • weiler • kantonsgericht • inkrafttreten • kantonales recht • rechtsbegehren • statutenbestimmung • leben • tag • stelle • hauptsache • richtigkeit • konkursverwaltung • minderheit
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