440 Civilrechtspflege.

diesen Quantitäten zur Farben-Fabrikation Die Vorinstanz hatt aus dieser,
den Akten nicht widersprechenden, Thatsache den Schluss-. gezogen,
dass die Beklagte den Hefti als ihren Strohmann benutzt habe, und es
erscheint diese Annahme um so unanfechtbar-en alsHefti am 4. März 1897 an
Böhringer & Sohn geschrieben hatte-,. dass er für je 2 Monate einen Posten
Rohjod von 200 Kilos abzugeben habe. Es ist klar, dass diese Offerie
Heftis, der nicht Farbenfabrikant war, und mit den Klägern in keiner
Geschäftsverbindung stand, sich nur unter der Annahme erklären lässt,
dass er bereits damals im Einverständnis mit der Veklagten handelte..

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Die Berufung der Beklagten wird
als unbegründet abgewiesen Und das Urteil des Appellationsgericht-Z des
Kantons Baselstadt vom 2. Mai 1898 in allen Teilen bestätigt.

57. Urteil vom 80. Juni 1898 in Sachen Kesselbach und Konsorten gegen
Ersparniskasse Uri.

·4kxe·t-legiximeexion einzelner Kankursgldubiger zur Bestreitimg der
Eigentumsansprache eines weitem Gläeeöigers ; Art. 260 Schmid--

éetr.und Konkarsges. Begriff der Kollokatiensstreitigkeitee/ey

Art. 250 end. Die Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuidner,
dass erstcrer zu Faustpfcmd gegebene Wertpapiere aussergefichtlicfi
verkaufen dürfe, versiösxt nicht gegen eidgeee. Recht, Art. 38, 41 und
151 Festes-idemii. [fault,-Ges. Art. 211

().-R. : Hienaeli sind kantonale Vorsckriften betr. If'erpféndung--

am Mobiie'en see-is Zeebehörden von Ins-Mobilien Moli für die Zee

Èunfé giiiäig. Diese Mitverpfdndung muss nicht notwendig im

gleichen Zeitpunkte mit der Verpfd'ndimg der Hauptsache erfolgen.
Form der Mitverpfàîndung.

A. Durch Urteil vom 27. April 1898 hat das Obergericht des Kantons Uri
erkannt: Das klägerische Rechtsbegehren vom 31. Dezember 1897 sei.

in allen Teilen als unbegründet und die Appellation als abge--

wies en erklärt.

B. Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung
an:.V. Ohligationenrecht. N° 57. 441;--

das Bundesgericht erklärt, und Gutheissung ihrer in erster
Jnstanzs gestellten Begehren beantragt. In der heutigen Verhandlung
vorBundesgericht erneuert der Anwalt der Kläger diesen Berufungs--
antrag. Der Anwalt der Beklagten beantragt Abweisung der Berufung Und
Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. In dem am 6. Oktober 1897 eröffneten Konkurse über- Sebastian
Christen's Söhne in Andermatt meldete die Ersparniskasse Uri, als
Eigentümerin von 26 Handschriften, 20 For-: derungen von je 10,000
Fr. nebst ausstehenden Zinsen an, und beanspruchte dafür ein Pfandrecht
an dem Gasthof der Konkursiten, Hotel Bellevue, Dependenzen, Remisen
und Stallung, sowiean dem darin befindlichen Inventar Und Mobiliar und
den beiden Thurmmatten Im weiteren meldete sie zwei Forderungen mm.,
506? Fr. 60 Cts. und 43,415 Fr. 80 Cts. nebst Zins an Und beanspruchte
dafür ein Faustpfandrecht an zwei Obligationen von 45,000 Fr. vom
20. September 1892 und 15,000 Fr. vom 12. Oktober 1892, in welchen die
gleichen Objekte als Pfand verschrieben find. Diese Ansprachen wurden
von der Konknrsverwaltung anerkannt und demgemäss im Kollokationsplanx
loziert. Jnnert der gesetzlichen Frist erhoben jedoch die Kläger,.
sämtlich Konkursgläubiger von Christen's Söhne, gegen die Ersparniskasse
Uri Klage mit den Begehren:

1. Der Eigentumsanspruch der Beklagien an der HandschriftNr. 26 von
10,000 Fr. sei abzuweisen

2. Es sei die Pfandrechtsansprache derselben an dem Mobiliarss und
Inventar abzuweisen, bezw. die Verpfändung dieses Mobiliars und Inventars
für die 26 Handschriften samt Zins und Marchzins, und den Obligationen
von 45,000 Fr. und 15,000 Fr.,. welche letzteren von der Beklagten als
Faustpfand angesprochen werden, als ungültig aufzuheben.

Mit Bezug auf diese bestrittenen Ansprüche ergibt sich aus den Akten:

a. Die Handschrift Nr. 26 von 10,000 Fr., (1. d. 24. Za:nuar 1872, wurde
am 20. Oktober 1892 von dem Rechts-vorfahr der Konkursiten, Sebastian
Christen-Kesselbach, nebst 9 andern Forderungstiteln, Gülten, Aktien
und Obligationen im Ge samtwerte von 34,150 Fr. resp. 44,150 Fr. für
ein Darlehen:

442 . Civilrechtspflege.

von 80,000 Fr. der Ersparniskasse Uri zu Faustpfand gegeben. Gestützt auf
die Bestimmung des betreffenden Schuldscheins, wonach dem Gläubiger das
Recht eingeräumt wurde, im Falle Nichtbezahlens des leigo samt Zinsen
und Kosten nach abgelaufener Kündigungsfrist die Hinterlage sofort,
ohne gerichtliche Bewilligung, zu versilbern, und den Erlös zur Tilgung
der sämtlichen Ansprachen zu verwenden, liess die Ersparniskasse Uri am
9. Oktober 1897 die Versteigerung der ihr verpfändeten Titel durch den
Gantweibel vomehmen, und erwarb dabei selbst 8 Titel um den Preis von
28,420 Fr., darunter auch die streitige Handschrift zum Nominalwerte. Zwei
weitere Titel blieben ums-erkaqu (Zin Konkurse von Christen's Söhne
hat daher die Ersparniskasse Uri aus diesem Schuldverhältnis noch eine
Forderung von 5000 Fr., Rest des Kapitals, und 67 Fr. 60 Cfs. Zins pro
1896, sowie den laufenden Zins angemeldet, welche Ansprache unbestritten
geblieben ist.)

b. Nachdem am 1, Mai 1892 die Landsgerneinde von Uri ein Gesetz erlassen
hatte, in welchem unter gewissen Bedingungen bei industriellen und
gewerblichen Etablissementen eine gleichzeitige Mitverpfändung des
zum Geschäftsbetriebe notwendigen Mobiliars, der Maschinen ee, mit
den Gebäuden und Grundstücken als Zubehörde des Jmmobiliarpfandes
ausnahmsweise für zulässig erklärt wird, wurde in den 26 Handschrifteu,
welche sämtlich in den Jahren 1871 nnb 1872 errichtet worden find, am
i4. Februar 1893 von der Hypothekarkanzlei Uri der Eintrag bezw. Nachtrag
vorgenommen: es werde diesem Werttitel auch als serneres Unterpfand das
sämtliche Inventar und Mobiliar des Herrn Sebastian Christen-Kesselbach
verschrieben, welches zu seinem ganzen Geschäftsbetrieb verwendet werde
und sich im Hotel Bellevue, Touriste, Dependanee ze. des Genannten
befinde. In beiden Obligationen von 45,0()0 Fr. und 15,000 Fr. vom 20,
September und 20. Oktober 1892 ist neben den Liegenschaften auch das
sämtliche Mobiliar und Inventar als Unterpfand eingesetzt und verschrieben

2. Zur Begründung ihrer Anträge brachten die Kläger vor: Der
Landsgemeindebeschluss vom 1. Mai 1892 sei ungesetzlich, weil
nach Art. 211 O.-R. keine neuen Gesetze dieser Art zulässig
seien. Das angesprochene Mobiliarpfandrecht sei ungesetzlich,
weilV. Ohiigationenrecht. N° 57. 443

nach Art. 211 D.M. die Mitverpfändnng von Mobiliar als Zubehörde von
Jmmobiliarpfand nur zulässig sei nach den für dieses geltenden Formen-O
das Urnergesetz aber zum Teil andere Formen für die Mobiliarverpfändung
eingeführt habe, und hier diese Formen nicht beobachtet worden
seien. Die Mobiliarverpfändung sei ferner ungültig, weil es sich
nicht um Mitverpfändung sondern um Nachverpfändung handle. Endlich
sei das Psanvrecht auch nicht zu Stande gekommen, weil die Formen des
Landsgemeindebeschlusses nicht beobachtet seien, das Inventar nicht
geschätzt und die Spezifikation nicht im Protokoll eingetragen worden
sei. Was die streitige Handschrift anbelange, so werde die Steigerung,
auf welcher die Beklagte dieselbe erworben habe; an-

gefochten, weil sie nicht nach Art. 151 ff. des Bandes-gesetzes-

über Schuldbetreibung und Konkurs vorgenommen, sondern von

der Beklagten selbst angeordnet und publiziert worden sei; Das sei

ungùliig, denn die Form der Psandverwertung sei eine gesetzlich fest-

gelegte, und könne nicht von den Parteien anders vereinbart werben.

3. Mit ihrem ersten Rechtsbegehren verlangen die Klager, dass der
Eigentumsanspruch der Beklagten an der Handschrift Nr. 26 von 10,000
Fr. abzuweisen sei. Einev Eigentumsansprache an dieser Handschrift
hat aber die Beklagte im Konkurse Christen's Söhne überhaupt nicht
geltend gemacht, sondern lediglich eine grundversicherte Forderung
angemeldet, und die Existenz dieser Forderung ist von den Klägern
nicht bestritten; es ist weder die gültige Errichtung des Titels, noch
dessen gegenwärtige Rechtsbeständigkeit in Frage gezogen, insbesondere
nicht etwa die Ungültigkeit der Pfandbestellung an demselben behauptet,
sondern streitig ist nach dem ersten Klagebegehren einzig das Eigentum
der Beklagten an der Handschrift Nun befindet sich unbestrittenermassen
diese Handschrift, gleich wie die übrigen von der Beklagten am 9. Oktober
1897 ersteigerten Wertschriften, im Besitze der Beklagten, und nicht
der Konkursmasse. Ferner besteht nach den Akten Und der Darstellung
beider Parteien kein Zweifel, dass die Urner Handschriften Wertpapiere,
b. h. Urkunden find, welche nicht bloss Beweisinittel für die darin
verdrieer Forderung, sondern Träger derselben sind, in welchen das Recht
derart verkörpert ist, dass es in seinem Inhalt, seiner Ausübung und
Übertragung an die Urkunde gebunden ist. Der Erwerb des Eigen-

444 Givilrechtspflege.

tuins und Pfandrechts an denselben richtet sich somit nach dere
sachenrechtlichen Grundsätzen über bewegliche Sachen. Wenn daher die
Kläger geltend machen wollten, dass die Beklagte nicht Eigentümerin
der fraglichen Handschrift sei, so mussten sie bei derKonkursvenvaltung
den Antrag stellen, dass dieselbe Namens derKonkursiten zu Hunden der
Konkursmasse den Titel vindiziere,. und erst wenn die Konkursverwaltung,
bezw. die Gesamtheit derGläubiger auf die Geltendmachung des
Anspruchs verzichtet hätte, wären fie, gemäss Art. 260 Bundesges
betr. Schuldbetr. undKonkurs, berechtigt gewesen, die Abtretung des
Anfpruches von der Masse zu verlangen, und denselben nach Massgabe
von Abs. 2: der citierten Gesetzesbestimmung selbst zu erheben. Es
ist aber nicht einmal behauptet worden, dass die Konkursverwaltung
resp. dieGesamtheit der Gläubiger aus die Vindikation der Handschrift
ausdrücklich oder durch schliissige Handlungen verzichtet, und die
Kläger dadurch das Recht zur Geltendmachung des Eigentumsanspruches
erworben haben. Ins-besondere liegt ein solcher Verzicht der Gesamtheit
der Konkursgläubiger nicht in der Anerkennung der Forderung von 10,000
Fr., welche ja auch, wiebemerkt, von den Klägern selbst nicht bestritten
wird. Das erste-i Klage-begehren muss daher abgewiesen werden, weil die
Kläger zur-s Stellung desselben gar nicht legitimiert find. Allein sogar
angetwmmen, es wäre ans der vorbehaltlosen Anerkennung dieser Forderung
aus einen Verzicht der Gesamtheit der Gläubiger auf die Vindikation zu
schliessen, und es hätten die Kläger gestützt hierauf ohne weiteres das
Recht erworben, den Eigentumsanspruch selbst

geltend zu machen, so hätte dies ausserhalb des Konkurses, aufdem
gewöhnlichen Prozesswege geschehen müssen, da die Beklagtes

im Konkurse von Christen's Söhne eine Eigentumsansprache gar nicht
angemeldet hat, und der Kollokationsplan sich nach dem

Gesetze aus derartige Ansprachen überhaupt nicht bezieht, sondern.

ausschliesslich Forderungsund Psandansprachen umfasst, weshalbauch nur
solche Ansprachen Gegenstand von Kollokationsstreitig-

keiten im Sinne von Art. 250 Schuldbetr.und Konk.-Ges..

sein können. Das erste Klagebegehren ist übrigens auch materiell

unbegründet. Es handelt sich um die Frage, ob der Verkan von-
Faustpfändern nur in den vom Bandes-gesetz über Schuldbe-s

treibung und Konkurs vorgeschriebenen Formen stattfinden,
oderV. Obligationem'echt. N° 57. 445

fsb der Gläubiger mit dem Schuldner vereinbaren dürfe, dass ersterer
ohne Betreibungsverfahreu sich durch Verkauf des Pfaudes aus demselben
befriedigen könne. Das Obligationenrecht schliesst in dem Abschnitt über
das Faustpfandrecht eine solche sVerein-barung nicht ausdrücklich aus,
sondern erklärt in Art. 222 lediglich den Verfallsvertrag als ungültig,
und in Art. 223, dass die Realisierung des Faustpfandes nach den
Gesetzen des Ortes ge: schehe, wo die Sache sich befinde. Dieses Gesetz
ist nun seit 1. Januar 1892 das Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung
und Konkurs. Die Frage ist daher aus diesem Bundesgesetz und aus
allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu lösen. Aus den letzteren kann sdie
Unzulässigkeit derartiger Vereinbarungen nicht hergeleitet werden; denn
etwas Unsittliches enthalten dieselben nicht, und als widerrechtlich
können sie nur angesehen werden, sofern sie durch das positive Recht
ausdrücklich ausgeschlossen sind. Aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen
folgt nur, dass der Gläubiger die Realisierung des Faustpfandrechtes
in den Formen der Zwangsvollstreckung bewertstelligen muss, sofern
ihm nicht durch Abrede mit rdem Schuldner das Recht eingeräumt ist,
den Verkauf aussergerichtlich vorzunehmen Eine derartige Abrede ist
nun aber auch durch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs
nicht ausgeschlossen Bei Verpfändung kurshabender Papiere sind sie ein
Bedürfnis, um den Gläubiger wie den Schuldner vor Scha-

den zu bewahren, indem sonst häufig die Versteigerung erst er-

folgen könnte, wenn die Papiere den tiefsten Kurs erreicht haben.
Auch das bürgerliche Gesetzbuch für das deutsche Reich gibt dem

Pfandgliiubiger ganz allgemein das Recht des ausser-gerichtlichen

Psandverkaufs (d. b. G B. § 1228, 1233 s.). Vom Bundes-

gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs kommen in Betracht

die Art. 38, 41 und 151. Keine dieser Bestimmungen enthält die Vorschrift,
dass die Realisierung von Faustpfändern nur auf

idem Wege der Betreibung erfolgen dürfe, sondern sie regeln ledig-

lich einerseits die Voraussetzungen, unter welchen die Vetreibung

als Art der Zwangsvollstreckung zulässig ist, und anderseits die

Formen, in welchen sie durchgeführt wird, ohne irgendwie den

Schluss zu rechtfertigen, dass die Betreibung auf Pfandverwertung

die einzig zulässige Form für die Realisierung von Faustpfändern sein
solle. Ob solchen Vereinbarungen auch rechtliche Wirkungen

446 Civilrechispflege.

gegenüber vor-gehenden Psandgläubigern zukommt, oder ob sie

noch getroffen werden können, nachdem nachgehende vertragliche

Pfandrechte bestellt wurden, oder wo die Faustpfänder zu Gunsten

Dritter gepfändet worden sind, steht in casa nicht in Frage.

Ebenso kann hier unerörtert bleiben, ob sie nach Ausbruch des-

Konkurses über den Schuldner, bezw. den Verpfänder, noch geltend

gemacht werden können, oder nicht vielmehr sämtliche Fanftpfänder

ohne Rücksicht auf vereinbarten Privatverkauf zur Konkursmafse
gezogen, resp. abgegeben werden müssen, eine Frage, die
angesichts der Art. 198, 232 Ziff. 4 (ogs. auch am. 243 Abs. 2)
Bundesges. betr. Schuldbetr. u. Konkurs indess wohleher im letztern
Sinne zu beantworten wäre (ng. auch Hafner, schweiz. ObligRecht,
2. Aufl. Art. 2-23 Anm. 2 Biff. IV); Im vorliegenden Fall-hat die
aussergerichtliche Versteigerung zwar in der That erst

nach der Konkurseröffnung Über den Schuldner-, jedoch v or der

Bekanntmachung derselben stattgefunden, und es ist nicht behauptet worden,
dass die Beklagte trotzdem davon Kenntnis gehabt habe4. Was das zweite
Klagebegehren anbetrifft, so liegt allerdings

eine Kollokationsstreitigkeit vor, da die Gültigkeit eines von der-

Beklagten beanspruchten und von der Konkursverwaltung aner-

kannten Pfandrechts in Frage steht. Die Kognition des Bundes-

gerichies beschränkt sich aber nach Art. 56 und 57 OrganisGes. aus die
Frage, ob durch den Entscheid der Vorinstanz Bun-

desrecht verletzt worden sei. In Betracht kommt Art. 211 D.M.,

von dem die Kläger behaupten, dass der angesochtene Entscheid in
mehrfacher Richtung gegen ihn verstosse. In erster Linie wird

geltend gemacht, dass der in am. 211, Abs. 1 O.-R. enthaltene

Vorbehalt-des kantonalen Rechts sich nur auf die damals bestehenden,
nicht auch auf später erlassene kantonale Gesetze beziehe. Allein die im
deutschen Gesetzestext gewählte Fassung: Meissen in Kraft, auf welche
sich die Kläger stützen, ist nicht geeigneteinen begründeten Zweifel
daran aufkommen zu lassen, dass das Obligationenrecht den in Art. 211
bezeichneten Gegenstand überhaupt der kantonalen Gesetzgebung, nicht
bloss der bereits bei Inkrafttreten des Bundesgesetzes bestehenden,
überlassen wollte.

Denn es ist schlechterdings kein Grund dafür aufzufinden, warum-

nur die bei Inkrafttreten des Obligationenrechts bestehenden, jenen

Gegenstand betreffenden kantonalen Gesetze, und zwar
nnverändert,.V. Obligationenrecht. N° 57. 447

in Kraft bleiben sollten, und daher eine Mitverpfändung vonn Zubehörden
mit Liegenschaften in Zukunft nur in denjenigen Kaukonen, in welchen
sie bereits vorher zulässig war, und in dem damals gesetzlich
möglichen Umfange sollte stattfinden können. Dadurch wäre nur eine
Rechtsungleichheit unter den Kantonen geschaffen worden. Anders wäre es
natürlich, wenn das Obligationenrecht nur die vor seinem Inkrafttreten
erfolgten Mitverpfändungen von Zubehörden hätte anerkennen wollen, wie
z. B. nach Art. 885 die vor dem 1. Januar 1883 ohne Besitz-übertragung
errichteten Mobiliarpfandrechte Allein dies ist eben nicht der Fall,
vielmehr wollte unstreitig das Obligationenrecht dieMitverpsändung
von Zubehörden mit den betreffenden Liegenschasten auch nach seinem
Inkrafttreten noch zulasfen, und da hätte es der Gesetzgeber ausdrücklich
sagen müssen, wenn er nur- die vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes
bestehenden kantonalen Gesetze hätte vorbehalten wollen. Dass letzteres
aber nicht die Abficht des Gesetzgebers war, ergibt sich auch aus dem
französischen Text des Art. 211 Abs. 1, welcher ganz allgemein dahin
lautet, es werde den bezüglichen Vorschriften der kantonalen Gesetze
nicht derogiert ( Il n'est pas dérogé . . .. . aux prescriptions des
lois cantonales . . . . ). Übrigens hat das Bundesgericht bereits in
seiner Entscheidung vom 22. März 1890 in Sachen Verficherungsgesellschast
Helvetia und Genossen und schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft
(Amtl. Samml., Bd. XVI, S. 85, Erw. 3 f.) bezüglich des Ari. 896
O.-R., dessen Wortlaut für die Auffassung der Kläger viel eher Anlass
bieten würde, als Art. 211 Abs. 1, die Unhaltbarkeit und Unrichtigkeit
derselben dargethan, und genügt es daher, einfach auf jene Entscheidung
zu verweisen,.deren Motive auch für Art. 211 Abs. 1 vollkommen zutreffen.

5. Den Standpunkt der Kläger, wonach die Verpfändung desMobiliars
deshalb ungültig fein soll, weil dieselbe nicht gleichzeitig mit
den Liegenschaften erfolgt sei, hat die Vorinstanz bereitszutreffend
widerlegt. Wenn Art. 211 Abf. 1 die kantonalen Gesetze vorbehält, wonach
bewegliche Sachen als Zubehörde eines Jrnmobiliarpfandes nach den für
dieses geltenden Formen mit verpfändet werden können, so bildet den
Gegensatz hier nicht dienicht zeitlich zufammenfallende Verpfändung von
Liegenschaft und-

si 448 Giviirechtspflege.

Zubehörde, sondern die Verpfändung der beweglichen Zudehördekz ohne
Mitverpfändung der Hauptsache, d. h. der Liegenschaft, zu welcher jene
beweglichen Sachen im Verhältnis dera Zubehorde stehen. Diese letztere
Verpfändung ohne Verpfandung der Hauptsache kann nur auf dem in Art. 210
ff. O.:Jssisi vorgeschriebenen Wege der Faustpfandbestellnng geschehen,
während die Verpfändung der Zubehörde in Verbindung mit der Hauptsache
nach Massgabe des kantonalen Rechtes erfolgt. Dass die Mitverpfändung
im gleichen Zeitpunkt mit der Verpfändung ssder Hauptsache erfolgen
müsse, bestimmt Art. 211 O.-R. nicht; der französische Text bedient sich
allerdings der Wendung: en méme temps; allein abgesehen davon, dass diese
Fassung wie der deutsche Ausdruck gleichzeitig, nicht mit Notwendigkeit
ein -wirklich zeitliches Zusamrnenfallen bedeutet, steht derselben
derjenige sowohl des deutschen als des italienischen Textes entgegen,
welche beide einfach von Mitverpfändung bezw. Einbeziehung uin die
Verpfändung sprechen, und mit Rücksicht auf ihre Uberein;stimmung dem in
seiner Abweichung alleinstehenden französischen Text vorgehen. Über-lässt
also Art. 211 die Ordnung der bezeichneten Frage dem kantonalen Recht,
so ist das Bundesgericht an

die Entscheidung der Vorinstanz: dass der Ausdruck gleichzeitig"

in dem Landsgemeindebeschluss vom 1. Mai 1892 nicht das zeitliche
Zusammenfallen von Immobilier: und Mobiliarverpfändnng vorschreibe,
gebunden.

6. Ebenso unbegründet ist der dritte Standpunkt der Kläger, isdass
die Verpfändung der Zubehörde deshalb ungültig sei, weil Art. 211
O.-R. dieselbe nur in den für das Jntmobiliarpfand geltenden Formen
zulasse, der Landsgemeindebeschluss vom 1. Mai 1892 aber diese Formen
nicht wahre, sondern für die Mitverpfändung der Zubehörde andere
Formen aufstelle, als für die Verpfändung der Liegenschaft. Es ist ohne
weiteres klar, dass Art. 211 O.-.R für die Verpfändung der Zubehrkde
in Verbindung mit dem Jmmobiliarpfand keine Formvorschrift aufstellen,
vb. I). nicht die Form der Verpfändung resp. Mitverpfändung der Zubehörde
bestimmen, sondern lediglich die kantonalen FormvorIschriften für diese
Mitverpfändung vorbehalten will. Dass aber allerdings die Verpfändung
der Zubehörde wesentlich in der gleiP-n Form, wie die der Hauptsache
erfolgen mug, ergibt W)Y. Obligationenrecht. N° 57. 449

daraus, dass es sich um Mitverpfändung, um die Bestellung eines
:einheitlichen Grundpfandrechtes handelt, das Jmmobiliarpfandrecht auch
die Zubehörde ergreifen, seine Wirkung sich auch auf diese erstrecken
soll. Würde für die Verpfändung der Zubehörde eine besondere, von
derjenigen für die Verpfändung der Hauptsache verschiedene Form
vorgeschrieben, so läge eine Mitverpfändung der Zubehörde mit der
Hauptsache nicht mehr vor, sondern vielmehr eine selbständige Verpfändung
der Zubehörde, welche gültig nur in der in Art. 210 O.-R. bestimmten
Form erfolgen könnte. Das Bundesgericht hat daher allerdings zu prüfen,
ob der Landsgemeindebeschluss vom 1. Mai 1892 dem in Art. 211 Abs. 1
enthaltenen Vorbehalte entspreche, oder nicht vielmehr eine selbständige
Verpfändung der Zubehörde zulasse, während dagegen Idie Frage, ob im
einzelnen Falle die kantonalen gesetzlichen Formen wirklich gewahrt
seien, sich der Nachprüfung durch das Bundesgericht entzieht, da es
sich dabei ausschliesslich um Anwendung und Auslegung des kantonalen,
nicht des eidgenössischen Rechts handelt. Die in dem mehrgenannten
Landsgemeindebeschluss für die Mitverpfändung von Zubehörden
vorgeschriebenen Formen Sbestehen darin, dass

a. das Inventar vom Betreibungsbeamtem nötigenfalls unter Zung von
Sachverständigen, geschätzt und gewertet, und die Spezifikation in ein
besonderes Protokoll eingetragen werden mug, während im Hypothekenbuch
und im Versicherungstitel nur die Hauptsummen vorzumerken find;

b. dass das Inventar in dem Titel ausdrücklich als univerpfändet erwähnt
werden muss. In allen übrigen Beziehungen gelten die für die Verpfändung
von Immobilien vorgeschriebenen Formen, insbesondere ist also erforderlich
die Errichtung und Besieglung seiner Urkunde (GW oder Handschrift) durch
einen geschworenen Landschreiber (Art. 138 § 5 des Landbuches) und die
Eintragung in das Hypothekenbuch (g 6 ibid. und Hypothekargesetz vom
.3. Mai 1857). Die Kläger glauben nun eine wesentliche Verschiedenheit
zwischen den im Landsgemeindebeschluss vorgeschriebenen und den
im Landbuche für Verpfändung von Liegenschasten aufgestellten Formen
darin zu finden, dass nach jenem Beschluss die Schätzung und Wertung
des Inventars durch den Betreibungs-

xxx-, ?. 1898 29

450 Civilrechtspflege.

beamten, nötigenfalls durch Sachverständige zu geschehen habe,
während Art. 138 § 9 des Landbuches hiefür die Dorsgerichte eventuell
besondere Güterschätzer vorschreibe. Allein diese Differenz ist durchaus
unerheblich, denn es ist flat, dass durch die Übertragung der Schätzung
der Zubehörde an andere Personen, als die in Art. 138 § 9 cit. genannten,
daran, dass eine Mitverpsändung der Zubehörde, d. h· eine Verpfändung der
letztern mit der Haupt-: sache, stattfinden absolut nichts geändert wird.

7. Die übrigen Beschwerden der Kläger beziehen sich darauf, ·

dass die kantonalgefetzlich für die Mitverpfändung der Zubehörde
vorgeschriebenen Formen nicht erfüllt worden seien, indem a) eine
Besiegelung der Einträge resp. Nachträge in die Titel nicht stattgefunden
habe, b) die Zubehörde nicht nach Bestand und Wertgeschätzt, sondern
lediglich auf die Versicherungssumme abgestellt worden sei, c) eine
Spezifikation und Protokollierung derselben nicht erfolgt und Überhaupt
ein solches Protokoll nicht vorhanden sei, und d) entgegen Art. 138 §
8 des Landbuches bei der Mitverpsändung nicht beide Parteien zugegen
gewesen seien. Dies Vorinstauz hat alle diese Einwendungen gegen die
Gültigkeit des Psandrechtes als unbegründet abgewiesen, und da der
Entscheidin dieser Hinsicht lediglich auf kantonalem Recht beruht und
letzteres auch für denselben massgebend war, so hat das Bundesgericht, wie
bereits bemerkt, die Richtigkeit desangesochtenen Urteils rücksichtlich
dieser Fragen nicht nachzuprüfen. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Kläger wird als unbegründet abgewiesen, und daher das
Urteil des Obergerichtes des Kantons Uri vom 27. April 1898 in allen
Teilen bestätigt

Siehe auch Nr. 61, Urteil vom Z. Juni 1898 in Sachen Spinnereien Ägeri
gegen Jten. u. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 58. 451

VI. Haftpflicht für den Fabrikund _ Gewerbebetrieb. Responsabilité pour
I'exploitation des fabriques

' 58. Urteil vom .15. Juni 1898 in Sachen Flury gegen
Schweiz. Jndustriegesellschast in Neuhausen.

Vaneo/widmen des Unternehmers? Unter-lassen besonée rer Schutzm-rzchtwegen
cm einer Fîssaismasch ine. Selbsisersckuldffl des KI?"- geî's,
konkurriez'end mit Zufall ; Reduktion nicht dazu/1" AaIwòung der
Haftpflicht. ' 9 0 le f

A. Mit Urteil vom 22. April 1898 at das O ' ° Kantons Schaffhausen
Über einen von giechanikerbggsxschsxlsz in Neuhausen an die
schweiz. Jndusiriegesellschaft, gestützt auf ba; zkabrikhaftpflichtgesetz
erhobenen Anspruch auf Bezahlung einer gasttschadigung wegen dauernder
Invalidität von 3420 Fr, in

e a s es . . · . hafisenlfzueîfgarîxîî :erstmstanzlichen Urteils des
Bezirksgerichts Schaff-

3. Die Beklagte ist bei ihrer Erklärung behaftet dem Klä er ausHaftpflicht
die Summe von 1200 Fr. sami Zins vg 13. Dezember 1897 an, zu bezahlen. ss
Dm wiegsénîflffl seiner weiter gehenden Forderung ist der Kläger abge-

_B. Der Unfall hatte sich am 10, Oktober 1896 in der Weise ireland, dass
der Klager, als er an einer im Gang befindlichen graismaschinesieinen
Fagunstahl probieren wollte, mit der linken Paudy ausglitschte und in
die Fraise geriet, wodurch ihm der Jtingnnger und der kleine Finger
erheblich verletzt wurden Für die vornhergehende Erwerbsunfähigkeit
wurde der Kläger vollständig ausgewiesen Als Ersatz für die bleibende
Invalidität bot die Peklagte in verbindlicher Weise 1200 Fr. an. Die
Osferte wurde Jedoch nicht angenommen und der Prozess eingeleitet. Der
Kläger machte geltend, dass die Beklagte ein Verschulden treffe, weil die
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 24 II 440
Datum : 02. Mai 1898
Publiziert : 31. Dezember 1898
Quelle : Bundesgericht
Status : 24 II 440
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 440 Civilrechtspflege. diesen Quantitäten zur Farben-Fabrikation Die Vorinstanz


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • frage • uri • inventar • bundesgericht • hauptsache • weiler • zins • schuldner • inkrafttreten • realisierung • vorinstanz • kantonales recht • versteigerung • rechtsbegehren • konkursverwaltung • faustpfand • bewegliche sache • wertpapier • bewilligung oder genehmigung
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