626 Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung

consid. 3.) Et si le Conseil federal a. statué qu'un canton a le
(li-mt de Teaser l'expulsion d'une personne sur des condamnations
encourues toutes antérieurement à l'établissement de cette personne
dans le canton, il ne l'a fait que dans le cas on_11_ est constaté,
par des rapports de police que le dit lndundu a une conduite immorale
et où en Sense uence lari-ete d'expulsion peut etre fondé à la foi's
sur les cgndssassmj netiens antérieures et sur cette conduite immorale
(Sel' Drozt fédéral, tome 11. N° 406 et 426.) . lS, Or, dans l'espèce,
les autorités genexsssoises n'ont nullement prétendu que le recourant
ait subi, dans le canton de Gene e aucune condamnation pour délits,
graves ou autres lie, recourant ayant insisté dans son recours sur la
conduite'irré ärochelbäe tenue par lul depuis qu'il réside & Genève,
le SÎÎÎWSÎW n a pas non plus contesté cette affirmation dans Il s'en
suit que l'arrété du Conseil d'Etat du canton de

Genève du 27 juillet n'est pas fondé au regard des principes

dont il n'est que la confirmation, doivent etre révoqués. Par ces motifs,

Le Tribunal fédéral L prononce: e recours est déclaré fondé et les arrètés
' ' _ pus ar le Îepartement de Justlce et Police du canton de Geneke en
ate du 11 septembre 1897 et par le Conseil d'Etat de ce canton en date du
27 juillet 1898 sont annulés.IV. Glaubens und Gewissensfreiheit. Steuern
zu Kultuszwecken. N°123. 627

IV. Glaubensund Gewissensfreiheit. Steuern zu Kultuszwecken.

Liberté de conscience et de croyance. Impòts dont le produit est afi'ecté
aux frais du culto.

123. Urteil vom 19. Oktober 1898 in Sachen Leon gegen Thurgau.

Steuer zur Deckung von Renovationskesten eines Kirchturms. Steuer zu
eigenü icfaen Kultuszwecken? (411.49 Abs. 6 li.-V.)

A. Mit Beschluss vom 8. Juli 1898 hat deiRegierungs-rat des Kantons
Thurgau eine Beschwerde, die L. Leon in Diessenshosen namens der
israelitischen Einwohner dieser Ortschaft gegen die Heranziehung zu
einer von der paritätischen Kirchenpflegschafl erhobenen Steuer an die
Reparatur der Kirche und des Kirchfarms in Diessenhofen erhoben hatte, als
unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte sich darauf Berufen,
dass die Kirche nebst Turm und Glocken ausschliesslich der paritätischen
Kirchgemeinde Diessenhofen gehöre und ausschliesslich zu Kultuszwecken
diene, und dass die Reparatur auch ohne Beiziehung der Jsraeliten Von
dieser beschlossen worden sei, während allerdings die Uhr, wie Uhr und
Glocke auf dem sogenannten Siegelturm, der Orts.bürgergemeinde gehöre,
die auch die Reparaturkosten für dieselbe bezahlt habe. Der Regierungsrat
ging in seinem abweisenden Beschlusses von folgenden Erwägungen aus-:
Thatsächlich sei zu berichtigen, dass es sich lediglich um eine Steuer
zur Deckung der Renovations-kosten des Kirchturms, nicht auch der Kirche,
handle. Nun habe der Regierungsrat schon in Entscheidungen aus den Jahren
1876 und 1886 festgestellt, dass im allgemeinen in den thurgauischen
Gemeinden die Unterhaltungskosken der Kirchtiirme mit Uhr und Glocken
nicht als rein konfessionelle, kirchliche Auslagen zu betrachten seien,
dass vielmehr, weil diese Einrichtungen

628 Staatsrechthche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

nicht lediglich dem kirchlichen Kultus-, sondern auch dein bürgerlichen
Leben dienen und jedermann an ihrer Rützlichkeit und An-

nehmlichkeit partizipiere, an diese Unterhaltungskosien auch die

nicht zur Landeskirche gehörenden Einwohner beizutragen hätten. Dass in
Diessenhofen noch auf einem andern Turm eine Uhr undeine Glocke vorhanden
seien, andere hieran nichts; und die Angabe des Reknrrenten, dass die Uhr
aus dein Kirchturme der Qrtsgemeinde gehöre, spreche gegenteils dafür,
dass der Kirchturm samt Uhr und Glocken eben, wie in andern Gemeinden,
nicht als eine ausschliesslich den Kultnszwecken dienende Einrichtung
gelten fiume. Formell nicht ganz richtig sei es allerdings-, dass
die Jsraeliten nicht auch zur Beschlussfassung über die Reparatur des
Kirchturms beigezogen worden seien; indessen hätte diese Unterlassung nur
unter Umständen ein Begehren um Kassation des bezüglichen Beschlusses,
nicht aber eine Befreiung von der Steuerpflicht begründen können.

B. Mit Eingabe vom 8. September 1898 stellte L. Leon beim Bundesgericht
den Antrag, es sei die von der paritätischen Kirchgemeinde
Diessenhosen den israelitischen Einwohnern auferlegte Kirchensteuer
als verfassungswidrig zu erklären und aufzuheben. Es wird geltend
gemacht: Es sei feststehende Praxis des Bundesgerichts, dass die
Errichtung von Kirchen unter den Begriff eigentlicher Kultuszwecke im
Sinne von Art. 49 Abs. 6 der Bundesrerfassuug falle und dass somit
Steuern zur Deckung der hiedurch entstandenen Kosten von solchen,
die der betreffenden Religionsgenossenschast nicht angehören, nicht
bezogen werden dürfen. Wieso mit Bezug aus den Kirchturin, der doch
regelmässig mit der Übrigen Kirche ein unteilbares Ganzes bilde, ein
anderer Standpunkt eingenommen werden solle, sei nicht ersichtlich.
Uebrigens werde bestritten, dass sich in concreto die Renovation nur auf
den Turm erstreckt habe. Wenn der thut-gauische Regierungsrat bis jetzt
die Unterhaltungskosten der Kirchtürme als nicht rein konfessionelle
kirchliche Ausgaben betrachtet habe, so habe er sich damit im
Widerspruch init der Bundesverfassung befunden. Alle Ausführungen
des Regierungsrates, die dahin gingen, den Kirchturm als weltlichen,
bürgerlichen Gegenstand hinzustellen, fielen dahin, wenn man ins Auge
fasse, dass der einzige-IV. Glaubcnsund Gewissensfreiheii. Steuern zu
Kultuszwecken. N° 123. 629

bürgerliche und weltliche Bestandteil des Diessenhofer Kirchturnis,
die Uhr-, schon längst von der Ortsgemeinde unterhalten wei-oe. Es
gehe auch nicht au, den Kirchturm lediglich als das notwendige Gesiell
der Uhr zu betrachten, da Diessenhofen noch andere öffentliche Uhren
besitze. Es sei auch nicht zu. übersehen, dag-"die Kirche Diessenhosen
im Eigentum der paritätischen Kirchgemeinde stehe und dass diese allein
über die Renovation der Kirche: ec., beschliesse. Endlich dürfe doch den
Glocken auf die der siegrerungsrat so grosses Gewicht lege, der religiose
Charakter nicht abgesprochen werden, besonders nicht in katholischen
Gegenden .

C. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau berust sich an seiner Antwort
ebenfalls vorerst auf die bundesgerichttiche Paris-, um dann auszuführen,
dass nicht auf die Eigentumsverhaltnisse an den fraglichen Objekten
abgesteckt werden könne, dass die Frage vielmehr lediglich die sei,
ob nicht der Kirchturm m gleicher Weise; wie Uhr und Glocken, für
deren Unterbringung er diene, also eine auch bürgerlichen Zwecken
dienende Einrichtung zu betrachten sei. Diese Frage sei im Sinne
der angefochten-en Schlussnahnie zu entscheiden. Wohl diene der
Kirchturm zur Zierde der Kuche, sein praktischer Zweck aber sei,
für das Glockengelaute ·und die Uhr die passende Höhenlage zu Bieten,
von der aus die eherne Stimme mächtig ertönen und der Zeiger der, Zeit
weithin Echtbar die Tagesstunde markieren solle. Der Kirchturm sei
vollig unentbehrlich für Geläute und Uhr, auch in Diessenhosetr. Und
dass auf dem Türmchen eines Stadttoresz das-kaum die Rebendächer etwas
überrage, eine Uhr und ein Glocklein angebracht seien, andere nichts. Die
unabweisliche Folgerung sei die, dass der Kirchturm ebenfalls als eine
nicht ausschliesslich dein Julius, sondern ebenso sehr dem bürgerlichen
Leben dienende Einrichtung zu bezeichnen sei, an deren Unterhalt jeder
kurger beizutragen habe. Die Behauptung des Rekurrenten, die Steuer
beziehe sich nicht nur auf den Turm, falle ausser Betracht, weil er
selbst über den Betrag der betreffenden Steuer keine Angaben-· mache-,
übrigens auch grundsätzlich der angesochtene Cartscheid sich nur auf
die Steuer für die Kirchturmrenovation beziehe.

Das Jundesgericht zieht in Erwägungi _

î. Der thurganische Regierungsrat stellt m dem angetochteuen

630 Staatsrechtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Entscheid fest, dass die in Frage stehende Steuer einzig zur Deckung
der Renovationskosten des Kirchturms von Diessenhofen dienen soll,
und er entscheidet bloss die Frage, ob die israelitischen Einwohner
der Ortschaft zu einer solchen Steuer herangezogen werden können. Jene
thatsächliche Feststellung muss auch das Bundesgericht seinem Entscheide
zu Grunde legen, und dieser hat sich ebenfalls nur aus die umschriebene
Frage zu beziehen.

2. Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, ob die Erhebung der Steuer
zu einem eigentlichen Knltuszweck der beiden Religiousgenossenschasten,
welche die paritätische Kirchgemeinde Dieszenhofen bilden, erfolge oder
nicht (Art. 49 Abs. 6 B.-V.). Nun hat sich die Praxis des Bundesgerichts,
wohl unter dem Einfluss dessen, was in der bundesrätlichen Botschaft vom
17. 'Zuni 1870 zu Art. 44 des damaligen Entwurer der Bundesverfassuug
gesagt war, sowie mit Rücksicht aus das Ergebnis der Verhandlungen
der eidgenössischen Räte über den Artikel (vergl. von Reding-Biberegg,
Kultussteuern, S 42 ff. u. S. 55 f.), dahin ausgebildet, dass nur dann
eine Steuer als zu einem eigentlichen Kultuszweck erhoben betrachtet wird,
wenn dieselbe ausschliesslich zu einem Kultuszweck verwendet werden
soll, nicht aber auch dann, wenn die Steuer in ihrem Zwecke, in der
Verwendung, die sie findet, nicht nur religiösen, sondern auch anderen
öffentlichen, bürgerlichen oder sozialen Bedurfnissen und Ausgaben
diem. In Anwendung dieses Prinzips hat das Bundesgericht mit Bezug
auf Steuern zu Kirchenbauten und Reparaturen, obschon es anerkannte,
dass es sich hiebei in der Regel um eigentliche Kultussteuern handle,
doch stets den Fall vorbehalten, in dem die betreffenden Kirchengebäude
nicht ausschliesslich kirchlichen Zwecken dienen, und es hat im Falle
Etter und Konsorten (Amtl. Samui Bd. III, S. 196, Erw. 7) ausdrücklich
erklärt, dass Steuern für den Unterhalt des Kirchhofs, der Uhr und der
Glocken nicht als eigentliche Kultussienern anzusehen seien (oergl. auch
Amtl. Santini., Bd. VI S. 5·()4, Crw. 2; Bd. XIV, S. 164, Erw. 3). Von
dieses Praxis ist nicht abzugeben, und es wird sich daher in jedem
einzelnen Falle fragen, ob der Zweck, zu dem die Steuer verwendet wird,
ausschliesslich ein Kultuszweck sei oder nicht. Dies l

IV. Glaubensund Gewissensfreiheii. Steuern zu Kultuszwecken. N° 1234 63

kann nun bezüglich der Kosten für die Reparatur des Kirchturms
Diessenhosen, die durch die angesochtene Steuer gedeckt werden
sollen, nicht gesagt werden. Denn die Ausgaben wurden nicht allein
und ausschliesslich zum Zwecke der Befriedigung des religiösen
Bedürfnisses der evangelischen und der katholischen Bewohner
von Diessenhofen gemacht. Der Kirchturm daselbst hat nicht bloss
die Bedeutung eines Bestandteils des zur Religious: ausübnng für
bestimmte Religionsgenossenschaften dienenden Gebäudes. Vielmehr lag
der Renovation des Kirchturms sicherlich auch ein ästhetisches Interesse
zu Grunde, das Interesse an der Erhaltung eines öffentlichen Bauwerks,
welches nicht nur die Angehörigen der beiden Religionsgenossenschasten,
denen die Kirche gehört, berührt. Dazu kommt, dass die Glocken und die
Turmuhr nicht bloss Kultuszwecken, sondern auch mannigfachen Zwecken
des bürgerlichen und sozialen Lebens dienen, und dass der Kirchturm eben
auch als Träger der Glocken und der Uhr in Betracht kommt, somit selbst
nicht als ausschliesslich Kultuszwecken dienendes Objekt bezeichnet
werden darf. Wem der Kirchturm gehört, kann bei dieser Sachlage nicht
entscheidend sein. Nur ist zu bemerken, dass selbstverständlich die
Eigentümerin, d. I). die parità: tische Kirchgemeinde Diessenhofen, nicht
mit Verbindlichkeit für die ihr nicht angehörigen unterhaltungspflichtigen
einen Beschluss über die Renovation des ihr gehörenden Gebäudes
treffen kann, wenn sie diese selbst nicht-beizieht. Immerhin wäre
dieser Standpunkt, wie der Regierungsrat richtig ausführt, in anderer
Weise geltend zu machen gewesen. Stellt sich aber hienach die von dem
Rekrurenten angefochtene Steuer nicht als eine solche dar, die zu einem
eigentlichen Kultuszweck einer Neligionsgenosseuschaft erhoben wird,
der er nicht angehört, so muss sein Rekurs abgewiesen werden. Demnach
hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 24 I 627
Datum : 27. Juli 1898
Publiziert : 31. Dezember 1898
Quelle : Bundesgericht
Status : 24 I 627
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 626 Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung consid. 3.)


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
uhr • frage • regierungsrat • bundesgericht • kirchgemeinde • bundesverfassung • deckung • thurgau • leben • richtigkeit • bestandteil • weiler • gemeinde • entscheid • glaubens- und gewissensfreiheit • kirchensteuer • ausgabe • kirche • baute und anlage • begründung des entscheids
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