564 Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung.

113. Urteil vom 7. Dezember 1898 in Sachen Wildi gegen Fahrländer.

Verletzung der Pressfreiheit durch Auferlegung def Kosten eines
Presspmzesses, obschore die Verarteilung m demseèòen als verfassungswidrig
erklärt worden ist.

A. Durch Urteil des aargauischen Obergerichtes vom 4. Oktoheel-397 war
Posihalter Wildi in Reinach, in Bestätigung des erstmstanzlichen Urteils,
auf Klage von Regierungsrat Dr. Fahrlander m Aarau der Pressinjurie
schuldig erklärt und zu einer Busse und den Kosten verurteilt worden. Auf
Rekurs des Beklagten hin hob das Bundesgericht mit Urteil vom 2. März
1898 das oder-gerichtliche Urteil, weil es mit dem Grundsatz der Vl.-efi:
freihett im Widerspruch stehe, aus.sie Dem Rekursbeklagten wurden die
bundesgerichtlichen Schreibgebühren und Kanzleiauslagen auferlegt.
Hinsichtlich der kantonalen Kosten war in den Motiven gesagt, dass
darüber nicht das Bundesgericht, sondern die fantonalen Jnstanzen zu
verfügen haben, an die sich der Rekurrent wenden möge, wenn er glaube,
dass ihm für das Verfahren vor denselben eine Entschädigung gebühre.

B. A Wildi stellte hierauf beim aargauischen Obergerichte unter
Einreichung einer Kostennote, das Begehren, es sei Regie-: rungsrat
Fahrländer ihm gegenüber zum Ersatz der richtet-lich festzusetzenden
Kosten zu verurteilen, eventuell, es sei dasjenige zu verfügen; was
unter obwaltenden Umständen als am geeignet: Tefgtzerschetxenh tlnögaDdem
Petenten zu dem gebührenden Kosten-

uereen.asO ' '

28. Sezptember i898: bergericht erkannte daraufhin unterm 1. Die
Parteikosten sind unter den Litiganten wettgeschlagen. 2. Die im
unter-gerichtlichen und obergerichtlichen Urteil fest-

gesetzten Staatsgebühren sind von jeder Partei je zur Hälfte zu

tragen.

C. Zn diesem Erkenntnis erblickt A. Wiidi eine Verletzung des* Vergleiche
oben Nr. 10, S. 48 ff.I. Rechtsverwelgerung und Gleichheit vor dem
Gesetze. N° 3. 565

in § 17 der Kantonsverfassung und Art. 4 der Bundesverfassung
gewährleisteten Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz, und er
beantragt deshalb auf dem Rekurswege vor dem Bundesgericht, es sei
dasselbe aufzuheben und das Qbergericht anzuweisen, einen mit den
erwähnten Verfassungsartikeln nicht in Widerspruch stehenden Entscheid
zu fällen. In den ihn verurteilenden Erkenntnissen, macht der Rekurrent
geltend, seien ihm die Kosten überbunden worden, und zwar nach Mitgabe
von § 367 der Grilprozessordnung, der nach § 87 des Zuchtpolizeigesetzes
auch für Zuchtpolizeifälle gelte, mit Recht; es gehe nun nicht an, dass
sein Gegner, der nunmehr als die unter-liegende Partei zu betrachten sei,
nicht in gleicher Weise behandelt werde, und es müssten demselben, da
auch keine Ausnahme von der Regel des § 367 vorliege, bei der veränderten
Sachlage die sämtlichen Kosten überbunden werden.

D. Das Obergericht des Kantons Aargau wendet ein, dass es ständige
Praxis sei, dem obsiegenden BeklagtenzF wenn er Anlass zum Klageauftritt
gegeben habe, nur einen Teil der Kosten zuzusprechen oder dieselben
wettznschlagen. Vorliegend habe selbst das Bundesgericht gefunden,
dass das Presserzeugnis des Beklagten sich an der äussersten Grenze des
Erlaubten bewege, und in der That habe unter den obwaltenden Verhältnissen
der Kläger allen Anlass gehabt, klagend auszutreten3 er sei hier
geradezu genötigt gewesen. Der Beklagte habe deshalb keinen Anspruch auf
Kostenersatz.E. Der Rekursbeklagte bemerkte: Wenn die kantonalen Jnstanzen
dazu gekommen seien, den verurteilten Beklagten zum Ersatz der Kosten
des Klägers zu verfallen, so folge daraus nicht, dass sie, nach Aufhebung
der Verurteilung, den Kläger zum Ersatz seiner Kosten verhalten müssen. §
67 des Zucht-polizeigesetzes bezw. § 367 der Civilprozessordnung stünden
der Wettschlagung der Kosten nicht entgegen. Die Sache sei insofern
doch zu Gunsten des Klägers und Rekursbeklagten entschieden worden,
als der Richter habe konstatieren müssen, der Rekurrent sei mit seinem
Artikel bis an die äusserste Grenze des Erlaubten gegangen und habe so
den Klageaustritt veranlasst. In solcher Weise schlugen die Gerichte
die Kosten sehr oft wett. Ob der freigespro-

566 staatsrechtlicde Enischeidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

thene Angeklagte Anspruch auf Schadloshaltung habe, hange davon ab,
wie er sich benommen habe.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Wenn der eines Pressvergehens Beschuldigte auf deu ihm durch den
Grundsatz der Freiheit der Presse (Art. 55 B.-B.) gewährten Schutz
Anspruch erheben farm, so folgt daraus nicht nur, dass er wegen des
fraglichen Presserzeugnisses nicht mit Strafe belegt, sondern dass ihm
wegen desselben auch die Kosten des Verfahrens nicht überbunden werden
dürfen. In einer Kostenauflage läge eine Belastung des Beklagten,
die in ihrem Effekte oft einer Bestrafung gleich kommen würde, und
die um so weniger mit dem Grundsatz der Presssreiheit selbst vereinbar
erscheint, als bekanntlich die Pressprozesse nicht selten bedeutende
Kosten verursachen. Der Beklagte, der die Freiheit der Presse für sich
anrufen farm, könnte nur dann mit den Prozesskosten oder mit einem Teil
derselben belastet werden, wenn die Art seiner Prozesssührung dieselben
veranlasst hatte. Im vorliegenden Falle hat aber das Obergericht die
Kostenauslage an den Beklagten nicht in dieser Weise begründet, sondern
damit, dass der Beklagte durch seinen Artikel dem Kläger begründete
Veranlassung zum Klageauftritt gegeben hat. Die Kostenauflage wird also
mit dem Presserzeugnis in Verbindung gebracht, das nach oberinstanzlicher
Feststellung gemäss dem Grundsatz der Pressfreiheit nichts unerlaubtes
enthält und wegen dessen daher nach dem Gesagten auch eine Belastung
des Beklagten in der Form der Auferlegung von Kosten nicht erfolgen
darf. Wenn in der Bernehmlassung des Obergerichts und des Rekursbeklagten
angeführt wird; das Bundesgerirht nehme selbst an, der Rekurrent sei
mit seinem Artikel bis an die Grenzen des Erlaubten gegangen, so findet
diese Auffassung in der Begründung des bundesgerichtlichen Entscheides
keinen Halt, und zudem wäre dies unerheblich, da es eben nur darauf
ankommt, ob jene Grenze überschritten sei oder nicht. Nicht sowohl
aus dem Gesichtspunkte der Gleichheit vor dem Gesetz, als vielmehr aus
dem Gesichtspunkte der Freiheit der Presse erscheint somit der Rekurs
als begründet Immerhin nur insofern, als es sich um Auferlegung von
Gerichts-kosten an den Beklagten handelt, während das Dekret betreffend
Wettschlagnng der Partei-g und Gleichheit vor dem Gesetze. N° 114. 567

kosten weder aus dem erwähnten Gesichtspunkte, noch sonst
verfassungs-rechtlich ansechtbar erscheint. Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:

Der Rekurs wird insofern für begründet erklärt,· als DOstoi sitiv 2 des
angefochtenen Entscheides des aargauischeki ma; gerichts vom 28. September
1898f soweit es denRikte grräb ebetrifft, aufgehoben wird; im ubrigen
wird der e ur g

wiesen.

I. Rechtsverweigerun114. Urteil vom 22. Dezember 1898 in Sachen Franck
gegen Basel.

n Stra-fgericlztspflîsident-m auf blosse

d h de W'ssfflmy Ode?" Huge um Mage fein-Eianterticlie Verfügung?

Einreichung eine-r Beleéd-ignsings Verweigerung des rechtlichen Gefeörs ?

A. Richard Franck hatte vom i. Oktober Miso hf; III;; 1. Juli 1898 bei
den Eheleuten Burckhardt-Gckenste1n Unfrieden als Mieter gewohnt. Aus
den 1. Juli 1898 ist er unBUNkhcurdt mit diesen ausgezogen. Am 15. Juli
brachte Frau

. ·, 5 er mündlich eine Beleidibeim @tmfgertcsstäpmnbenten Dr HU schm
16. Juli erliess hieran

' * A skla e e en Richard Franck am. ' ' G : gxnggenagutk fäsräsident an
Franck ein Schreiben 'Îolaenderiflsiàg; halts: Frau Bnrckhardt-Eckenstein
Fhat.rheutTrshbeiiedxtrilier klîinlick); ' ' le v da, na dem von seiten
Ihrer kamt _s/Eîîifaneté erfolgt seien, Sie sich auch eine Beleidilgung
Vlägägtängtix Schulden kommen lassen, indem Sie ihr, mehrmas un on
Ich Frau zugerusen hätten, und zwar vor einer dritiîiss Wiss Pécs [!
Brauche Sie wohl kaum daran zu ermnem,

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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 24 I 564
Datum : 07. Dezember 1898
Publiziert : 31. Dezember 1898
Quelle : Bundesgericht
Status : 24 I 564
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 564 Staatsrechtliche Entscheidungen. 1. Abschnitt. Bundesverfassung. 113. Urteil


Stichwortregister
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