268 Siaaisrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze.

ohne Zweifel ebenfalls regeln will, umgangen oder illusorisch gemacht
werden. Selbstverständlich aber bleibt gegenüber dein Bevormundeteu und
den Behörden des Kantons, in dem eine Vormundschaft dem Gesetze zuwider
weitergeführt wird, Recht und Pflicht zur Führung derselben für die
heimatliche Behörde bis zur thatsiichlichen Ubertragung bestehen, wie
auch Dritten gegenüber diese zur Wahrung der Interessen des Vögtlings
berechtigt und verpflichtet bleibt. Dies allein kann aus dem von der
diegierung des Kantons Luzern angerufenen Entscheid des Bundesgerichtes
in Sachen Häfeli entnommen werden, während derselbe für die heute zu
entscheidende Frage in keiner Weise präjudiziell ist reach allem dem
erscheint das Begehren des Regierungsrates des Kantons Solothurn um
Auslieferung des Nachlasses der Christan Unternährer zum Zwecke der
Teilung nach solothurnischem Recht als begründet si

4. Aus dem Gesagten folgt ferner ohne weiteres-, dass auch das zweite
Begehren betreffend Übertragung der Vormundschaft über Karl Unternährer
geschätzt werden muss. si

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Dem Regierungs-rate des Kantons Solothurn werden die Schlusse seiner
Beschwerde zugesprochen

45. Urteil vom M. April 1898 in Sachen Witwe Marti-Plattner und Konsorten.

Register-Swegen Etat-Zuges der
Vormmzdschafef. Legitimation. -Voraussetzungen des Entzesges.

]. Mit Schlussnahme vom 29. Juni 1897 verfügte der Gemeinderat Pfafsnau
(Kantons Luzern): 1. Die Vormundschaft über die Kinder des verstorbenen
Peter Marti wird der Witwe Fiisabeth Marti-Plattner entzogen und dem
Waisenamt Pfaffnau ubertragen 2. Die Kinder Marti sind innert vier Wochen
der Wanenbehörde Pfafsnau zu überbringen, ansonst sie dieselben ab-

holen wird, nötigenfalls mit Znhülfenahme polizeilicher
Gewalt. .Il. Civilrechtliche Verhältnisse der Niedergeiassenen und
Ausenliialter. N°45. 269

II. Gegen diese Schlussnahme returrierten Witwe Elisabeth ·Marti
geh. Plattner in Aarau, Heinrich Plattner in Füllinsdorf und Treumund
Plattner in Binningen beim Regierungsrat des Kantons Luzern. Ihr
Rekursgesuch ging dahin, es sei die Behörde von Pfaffnau, in Aufhebung
ihrer Schlussnahme, zu vez-halten, die Kinder Marti an ihrem gegenwärtigen
Pflegeort zu belassen und für dieselben Heimatscheine auszustellen

IH. Der Regierungsrat wies den Rekurs als Unbegründet ab, indem er
besonders von folgenden Erwägungen ausging: Witwe Marti biete keine
Garantie für die Erziehung der Kinder. Im Interesse der Kinder selbst sei
es dringend geboten, dieselben jedem direkten und indirekten Einflusse
der Mutter gänzlich zu entziehen. Dass letztere für die Pflegekoften der
Kinder aufkommen könnesei ebenfalls nicht wahrscheinlich gemacht. Bereits
hätten zwei Kinder vom Waisenamte Übernommen werden müssen. Wenn daher der
Gemeinderat in der Voraussicht, die Mutter werde ihren Verpflichtungen auf
die Dauer nicht nachkommen können, trotz der der Gemeinde erwachsenden
Mehrlosten die Zurückbringung der Kinder in die Heimatgemeinde versiegt
habe, könne diese Verfügung, die zweifellos im Interesse einer gesicherten
Erziehung der Kinder selbst liege, nicht aufgehoben werben, sondern sei
vielmehr zu beschützen-

IV. Elisabeth Marti, Heinrich Plattner und Treumund Plattner haben gegen
den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Luzern den staatsrechtlichen
Rekurs an das Bundesgericht ergriffen.

Sie Beantragen, es sei diese Verfügung, sowie diejenige des Gemeinderates
Pfaffnau aufzuheben und es sei der Regierungsrat des Kantons Luzern
pflichtig zu erklären, dafür zu sorgen, dass den Kindern Marti, soweit
dieselben nicht in Armenversorgung in Pfaffnau untergebracht seien,
vom dortigen Gemeinderat Heimatscheine ausgestellt werden.

Die Returrenten führen im wesentlichen aus:

Am M. April 1897 sei in thringen, Kantons Aas-ganPeter Marti von
Psafsnau, Kante-us Luzern, gestorben Mit Hinterlassung einer Witwe,
der erstgenannten Beschwerdeführerin, und von sieben minder-jährigen
Kindern. Schon vor dem Tode Martis habe der Grossvater Heinrich Plattner
zwei der Kinder,

Elisabeth und Anna, zu sich genommen Ein anderes Kind, Gustav,

270 Staatsrechtijche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze.

sei nach dem Hinscheiden des Vaters von dein Onkel Trenmund Plattner
übernommen worden. Die Mutter sei nach einiger Zeit von Oftringen
nach Zofingen gezogen und sei jetzt Bedienstete im Kantonsspital in
Aarau. Zwei Kinder habe mittler-weilen die Heimatgemeinde Pfaffnau in
Auferstehung und Pflegschaft genommen, so dass Witwe Marti nur noch siir
zwei Kinder zu sorgen habe. Auf ein Gesuch der Witwe Marti, für die
drei Kinder in Fiillinsdorf und Binningen Heimatscheine auszustellen,
habe der Gemeinderat Psasfnau den angesochtenen Beschluss gefasst. Dieser
Beschluss sowohl als der ihn bestätigende Entscheid des Regierungsrates
seien im Widerspruch mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die
civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter. Da
Peter Marti vor seinem Tode im Kanton Aargan wohnhaft gewesen,
so hätten sich die Rechte der hinterlassenen Witwe mit Bezug auf
die Vormundschaft Über die Kinder ganz nach dem aargauischen Rechte
gerichtet. Nach diesem sei sie gesetzliche Vormünderin derselben,
eventuell unter Mithiilfe eines Pflegers. Sie unterstehe der Qberaufsicht
der nargauischen Obervormundschaftsbehörden. Dem Gemeinderath Pfaffnau
komme demnach kein Recht zu, der Mutter die Vormundschaft über die
Kinder zu entziehen. Erst wenn mit Grund behauptet werden könnte, die
aargauischen Vormundschaftsbehörden gefährden die persönlichen oder
vermögensrechtlichen Interessen der Kinder Marti oder seien nicht in der
Lage, diese Interessen gehörig zu wahren, oder wenn die Wohnsitzbehörden
die Weisungen der Heimatgerneinde in Bezug auf die religiöse Erziehung
der Kinder nicht befolgen, könnte die Abgabe der Vormundschaft an
die heimatlichen Behörden verlangt werden. Ein solches Gesuch sei
von der heimatlichen Behörde nie gestellt worden. Von Gefährdung der
Interessen der Bedormundeten oder der Heimatgemeinde oder von Unsähigkeit
der Wohnsitzbehörden zur Wahrung dieser Interessen könne speziell
bezüglich der beim Grossvater und Onkel untergebrachten Kinder nicht
die Rede sein. Diese Kinder seien in guter Hand und selbst hinsichtlich
der religiösen Erziehung werden die Wünsche der heimatlichen Behörde
befolgt. Was die beiden Kinder betreffe, die vom Gemeinderat von Pfafsnau
in Auferziehung und Pflege genommen worden, so werden die Rechte des
letztern zur Bestimmung des Ortes der Verpslegung und-H. Civilrechtliche
Verhältnisse der Niedergelasseuen und Ausenthalter.N° 45. 271

Unterbringung nicht bestritten. Anders verhalte es sich mit den Kindern,
kbei welchen eine armenrechtliche Verpflegnng noch nicht eingetreten
sei. Eventuell musste Witwe Marti den Schutz des Bundesgerichtes anrufen,
weil bei Entng der Vormundschaftdrechte nicht der gesetzliche Weg
innegehalten und ihr nicht Gelegenheit gegeben worden sei, sich gegen
die Vorwürfe des Gemeinde rates von Pfassnau zu verteidigen Die für die
Massnahme geltend gemachten Gründe seien nicht vorhanden. Sie sei einle
sur ein Delikt bestraft worden Und habe die Strafe verbusZt. zhtien
Pflichten als Mutter sei sie nach Kräften nachgekoinmen. ,;;n Folge
grossen Kindersegens und geringen Verdienstes sei die Familie allerdings
arm. Etwas Schlechtes aber könne der Frau in der Erziehung der Kinder
mit Grund nicht vor-geworfen werden.

V. In seiner Reknrsantwort hat sich der Regierungsrat des Kantons Luzern
damit begniigt, auf die Motive des angesochtenen Entscheides Und die
denselben zu Grunde liegenden Akten, sowie auf die Vernehmlassung des
Gemeinderate-s von Pfaffnau zu beziehen.

In dieser Vernehmlassung führt der Gemeinderat von Pfassnau aus: Es
seien die Bestimmungen der §§ 190 und 298 des aargauischen bürgerlichen
Gesetzbuches über die Pflichten der Eltern und Vormer bezüglich der
Erziehung der Kinder in Betracht zu ziehen. Die gleichen Bestimmungen
enthalte § 69 des· luzeri nisehen bürgerlichen Gesetzbuches Es liege un
· Interessendei Heimatgemeinde, dass gegenüber den Kindern Markt diese
Bestunk mungen zur Anwendung kommen. Hiesür bietefdieMutter Marte
nicht die erforderlichen Garantien. Es fehlen-ihr dazu moralische
Eigenschaften, wie auch die nötige ökonomische Situation Sie habe
sich nicht ohne Grund einen Üblen Leitmund erworben. Während der
vorliegende Rekurs anhängig gemacht worden, habe noch ein drittes
Kind vom Waisenatnte Pfasfnau ver-sorgt werden müssen. Die drei Kinder
seien jeweilen mit der Motivierung dem Waisenamte überbracht worden,
die Mutter habe sich nicht mehr um dieselben bekümmert und keinen
Pflegelohn bezahlt-. [eine Thatsachen hätten das Einschreiten der
Vormundschattosbehoroe-gerechtfertigt oder es ihr sogar zur Pflicht
gemacht. Es musse freilich zugegeben werden, dass nach dem Bundesgesetz
betreffenddie civilrechtlichen Verhältnisse für die elteriiche Gewalt
der Witwe Marti über ihre Kinder das aargauische Gesetz massgebend gewesen

272 Sàaatsrechtliche Entscheidungen. [I. Abschnitt. Bundesgesetze.

sei. Nun habe aber der Gemeinderatsvorsteher von Ostringen sofort nach
dem Tode des Marti eine Anzeige an das Waisenamt Pfassnau gesandt mit
der Erklärung, es sei das Beste, wenn die Familie Marti aufgelöst und
die Kinder ver-pflegt werden, da die Mutter nicht im Stande sei, für die
Kinder zu sorgen. Die Behörden von thringen hätten sich demnach nicht
als Vormundschaftsbehörden betrachtet Auch die Anzeige gemäss Art. 12
des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 sei nicht erfolgt, ebenso keine
Wohnsitzwechselanzeige Art. 15 leg. eit. treffe in dem Sinne zu, dass
die aargauischen Behörden nicht in der Lage seien, die Interessen der
Heimatgemeinde gehörig zu wahren. Einmal sei in Betracht zu ziehen, dass
Witwe Matti, die darauf angewiesen sei, da und dort Arbeit zu suchen,
mit Bezug auf die Erfüllung ihrer Pflichten nicht gehörig überwacht
werden könne. Das einzige Mittel, um eine tüchtige Erziehung der Kinder
zu erreichen, sei der Entng der elterlichen Gewalt und die Unterstellung
der Kinder unter eigentliche Vormundschaft. Die Kinder wohnen gegenwärtig
an verschiedenen Orten. Im Interesse einer einheitlichen Aufsicht und
Erziehung und der Verhinderung gegenseitiger Entsremdung liege es,
wenn sämtliche Kinder der Gemeinde Psafsnau überlassen werden und dem
dortigen Waisenamte die Vormundschaft übertragen merde. Jedenfalls
müsse dem Gemeinderate Pfaffnau das Recht eingeräumt werden, über
die Unterbringung der Kinder zu verfügen, da die Voraussetzungen der
armenrechtlichen Unterstützung gegeben seien, und zwar nicht nur für
die jetzt schon armenrechtlich verpflegten, sondern für alle Kinder-.
Für die armenrechtliche Unterstützung trete wieder das Heimatssorinzip
in den Vordergrund (Amtl· Samml., XXIII, S. 76). Nach der luzernischen
Gesetzgebung könne der Gemeinderat unterstützungsbedürftige Familien
auflösen Bei einer solchen Auflösung, wie sie gegenüber der Familie
Marti durch den Beschluss vom 27. Juni 1897 derfsigt worden sei,
besiimme der Gemeinderat, ob die Unterstützten bei Pflegeeltern, im
Armenhaus oder in einer andern Anstalt unterzubringen seien. Da Witwe
Marti unterstützungsbedürftig sei, könne sie sich gegen Unterbringung
aller Kinder in Psafsnau nicht verwahren Was das beobachtete Verfahren
bei Entzug der elterlichen Gewalt betreffe, so sei darüber

keine Beschwerde bei den kantonalen Jnstanzen angebracht
wor-.II. Civilrechtliche Verhältnisse der Siedet-gelassenen und
Aufenthalier'. N° 45. 273

den. Die gegen Frau Marti erhobenen Vorwürfe seien gerechtfertigt. Der
Knabe Joseph, geboren 1889, welcher im Dezember 1897 von der Waisenbehörde
übernommen wurde, habe bis dahin weder Schulnoch Religionsunterricht
erhalten.

VI. Gegenüber den neuen thatsächlichen Anbringen der Vernehmlassung
haben die Rekurrenten bemerkt: Die Anschuldigunk gen gegenüber Frau
Marti seien unbegründet. Frau Marti sei seit 24. Juni 1897 in der
kantonalen Krankenanstalt in Aarau als Dienstmagd fest angestellt
und führe sich gut auf. Es sei nicht richtig, dass sie sich um die
Kinder nicht bekümmere. Der Knabe Joseph sei deshalb der Armenpflege
überbracht worden, weil der Gemeinderath Psaffnau ihn reklamierte und mit
polizeilicher Abhotung drohte. Die Schule habe er nicht besuchen können,
weil er an einem Fussübel litt, das schliesslich zur Amputation des Fusses
geführt babe. Die Armenpflege möge überdies den Knaben Joseph behalten,
sofern sie ihn nicht an den Grossvater abgeben molle, welcher sich bereit
erklärt habe, für denselben zu sorgen. Die Kinder in Pfasfnau seien
nicht bei einander, sondern beim Mindesisordernden verkostgeldet. Den
beim Grossvater befindlichen Kindern sei vom Gemeinderate von Füllinsdorf
schon am 8. Dezember 1897 in der Person des Onkels Treumund Plattner ein
Vormund bestellt worden Dieser widersetze sich ebenfalls der Verbringung
der Kinder nach Pfafsnau.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Von den drei Rekurrenten ist nur die Witwe Elisabeth Marti zum Rekurse
legitimiert, während Heinrich Planner und Treumund Plattner, die einfach
an Stelle der Mutter die Verpflegung und Erziehung der Kinder besorgen,
sich nicht auf die Verletzung von Rechten berufen können, die ihnen
durch das Bundesgesetz über die civilrechtlichen Verhältnisse der
Niedergelassenen und Ausenthalter zugesichert waren.

Der Behauptung, Treumund Plattner sei am 8. Dezember 1897 durch den
Gemeinderat von Füllinsdorf (Baselland) zum Vormund der bei Heinrich
Plattner befindlichen Kinder bestellt worden kann keine entscheidende
Bedeutung beigemessen werden. Dieses Anbringen ist nicht im Rekurse,
sondern erst in der Replik enthalten und die behauptete Bestellung zum
Vormund wurde auch erst aus der Zeit nach Ausfällung des angesochtenen
regierungs-

274 Staatsrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze,

rätlichen Entscheidesdatieren Übrigens ist nicht ersichtlich, woher der
Gemeinderat von Fiillinsdorf die Kompetenz zn dieser Vormundsernennung
hergeleitet hätte. Nach dem citierten Bundesgesetze ist als Wohnsitz
der in elterlicher Gewalt stehenden Kinder derjenige des Inhabers
der elterlichen Gewalt zu betrachten (Art. kiAbs 2). Vorliegend ist
der Wohnsitz der Mutter, welche als Jnhaberin der elterlichen Gewalt
erscheint, im Kanton Aargau. In diesem letztern Kanton und nicht in
Baselland befindet sich demnach auch ordentlicher Weise der Sitz der
Vormundschaft (Art. 10 leg. cit.). _

2. Was nun die Witwe Marti betrifft, so verstossen die angefochtenen
Verfügungen des Regierung-states des Kantons Luzern und des Gemeinderates
von Pfasfnau zweifellos gegen die Rechtsstellung, welche ihr durch
das mehrerwähnte Bundesgesetz eingeräumt ist. Die Familie Marti war
unbestrittenermassen im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes Markt im Kanten
Aargau doiniziliert. In diesem Kanton hat auch Witwe Marti seither ihren
Wohnsitz gehabt. Die elterliche Gewalt und die Vormundschaft über die
Kinder Marti richtete sich somit nach dein aargauischen Rechte, selbst
für diejenigen Kinder, welche von der Mutter ausserhalb des Kantons
untergebracht worden waren (Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 leg. cit.). Nach
§ 174 des bürgerlichen Gesetzbuches für den Kanton Aargau ist Witwe
Marti von Gesetzes wegen Inhaberin der elterlichen Gewalt über ihre
Kinder-. Glaubte die heimatliche Gemeindebehörde Grund zu haben, sich
über die Ausübung der elterlichen Gewalt durch die Mutter zu beklagen
und der Witwe Marti die Ausübung dieser Gewalt zu entziehen, so musste
sie sich hiefür an die zuständigen Vormundschafts: und Aufsichtsbehörden
des Kantons Aargau wenden und durfte einen Entng nicht von sich aus
beschliessen Ebenso war vorzugehen, falls die heimatlichen Behörden
dafür hielten, es liegen Gründe vor, die Vormundschaft von den Behörden
des Wohnortes auf sie zu übertragen.

3. Daran ändern die vom Gemeinderat vorgebrachten Einwendungen nichts.

Die Anzeige des Gemeindeammanns von thringen an den Waisenvogt von
Pfaffnau anlässlich des Todes des Ehemannes Marti hatte offenbar nur
auf zu beantragende armenfürsorglicheIl. Civilrechfliche Verhältnisse
der Meister-gelassenen und Aufenthalter. ND 45. 275

Massnahmen Bezug und schloss nicht ohne weiteres die Übertragung der
Vormundschaft in sich. Dazu hätte übrigens dem Gemeindeammann die
Zuständigkeit gefehlt, abgesehen davon, dass die elterliche Gewalt der
Mutter einer solchen Anordnung entgegengestanden hätte.

Die Unterlassung seitens der Behörden des Wohnortes, denjenigen
des Heimatkantons von dem Eintritt der Vormundschaft und von dem
Wohnsitzwechsel der Bevormundeten Kenntnis zn geben, hätten die
heimatlichen Behörden höchstens zu einer Beschwerde be-. rechtigt, nicht
aber ohne weiteres dazu, sich an die Stelle der Vormundschaftsbehörden
des Domizils zu setzen. Ubrigens ist die betreffende Unterlassung in
den Erwägungen der angefochtenen Verfügung nicht angeführt worden.

4. Das Gesagte kann jedoch auf die drei Kinder der Witwe Marti, welche
die Gemeinde Pfaffnau zur armenrechtlichen Bersorgung übernommen hat,
keine Anwendung finden. Im Falle der Unterstützungsbedürftigkeit
von Kindern, die der elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt
unterstellt find, müssen die Behörden, denen das Recht und die Pflicht
der armenrechtlichen Obsorge für dieselben zusteht, nach Massgabe
der einschlägigen Gesetzgebung Über die Art der Verpflegung und den
Ort der Unterbringung der Unterstützungsbedürftigen verfügen können;
vor dieser Befugnis werden die Rechte der Inhaber der elterlichen und
vormundschaftlichen Gewalt nicht oder doch nicht im vollem Masse zur
Geltung gebracht werden können Entscheidung des Bundesgerichtes vom
11. März 1897 in Sachen Baselstadt, Amtl. Samml., XXIII, S. 76). Dadurch
wird aber an den Rechten der Witwe Marti mit Bezug auf die nicht von
der öffentlichen Armenpflege verpflegten Kinder nichts geändert.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird begründet erklärt und die Schlussnahme des Regierungsrates
des Kantons Luzern vom 22. November 1897f sowie diejenige des
Gemeinderates von Pfaffnau vom 29. Juni 1897 werden, soweit sie die
Kinder Elifabeth, Anna, Gustav und Wilhelm Marti betreffen, aufgehoben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 24 I 268
Datum : 01. April 1898
Publiziert : 31. Dezember 1898
Quelle : Bundesgericht
Status : 24 I 268
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 268 Siaaisrechtliche Entscheidungen. II. Abschnitt. Bundesgesetze. ohne Zweifel


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Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
witwe • gemeinderat • mutter • aargau • elterliche gewalt • regierungsrat • bundesgericht • tod • familie • weiler • gemeinde • aarau • vormund • onkel • heimatschein • entscheid • hinterlassener • stelle • dauer • weisung
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