945 D. Entscheidungen der Schuldhetreibungs-

Art. 91 bis 109 des Betreibungsgesetzes zu beobachten, und sich somit
auch an die in Art. 92 enthaltenen Vorschriften über Unpfändbarkeit zu
halten. Die Kognition hierüber muss den Vollzugsorganen schon deshalb
vorbehalten werden, weil die Arrestbehörden gar nicht in der Lage sind,
eine Prüfung der massgebenden thatsächlichen Verhältnisse eintreten
zu lassen. Die Vorschrift in Art, 274, Absatz 2, Ziffer 4, dass der
Arrestbefehl die Angabe der mit Arrest zu belegenden Gegenstände enthalten
solle, kann somit nicht die Bedeutung haben, dass die im Arrestbefehl
bezeichneten Gegenstände nun auch mit Beschlag belegt werden müssen und
dass eine Prüfung der Frage der Pfändbarkeit nicht mehr stattfinden
könne. Sondern es kommt jener Vorschrift nur der Charakter einer den
Inhalt des Arrestbefehls betreffenden Ordnungsvorschrift zu, und es
bleibt die Frage, ob die betreffendenGegenstände pfändund arrestierbar
seien, stets der Prüfung der mit dem Arrestvollzug betrauten Organe
vorbehalten. Dann trifft aber in Bezug auf diese Frage auch Art. 279,
Alinea 1 des Betreibungsgesetzes nicht zu, wonach gegen den Arrestbefehl
weder Berufung noch Beschwerde stattfindet Vielmehr ist, wenn beim
Vollzug des Arrestes durch die damit betrauten Organe die Vorschriften
über Unpfändbarkeit verletzt werden, das gewöhnliche Rechtsinittel
der Beschwerde an die Aufsichtsbehörden gegeben. Eswar somit nicht
gesetzwidrig-, wenn die Basler Aufsichtsbehördeauf die Beschwerde der
Eheleute Stüssi-Trümpi eingetreten 111.

3. Mater-tell sodann muss der Vorentscheid ebenfalls geschützt
werben. Die Feststellung der Vorinstanz, dass die fraglichen Renten
den Eheleuteu Stüssi-Trümpi unentgeltlich bestellt und dass dieselben
im Sinne des Art. 521 des Obligationenrechtes vom Besteller dem Zugrisf
der Gläubiger entzogen worden find, wirddurch das Original des Briefes
der Frau Blumer vom 1. Oktober1887, dessen Eingang lautet: Durch meinen
Sohn . . . empfangen Sie . . . und in dem zum Schluss gesagt ist: Jn
dem Versicherungsvertrag muss indessen nachdrücklich erwähnt werden,
dass ich als dritte Person nnentgeltlich die Leibrente bestellt habe,
die nach § 521 vom Obligationenrecht der Schweiz durch GläuEiger nicht
entzogen werden farm, vollends bestätigt. Für eine Fälschung liegen nicht
die mindesten Anhaltspunkte vor, und dasj.und Konkurskammcr. N° 129. 94?

die Unpfändbarkeit im Rentenbestellungsakt selbst erwähnt sein müsse
findet im Gesetze keinen Halt. Wo aber in so liquider Weis e der
Thatbestand des Art. 521 des Obligationenrechts vorliegt, kann gegen die
Aufsichtsbehörde ein Vorwurf nicht erhoben werden, wenn sie in Anwendung
von Art. 92, Ziffer ? des Betreibungsgesetzes die Unpfändbarkeit der
betreffenden Gegenstände ausspricht

Aus diesen Gründen hat die Schuldbetreibungs und Konkurskammer

erkannt:

Der Rekurs wird abgewiesen-.

129. Entscheid vom 12. April 1897 in Sachen Aldinger.

I. Am 2. Dezember 1890 war über die Rekurrentin, Frau Emmy Aldinger
geschiedene.Ravier, der Konkurs eröffnet, und vor dem 1. Januar
1892 erledigt worden. Nachher strebte der Vater derselben mit ihren
Gläubigern einen Nachlassvertrag an, nach welchem diese 10 % ihrer
Forderungen gegen Saldoquittung ausbezahlt erhalten sollten. Von 16
Gläubigern erklärten sich 11 einverstanden, und gestützt hieran stellte
Rechtsagent Härtsch in St. Gallen am 9. Dezember 1896 namens der Frau
Aldinger beim Bezirksgericht Gersau das Gesuch um Bewilligung eines
Nachlassvertrages Das Bezirksgericht Gersau setzte auf den 4. Januar 1897
die Nachlassverhandlung an, und genehmigte, da von Seite der Gläubiger
keine Einsprachen erfolgten, ben vorgelegten äliachlassvertrag Iiach
Ablan der Appellationsfrist erklärte das Gericht das uber Frau Aldinger
ausgesprochene Falliment als folgenlos und widerrufen, und zwar gestützt
auf die Übergangsbestimmungen des Bundesges etzes über Schuldbetreibung
und Konkurs, wonach der Nachlassoertrag auch auf frühere Fallitnente
anwendbar sei. Vom 20. bis 23. Januar 1897 erfolgte die Auszahlung der
Gläubiger durch das Konkursamt Gersau, wobei alle Saldoquittung erteilten,
mit Ausnahme der Erben Notz in Zürich

948 D. Entscheidungen der Schuldbetceibungs-

und eines weitern Gläubigers Auf Beschwerde der Erben Notz hin erklärte
das Kantonsgericht des Kantons Schwyz durch Urteil-vom 23. März 1897
den Nachlassentscheid des Bezirksgerichts Gersau vom 4. Januar 1897
als aufgehoben und folgenlos mit der Begründung, dass gemäss Art. 330,
Abs. 3 des Betreibungsgesetzes Schuldner, deren Vermögen am 1. Januar
1892 einer Konkursliquidation unterworer gewesen, ein Nachlassbegehren
nur dann einreichen können, wenn das bisherige kantonale Recht ihnen
dies gestattete. Dies treffe aber für den Kanten Schwyz nicht zu, da
das Recht dieses Kantons den Nachlassvertrag nicht gekannt habe-T

II. Gegen diesen Entscheid rekurrierte Rechtsagent A. Härtsch in
St. Gallen namens der Frau (&. Aldinger bei der Schuldbetreibung? und
Konkurskammer des Bundesgerichts, indem er Aufhebung desselben verlangte,
und zur Begründung dieses Antrages ausführte: Das Kantousgericht sei
formell nicht berechtigt gewesen, auf die Beschwerde der Erben Rotz
einzutreten, da sich diese Beschwerde gegen ein rechtskräftiges Urteil
gerichtet habe, das bereits vollzogen gewesen sei. Ferner sei Art. 307
des Betreibungsgesetzes unrichtig interpretiert. Da die Tagfahrt vor
Bezirksgericht Gersau in gesetzlicher Weise publiziert worden sei,
seien als Parteien nur die Schuldnerin und diejenigen Gläubiger
zu betrachten gewesen, welche Einsprache erhoben haben; es liesse
sich überhaupt fragen, ob nicht bloss diejenigen Gläubiger, welche
schon vor erster Instanz proteftiert haben, einen ihnen ungünstigen
Entscheid weiter-ziehen können. Endlich sei zu Unrecht kantonales
Recht zur Anwendung gekommen und speziell sei Art. 330, Absatz 3 des
Betreibungsgesetzes nicht richtig angewendet worden. Am 1. Januar 1892 sei
der Konkurs Ravier-Aldinger beendigt gewesenArt. 330, Absatz 8 handle aber
von denjenigen Vermögen, die am 1. Januar1892 unter Konkurs oder Pfändung
gewesen seien. Schuldner-, deren Konkurs vorher liauidiert worden sei,
haben nach Bundesrecht Anspruch auf gleiche Behandlung, wie solche,
die erst nach dem i. Januar 1892 in Konkurs geraten seienund namentlich
auch wie die Schuldner anderer Kontrove-

* Vergî. oben, Nr. 92, S. 609.und Konkarskammer. N° 129. 949

Die Schuldbetreibungs und Konkurskawmer zieht in Erwägung:

1. Da die Beschwerde sich gegen den Entscheid einer kantonalen
Nachlassbehörde in einer Nachlasssache richtet, so kann die
Schuldbetreibungs und Konkurskammer des Bundesgerichts jedenfalls nur
insoweit zu deren Beurteilung kompetent sein, als die Anwendung des
Art. 334 des Betreihungsgesetzes in Frage steht, das heisst als es sich
darum handelt, ob die transitorischen Bestimmungen des Betreibungsgesetzes
richtig angewendet worden seien, ob also das Kantonsgericht Schwyz
mit Recht angenommen habe, es finde in casu nicht das eidgenössische,
sondern das kantonale Recht Anwendung Rücksichtlich aller übrigen
Beschwerdedankte ist die Schuldbetreibungs und Konkurskammer des
Bundesgerichts gemäss Art. 17 und 19 des Betreibungsgesetzes offenbar
nicht kompetent, da laut diesen Bestimmungen über die Beschwerdeführnng
die Schuldbetreibungs und Konkurskammer nur bezüglich Verfügungen der
Betreibungsoder Konkursbeamten, bezw. deren Amtsführung zulässig ist,
während Gegenstand der gegenwärtigen Beschwerde nicht eine Verfügung eines
Betreibungsoder Konkursbeamten, sondern einer Nachlassbehörde bildet.

2. Auch soweit es sich um die Anwendung von Art. 334 des
Betreibungsgesetzes handelt, ist aber die Schuldbetreibungs und
Konkurskammer nicht kompetent. Das Bundesgericht hat sich bereits in
seinem Entscheide in Sachen Steiner vom 27. Januar 1893 (Amtl. Samml.,
Bd. XlX, Seite 94, Erw. 2) dahin ausgesprochenkdass sich Art.-Liszt
cit. nur aus Handlungen beziehe, welche in die Kompetenz der
Betreibungsund Konkursämter fallen, nicht auf Streitigkeiten, deren
Beurteilung den Gerichten zugewiesen isf. Einen andern Standpunkt hat
dagegen allerdings, wie aus dem Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs,
Bd.III, Seite 308 hervorgeht, der Bundesrat eingenommen, indem er sich
zur Behandlung von Beschwerden über die Anwendung des Art. 334 stets
kompetent erklärt hat, nicht nur, wenn es sich um eine in die Kompetenz
ber' Betreibungsund Konkursämter fallende Verfügung handelte, sondern
ganz unbekümmert datum, ob die Verfügung von einem Betreibungsamt oder
einem Gerichte her-rührte Allein es ist an der vom Bundesgericht in der
genannten Ent-

950 D. Entscheidungen der Schuldhetreihungs-

scheidung vertretenen Auffassung durchaus festzuhalten Dass Art. 334
die Kompetenz der kantonalen Aussichtsbehörden und des Bundesrates
(der Schuldbetreibungs und Konkurskammer des Bundesgerichtes)
mit Bezug auf die Handhabung der trausttorischen Bestimmungen des
Betreibungsgesetzes gegenüber den in Art. 17 bis 20 ibid, enthaltenen
Kompetenzvorschriften ausdehnen und alle Entscheidungen über solche
Streitigkeiten, also auch richterliche Entscheidungen, dem Rekurse an die
genannten Aufsichtsbehörden unterwerfen wolle, erscheint in der That als
ausgeschlossen, wenn die Konsequenzen eines derartigen Jnstanzenzuges ins
Auge gefasst werden. In dieser Richtung kann einfach auf die Ausführungen
in der citierten bundesgerichtlichen Entscheidung in Sachen Steiner
Verwiesen werden wo hervorgehoben wird, dass alsdann in denjenigen
Kaukonen, wo die oberste Gerichtsbehörde gleichzeitig als Aufsichtsbehörde
bezeichnet ist, gegen rich- terliche Entscheidungen des obersten
Gerichtshofes Beschwerde an diesen nämlichen Gerichtshof statthaft
wäre; dass ferner da, wo eine Abteilung des obersten Gerichtshofes
als Aufsichtsbehörde bestellt ist, gegen richterliche Entscheidungen
dieses Gerichtshofes bei einer blossen Abteilung desselben Beschwerde
geführt werden könnte, und dass endlich in denjenigen Kantonen, wo die
Regierung als Aufsichtsbehörde funktionier, die Abnormität sich ergäbedass
richterliche Entscheidungen des obersten Gerichtshofes der Überprüfung der
obersten Verwaltungsbehörde unterstellt wären. Artikel 334 ist vielmehr
dahin aufzufassen, dass derselbe ein Beschwerderecht hinsichtlich der
Anwendung der transitorischen Bestimmungen des Betreibungsgesetzes nur
in denjenigen Fällen statuiert, die gemäss Art. 17 in die Kompetenz der
kantonalen Aussichtsbehörden und des Bundesrates (der Schuldbetreibungs
und Konkurskammer des Bundesgerichts) fallen. Dieser Interpretation
kann auch nicht etwa entgegengehalten werden, dass damit die ganze
Bestimmung des Art.334 als überflüssig erscheine; auch wenn dieselbe
sich bloss auf Streitigkeiten über Amts- handlungen von Betreibungsund
Konkursämtern bezieht, enthält sie doch bezüglich der zeitlichen Anwendung
des Betreibungsgesetzes die Besonderheit, dass die hier einschlagenden
Rechtsfragen selbst dann zur Entscheidung der genannten Aufsichtsbehörden
gebrachtund Konkurskammer. N° 130. 951

werden können, wenn im übrigen, nach den allgemeinen Vorschriften
des Gesetzes, weil eben der Weg gerichtlicher Klage vorgesehen ist
(vergl. z. B. Art.148 des Betreibungsgesetzes),

ein Weiterng an dieselben ausgeschlossen wäre. Demnach hat die
Schuldbetreibungs und Konkurskammer erkannt: Auf die Beschwerde wird
wegen Jnkompetenz nicht eingetreten.sk130. Entscheid vom 4. Mai 1897 in
Sachen Lehmann.

I. Kurt Lehmann liess den Wilhelm Göpper durch das Betretbungsamt Bern für
eine Forderung von 444 Fr. 60 Ets. nebst Zins betreiben. Der Schuldner
schlug Recht ver. Unter Berufung ian Art. 80 des Betreibungsgesetzes
derlangte jedoch der Glaubiger beim Gerichtspräsidenten von Bern
ldefimtivch Rechtsoffnung und es wurde ihm diese unterm 17. Dezember
1896 bewilligt. Gopper erklärte gegen diesen Entscher die Appellation
an den Appellationshof des Kantons Bern. .

II. Am 22. Januar 1897 erhielt der Schuldner vom BetretTbungsamt Bern
für die fragliche Forderung efneKonkursandrw hung. Der Vertreter
des Gläubigers hatte lnamlich, gestutzt auf eine Bescheinigung der
bernischen Obergerichtskanzlei, dass-der Appellationshof unterm
20. Januar den ersttnstanzlichen Rechtsössnungsentscheid bestätigt
habe, die Fortsetzungvder Betreibung anbegehrt, und diesem Begehren
hatte das Betreibungsamt Bern durch Erlass einer Konkursandrohung
an den Schuldner Folge gegeben. Nun beschwerte sich letzterer bei
der bermschen kantonalen Aufsichtsbehörde gegen die Fortsetzung der
Betreibung deshalb, weil diese nicht habe bewilligt werden dursen,
beoor der Rechtsvorschlag beseitigt worden sei, und weil ein Futscheid
des Appellationshofes, wonach die Appellation des Schuldners gegen
den erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheid abgewiesen woräen éare,
demselben nicht eröffnet worden sei. Unter Berufungwauf in. (8 ff und
159 ff. des Betreibungsgesetzes, sowie §§ 88r ff. des herni-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 23 I 947
Datum : 12. April 1897
Publiziert : 31. Dezember 1897
Quelle : Bundesgericht
Status : 23 I 947
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 945 D. Entscheidungen der Schuldhetreibungs- Art. 91 bis 109 des Betreibungsgesetzes


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • schuldner • frage • arrestbefehl • weiler • bundesrat • kantonales recht • erbe • richtigkeit • kantonsgericht • betreibungsamt • stein • saldoquittung • konkursbeamter • entscheid • richterliche behörde • kantonales rechtsmittel • bescheinigung • arrestvollzug • nachlassbegehren
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