774 C. Civilrechtspflege.

schäftsmässiges, der Verkehrssitte widersprechendes, dass in der Annahme
der Vorinstanz, auf seiner Seite habe ein Vertragswille nicht bestanden,
kein Rechtsirrtnm liegt.

Da ein gùltiger Vertrag zwischen den Parteien nach dem Angeführten nicht
zu stande gekommen ist, muss die Klage und demnach auch die Berufung
abgewiesen werden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Klägerin wird als unbegründet abgewiesen und demgemäss
das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 15. März 1897 in
allen Teilen bestätigt

110. Urteil vom 21. Mai 1897 in Sachen Märki & Haller gegen Märkt,
Haller & (Sie. in Liquidation.

A. Mit Urteil vom 4. März 1897 hat das Handelsgericht des Kantons
Aargan erkannt:

1. Die Beklagten sind schuldig, den Klägern 3626 Fr. 80 Cts. samt Zins
zu 5 Ost seit der Klageeinreichung, d. l). vom 18. Juli 1896 hinweg,
zu bezahlen.

Mit der weitergehenden Forderung werden die Kläger abgewiesen. --

2. Auf die Forderung Jder Beklagten aus dein Licenzoertrage vom 13. Mai
1892 und demgemäss aus die Widerklage wird nicht eingetreten.

Dagegen bleiben den Beklagten hinsichtlich der genannten Forderung alle
Rechte bestens gewahrt.

B. Gegen dieses Urteil ergriffen die Beklagten rechtzeitig die Berufung
an das Bundesgericht mit dem Antrage, das angefochtene Urteil sei in
folgendem Sinne abzuändern:

1. Den Beklagten seien die Kontokorrentzinse aus der Zeit vor der Trennung
im Betrage von 1506 Fr. zu ihren Gunsten in Rechnung zu bringen. '

2. Die beklagtischen Gegenforderungen aus dem
LieenzvertragV. Obligationenrechl. N° 110. 775

seien als kompensabel zu erklären und zu Gunsten der Beklagten in Rechnung
zu Bringen.

3. Soweit die beklagtilchen Gegenforderungen aus dem Lieenzvertrage nicht
zur Aufhebung der Klagfordernng verwendet wurden, seien die Kläger zur
Bezahlung des Restbetrages nebst Zins zu 5 iV0 seit dem 13. Juli 1893
zu verurteileu.

C. In der heutigen Verhandlung wiederholt der Vertreter der Beklagten
seine Berufungsanträge, und stellt ferner für den Fall, als die
Kompensation der Gegenforderungen der Beklagten für unzulässig
erklärt würde, das eventuelle Begehren: der Entscheid sei so lange
zu suspendieren, bis das Schiedsgericht über die Gegenforderungen der
Beklagten aus dem Licenzvertrage entschieden habe.

Der Vertreter der Kläger trägt auf Abweisung der Berufung an-

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die durch Vertrag vom 1. Februar 1889 gegründete Firma Maffi, Haller &
Cie., Mühlenbaugeschäst, mit Hauptsitz in Aarau, und Filiale in Monza
(Italien) löste sich mittels Trennungsvertrages Vom 21. August 1890
auf, in dem Sinne, dass von den Mitgliedern der bisherigen gemeinsamen
Firma Jakob Märki und Karl Haller das Geschäft in Aaran mit Aktiven und
Passiven als neue selbständige Firma Marf'i & Haller, W. Strobel und
A. Zopfi dagegen die bisherige Filiale in Monza mit Aktiven und Passiven,
ebenfalls als selbständiges Geschäft, und zwar unter der Firma Märki,
Haller & Cie.", übernahmen. Aus dem Trennungsvertrage ist F 5 als wichtig
hervorzuheben, der u. a. bestimmt: In keinem Falle können aus den frühern
Verhältnissen diesoder jenseits, weder jetzt noch künftig, Ansprüche
irgend welcher Art oder Verpflichtungen geltend gemacht werden Die beiden
Firmen blieben auch nach der Auslösung in geschäftlichem Verkehre mit
einander. Jtn September 1892 bestellten Maffi äsHaller bei dem Geschäft
in Monza fünf Walzenstühle zum Gesamtpreise von 7710 Fr. und im Oktober
1892 einen sechsten Walzenstuhl zu 1750 Fr. Bei den Bestellungen bedungen
sich Marti, Haller & (Sie. Bezahlung durch Dreimonattratten von der
Präsentation der Fak tura und des Bahn-Re9us an aus Die Lieferung der
sechs Walzenstühle erfolgte am 26. Oktober. An den Kauspreis bezahlten
die Käufer nur 736 Fr. MAME., und zwar gemäss Anweisung der

778 c. civjlrechisptlege.

Verkäufer an einen gewissen Piat in Paris Mar,-fi, Haller & (Sie.
verlangten wiederholt die Aussiellung von Aeeeptenz Märki & Haller gingen
jedoch daran nicht ein, sondern sandten ihnen im November 1892 einen
auf den 12. November 1892 abgeschlossen-en Kontokorrentauszug, wonach
sich ein Saldo von 794 Fr. 35 (Stà. zu Gunsten der Kläger ergab. Darin
war auch die Forderung der Kläger für die sechs Walzenftiihle mit 9460
Fr. aufgenommen. Die Kiäger erwiderten hierauf, sie können nicht damit
einverstanden sein, dass die Beilagten einen Kontokorrentauszug senden,
anstatt Accepte auszustellen; Überdies können sie mit dem Saldo der
Beklagten nicht einig geben. Am Kontotorrentauszng bemängelten sie
insbesondere die Anrechnung von Kontokorrentzinsen aus der Zeit vor und
nach dein Trennungsvertrage im Gesamtbetrage von 2336 Fr. 45 (Stà. Trotz
ihrer Differenzen betreffend den Kontokorrent blieben die Parteien im
Geschäftsverkehr. Aus diesem Verkehre ist noch folgendes Rechtsgeschäft
zu erwähnen: Durch Vertrag vorn 13. Mai 1892 Überliessen die Beklagten
den Klägern den Vertrieb eines von erstern ersundenen patentierten
sog. Zellensichters auf dem Gebiete Italiens (fog. Licenzvertrag),
gegen Bezahlung einer Lieenzgebührr von 150 Fr. per Maschine für die 200
ersten verkauften Maschinen und 100 Fr. per Maschine für die Übrigen
verkauften Maschinen, eventuell von 1500 Fr. im ersten, 2000 Fr. im
zweiten, 3000 Fr. im dritten und 2500 Fr. im vierten Jahre. § 10 des
Vertrags bestimmt: Aus diesem Vertrage entstehende Zwiste müssen durch
Schiedsgerichte geordnet werden In dem per Sii. März 1895 abgeschlossenen
Kontokorrentauszuge der Kläger für die Beklagten ist die Forderung von
9460 Fr. aufgenommen Trotzdem erfolgte keine (Einigung betreffend diese
Faktur; dies führte schliesslich im Jahre 1896 zum Prozess, in welchem die
Klager als Rest jener Faktur 4460 Fr. nebst Zins zu Î) 0/0 seit i. März
1893 fordern. Die Beklagten machten eine Reihe von Gegenforderungen
geltend, beantragte-n demgemäss Abweisung der Klage und erhoben eine
Widerklage, soweit ihre Ansprüche die Klageforderung überstiegen. Sie
nahmen zunächst den Standpunkt ein, die Fakturaforderung sei, da die
Kläger den Kontokorrent in diesem Punkte nicht bestritten haben, im
Kontokorrent aufgegangen, somit durchV. Ohiigaiionenrecht. N° 110. 777

Kompenfation bezw. Novation als Forderung aus dem Kaufe erloschen. Von
ihren Gegenforderungen sodann ist zunächst hervorzuheben: eine Post
von 1508 Fr. als Betrag der Kenko-forfait: zinsen vom 1. Februar 1889
bis 2(). August 1890. Ferner beanspruchen sie von den Klägern 6000 Fr.,
event. 1500 Fr., als Lieenzgebühr gemäss dem oben erwähnten Lieenzvertrag
Die Kläger bestritten, je eine Abrechnung der Beklagten anerkannt zu
haben und hielten daran fest, dass die Fakturaforderung als selbständige
Fordernng, bezüglich deren die Beklagten Baarzahlung versprochen
und somit auf die Kompensation verzichtet haben, anzusehen sei. Sie
anerkannten die Zinsforderung der Beklagten nicht. Den Forderungen aus
dem Licenzvertrage hielten sie event. entgegen, die Beklagten haben
ihrerseits den Vertrag nicht gehörig erfüllt und dadurch den Klägern
grossen Schaden zugefügt, den sie eventuell compensundo geltend machten,
in erster Linie aber machten sie geltend, die staatlichen Gerichte
seien gemäss § 10 jenes Vertrages zur Behandlung der Forderungen aus
demselben unzuständig. Letztern Ausführungen hielten die Beklagten die
replica dali entgegen, die sie hauptsächlich damit begründeten, auch
der Trennungsvertrag habe das schiedsgerichtliche Verfahren vorgesehen;
wenn nun die Kläger gleichwohl den staatlichen Richter angerufen haben,
so dürfen die Beklagten dadurch nicht um die Kompensationseinrede
gebracht werden.

2. Bei ihrem sub Fakt. A mitgeteilten Urteile geht die Vorinstanz
davon aus, die Kläger haben durch Aufnahme des Faktnra betrages von
9460 Fr. in den den Beklagten zngeftellten Kontokorrentauszug vom
31. März 1895 anerkannt, dass dieser Betrag einen Bestandteil des
Kontokorrentverhältnisses bilde; daraus folge, dass die Beklagien
berechtigt seien, der Klagforderung Gegenforderungen aus dem
Kontokorrentverkehre entgegenzustellem Was die heute noch streitigen
Gegenforderungen der Beklagten betrifft, so bemerkt sie betreffend
den Zins-anspruch: Die Forderung von Zinsen aus dem vor der Trennung
bestandenen Kontokorrentverkehre zähle offenbar auch zu den Ansprüchen
aus frühem Verhältnissen, deren Geltendmachung der Trennungsoertrag ein
für allemal habe ausschliessen wollen; diese Gegenfordernng sei daher
abzuweisen In der Frage der Zulässigkeit von Gegenforderungen

778 G. Giviirechtspflege.

aus dem Lieenzvertrage tritt sie der Auffassung der chiger bei, wonach
ihre Kompetenz zur Beurteilung auch von einredeweise

geltend gemachten Forderungen aus dem genannten Vertrage-

durch die Schiedsvertragsklausel ausgeschlossen ist.

Z. Nachdem die Kläger gegen das vorinstanzliche Urteil die Berufung
an das Bundesgericht nicht ergriffen haben, ist die Frage, ob die
eingeklagte Kauspreisforderung als ein Bestandteil des zwischen den
Parteien bestehenden Kontokorrentverhältnisses anzusehen sei, erledigt;
streitig sind nur noch zwei Punkte: der Anspruch der Beklagten auf
Kontokorrentzinsen aus der Zeit vom 1. Februar 1889 bis 20. August 1890,
und ihr Anspruch aus dem Licenzvertrage.

4. Was den Zinseuanspruch betrifft, kann nicht etwa gesagt werden,
es handle sich hier lediglich um eine Thatfrage, die der Überprtifung
durch das Bundesgericht entzogen sei; vielmehr ist zu ermitteln, ob sich
die Begründetheit des Anspruches aus dem genannten Geschäftsverkehre der
Parteien ergebe oder aber insbesondere durch Art. 5 des Trennungsvertrages
ausgeschlossen sei eine Frage des Beweises, zu deren Beurteilung das
Bundesgericht kompetent ist. In dieser Hinsicht kann nun der in Erwägung
2 angeführten Begründung der Vorinstanz nicht beigetreten werden. Zwar
lauten die Ausdrücke in § 5 des Trennungsoertrage-Z sehr allgemein;
allein eine nähere Prüfung ergiebt, dass unter den Ansprüchen irgend
welcher Art oder Verpflichtungen aus den frühem Verhältnissen dieser
Zinsanspruch nicht inbegrisfen sein kann. Betrachtet man nämlich, wie
es einzig richtig ist, § ò des Trennungsvertrages in Verbindung mit dem
Gesamtinhalte des Vertrages, so ergiebt sich aus den §§ 3 und 4, worin
ausdrücklich von einem restlichen Guthaben, das Monza an Aarau zu zahlen
hat, und von einem sich ergebenden Saldo zu Gunsten Aaraus die Rede ist,
dass jenen Ausdrücken in F ò nicht die allgemeine Bedeutung beigelegt
werden kann, die sie für sich allein angesehen haben. Aus jenen §§ 3
und 4 geht vielmehr hervor, dass der Saldo zu Gunsten Aaraus erst noch
zu ermitteln war. Aus den Akten ist nun nirgends ersichtlich, welches
der Betrag der Aktiven und Passiven auf jeder Seite war; da ein Inventar
nicht eingelegt worden ist, muss angenommen werden, ein solches existiere

. __, wxga...-V. Obligationenrecht. N° 110. 779

nicht. Würde man den § ö so allgemein auslegen, wie es die Vorinstanz
thut, würde dies zu der Konsequenz führen, dass die Parteien Aktiven
und Passiven nicht ermitteln könnten. Jst sonach der Zinsenanspruch der
Beklagten nicht schon durch § 5 des Trennungsvertrages ausgeschlossen,
so ist zu prüfen, ob ihnen der ihnen obliegende Beweis für dessen Existenz
gelungen ist. In dieser Beziehung ist vorab zu bemerken, dass allerdings
die beiden Niederlassungen in Aarau und Monza zur Zeit, als sie noch
im Verhältnisse von Hauptniederlassung und Filiale zu einander standen,
nicht eigentlich gegenseitig Gläubiger und Schuldner sein konnten; allein
die Parteien waren durch keinen Umstand gehindert, im Zeitpunkte ihrer
Trennung, ihrer itio in partis, alles im Kontokorrent aufgeschriebene
zu Forderungen und Schulden zu gestalten. Das ist denn auch in der
That geschehen; wären Zinsskripturen gemacht worden, so hätten sie mit
dem Momente der Trennung rechtlichen Bestand als Forderung und Schuld
gewonnen. Auf Tdiesem Standpunkte scheinen denn auch die Beklagten zu
stehen. Allein der auf ihnen ruhende Beweis ist nicht gelungen. Sie
machen geltend, es sei Übung zwischen den Parteien gewesen die aus
dem Kontokorrent hervorgehenden Forderungen mit 5 0/0 zu verzinsen,
und die Kläger haben die Verrechnung dieser Zinsen stillschweigend
anerkannt. Allein diese letztere Behauptung ist durch die durchaus
aktengemässen Feststellungen der Vorinstanz, wonach die Kläger die
Pflicht zur Zinszahlung von Anfang an bestritten haben, widerlegt,
und damit fällt auch die Schlüssigkeit der erstern Behauptung dahin.

Es hat also in diesem Punkte beim angefochtenen Urteil sein Bewenden.

ò. Den zweiten noch streitigen Punkt betreffend, ist vor allem
die Begründetheit der von den Klägern gegenüber den Forderungen der
Beklagten aus dem Licenzdertrage erhobenen Einrede der Unzuständigkeit
der staatlichen Gerichte und der daherigen Nichtznläs- sigkeit der
Kompensation jener Forderungen mit dem von den Klägern eingeklagten
Anspruch zu priesen Dabei mag, weil zur Entscheidung der Hauptsrage nicht
nötig, dahingestellt bleiben, ob diese Einrede aus dem Schiedsvertrage
als materielle Einrede anzusehen ist, wie dies das Bundesgericht
i. S. Stigler, A. S.

780 ss C. Civilrechtspfiege.

XIII, S. 355, Erw. 4, ausgeführt hat, oder als prozefsualische Einrede,
wie dies offenbar die Vorinstanz (in Überinstimmung z. Bmit Wach, Handbuch
des Civilprozessrechts I, S. 72, Anm. 29) annimmt. Klar und ausser Streit
ist, dass die Beklagten die Ansprüche, die sie heute nur kompensationsund
widerklageweise geltend machen, gemäss § 10 des Licenzbertrages als
Hauptkläger nur vor einem Schiedsgerichte geltend machen könnten. Fraglich
ist nur, ob diese Ansprüche trotz des Schiedsvertrages verteidigungsweise
vor den staatlichen Gerichten erhoben werden dürfen und alsdann von
diesen materiell auf ihre Begründetheit zu untersuchen find. -

Die Schiedsklausel betreffend ist nun zunächst, in Übereinstimmung mit dem
Urteile des Bundesgerichts vom 11. November 1892 in Sachen der Tefsiner
Kantonalbank gegen den Kanton Tessin (A. S. XVIII, S. 965), zu sagen, dass
der Schiedsvertrag dem kantonalen Rechte untersteht (vergl. auch Soldan,
le code fédéral des obligations et le droit cantonal, S. 170, Nr. 5),
und dies hat zur Folge, dass die der fraglichen Schiedsklausel von der
Vorinstanz gegebene Auslegung für das Bundesgericht an sich bindend ist,
und das Bundesgericht nur zu prüfen hat, ob durch diese Auslegung die
Bestimmungen des eidg O.-R. über Kompensation von Forderungen verletzt
seien. Übrigens erscheint jene Auslegung auch materiell richtig. Hierüber
ist zu bemerken: Nach § 10 des Licenzvertrages müssen aus demselben
entstehende Zwiste durch Schiedsgericht geordnet werden. Die Voraussetzung
der Anwendbarkeit dieser Klaufel ist offenbar vorhanden, handelt es
sich doch gerade um bestrittene Forderungen aus dem Vicenzvertrage. Die
Argumentation der Beklagtem durch jene Klausel sei nur die klageweise
Geltendmachung derartiger Forderungen ausgeschlossen, geht fehl. Einmal
machen sie dieselben ja zum Teil, soweit sie die Ansprüche der Klager
übersteigen, selbst widerklageweise, also angriffsweife auf dem Wege
der Klage, geltend, und dass dies nach § 10 des Licenzvertrages nicht
angeht, leuchtet ohne weiteres ein. Allein auch soweit nur die Frage
der Zulässigkeit der Kompensation in Frage kommt, ist die fragliche
Klausel in einem der Auffassung der Beklagten entgegengesetzten
Sinne zu interpretieren Denn der Zweck der Kompenfationseinrede ist
einV. Obligationenrecht. N° HD. 781

doppelter-: einerseits ist sie lediglich ein Verteidigungsmittel mitdem
Zweck, einen Erlöschungsgrund der eingeklagten Forderung zu behaupten;
andrerseits macht sie eine selbständige Forderung geltend· Weil und
soweit letzteres der Fall ist, wird denn auch das über die eingeklagte
Forderung ergebende Urteil rechtskräftig auch für die Frage des Bestehens
oder Nichtbestehens der zur Kompensation verstellten Gegenforderung,
wie dies die deutsche Civilprozeszordnung in § 293 als einzige Ausnahme
von dein Sage, dass Entscheidungen über Einreden niemals rechtskräftig
werden, ausdrücklich bestimmt. Jst dem aber so, so folgt daraus, dass
die staatlichen Gerichte zur Entscheidung über die aus dem Licenzvertrage
entstehenden Forderungen auch soweit sie nur kompensationsweife erhoben
werden, gemäss der Schiedsgerichtsklausel nicht befugt find, Weil eben
auch hier rechtskräftig über den Bestand der Forderung entschieden
würde. Eine solche Entscheidung wolltenv aber die Parteien offenbar aus
Zweckmässigkeitsgründen, wie sie von den Klägern richtig namhaft gemacht
werden, den staatlichen Gerichten entziehen.

6. Zu untersuchen ist nach dem oben Ausgeführten endlich einzig noch,
ob die so gewonnene Auslegung der Schiedsklausel mit den Bestimmungen
des eidg.O.-ii. über die Verrechnung von Forderungen im Widerspruche
steht. Dies ist zu verneinen· Zunächst könnte sich fragen, ob nicht
in dem Schiedsvertrage zugleich implicite ein teilweiser Verzicht auf
die Kompensation im Sinne des Art. 139 O.-R. liege; dafür liesse sich
anführen, dass der vom Verzicht auf die Kompensation handelnde Art. 139
O.-R. die Gründe, wenn ein Verzicht anzunehmen ist, nicht erschöpfend
auszahlt uud ferner zweifellos auch einen nur teilweisen Verzicht zulässt,
ein solcher aber darin gefunden werden farm, dass auf die Beurteilung
vor dem staatlichen Richter verzichtet wird, weil eben, wie in Erwägung
5 ausgeführt, die Beurteilung auch einer nur kompeusationsweife geltend
gemachten Forderung, für die ein Schiedsgericht vorgesehen ist, durch den
ordentlichen Richter ausgeschlossen ist. Allein diese Auffassung würde
zu weit gehen; em Verzicht auf das materielle Recht der Kompensation
lag nicht in der Willensmeinung der Parteien. Von einer Verletzung der
blindesrechtlichen Bestimmungen über Kompensation kann nun deshalb

782 C. Civilrechtspflege.

keine Rede sein, weil die Forderung an und für sich kompensabek bleibt,
ja die Kompensabilität von den Klägern gerader anerkannt ist. Die Sache
liegt so, dass die Beklagten lediglich darauf verzichtet haben, die
Kompensationseinrede zur Zeit, in diesem Prozesse, geltend zu machen,
dass ihnen aber im übrigen das Recht der Kompensation unbenommen bleibt.

7. Von diesem Gesichtspunkte aus muss auch das erst in der heutigen
Verhandlung eventuell gestellte Begehren der Beklagten unt Sistierung des
Prozesse-Z bis nach Erledigung der Streitigkeiten aus dem Licenzvertrage
durch das Schiedsgericht abgewiesen werden, ganz abgesehen davon, dass
es fraglich ist, ob ein solches Begehren in diesem Stadium des Prozesses
noch zulässig ist. Denn die Kläger haben ein Recht auf ungehinderte
Durchführung des Prozessesz Sache der Beklagten wäre es gewesen,
rechtzeitig für Beurteilung der Streitigkeiten aus dem Licenzvertrage
durch ein Schiedsgericht zu sorgen.

Dass schliesslich die der Einrede aus dem Schiedsvertrage
entgegengehaltene Replik der Arglist unbegründet ist, weist die Vor-
instanz durchaus zutreffend nach.

Die Berufung der Bektagten ist also auch im zweiten Punkte abzuweisen -

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufunglwird als unbegrtindet abgewiesen und demgemäss das Urteil
des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 4. März 1897 in allen Teilen
bestätigt.

111. Urteil vom 22. Mai 1897 in Sachen Appenzeller gegen Brand.

A. Durch Urteilgvom H. Oktober 1896 hat der Appellationsund Kassationshof
des Kantons Bern erkannt:

1. Den Klägern, Geschwister Brand, ist der erste Teil ihres ersten
Klagebegehrens zugesprochen.

2. Jnfolge dessen ist über den zweiten Teil dieses Begehrensi nicht zu
urteilen.V. Obligationenrecht. N° 111. 783

3. Den Klägern ist das zweite Klagsbegehren ebenfalls zugesprochen nebst
Verzugszins à 50/0 seit 15. Februar 1896.

B. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt und den Antrag gestellt, es sei in Aufhebung des angefochtenen
Urteils die Klage der Geschwister Brand gänzlich abzuweisen. Bei der
heutigen Hauptverhandlung erneuert der Beklagte diesen Antrag. Der Anwalt
der Kläger beantragt Be-

stätigung des Urteils. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die
Schwester des Beklagten, Anna Appenzeller in Rohr-

bach, hatte am 25. März 1893 bei der Ersparnisskafse des Amtsbezirks
Aarwangen eine Einlage von 5470 Fr. gemacht, wofür ihr ein auf ihren
Namen lautender Gutschein (am. 19,271) in Form eines Sparkassebüchleins
ausgestellt wurde. In den auf dem Gutschein abgedruckten Bedingungen
ist u. a.-gesagt: 6. Ohne Vorweisung des Gutscheins wird keine Zahlung
gemacht. Verlorene Gntscheine sind auf Kosten des Ansprechers zu
amortisieren 7. Der Vorweiser eines Gutscheins gilt der Ersparnisskasse
gegenüber als berechtigt, Rückzahluugen und Zinsen zu beziehen und
gültig dafür zu quittieren. Die Ersparniskasse ist weder verpflichtet,
die Jdentität des Besitzers noch die Achtheit der Unterschrift
feststellen zu lassen, wohl aber steht es derselben jederzeit frei,
die Eigentumslegitimation zu veriangeu, wenn die Umstände Zweifel
wachener sollten. Am 19. Mai 1895 verstarb Anna Appenzeller; in ihrem
Testament hatte sie die Klager, d. h. die (minderjährigen) Kinder ihrer
verstorbenen Bruderstochter Anna Maria Brand geb. Appenzeller zu Erben
eingesetzt. Bei dem über ihren Nachlass aufgenommenen amtlichen Inventar
wurde der oben erwähnte Gutschetn nicht vorgefunden. Später stellte
sich heraus-, dass der Beklagte sich in dessen Besitz befand. Die
Vormundschaftsbehörde forderte ihn auf, den Kassagutschein, als zum
Nachlasse der Anna Appenzeller gehörig, herauszugeben; der Yeklagte
weigerte sich dessen, indem er behauptete, der Schein gehore ihm, verstand
sich jedoch nachträglich dazu, denselben beim Gemeindesoräsidenten zu
deponieren. Hieran wurde eine Strafklage wegen Diebstahl-Z gegen ihn
eingeleitet, die jedoch durch Beschluss der Anklagekammer vom 23. November
1895 mangels genügender
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 23 I 774
Datum : 15. März 1897
Publiziert : 31. Dezember 1897
Quelle : Bundesgericht
Status : 23 I 774
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 774 C. Civilrechtspflege. schäftsmässiges, der Verkehrssitte widersprechendes, dass


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beklagter • bundesgericht • vorinstanz • frage • kontokorrent • weiler • zins • aarau • richtigkeit • handelsgericht • geschwister • zahl • bestandteil • widerklage • aargau • italienisch • inventar • entscheid • beginn • deponie
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