628 C. Civilrechtspflege.

supputées par ce tribunal, en _prenant en considération la jurisprudence
consacre'e par de nombreux cas identiques ou analogues en Suisse et à
l'étranger, sans qu'il seit besoin a cet effet de l'intervention d'une
expertise medicale. Or les résultats de cette étude démontrent que le
chiffre de 50 L"jo susmentionué n'est nullement exagéré, et que cette
supputation tient un compte équitable des divers éléments à envisager
dans la cause actuelle (voir entre autres Kaufmann, Handbuch der
UnfalZue-rletzangea, page 189, etc.).

En revanche, le calcul anque] se sont livrées les instances cantonales
est critiquable à un autre point de vue. Il ne suffit pas, en effet,
pour déterminer le chiffre de l'indemnité à allouer a la victime,
de multiplier simplement le nombre des années de sa vie probable par
la somme correspondant à, la diminution de son gain annuel, mais il y
a lieu de rechercher quelle est la somme nécessaire pour assurer au
demandeur une rente viagère equivalente a cette diminution de gain.
Cette somme s'éleverait, en capital, d'après les tables de la Caisse de
rentes suisse, à 11 000 fr. environ.

En prenant toutefois en consideration l'avantage résultant pour le
demandeur de la circonstance qu'il recevra un capital au lieu d'une rente,
ainsi que les chances d'infirmités ou de maladie auxquelles un ouvrier
est toujours exposé les dernières années de sa vie, et en tenant un compte
équitable de tous les éléments de la cause, le tribunal de céans a pu se
convaincre qu'il se justifie de réduire à 6000 fr. l'indemnité à accorder
au demandeur du chef de la diminution de capacité durable de travail è,
lui causée par l'accident. A cette somme de 8000 fr. doit s'ajouter celle
de 1000 fr. pour le dommage souffert par Milliquet ensuite d'incapacité
de travail totale, mais passagère, y compris les frais de guérisou.

Par ces motifs,

Le Tribunal federal prononce:

I. Le recours de la Société des chemins de fer à voie étroite de Genève
est ecarté.

' II. Le recours interjeté par voie de jonction par sieurlll. Haftpflicht
der Eisenbahnen bei Tödtungen und Verletzungen. N° 96. 629

D. Milliquet est admjs partiellement, et l'arrét rendu entre parties par
la Cour de just-ice civile de Genève, le 13 mars 1897, est reforme en
ce sens que la somme à payer par la defenderesse au demandeur à, titre
d'indemnité est fixée a sept mille francs, y compris mille francs pour
l'incapacité de travail totale temporaire et frais de guérison avec
intérét à 5 9/0 Pan dès la date de l'exploit introductif d'instance,
soit des le 3 aoùt 1895.

96. Urteil vom 3. Juni 1897 in Sachen Jura-Simplon-Vahn gegen Schindler.

A. Am frühen Morgen des il. Dezember 1893 wurde in der Nähe der Station
Auvernier auf dem Bahnkörper der JamSimplon-Vahn der Leichnam des Jakob
Schindler, Notars und Sekretärs des Regierungsstatthalteramts Bern,
aufgefunden Schindler hielt sich damals in dem benachbarten Cormondreche
auf. Er war am Abend des 10. Dezember mit dem Zug Nr.232 der Linie
Neuenburg-Pontarlier mit einem Billet 3. Klasse bis Auvernier von ersterin
Orte abgefahren und muss unter den Rädern dieses Zuges seinen Tod gefunden
haben. Seine Leiche lag ungefähr 80 M. vom Stationsgebände Auvernier in
westlicher Richtung gegen Cormondreche hin hart neben und fast parallel
mit dem Gekeife Über das Zug Nr. 232 gefahren war, mit dem Kopf in der
Richtung der Station. Letzterer war eingedrückt Der rechte Arm hing
Über die Schiene und war sozusagen abgeschnitten Die sonst unversehrten
Hände wiesen auf den innern Flächen Olstriemen auf. Zwischen den etwas
gefpreizten Beinen lag der Regenschirm des Verunglückten mit dem Griff
nach den Füssen hin; sein Hut befand sich auf der linken Brustseite. Der
offene Mantel und der halbgeöffnete Rock waren unter den Armen und dem
Kopfe aufgeschichtet. Auf der Leiche fand sich ein coupiertes Billet
3. Klasse Neuenburg-Auver11ier vor. Nicht weit vom Fundort derselben
in westlicher Richtung passiert die Strasse AuvernierCormondreche das
Geleise. Von der Station Auvernier her führte

630 C. Civilrechtspflege.

nach diesem Ubergange dem Geleise entlang ein nicht angelegter aber
getretener kleiner Weg, auf dem man vom Vahnhof direkterund bequemer
in die Strasse Auvernier-Cormondreche gelangt, als wenn man den
ordentlichen Zufahrtsweg zur Station benutzt. Am Eingang des kleinen
Weges beim Strassenübergang war eine Verbottafel aufgestellt mit den
Worten: Défense de passen An der Stelle, wo die Leiche gefunden wurde,
konstatierte man am Morgen des 11. Dezember 1893 auf der festgefrornen
Schneedecke Glitschspuren Schindler war im Zeitpunkte seines Todes 41
Jahre alt. Er hinterliess eine Witwe und 4 minderjährige Kinder.

" B. Mit Klage vom 29. Januar 1895 stellte Frau Schindler fur sich
und ihre Kinder gegen die Jura=Simplon=Bahngesellschaft die Begehren
ans Recht:

1. Die Beklagte sei schuldig, der Klägerin für sich und namens sie handelt
die ökonomischen Folgen der beim Betriebe der JurmSimplon-Bahnunternehmung
am 10. Dezember 1893 erfolgten Tötung des Jakob Schindler, gew. Notars
in Bern, im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die Haftpflicht der
EisenBahn: und Dampfschisffahrtsunternehmungen bei Tötungen und
Verletzungen vom 1. Heumonat 1875 Schadenersatz zu leisten unter
Kostensolge si

2. Es sei die Höhe des zu leistenden Schadenersatzes gerichtlich
festzustellen und die Beklagte zur Verzinsung des Betrages dem
10. Dezember 1893 an zu verurteilen, unter Kostenfolge.

.Zur Begründung wurde aus den dargelegten Sachverhalt verwiesen, und
ferner behauptet: Schindler sei beim Betriebe der beklagten Unternehmung
getötet worden. Er sei zur Zeit seines Todes verpflichtet gewesen,
der Klägerin Unterhalt zu gewähren und habe von seinem im Moment seines
Todes 4000 Fr.betragenden Gehalt wenigstens 3000 Fr. für den Unterhalt
seiner Familie verwendet. Der Ausfall entspreche, nach Abstrich von 25 Jo,
einer Kepikatsumme von 39,468 Fr. Die Bekragte bestritt in ithek Antwort
nicht, dass der Tod durch den Eisenbahnbetrieb verursacht worden und
dass die Kläger zur Klage aktiv legitimiert seien und hernetnte nur,
dass Schindler 4000 Fr. verdient und davon 3000 Fr. sur seine Familie
verwendet habe. Überdies aber wurde selbständig geltend gemacht,
der Verunglückte habe seinen Tod selbst verschul-III. Haftpflicht der
Eisenbahnen bei Tödtungen und Verletzungen. N° 96. 631

det und diesbezüglich behauptet: Es müsse angenommen werden,

dass Schindler aus dem fahrenden Zuge herausgesprungen sei. Er

habe sich noch im Vesitze des Billets Neuenburg-Auvernier befun-

den. Da der Zug bei der ersten Station Serrières vorbeigefahren

sei, habe derselbe beim Anhalten in Auvernier glauben mögen, er

sei in Serrieres, und erst durch das viermalige Pfeier der Lo-

komotive bei der Abfahrt des Zuges möge er darauf aufmerksam

gemacht worden sein, dass er sich in Auvernier befinde. Es werde

dieses Signal nämlich nur von den von Auvernier in das TraVers-Thal
abgehenden Zügen gegeben, was dem Verunglückten bekannt gewesen sei. Um
nun nicht bis zu der ziemlich weit entfernten nächsten Station Noiraigue
weiterfahren zu mussery und gleichen Tags noch zurück nach Cormondreche
zu kommen, habe er wohl beschlossen, sich durch einen Sprung aus dem
Wagen aus der unangenehmen Situation zu befreien. Namentlich aber wurde
auf den Bericht des Dr. Borel verwiesen, der die ärztlichen Erhebungen an
Ort und Stelle besorgt und sich in seinem Befinden vom 11. Dezember 1893
dahin ausgesprochen hatte, er könne sich nach der Lage des Leichnams-,
der Kleider und des Regenschirms, sowie nach den Verletzungen, den Hergang
nur so erklären, dass der Verunglückte aus dem in Bewegung befindlichen
Zuge gesprungen sei. Sei aber eine andere Annahme ausgeschlossen, als
die behauptete _Sprung aus dem Wagen so stehe fest, dass das schuldhaste
Verhalten des Getöteten die Ursache des Unfalles fei. Demgemäss wurde
auf Abweisung der Klage geschlossen In der Replik wurden die von der
Beklagten für ihre Sapposition über den Hergang des Unfalls aufgestellten
Jndizien namentlich insofern zu entkräften versucht, als behauptet wurde,
die Billetkontrolle habe sich auf der Station Anvernier im Dezember 1893
am östlichen Ausgange des Bahnhofes gemacht, und es habe deshalb sehr
wohl Schindler daselbst aussteigen und ohne an derselben vorbeizukommen
den Weg westwärts gegen Cormondreche einschlagen können; der Verunglückte
habe den besondern Signaldienst auf der Station Auvernier nicht gekannt;
auch sei derselbe von jeher sehr vorsichtig, fast ängstlich gewesen, so
dass nicht anzunehmen sei, dass er je einen Sprung aus einem in Bewegung
befindlichen Eisenbahnzug versucht hatte. Klägerschast stellte sodann

632 G. Givilrechispflege.

ihrerseits eine andere Vermutung auf, nämlich die, dass Schindler über
den kleinen Weg längs dem Geleise den Strassenübergang habe gewinnen
wolîlen, dabei auf dem gefrornen Schnee, unmittelbar bevor der Zug
herangekommen, ausgeglitten und so unter denselben geraten sei. Mit
den Konstatierungen jdes Dr. Borel könnte sich diese Vermutung besser
vereinigen, als die von der Beklagten aufgestellte, indem bei letzterer
namentlich nicht erklärlich wäre, wie Schindler auf den Rücken zu liegen
gekommen sein follie, und weshalb seine Hände ölige Streifen aufgewiesen
hätten, und indem auch die Lage der Effekten eher auf ein Ausglitschen
nach vorne links am Boden, als auf ein Fallen oder Stürzen von oben
herunter schliessen liessen. Diese Annahme werde noch unterstützt durch
die Entfernung der Unglücksstelle von der Station, indem diese gerade
dem Weg entspreche, den ein Mann vom Anhalten des Zuges in Auvernier
habe zurücklegen mögen, bis er wieder von demselben eingeholt worden
wäre. Auch sei es möglich, dass Schindler, wenn er in Aurernier nicht
ausgestiegen sei, sich zum Zwecke der Orientierung auf die Plattform des
Wagens begeben habe und dort, sei es infolge Unwohlseius, sei es infolge
Ausglitschens oder ans einem andern Grunde vom Zuge gestürzt sei. Es seien
somit verschiedene Erklärungen für den Tod Schindlers möglich, und es sei
demnach der Hergang unausgeklärt. Zn der Duplik gab die Beklagte zu, dass
im Dezember 1893 die Billetkontrolle in Auvernier am östlichen Ausgange
des Bahnhofes gemacht worden sei. Die Darstellung des Herganges in der
Replik betreffend, wurde bemerkt, es möge dieselbe vom Gerichte gewilrdigt
werben, jedoch sei zu beachten, dass das Betreten des Bahnkörpers verboten
gewesen und dass es von Schindler unverantwortlich gewesen ware, bei
sinsierer Nacht, mit einem zur Abfahrt bereit stehenden Zuge im Rücken,
diesen gefährlichen Weg einzuschlagen, so dass auch bei dieser Annahme
der Unsall auf ein Verschulden des Verunglückten selbst zurückgeführt
werden müsste. Dein gegenüber war von der Klägerschaft schon in der
Replik geltend gemacht worden dass nach ihrer Annahme Schindler nicht den
Bahnkörper betreten, sondern den nebenher führenden Weg eingeschlagen
habe, dass beim Bahnhofe Auvernier kein Verbot angebracht gewesen sei,
das die Benutzung dieses Weges untersagtIll. Haftpflicht der Eisenbahnen
bei Tödtungen und Verletzungen. N° 96. 633

hätte und dass letzterer thatsächlich von vielen Leuten unter den
Augen des Bahnpersonals benutzt worden sei, was alles von den Beklagten
bestritten wurde.

C. Die erste Instanz, das Amtsgericht Bern, nahm an, Be klagte habe
ihre Version über den Hergang des Unfalls nicht bewiesen, weshalb
auf diejenige der Klägerschast abzustellen sei. Bei dieser Annahme
müsse sowohl dem Verunglückten als der Bahngesellschast eine Schuld
an dem Unfalle beigemessen werden, und zwar scheine es angemessen,
die Beklagte für die Hälfte des Schadens haftbar zu erklären. Die
Detailrechnung führte dann auf einen ersatzbedürftigen Betrag von 15,000
Fr. (Gegen das erstinstanzliche Urteil appellierte bloss die Bektagte
Vor der Appellationsinstanz schloss sie auf Abweisung der Klage;
immerhin erklärte sie, dass sie gegen den Modus der Berechnung des
Schadens im amtsgerichtlichen Urteile an sich nichts einzuwenden habe.
Durch Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 12. März 1897
wurde die Appellation verworfen und demgemäss die Beklagte gegenüber
der Klägerschaft zu einer Entschädigung von 15,000 Fr. nebst Zins zu
50/Ü seit 10. Dezember 1893 und zu den 925 Fr. betragenden Prozesskosten
der Klägerschaft verurteilt. Jtn wesentlichen wurde, unter eingehender
Würdigung des Aktenmaterials, bemerkt, dass der Unfall sich mindestens
ebensogut auf die von der Klägerschaft dargestellte Weise erklären lasse-,
als auf die von der Beklagten angenommene, so dass ein Beweis für die
Thatsache, aus der einzig das Selbstverschulden des Schindler hergeleitet
werden molle, nicht vorliege. Allerdings habe nun die Klägerschait als
selbständige Behauptung in der Replik aufgestellt, dass der unfall sich
in der Weise ereignet habe, dass Schindler den kleinen Weg vom Bahnhof
Auvernier gegen die Strasse nach Cormoudreche eingeschlagen habe, hier
ausgeglitscht und dabei von dem nachkommenden Zuge überfahren worden
sei. Es könne sich fragen, ob diese Behauptung angesichts des § 68, Al
1 des bernischen Civilprozesses nicht eine unzulässige Klagsverstärkung
enthalte, und es müsste dies wohl bejaht werden. Eine andere Frage sei
dagegen, ob nicht durch Ari. 11 des Eisenbahnhastpslichtgesetzes auch
die im bernischen Prozess aufgestellte Eventualmarime durchbrochen
werde. Immerhin dürfe dieser Punkt dahingestellt hlethen,

684 G. Gieilrechtspflege.

da man auch auf dem von der Klägerschaft in der Replik geschaffenen
Boden zu einer Bestätigung des erstinstanzlicheu Urteils gelange. Es
sei nämlich in diesem Falle allerdings ein Verschulden des Schindler,
aber auch ein solches der Beklagten anzunehmen und infolgedessen der
Schaden in der von der ersten Instanz angenommenen Weise zu teilen.

D. Gegen das appellationsgerichtliche Urteil hat die Beklagte rechtzeitig
die Berufung an das Bundesgericht erklärt und den Antrag gestellt,
es sei in Abänderung desselben die Klage abzuweisen unter Kostenfolge
Heute ist dieser Antrag vom Anwalt der Berufungsklägerin aufgenommen
worden, während der Anwalt der Berufungsbeklagten auf Bestätigung des
angefochtenen Urteils schloss.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Beklagte bestreitet nicht, dasz der Unfall, aus dem der Anspruch
hergeleitet wird, bei dem Betriebe ihrer Unternehmung erfolgt und dasz die
Klägerschaft aktiv zur Klage legitimiert sei. Dagegen erhebt sie derselben
gegenüber die Einrede des Selbstverschuldens des Getöteten, und zwar
substanziiert sie diese in der Antwort in thatsächlicher Beziehung in der
Weise, dass sie behauptet, Schindler sei von dem in Bewegung befindlichen
Zuge abgesprungen und dabei getötet worden. Wäre dies entweder durch
positiven Beweis oder negativ in der Weise erstellt, dass der Richter aus
den Umständen die Überzeugung schöpfen müsste, dass der Unfall sich auf
andere Weise nicht habe ereignen können, so wäre allerdings die Einrede
des Selbstverschuldens zu schützen. Nun hat aber die Vorinstanz diesen
der Beklagten obliegenden Beweis als nicht geleistet erklärt, und hierbei
muss es für das Bundesgericht, da es sich um eine Thatfrage handelt,
sein Beidenden haben, sofern nicht die Feststellungen aktenwidrig sind
oder auf einer bundesgesetzliche Bestimmungen verletzenden Würdigung
des Beweisergebnisses beruhen. Ersteres ist nicht behauptet, und trifft
auch thatsächlich nicht zu. In letzterer Beziehung aber könnte es sich
bloss fragen, ob die Vorinsianz von der Beklagten einen zu schweren,
mit den Grundsätzen Über Beweispslicht nicht vereinbaren Beweis verlangt
"habe. Allein auch hievon kann keine Rede sein. Bei dem Standpunkt,
den die Beklagte in ihrer Antwort einge-ill. Haftpflicht der Eisenbahnen
bei Tiidtungen und Verletzungen. N° 96. 635

nommen hat, musste nämlich in der That, da positiv nicht hergestellt zu
werden vermochte, dass sich der Unfall in der behaupteten Weise ereignet
habe, von der Beklagten verlangt werden, dass sie die Möglichkeit aller
andern vernünftiger Weise denkbaren Erklärungsarten ausschloss. Nur dann
könnte der ihr obliegende Beweis des Selbstverschuldens als geleistet
betrachtet werden. Die stagnläre Ordnung der Beweis-last in Art. 2 des
Eisenbahnhaftpflichtgesetzes beruht ja eben, zum Teil wenigstens-, auf dem
Gedanken, dass die Ursache der Unfälle, die sich beim Eisenbahnbetrieb
ereignen, nicht immer klar eruiert werden fami, und dass, falls Zweifel
bestehen bleiben, diese zu Gunsten des Berechtigten zu lösen seien. Es
muss deshalb die beklagte Unternehmung, um sich mit der Einrede des
Selbstverschuldens von dein Anspruch zu befreien, dieses in einer Weise
dartun, dass beim Richter keinerlei Zweifel mehr darüber bestehen bleiben,
wobei freilich nicht auch die entferntesten, physikalisch denkbaren
Möglichkeiten ins Auge gefasst zu werden brauchen, sondern nur diejenigen,
welche nach den Vernimständnngen des Falles vernünftiger Weise überhaupt
in Betracht fallen können. Von diesen Grundsätzen ist aber offenbar die
Vorinsianz ausgegangen, wenn sie prüfte, ob neben der Sapposition der
Beklagten nicht auch noch andere Möglichkeiten der Erklärung des Unfalls
bestehen bleiben und wenn sie, da sie dies besahen zu müssen glaubte,
den Beweis des Selbstverschuldens als nicht geleistet erklärte. Es kann
auch nicht gesagt werden, der Appellationshof habe in aktenwidriger
oder rechtsirrtümlicher Weise augenommen, dass die von der Klägerschaft
in der Replik versuchte Erklärung des Unfalls nicht ausgeschlossen
sei, ja sich mindestens gleichwertig neben diejenige der Beklagten
stelle. Jnsbesondere kann ihr daraus ein begründeter Vorwurf nicht
gemacht werden, dass sie den Bericht des Dr. Borel, der sich im Sinne
der Supposition der Beklagten ausgesprochen hatte, nicht als massgebend
ins Gewicht fallen liess. Es handelte sich dabei keineswegs um Fragen,
die nur von einem Arzte beantwortet werden könnten; vielmehr lag das
Urteil darüber, wie nach allen Verumständungen, darunter allerdings
auch den vom Arzte konstatierten Momenten, der Unfall zu erklären sei,
völlig im Bereiche des auch nicht mit besonderen medizinischen Kenntnissen
ausgestatteten Richters. Zudem hat Dr.

638 G. Civilrechtspflege.

Borel bei seiner Einvernahme vor Gericht ausdrücklich erklärt, er habe bei
der Abgabe seines Berichtes nur an zwei Möglichkeiten gedacht, entweder
dass Schindler von dem in Bewegung befindlichen Zuge abgesprungen,
oder dass er, neben dem Geleise einherschreitend, von hinten vom Zuge
erfasst worden sei, er müsse nun aber, nachdem ihm auch die Eventualität
des Ausglitschens vorgesiihrt worden sei, nach nochmaliger Durchsicht
seines Berichtes, auch letztere Möglichkeit zugeben. Angesichts dieser
Aussage konnte um so weniger der im mehrerwähnten Bericht niedergelegten
Auffassung des Dr. Borel entscheidende Bedeutung beigemessen werden.
Danach muss aber schon aus diesem Grunde, nach den für das Bundesgericht
verbindlichen thatsächlichen Feststellungen der Vorjnstanz, das Urteil
derselben grundsätzlich bestätigt werden.

2. Freilich hat nun die Beklagte in der Duplik und im fernem Verlauf
des Prozesses ihren Standpunkt insofern verändert, als sie auch aus
die von der Klägerschast versuchte Erklärung des Unsalls eingetreten,
dieser gegenüber aber wieder den Einwand erhoben hat, es involviere
dieselbe ein Selbstverschulden des Verunglückten. Die Vorinstanz hegt
aus prozessualischen Gründen Bedenken, den Parteien auf diesen Boden zu
folgen, da die fragliche Behauptung der Beklagten eine nach bernischem
Prozessrecht unzulässige Klagsverstärkung enthalte. Würde es sich nun
wirklich um eine Veränderung des Klagefundaments handeln, so wären
diese Bedenken wohl gerechtfertigt, da kaum gesagt werden kann, dass
das prozessrechtliche Verbot der Klageänderungund Berstärkung mit dem
in Art. M des Eisenbahuhaftpflichtgesetzes aufgestellten Grundsatze der
freien Beweiswiirdigung im Widerspruch stehe. Allein man hat es hier doch
nicht mit einer Veränderung des Klagfundamentes, sondern bloss mit einem
Gegenbeweis gegen den in der Antwort versuchten Beweis über den Hergang
des Unsalls durch Aufstellung einer andern, als der dort behaupteten
Hypothese zu thun. Fraglicher wäre es, ob dieser Supposition gegenüber
duplicando die Einrede des Selbstverschuldens noch habe erhoben werden
dürfen. Allein wenn dies auch bejaht und weiter angenommen wird, es sei
dieser Einwand begründet, so bleibt doch in dem der Beklagten auffallenden
Beweisthema eine Lücke, die zur Verwersung ihres Standpunktes führen
mug. Es hat nämlich die Klägerschaft in der Neplik nicht nur eine
von derjenigen der.... Haftpflicht der Eisenbahnen bei Tödtungen und
Verietzungen. N° 96. 637

Beklagien abweichende Erklärung versucht , sondern weiter die Möglichkeit
angeführt, es möchte der Verungliickte auf die Plattform des Wagens,
in dem er sich befand, hinausgetreten und dann infolge plötzlichen
Unwohlseins oder Ausglitschens oder aus einem andern Grunde vorn Zuge
herunter-gefallen sein. Diese Vermutung liegt nicht völlig ausserhalb
des Bereichs der vernünftiger Weise denkbaren Möglichkeiten und wird
durch die Verumständungen keineswegs in zwingender Weise ausgeschlossen
Dass aber auch unter einer derartigen Annahme der Unfall auf ein
Verschulden des Getöteten zurückzuführen sei, ist von der Beklagten
nirgends behauptet wurden. Es verbleibt also immer noch mindestens eine
Erklärungsmöglichkeit, bei ber, prozessualisch wenigstens, von einer
Schuld des Opfers des Unfalls nicht gesprochen werden farm. Bei dieser
Sachlage muss aber nach den bereits entwickelten Grundsätzen über die
die Beklagte treffeude Veweispflicht der Beweis des Selbst-

ss verschuldens als nicht geleistet betrachtet werden.

Z. Was die Höhe der Entschädigung betrifft, so hat der ber-

xnische Appellationshos daraus, dass die Klägerin gegen das erst-

instanzliche Urteil nicht appelliert und dass die Beklagte vor der
obern kantonalen Instanz die Erklärung abgegeben hat, gegen den Modus
der Berechnung des Schadens im amtsgerichtlichen Urteil habe sie
nichts einzuwenden, geschlossen, dass die Parteien eventuell mit dem
Betrag der zugesprochenen Entschädigung einverstanden seien. Diese auf
prozessrechtlichen Erwägungen beruhende Feststellung hat das Bundesgericht
anzunehmen Überdies hat die Beklagte auch in der Berufungserklärung an
das Bundesgericht mit Bezug aus das Quantitativ der zugesprochenen
Entschädigung keinerlei eventuelle Anträge gestellt und es ist
auch deshalb hieraus nicht näher einzutreten (vergl. das Urteil des
Bundesgerichts in Sachen Hitz & (Sie. gegen Pagani vom 25. Februar 1897)·
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen und das angesochtene Urteil
des Appellationsund Kassationsboses des Kantons Bern in allen Teilen
bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 23 I 629
Datum : 13. März 1897
Publiziert : 31. Dezember 1897
Quelle : Bundesgericht
Status : 23 I 629
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 628 C. Civilrechtspflege. supputées par ce tribunal, en _prenant en considération


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bundesgericht • selbstverschulden • tod • replik • frage • bahnhof • schaden • erste instanz • stelle • vermutung • leiche • notar • familie • zweifel • schadenersatz • arzt • obliegenheit • jura • vorinstanz
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