24 A. Staaisreehtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung.

im Civilprozesse geltend machen dürfte, so wäre es Sache der
Rekursbeklagten gewesen, eventuell darzutun, dass diese Einreden
erbrechtlicher Natur seien; hingegen ist dies nicht geschehen und
scheint aus den Akten vielmehr hervorzugehen, dass auch fragliche
Einreden persönlicher Natur seien; in der Tat kann dem Rekurse entnommen
werden, dass Georg strig im Civilprozess seine Einreden aus Mandat
resp. Geschäftsführung ohne Auftrag zu schöpfen gedenkt. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt: _

Der Rekurs wird als begründet erklärt und der angefochtene Entscheid der
Justizkommission des luzernischen Obergerichtes vom 19. September 1895
dahin abgeändert, dass das Bezirksgericht Luzern punkto Klagebegehren
II a und c der Witwe M. Jsfrig und des Ed. Jffrig nicht kompetent sei.

V. Schuldverhaft. Contrainte par corps.

7. Urteil vom 5. Februar 1896 in Sachen Frei).

A. Heinrich Frei), von und in Zürich, ist militärsteuerpflichtig Da er
den Militärpflichtersatz für das Jahr 1894 nicht bezahlte, erliess die
Direktion des Militärs des Kantons Zürich im Dezember 1895 an ihn eine
Einberufung in die Kaserne zum Abverdienen der rückständigen Steuer.

B. Gegen die betreffende Verfügung erklärte Heinrich Frey unterm Z. Januar
1898 den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht, indem er sich
im wesentlichen auf das verfassungsmässige Verbot des Schuldverhaftes
(am. 59 B.-V.) und die bundesgerichtliche Praxis berief.

G. Die zürcherische Militärdirektion beantragte Abweisung des Rekurses,
indem sie im wesentlichen ausführte: Art. 18 B.V. erkläre jeden
Schweizer als wehrpslichtig und sehe bundesrechtliche Bestimmungen über
den Mtlitärpflichtersatz vor. Das bezügliche Bundesgesetz vom 28. Juni
1878 sodann bestimme in Arts 1,V. Schuldverhast. N° 7. 25

dass jeder Schweizer, der keinen persönlichen Militärdienst leiste dafür
einen Ersatz in Geld zu entrichten habe. Art. 17 ibid. Be; gufîrage
die Kantone mit dem Erlass der notwendigen Vollziehungsverordnungen zum
Bezuge des Ersatzes, und Art. 9 der eidgenössischen Vollziehungsordnung
bestimme, dass die Kantone gegen Ersatzpflichtige, die der
Zahlungsausforderung keine Folge leisteten, die nötigen Vorkehren
treffen sollten. Zn Ausführung von Art. 17 des Bundesgesetzes habe
nun der Kanton Zürich unterm 19. Juli 1879 eine Verordnung Über den
Bezug des Militärpflichtersatzes erlassen, welche die bundesrätliche
Genehmigungzerhalten habe, Laut Art. 6 f. genannter Verordnung seien
diejenigen-, die den Ersatz nicht bezahlen, zum Abderdienen desselben
einzuberufen. am. 59 B.-V. werde dadurch nicht verletzt, da es sich
nicht um Schuldverhaft handle, die Betroffenen Überhaupt sichfrei bewegen
könnten; sie leisteten nur durch Arbeit

.ein Äquivalent für den Militärpslichtersatz. Das Abberdiener-Ver-

fahren entspreche dem Art-. 4 B.-V., indem sonst der ohnehin schwer
belastete Dienstpflichtige im Vergleich zum Ersatzpflichtigen noch
ungünstiger gestellt ware. Der letztere erhalte nach genanntem
Verfahren eine Aufforderung sich auf einen gewissen Zeitpunkt In der
Kaserne zum Abderdienen zu stellen, mit andern Worten, er erhalte als
Landsturmpslichtiger einen Diensibefehl, in welchem bei Nichtbefolgung
polizeiliche Einlieferung in Aussicht gestellt merde. Wenn er diesem
Befehl keine Folge leiste, so habe er die Folgen seines Ungehorsams sich
selber zuzuschreiben und hätte die Militärbehörde eigentlich das Recht,
ihn wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen oder Nichtbefolgung
eines Diensthefehls: zu bestrafen. Würde das Abverdiener-Verfahren
beseitigt, so müsste man die Säumigen betreiben; es hätte das vielfache
Jnkonvenienzen im Gefolge, n. s. w. Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

' Der Thatbestand des vorliegenden Falls weicht von demjenigen Inq Sachen
Danielsen (s. Entscheid des Bundesgerichtes vom 21. Dezember 1895)
insofern ab, als hier zur Zeit nur die Aufforderung zum leverdienen
des Militärpflichterfatzes ergangen Ift,-während dort bereits, wegen
Nichtbefolgung des betreffenden Aufgebots, die Ausschreibung zu
polizeilicher Einbringung erfolgt

26 A. Staatsrechtliche Entscheidungen. I Abschnitt. Bundesverfassung.

war. Indes hat die rekursbeklagte Behörde ausdrücklich zugegeben,
dass auch im vorliegenden Falle, falls der zum Abderdienen Aufgebotene
nicht einrücken sollte, polizeiliche Ausschreibung bezw. polizeilicher
Transport zur Kaserne stattfinden würde; rechtlich liegt daher speziell
mit Bezug auf Art. 59 B.-V. dieser Fall mit dem ritierten Fall Danielsen
gleich. Es mag daher im Allgemeinen auf die Erwägungen und den Entscheid
genannten Falles verwiesen werden. Daselbst wird im wesentlichen folgendes
ausgeführt: Die Militärpflichtersatzsteuer ist eine Geldschuld des
Ersatzpflichtigen; sie soll durch Zahlung getilgt werden. Wenn selbe
nicht erfolgt, so tritt nach dein in Frage stehenden System nicht
etwa Betreibnng ein; ebensowenig wird untersucht, ob die Nichtzahlnng
auf Verschulden beruhe, und im Bejahungsfalle eine Strafe (etwa in
Form von Haft) verhängt. Vielmehr soll die Tilgung der betreffenden
Steuerforderung erfolgen durch Abverdienen; zu diesem Zwecke aber wird
der Steuerpflichtige in eine Kaserne oder sonstige Militäranstalt
einberufen und eventuell polizeilich in dieselbe eingebracht.
Die rekursbeklagte Behörde macht nun dies-bezüglich zwar geltend,
dass darin kein Schuldverhaft liege. Hingegen ist nur richtig; dass die
sogenannten Abverdiener nicht in einem geschlossenen Lokal eingesperrt
zu werden pflegen; andrerseits liegt doch, sowohl in der polizeilichen
Einbeingung als im Zurückwhalten in der betreffenden Militäranstalt ein
Freiheit-sentng Da derselbe sodann als Exekutionsmittel zur Eintreibuug
resp. Tilgung einer Forderung dient, die nicht Strafe ist, so sind
die Merkmale

des verfassungs-widrigen Schuldverhafts gegeben (A. Sig. XIV,-

S. 179; XIX, S. 46, 473). Es ist daher der Rekurs als begründet zu
erklären. Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Der Rekurs wird als
begründet erklärt und die Einberufung des Rekurrenten zum Abverdienen
des Miitärpflichtersatzes demnach aufgehoben. .

I. Organisation der Bundesrechtspflege. N° 8. 27 Zweiter
Abschnitt. Deuxième section. Bundesgesetze. Lossis
fédérales. I. Organisation der Bundesrechtspflege.

Organisation judiciaire fédérale.

8. Urteil vom 27. Februar 1896 in Sachen Regierungsrat von Baselland

A. Durch Schlnssnahme vom 12. November 1895 wies der Regierungsrat
des Kantons Baselland ein Gesuch des Jakob Honegger-Hintermeister
in Pratteln um Bewilligung eines Wirtschaftspatentes ab. Gegen diese
Schlussnahme gelangte genannter Honegger-Hinterrneister an den Landrat
von Baselland. Dieser erklärte sich, entgegen einem vom Regierungsrate
gestellten Antrage, als in Sachen kompetent, über die Beschwerde
materiell zu entscheiden, wies jedoch dieselbe unterm 13. Januar 1896
als unbegründet ab.

B. Unterm 8, Februar 1896 erklärte darauf der Regierungsrat von
Baselland den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht mit
dem Anfrage, es sei der Landratsbeschluss vom 13. Januar 1896 als
verfassungswidrig aufzuheben. Die rekurmerende Behörde führt an, dass
über ihre Rekurslegitimation kein Zweifel bestehe. Materiell behauptet
sie wesentlich Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung resp. der
verfassungsmässigen Kompetenzen des Regierungs-Tanz si
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 22 I 24
Datum : 05. Februar 1896
Publiziert : 31. Dezember 1896
Quelle : Bundesgericht
Status : 22 I 24
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 24 A. Staaisreehtliche Entscheidungen. I. Abschnitt. Bundesverfassung. im Civilprozesse


Stichwortregister
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