278 B. Civilrechtspflege.

Grundlage; speziell ist eine Ausscheidung der als Lohn und
alsVerpflegungskosten resp. angeblich als Anzahlung an die Ent-
schädigung bezogenen Beträge in keiner Weise gelungen. Es ist daher der
obergerichtliche Entscheid in diesem Punkte einfach zu bestätigen.

4. Muss im weiteren die Entschädigung für bleibende teilweise
Erwerbsunfähigkeit bestimmt werden, so hat die Vorinstanz zunächst
festgestellt, dass Kunz vor dem Unfall ein Jahreseinkommen von 1200
Fr. hatte. Ferner steht aber nach den Aussicht-ringen der Vorinstanz
fest, dass seine Erwerbssähigkeit dauernd um 40 0/0 reduziert ist. Daraus
ergibt sich ein Ausfall von 480 Fr. per Jahr. Zum Ankan einer Rente in
diesem Betrage wäre eine Kapitaleinlage von circa 8600 Fr. erforderlich
Diese ist nun zunächst auf das gesetzliche Maximum, nämlich 6000 Fr. zu
reduzieren (Amtliche Sammlung XVII, S. 524); erst von diesem Maximum
und nicht etwa von der vollen Entschädigung, wie die Vorinstanz
rechts-irrtümlich annahm, sind dann die gesetzlichen Abstriche zu
machen. Bei dieser allein richtigen Berechnungsart aber ergibt sich,
wenn auch wegen Zufall und Mitverschuldens an den Unfallsfolgen im
Vergleich zur Vorinstanz bedeutend geringere Abstriche gemacht werden,
dass die Entschädigung an Kunz doch gemindert werden muss. Hiebei fällt
allerdings in Betracht, dag, je mehr der Schaden das gesetzliche Maximum
Übersteigt, um so geringer der Abstrich sein muss (Amtliche Sammlung XVII,
S. 542; XVIII, S. 370). Das Bundesgericht hält nun in Berücksichtigung
aller Verhältnisse eine Entschädigung von 4000 Fr. als angemessen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt: Das Begehren um
Aktenvervollständigung wird abgewiesen. In der Sache selbst wird die
Berufung als begründeter-klärt und des veeinsteezkiche urteir in dem Sinne
abgeändert dass der Beklagte dem Kläger den Betrag von 4000 Fr. nebst
Zins à 5 0/0 seit 17. Oktober 1893 zu bezahlen hat.Vil. Schuldbetreibung
und Konkurs. N° 37. 279

VII. Schuldbetreibung' und Konkurs. Pour'suite pour dettes et faillite.

36. Urteil vom 1. März 1895 in Sachen Ditrsteler gegen Schweizerische
Volks-baut

A. Mit Urteil vom 19. Dezember 1894 hat die Appellationskammer des
Obergerichtes des Kantons Zürich erkannt: Der Rekurs wird als begründet
erklärt und es wird die Klage abgewiesen.

B. Gegen dieses Urteil erklärte der Kläger die Berufung an das
Bundesgericht und beantragte, das erstinstanzliche Urteil wieder
herzustellen, d. l), das angesochtene Psandrecht als ungültig
zu erklären. Die Beklagte beantragte in ihrer Antwort auf die
Berufungsschrift des Klägers, die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Im Juni 1893 machte die Beklagte, Schweizerische Volksbank, Filiale
Wetzikon, dem Seidenfabrikanten Pfisier in Wetzikon ein Darlehen von
4000 Fr., wofür derselbe einen Wechsel ausstellte und durch zwei Burgen
Sicherheit leistete. Der Wechsel wurde am 2. August 1893 erneuert, mit
Fällisgkeit auf 6. Oktober 1893. Als dann die Beklagte am 10. Oktober
den Pfister an die Fälligkeit des Wechsels erinnerte, übersandte dieser
der Beklagten als Deckung für die Wechselschuld 72 Kilo Lob-Gr. Seide,
welche er im September vorher zum Preise von 4597 Fr. Bis-Erz vom
Kläger Dürsteler gekauft hatte. Die Beklagte erneuerte gegen diese
Faustpfandbeftellung den Wechsel unter Entlassung der bisherigen
Burgen. Am 24. Januar 1894 wurde über Psister der Konkurs eröffnet Jn
demselben meldete die Volksbank ihre Forderung von 4000 Fr. an, indem sie
dafür ein Faustpfandrecht an der ihr übergebenen Seide geltend machte ;
ebenso meldete Dürsteler seine unbezahlt gebliebene Kaufpreisforderung
für die im September verkaufte Seide an. Die Konkursverwaltung anerkannte
die Forderung der Volksbank nebst

280 B. Civilrechtspflege.

Pfandrecht, ebenso diejenige des Klägers Am letzten Tage der für
Einsprachen gegen den Kollokationsplan angesetzten Frist erhob Dürsteler
beim Bezirksgerichtspräsidium Hinweil Klage gegen die Volksbankfiliale
Wetzikon mit dem Rechtsbegehren, es sei das von der Beklagten
für deren Forderung von 4000 Fr. samt Zins und Kosten beanspruchte
Faustpfandrecht an 75 Kilo Rohseide als ungültig zu erklären. Da sich das
Gerichtspräfidium weigerte, die Klage in der eingereichten Form anzunehmen
und dem Kläger zur Einbringung einer neuen verbesserten Rechtsschrift
Frist ansetzte, reichte dieser innert dieser Frist eine neue Klageschrift
ein, worin er die Rechts-frage stellte: Ist das von derBeklagten für
deren Forderung von 4000 Fr. u. s. f. beanspruchte Faustpfandrecht an
25 Kilo 105 Gr. italienische Seide als ungültig zu erklären und der
Erlös aus der genannten Seide zur Deckung der Forderung des Klägers
im Betrage von 4656 Fr. 05 Cis samt Prozesskosten zu verwenden? Zur
Begründung dieser Klage machte er im wesentlichen geltend: Es treffe
vorliegend der Anfechtungsgrund des Art. 287 Abs. 1 des Schuldbetreibungs
und Konkursgesetzes zu. Die Überschuldung Pfisters sei bewiesen durch
das Konkursprotokoll, ebenso liege die Begründung eines Pfandrechtes zur
Sicherung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit vor, deren Erfüllung
sicher zu stellen der Schuldner nicht schon früher verpflichtet gewesen
sei. Da diese Pfandbestellung innerhalb der letzten sechs Monate vor der
Konkurseröffnung erfolgt sei, habe die Beklagte den Beweis zu leisten,
dass sie die Vermögenslage Psisters nicht gekannt habe. Das Gegenteil sei
jedoch bereits erwiesen. Als Kläger im September 1893 bei der Kantonalbank
Zürich Erkuudigungen über Psisier eingeholt habe, sei ihm folgende, von
der Beklagten herrührende Information erteilt worden: Seine (Psisters)
Fähigkeit in der Abwickelung des Akkomodements kann nicht gerade gerühmt
werden; dafür muss er dato noch an einem Defizit herumlaborieren. Seine
Vergangenheit ist, wie Sie wohl selbst wissen, nicht ganz makellos,
und wenn er auch jetzt sich mit Hülfe einiger Freunde und Verwandten zu
halten gewusst hat, so ist damit noch gar nicht gejagt, dass er aus die
Dauer nicht wieder in's Schwanken gerate. Über das Geschäftliche ein
Urteil zu fällen, dazu sind VII. Schuldbetreihung und Konkurs. N° 36. 281

wir nicht kompetent genug; wir finden aber, das Geschäft werse nicht
genügenden Nutzen ab, um feine Familie zu erhalten. Dermalen muss er eine
nicht unbedeutende Schnldenlast verzinsen. Meralisch ist Pfister leider
etwas tief gesunken, und wird es grosse Mühe kosten, wenn er sich in
beiden Beziehungen wieder einigermassen befestigen will. Grosses Vertrauen
ist hier keinesfalls zu schenken. Bei Krediterteilung ist mit grösster
Vorsicht zu Werke zu gehen. Eventuell treffe am. 288 des Schuldbetreibungs
und Konkursgesetzes zu. Die Beklagte beantragte Abweifung der Klage und
führte zur Begründung dieses Antrages an: Die erste

Klageschrift ermangle der gesetzlichen Erfordernisse sowohl als

Klage auf Anfechtung des Kollokationsplanes wie als Anfechtungsklage
nach Art. 285 ff. des Schuldbetreibungs und Konknrsgesetzes. Gegen
die Zulässigkeit der zweiten Klage werde protestiert; eventuell
sei Kläger bei der darin enthaltenen Reduktion auf 25 Kilo Seide zu
behaften. Ferner fehle dem Kläger die Aktivlegitimation zur Anstellung
der Anfechtungsklage, indem die Gläubigerversammlung ihm den geltend
gemachten Anspruch nicht abgetreten habe. Aber auch materiell sei die
Klage unbegründet. Bei der Faustpfandbeftellung sei gar kein neues
Geschäft, sondern einfach ein altes erneuert worden, bezüglich dessen
der Schuldner von Anfang an zur Sicherstellung verpflichtet gewesen
sei. Die Bürgschast sei nicht nur eine gleichwertige, sondern eine bessere
Sicherheit gewesen. Von der Überschuldung Psisters habe die Beklagte im
Oktober 1893 keine Kenntnis gehabt; derselbe habe bis im Dezember 1893
alle seine Wechsel eingelöst

2. Die Klage ist von der ersten Instanz gutgeheissen, von der zweiten
dagegen abgewiesen worden. Zur Begründung des zweitinstanzlichen
Urteiles wird im wesentlichen ausgeführt : Die Klage qualifiziere
sich als Anfechtungsklage im Sinne von Art. 285 des Betreibungsund
Konkursgesetzes. Nun könne sich fragen, ob dieselbe am richtigen Ort
und in der richtigen Form angebracht set. Dies müsse jedoch bejaht
werden. Allerdings sei dieselbe sonst im ordentlichen Verfahren
geltend zu machen, diese Regel erleide aber eine Ausnahme, wo mit der
Ausechtungsklage die Annullierung eines im beschleunigten Verfahren
zu prüfend-en Anspruches verlangt werde. Richtigerweise sei hier die
Anfechtungs-

282 . . CiviIL echtspflege.

klage direkt {n'é beschleunigte Verfahren zu verweisen, in der Meinung,
dass der Einzelrichter zunächst entscheide, ob dem Begehren um Aufhebung
des angemeldeten Anspruches zu entsprechen sei, und bejahendenfalls dann
sofort die entsprechende Abänderung des Kollokationsplanes vorzunehmen
habe. Damit sei auch zugleich der Einwand der Beklagten beseitigt, dass
das angemeldete Pfandrecht unter allen Umständen zum Teil geschützt werden
müsse, weil in der zweiten Klageschrift nur von 25 Kilo die Rede sei; ganz
abgesehen davon, dass es sich hier offenbar um einen Schreibfehler handle,
werde die Grundlage des Prozesses durch die erste, allen Anforderungen des
Gesetzes entsprechende, Klageschrift gebildet. Die Aktivlegitimation des
Klägers sei vorhanden. Eine förmliche Abtretung des Anfechtungsrechtes
seitens der Konflermafie sei überhaupt nicht nötig, sondern es gehe
das Recht auf die einzelnen Gläubiger Über, sobald die Konkursmasse
als solche auf die Geltendmachung desselben verzichte. Nachdem nun
die Konkursverwaltung nach Art. 245 des Schuldbetreibungsgesetzes über
die Zulassung des angemeldeten Anfpruches entschieden habe, sei sie an
diesen Entscheid gebunden und könne den einmal zugelassenen Anspruch
nicht hinterher mit der actio Pauiiana anfechten. In der Zulassung der
Ansprache liege also implicite ein die Masse bindender Verzicht auf die
Anfechtung, so dass also das Anfechtungsrecht schon mit der Zulassung
des Anspruches durch die Konkursverwaltung auf die einzelnen Gläubiger
übertragen werde. Bei der materiellen Prüfung der Anfechtungsklage
bemerkt die Vorinstanz, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis
nicht erbracht habe, dass der Volksbank die in der Faustpfandbestellung
liegende Schädigung der Pfister'schen Kreditoren bekannt, beziehungsweise
erkennbar gewesen sei. Von einiger Bedeutung sei hier nur die von der
Beklagten über Pfister erteilte Information Dieselbe beweise aber nichts
anderes, als dass man die Situation des Kridaren für einigermassen dubios
angesehen habe, und zeige noch keineswegs-, dass der Beklagten geradezu
die Jnsolvenz ihres Schuldners bekannt gewesen sei, beziehungsweise habe
bekannt sein müssen.

3. Die Kompetenz des Bundesgerichtes zur Beurteilung der vorliegenden
Rechtsstreitigkeit ist hinsichtlich des anzuwendendenVII. Schuldbetreibung
und Konkurs. N° 36. 283

Rechtes nicht zweifelhaft Was den Streitwert anbetrisft, so ist in der
Berufungserklärung bemerkt, derselbe übersteige 4000 Fr. Diese Angabe
erscheint jedoch unrichtig. Allerdings hat der Kridar der verpfändeten
Seide bei der Verpfändung einen Wert von 4098 Fr. 65 Cts. entsprechend dem
Ankaufspreis beigelegt, allein die amtliche Schatzung im Konknrsprotokoll
beträgt nur 3397 Fr. 61 Cts. und auf diese letztere muss im Gegensatz
zur erstern abgestellt werden. Dabei ist aber ferner zu berücksichtigen,
dass nach der Natur des vorliegenden Prozesses dessen Streitwert nicht
ohne weiteres mit dem Wert des Pfandgegenstandes identisch ist. Es
liegt ein Kollokationsstreit vor, in welchem die Ungültigerklärung eines
geltend gemachten Pfandrechtes angestrebt wird, mit andern Worten, die
Klage richtet sich nicht gegen die Zulassung der Forderung der Beklagten
Überhaupt, sondern gegen den ihr angewiesenen Rang; auch bei Gutheissung
der Klage bleibt daher die Beklagte Konkursgläubiger, allerdings mit
der Folge, dass sie unter die laufenden Gläubiger kolloziert wird, Jhr
Interesse am Ausgang des Prozesses ist daher zunächst nicht gleich dem
Wert des Pfandobjektes, sondern der Differenz zwischen diesem letztern

und der Konkursdividende, die ihrer Forderung als laufender

zufällt. Dieser letztere Betrag ist nun im vorliegenden Fall nicht genau
feststellbar, immerhin geht aus den Konkursakten hervor, dass derselbe
jedenfalls 500 Fr. nicht überschreiten wird. Es ist daher ein Streitwert
von über 2000 Fr., jedoch unter 4000 Fr. vorhanden, wonach die Kompetenz
des Bundesgerichtes begründet und über die Berufung im schriftlichen
Verfahren zu entscheiden ist.

4. Zn der Beantwortung der Berufungsschrist hat die Beklagte ihre
vor den kantonalen Justanzen erhobene Einwendung, dassdie Klage nicht
in der gesetzlichen Form eingeleitet worden sei-, nicht mehr aufrecht
gehalten, und wäre damit auch nicht mehr zu hören; denn es ist tatsächlich
festgestellt, dass der Kläger innert der gesetzlichen Frist von zehn Tagen
beim Konkursrichter das Begehren auf Ungültigerklärnng des Pfandrechtes
der Beklagten in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form gestellt
hat. Damit hat derselbe den vom Bundesgesetze über Schuld- betreibung
und Konkurs für die Einleitung derartiger Klagen

284 B. Givilrechtspflege.

aufgestellten Vorschriften genügt. Dieses Bundesgefetz bestimmt lediglich
die Frist, innert welcher die Einspruchsklage erhoben werden muss, sowie
dass der Prozess im beschleunigten Verfahren geführt werden müsse. Ausser
der in Art. 25 Ziffer 1 leg. cit. enthaltenen Vorschrift enthält aber das
Bundesgefetz keine Vorschriften über die Gestaltung dieses Verfahrens,
insbesondere nicht Über die Form der Erhebung der Klage, sondern es ist
die Aufstellung dieser Vorschriften Sache der kantonalen Gesetzgebung.
Ob dieselben in casa erfüllt worden seien, ist somit vom Bundesgericht
nicht zu prüfen, und es muss diesfalls bei dem Entscheid der Vorinstanz,
dass die Klage in gesetzlicher Form eingereicht worden sei, sein
Verbleiben haben.

5. Dagegen hält die Beklagte an ihrer Bestreitung der Aktiolegitimation
des Klägers fest. Sie geht davon aus, dass ein Konkursgläubiger zur
Anfechtung einer vom Konkursverwalter zugelassenen Ansprache nur
legitimiert sei, wenn eine Abtretung des Anfechtungsanspruches nach
Vorschrift des Art. 260 des Schuldbetreibungs und Konkursgesetzes an ihn
stattgefunden habe, eine solche Abtretung aber in casu mangle. Dieser
Ansicht kann jedoch, in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, nicht
beigetreten werden. Es unterliegt zunächst keinem Zweifel, dass der
Anfechtungsanspruch im Wege der Einrede von der Konkursverwaltung geltend
gemacht werden kann, indem sie im Prüfungstermine eine Konkursanfprache
bestreitet (Art. 247) und dadurch den Konkursgläubiger gemäss Art. 259
Abs· 'l leg. cit. zur Erhebung der Klage veranlasst Die Abweisung einer
angemeldeten Konkursanfprache im Prüfungstermine ist der einzige Weg, auf
welchem die Konkursverwaltung auf Grund der Art. 285 ff. leg. citanfechten
farm. Hat die Konkursverwaltung eine angemeldete An- sprache nicht
bestritten, so ist sie von ihr rechtskräftig anerkannt, und eine spätere
Anfechtung sowohl ihrerseits als von Seite der Gläubigerversammlung,
als dem Organ der Gesamtheit der Gläubiger-, unbedingt ausgeschlossen Das
gleiche gilt auch bezüglich der Anfechtung angemeldeter Konkursansprachen
durch die einzelnen Gläubiger. Jede vom Konkursverwalter anerkannte,
und nicht gemäss Art. 250 von allen oder einzelnen Gläubigern innert der
dort festgesetzten Frist bestrittene Aufs-Drache kann im Konkurse nicht
mehr angefochten werden, weder mit der Anfech-Vil. Schuldhetreibung und
Konkurs. N° 36. 285

tungsklage aus Art. 286 ff., noch wegen civilrechtlicher Mängel Die
widersprechenden Gläubiger können denn and}, da Art. 250 keinerlei
Beschränkung aufstellt, alle Anfechtungsgründe, die dem Konkursverwalter
selbst zustünden, geltend machen, und sie find auch gezwungen, es in
diesem Verfahren zu tun, indem ein nicht rechtzeitig vorgebrachter
Bestreitungsgrund eben nicht auf dem Wege eines neuen Prozesses,
d. h. mit besonderer Anfechtungsklage, geltend gemacht, und so dem
Gläubiger die erhaltene Konkursdividende wieder abgenommen werden
kann. Während hierüber im Allgemeinen kein Streit herrscht, geht
immerhin eine Ansicht, welche auch die Beklagte vertritt, dahin,
der einzelne Konkursgläubiger könne den Ansechtungsanspruch im
Kollokationsverfahren gegen eine angemeldete Konkursansprache gemäss
Art. 285 resp. 260 leg. cit. nur geltend machen, wenn ihm derselbe
auf sein Begehren von der Gesamtheit der Gläubiger abgetreten worden
sei. Allein dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden, insofern
dieselbe eine ausdrückliche Abtretung der Konkursoerwaltung respder
Gläubigerverfammlung für notwendig erachtet. Nach Art. 260 Abs.1 ist
die Gesamtheit der Gläubiger verpflichtet, diejenigen Rechtsansprüche,
auf welche sie verzichtet, an die Gläubiger-, die es verlangen,
abzutreten. Es handelt sich somit um eine gesetzliche, nicht um eine
vertragsmässige Abtretung, deren Bedeutung und Wirkung sich auch gemäss
Art. 260 Abs. 2 von der vertragsmässigen Cession wesentlich unterscheidet
Eine besondere Willenserklärung der Gesamtheit der Gläubiger ist daher
in Fällen vorliegender Art zum Übergang des Anfechtungsanspruches aus
die einzelnen Gläubiger nicht erforderlich. Denn einerseits liegt, wie
oben ausgeführt, der definitive Verzicht der Gesamtheit der Gläubiger
auf die Geltendmachung des Anfechtungsanspruches in der Anerkennung der
Pfandrechtsansprache der Beklagten im Prüfungstermine, und anderseits
ist eine besondere Abtretungserklärung zu Gunsten der Gläubiger deshalb
nicht notwendig, weil kraft Gesetzes jedem einzelnen Gläubiger das
Recht zusteht, die Zulassung eines andern Gläubiger-s oder den diesem
angewiesenen Rang zu bestreiten (vgl. Art. 185 O.-R.). Es ist demnach
in casu der Vorschrift des Art. 285 resp. 260 Abs. 1 des Bundesgesetzes
betreffend Schuldbetreibung und Konkurs Genüge geleistet.

8. Jst somit die Aktivlegitimation des Klägers vorhanden, so

286 B. Civilrechtspflege.

muss geprüft werden, ob die Anfechtung materiell begründet sei. Nun kann
dahingestellt bleiben, ob das Pfandrecht der Beklagten nach ent. 287
Ziff. 1 leg. cit. anfechtbar sei, oder ob es sich nicht vielmehr bei der
Pfandbestellung vom 10. Oktober 1893 um ein neues Geschäft gehandelt
habe, welches nicht der Anfechtung nach Art. 287, sondern nur nach
Art. 288 desselben unterliege. Denn die Anfechtung erscheint jedenfalls-,
gestützt auf letztere Gefetzesbestinirnung begründet. Anfechtbar sind
nämlich nach Art. 288 alle Rechtshandlungen, welche der Schuldner in der
dem andern Teile erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger
zu benachteiligen, oder einzelne Gläubiger zum Nachteile anderer zu
begünstigen. Nun hat die Vorinstanz erklärt, dass der Kridar in der
Tat bei der Pfandbestellung das Bewusstsein und die Absicht gehabt
habe, seine übrigen Kreditoren zu schädigen An diese Feststellung ist
das Bundesgericht, da nicht etwa gesagt werden kann, dass sie mit dem
Inhalt der Akten in Widerspruch stehe, oder die Vorinstanz den Begriff
der Benachteiligungsabsicht unrichtig aufgefasst habe, gebunden. Die
Pfandbestellung muss danach gemäss Art. 288 cit. als anfechtbar bezeichnet
werden, wenn diese Absicht der Beklagten, beziehungsweise ihrer Vertretung
erkennbar gewesen ist. Die Vorinstanz hat einen derartigen Beweis als
nicht erbracht angesehen, indem sie fand, die von der Beklagten über
Pfister erteilte Information, welche diesfalls allein in Betracht fallen
könne, beweise doch nichts anderes, als dass man die Situation desselben
für einigermassen dubios angesehen habe, und zeige noch keineswegs-,
dass der Beklagten die Jnsolvenz ihres Schuldner-Z bekannt gewesen sei,
beziehungsweise habe bekannt sein müssen. Während es sich nun bei der
Frage, ob die Benachteiligungsabsicht des Schuldners der Beklagten
bekannt gewesen sei, um eine Feststellung tatsächlicher Natur handelt,
und das Bundesgericht daher in diesem Punkt an die Entscheidung
der Vorinstanz gebunden ist, verhält es sich anders bezüglich der
Erkennbarkeit derraudulösen Absicht. Denn bei der Beurteilung dieser
Frage ist zunächst von einer rechtlichen Erwägung auszugehen, nämlich
der, was unter erkennbar zu verstehen fei. Erkennbar ist nun nicht
erst, wie die Vorinstanz annimmt, was erkannt werden muss, sondern
schon was erkannt werden kann, und als erkennbar im Sinne des Art. 288
mussVII. Schuldbetreihung' und Konkurs. N° 36. 287

daher angesehen werden, was bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit, also ohne
grobe Fahrlässigkeit, erkannt werden kann. Es ist daher zu untersuchen,
ob Beklagte bei solcher Aufmerksamkeit aus der ihr bekannten Tatsache
die fraudulöse Absicht des Psister habe erkennen können, und diese Frage
ist zu bejahen. Es geht aus der von der Beklagten Ende September 1893
über Pfister erteilten Information hervor, dass dieselbe einen genauen
Einblick in dessen Verhältnisse besass. Danach wusste sie, dass Psister
an einem Defizit herumlaboriere, dass er sich nur mit Hülfe von Freunden
und Verwandten zu halten wisse, dass sein Geschäft nicht genügenden
Nutzen zur Erhaltung der Familie abwerfe und dass Pfiiter auch moralisch
tief gesunken sei. Sie schloss daher die Information mit der Bemerkung,
dass bei der Krediterteilung gegenüber Pfister die grösste Vorsicht
anzuwenden sei. Bei dieser Kenntnis der Situation mussten bei der
Beklagten resp. ihrem Vertreter begründete Zweifel an der redlichen
Absicht des Schuldners entstehen, zumal es sich um ein Psandobjekt
handelte, das dem Schuldner zur Verarbeitnng in seiner Fabrik dienen
sollte, und dessen Verpfändung daher um so mehr als etwas ungewöhnliches
erscheinen musste, als offenbar Beklagte keinen Grund zu der Annahme
hatte, Psisier besitze noch weitere Seide. Auch musste Beklagte es zum
mindesten als sehr zweifelhaft ansehen, dass die Seide bezahlt sei,
und nun hat sie nicht einmal behauptet, das; sich ihr Vertreter darüber
erkundigt, wie es sich in dieser Hinsicht mit dieser Seide verhalte,
und ob sie insbesondere bezahlt sei. Es muss daher gesagt roerden, dass
die Beklagte bei der Pfandbestellung, bei Anwendung der erforderlichen
Sorgfalt in der Beurteilung der obwaltenden Umstände, sich der Einsicht
nicht verschliessen konnte, dass die Verpfändung der Seide durch Pfister
mit redlicher Absicht desselben nicht verträglich sei und ihr daher
der fraudulöse Charakter des Geschäftes nicht hat entgehen können.
Damit ist aber auch das zweite Requisit des Art. 288 gegeben und die
Anfechtungsklage begründet. ' Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung des Klägers wird gutgeheissen und der Pfand-

rechtsanspruch der Beklagten als unbegründet erklärt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 21 I 279
Datum : 01. März 1895
Publiziert : 31. Dezember 1896
Quelle : Bundesgericht
Status : 21 I 279
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 278 B. Civilrechtspflege. Grundlage; speziell ist eine Ausscheidung der als Lohn


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • vorinstanz • seide • bundesgericht • konkursverwaltung • schuldner • anfechtungsklage • frist • frage • klageschrift • richtigkeit • streitwert • maximum • beschleunigtes verfahren • kollokationsplan • wert • zins • burg • konkursdividende • schaden
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