8 ss [. Abschnitt. Bundesverfassung.

priation des Wassers bereits als vollzogen erklären oder nachträglich
bewilligen sollte. . , Demnach hat das Bundesgericht , erkannt : Der
Rekurs ist im Sinne der Erwägungen abgewiesen

II. Doppelbesteuerung. Double imposition.

2. vUrtheil vom 22. Januar 1876 in Sachen ss Dr. Kaiser-Muos.

A. Die am 19."Juli 1874 in Luzern verstorbene und von der Gattin des
Rekurrenten einzig beerbte Frau Dr. Haas, hinterliess nebem anderm
Vermögen auch das Haus Nr. 319 am Schwanenplatze in Luzern Dasselbe war im
Kataster zu 70000 Fr. geschätzt und, nach Abzug der 11428 Fr. betragenden
grundversicherten Schulden, im Kanton Luzern mit 58572 Fr. zur Steuer
herangezogen Von dieser Summe wurde am 26. November 1874 die in diesem
Jahre deeretirte Staatssteuer und unterm 12. Juli 1875 die Polizeisteuer
_ für die Stadtgemeinde Luzern, laut Beschluss der Gemeindeversammlung
Vom 3. Jan.

gl. $., bezahlt Es bezeugt jedoch der Steuereinnehmer, dass

da die Staatssteuer im Kanton Luzern jeweilen nur alle zwei Jahre bezogen
werde, in der Staatssteuer pro 1874 auch diejenige für 1875 inbegriffen
sei, und es wird dieses Zeugniss von der Finanzkanzlei des Kautons
Luzern insofern bestätigt, als dieselbe erklärt, dass die im Jahre 1874
erhobene Staatssteuer für die Ausgaben von 1874 und 1875 verwendet und
in letzterem Jahre keine Staatssteuer decretirt werde.

B. Im März 1875 verkaufte Dr. Kaiser das erwähnte Haus und erzielte
dabei einen Erlös von 153,000 Fr., welchen er zu 7X40 unter seine Kinder
vertheilte und zu BAO für sich behielt. Gestützt hierauf erhöhte die
Steuerkonimifsion des Kantons Zug das in letzterem Kanton für das Jahr
1875 steuerbare Vermögen des Hm. Dr. Kaiser und seiner Kinder um den
reinenII. Doppelhesteuemng. i 0 2. ,9

Erlös jenes Hauses, welcher von ihr auf 135,000 festgesetzt wurde,
und der Regierungsrath des Kantons Zug wies den von Dr. Kaiser hiegegen
ergriffenen Rekurs, welcher sich darauf stützte, dasz er von dem Hause
bereits im Kanton Luzern die Staatsund Gemeindesteuer pro 1875 bezahlt
habe und daher im Kanton Zug nicht nochmals für dieses Vermögen besteuert
werden könne, unterm 7. September 1875 ab. _

C. Hierüber beschwert sich nun Dr. Kaiser beim Bundesgerichte und
verlangt, dass der Beschluss des zugerischen Regierungsrathes, als eine
Doppelbesteuerung involvirend. aufgehoben , eventuell der Kanten Zug
nur für diejenige Zeit , während welcher er,f Rekurrent, nicht mehr
Eigenthümer des Hauses in Luzern fer, steuerberechtigt erklärt und
Luzern verpflichtet werde , Ihm die sur diese Zeit entrichteten Steuern
zurückzubezahlen Zur Begründung dieses Begehrens führt Rekurrent an: Es
handle sich lum die Besteuerung des gleichen Vermögensobjektes seitens
zweier Regierungen, was nach Bundesstaatsrecht unzulässig sei. Luzern
sei sowohl nach Bundesrecht als nach seinem Steuergesetze berechtigt
gewesen, die Steuer für das auf feinem Gebiete befindliche Haus für
das ganze Jahr 1875 einzufordern, indem einerseits die bundesrechtliche
Praxis sich dahin ausgebildet habe, dass das unbewegliche Vermögen-da
zu versteuern sei, wo dasselbe liege, das bewegliche Vermögen aber da,
wo der Eigenthumersemen Wohnsitz habe, und anderseits das luzernische
Gesetz ausdrncklich das Vermögen von im Kantone liegendem Grundeigenthum,
dessen Eigenthümer ausser dem Kantone wohne, steuerpflichtig ertlare.
Von diesem Besteuerungsrechte habe der Kanton Luzern aber auch, sowohl
was die Staatssteuer, als was die Gemeindepolizei-

steuer betreffe, für das Jahr 1875 Gebrauch gemacht und er,

Rekurrent, für dieses Jahr die höchst mögliche Steuer entrichtet Nach
s. 24 des luzeruischen Gesetzes sei die Steuer fur die Liegenschaft in
Luzern mit Beginn des Jahres 1875 verfallen gewesen und diese Bestimmung
verhindere die Doppelbesteuerung ; dennsie gebe dem Steuerzahler
die Gewissheit, dass er nur einmal bezahlen müsse, und allsällige
Veränderungen während des Jahres können seine Stellung während des
Steuerjahres weder

10 I. Abschnitt. Bundesverfassung.

verbessern noch verschlechtern. Gegen dieses Prinzip des Gesetzes können
keine Bedenken erhoben werden. Wenn aber Luzern richtig gehandelt habe
, so sei Zug nicht berechtigt, das gleiche Vermögen nochmals unter
seine Steuerhoheit zu ziehen. Durch die Taxation der Regierung von Zug
werde er, Nekurrent, aber für die gleiche Sache und die gleiche Zeit
nochmals belastet, rndem die 135,000 Fr. nur der Gegenwerth der in
Luzern steuerbaren Liegenschast seien. Zudem erscheine es sonderbar,
dass Zug jenen Erlös für das ganze Jahr 1875 besteuern wolle, wahrend
nach § 15 des zugerischen Steuergesetzes die Steuerpflichtl erst mit dem
Zeitpunkte beginne, in welchem Jemand zu einem steuerbaren Besitzthum
oder Ertrag gelange.

Eventuell müsste, soweit dem Kanton Zug das Besteuerungsrecht zuerkannt
merde, dem Rekurrenten die Möglichkeit verschafft werden, den für die
gleiche Zeit in Luzern bezahlten Betrag zurückzufordern. _

D. Die Regierung des Kantons Zug stellt in ihrer Vernehmlassung vorerst
die Kompetenz des Bundesgerichtes in Frage, weil die Summe von 135,000
Fr. nur vom Kanton Bug, nicht auch vom Kanton Luzern zur Staats-steuer
für das Jahr 1875 herangezogen worden sei und die Thatsache-, dass die
Stadtgemeinde Luzern das fragliche Grundstück pro 187 5 zur gemeindlrchen
Polizeisteuer herangezogen habe, im Rechten nicht massgebend . sein
{Zune, beziehungsweise durch Anerkennung der Steuerhoheit des Kantons
Zug ohne Weiters seine Erledigung finden werde. Mithin bestehe kein
Anstand zwischen den Kantonen Zug und Luzern, resp. ihren Regierungem
und liege somit eine staatsrechtliche Frage nicht vor. In materieller
Beziehung bemerkt die Regierung von Zug:

1. Nach §. 7 des luzernischen Steuergesetzes dürfe eine Staatssteuer nur
eintreten zur cLilgung der dermalen Vorhandenen Schulden und Bestreitung
ausserordentlicher Ausgaben. Wenn daher im Jahre 1874 im Kanton Luzern
eine Staatssteuer bezogen worden sei, so müsse dieselbe theils für
Tilgung bereits vorhandener Staatsschulden, theils zur Bestreitung
ausserordentlicher Ausgaben, wie solche durch das 1874ger Büdget festge-

II. DoppelbesteuerungN° 2. H

setzt worden, verwendet werden. In gleicher Weise werde die anno 1876
einzuhebende Steuer die Defizite von 1875 und 1876 decken. Uebrigens
habe die zugerische Behörde-bei Einbeziehung des Erlöses aus dem Hause
am Schwanenplatz in die Steuerhoheit des Kantons Zug das Faktum geleitet,
dass im Jahre 1875 der Kanton Luzern eine Staatssteuer nicht erhoben habe,
eine Doppelbesteuerung sonach nicht vorliegen könne, wenn fragliches
Vermögen in Zug zur Staatssteuer herangezogen werde. Die Verwendung
der Steuerbeträge erscheine von mehr secundärer Bedeutung

2. Angenommen auch, Wittwe Haas oder ihre Erben haben im Jahre 1874
in Luzern die Staatssteuer auch pro 1875 entrichtet, so läge nur eine
theilweise Doppelbesteuerung vor, indem Dr. Kaiser das Haus im März 1875
verkauft habe und durch den Kaussact dieser Jmmobiliarwerth in bewegliches
Vermögen übergegangen sei. Es seidaher dasselbe, zuzüglichdes erzielten
Nettogewinnes, eventuell für 10 Monate des Jahres 1875 mit 150,000 im
Kanton Zug zu versteuern. Einzig der Katasterwerth der Liegenschaft wäre
für die Monate Januar und Februar in Luzern steuerpflichtig Der Art. 24
des luzernischenGesetzes stehe im Widerspruche mit dem zugerischen
Gesetze und sei mit Rücksicht

auf wiederholte bundesgerichtliche Entscheidungen, welche durch-

weg auf dem Territorialprinzipe fussen und und ' dahin lauten, dass
das bewegliche Vermögen da zu versteuern sei, wo der Eigenthümer seinen
Wohnsitz habe, nicht haltbar.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Competenz des Bundesgerichtes in Fällen von Doppelbesteuerung
ist in einer Reihe von Entscheidungen bereits in dem Sinne festgestellt
worden, dass das Bundesgericht insoweit gegen Doppelbesteuerung Schutz zu
gewähren habe, als nach bisherigem Bundesrechte eine Doppelbesteuerung der
nämlichen Person und für die gleichen Vermögensobjekte nicht zugelassen
worden sei.

2. Nun hat sich die bundesrechtliche Praxis dahin gebildet, dass das
unbewegliche Vermögen da versteuert werden muffe, wo das Grundeigenthum
liege, das bewegliche aber da, wo der

12 I. Abschnitt. Bundesverfassung.

Eigenthümer seinen Wohnsitz habe und dass, wenn ein Steuerpflichtiger
abwechselnd in mehreren Kantonen wohne, beziehungsweise seinen Wohnsitz
während des Steuerjahres in einen andern Kanten verlege, jeder Kanton nur
für diejenige Zeit ein Recht auf Besteuerung des Mobiliarvermögens habe,
während welcher der Steuerpflichtige sich in demselben aufhält.

3. Um einen Fall der letztern Art handelt es sich aber gegenwärtig nicht;
vielmehr stellt sich die Sache so, dass ein im Kanton Luzern liegendes
und desshalb dort steuerpflichtiges Grundstück während des Steuerjahres
verkauft worden ist und gestützt hierauf der Kanton Bug, in welchem der
Verkäufer seinen Wohnsitz hat, den Von dem Grundstücke erzielten Erlös,
als bewegliches Vermögen des Verkäufers, für die gleiche Periode der
Steuer unterwerfen will, für welche von dem Grundstücke resp. dem in
demselben liegenden Vermögen die Steuer bereits im Kanten Luzern erhoben
worden ist. ·

4. Es wird somit keineswegs das gleiche Objekt in den beiden Kantonen
Zug und Luzern zur Steuer herangezogen und es ist auch ohne Weiters
flat, dass einem solchen Wechsel in den Ver, mögensbestandtheilen eines
Steuerpflichtigen, wie er hier vorliegt,

keineswegs diejenigen Wirkungen beigemessen werden können, welche der
Domizilwechsel einer Person nach der bundesrechtlichen Praxis nach sich
zieht. Denn während im letztern Falle mit der Verlegung des Wohnsitzes in
einen andern Kanten das bewegliche Vermögen der betreffenden Person der
Steuerhoheit des bisherigen Niederlassungskantons entzogen und derjenigen
des neuen Wohnsitzkantons unterworfen wird, so wird bei Veränsserung
eines in einem andern als dem Niederlassungskantone seines Eigenthümers
befindlichen Grundstückes zwar allerdings der Erlös desselben mit dem
Verkaufe der Steuerhoheit desjenigen Kantons unterworfen, in welchem
der Verkäufer seinen Wohnsitz hat , dagegen hebt die Veräusserung die
Steuerhoheit desjenigen Kantons, in welchem das Grundstück liegt, nicht
auf, sondern es bleibt das Grundstück derselben nach wie vor unterstellt

Es kann daher der Verkäufer sich weder der Besteuerung des erzielten
Erlöses an seinem Wohnorte entziehen , noch die von

ll. Doppelbesteuerung N° 2 u. 3. 13

dem Grundstücke in dem Kantone, wo dasselbe liegt , bezahlte Steuer
zurückfordern. Wohl aber ist derselbe in der Lage, die bezahlte
Grundstener bei Festsetzung der Kaufsbedingungen in Berücksichtigung zu
ziehen und-auf diese Weise dem Käufer zu überbinden, und es erscheint
auch die Annahme unbedenklich, dass in der Regel eine solche Ueberwälzung
stattfinden werde.

5. Es könnte sich somit nur noch fragen, ob der Reknrs nicht wenigstens
insoweit gutzuheissen fei, als der Kanten Zug für dasganze Jahr 1875
und nicht bloss vom Zeitpunkte der Veräusserung des Grundstückes an die
Steuer vom Erlöse desselben erheben will. Indessen muss auch diese Frage
vom Standpunkte des Bundesrechtes aus verneint werden, da nicht gesagt
werden kann, dass das Verfahren des Kantons Zug mit der bisherigen
bundesrechtlichen Praxis im Widerspruche stehe und das Bundesgericht
nicht kompetent erscheint, über die letztere hinauszugehen und so
der Gesetzgebung, welche nach Art. 46 Lemma 2 der Bundesverfassung
gegen Doppelbesteuerung die erforderlichen Bestimmungen treffen soll,
vorzugreifen

6. Ob nach den Bestimmungen des zugerischen Steuergesetzes der
mehr-erwähnte Erlös erst vom Zeitpunkte seines Erwerbes an besteuert
werdendiirfe, kann vom Bundesgerichte nicht geprüft werden, weil
die Auslegung und Anwendung kantonaler Gesetze lediglich Sache der
Kantonalbehörden ist. Rekurrent mag sich daher diesfakls an die
zuständigen zugerischen Behörden wenden. Demnach hat das Bundesgericht

erkannt :

Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen.

Z. Urtheil vom21. Januar 1876 in Sachen Ferdinand G-röble.

A. Ferdinand Gröble besitzt gemeinsam mit seinem Bruder Ulrich Gröble
in Oberutzwyl, Canton St. Gallen; Liegensehaften
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2 I 8
Datum : 21. Januar 1876
Publiziert : 30. Dezember 1876
Quelle : Bundesgericht
Status : 2 I 8
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 8 ss [. Abschnitt. Bundesverfassung. priation des Wassers bereits als vollzogen


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • doppelbesteuerung • steuerhoheit • bewegliches vermögen • frage • bundesverfassung • wille • monat • weiler • unbewegliches vermögen • beginn • bezogener • verfassungsrecht • einsprache • benutzung • begründung des entscheids • aufhebung • berechnung • kauf • dauer
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