400 B. Civilrechtspflege.
ein familienrechtlicher, dem kantonalen Rechte unterstehender Bektrag
und sind daher Klagen ex eontractu auf Schadenersqtz wegen Nichterfüllung
dieses Vertrages nach kautonaletn Rechte zu beurteilen Allein eine solche
Kontraktsklage liegt hier nicht boe (wie denn auch das luzernische Recht
Bestimmungen über ben Verlöbnis-Vertrag nicht zu enthalten sé;-cini),
vielmehr wird die Cntschädigungssorderung der Klägerin ausschliesslich als
Deliktsanspruch, gemäss Art. 50 n. ff. O.-R. begründet und zu Beurteilung
dieses Anspruches ist das Bundesgericht kompetent Das Vuudesgericht
ist kompetent zu untersuchen, ob in dem Rücktritte des Beklagten vom
Verlöbnisse unter den Umständen, wie derselbe geschehen ist, eine
nnerlaubte, auch abgesehen von der Verletzung der Vertragspflicht aus
dem Verlöbnis-vertrage, ividerrechtliche Handlung liege, welche nach
Art. 50 u. ff. zum Schadenersatze verpflichtet; denn insoweit handelt
es sich ausschliesslich um eine Frage des eidgenössischen Rechts.
2. Nun mag dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen im
allgemeinen in dem Verlöbnisbruche eine unerlaube Handlung (ein Delikt)
liege. Jan vorliegenden Falle nämlich ist der Tatbestand eines Delikts
jedenfalls nicht gegeben, sondern erscheint der Rücktritt des Beklagten
vom Berlöbnisse als hinlänglich gerechtfertigt. Denn es ist durch die
Vorinstanzen tatsächlich festgestellt, dass der Beklagte erst seit dem
Verlöbnisse erfahren habe, dass die Klageriu in Konkurs gefallen sei und
bereits einen unehelichen Sohn besitze. Jedenfalls der letztere Umstand
nun berechtigte gewiss den Beklagten zur Lösung des Verlöbnisses3 es
liegt also in dieser gar keine nnerlaubte Handlung
S. Wenn sodann die Klägerin noch Aberkennung der Forderung des Beklagten
aus dem Obligo vom 4. Januar 1892 verlangt hat, so erscheint auch dies
als unbegründet. Durch den Schuldschein vom 4. Januar 1892 bescheinigt
die Klagerim dass sie vorn Beklagten lehensweise verzinslich 3040
Fr. erhaltenhabe und verpflichtet sich, bis zur Rückerstattnng der ganzen
Summe alle Monate, erstinals i. Februar 1892, 400 Fr zu sbezahlew Ein
Gegenbeiveis gegen diesen Schuldschein aber ist in keiner Wekie
erbrachtVI. Ohligaiionenrcchi, N° 86. 401
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Weiterziehnng der Klägerin wird als unbegründet abgewiesen und es hat
demnach in allen Teilen bei dem angefochtenen Urteile des Odergerichtes
des Kantons Luzern sein Bewendeu.
66. Urteil vom 23. Juni 1893 in Sachen zündel & Cie. gegen Bollinger.
A. Durch Urteil vom 24. März 1893 hat das Handelsgericht des Kantdns
Zürich erkannt: Die Klage ist abgewiesen
B. Gegen dieses Urteil ergriff die Klägerin die Weiterziehung an das
Bundesgertcht. Bei der heutigen Verhandlung beantragt ihr Anwalt: Das
Bundesgericht wolle unter Aufhebung des angefochtenen Urteils erkennen,
es sei der Beklagte pflichtig, als gewesener offener Gesellschafter der
Firma Zollinger-Wagner in Dübendorf und der Firma Bollinger, Wagner &
Cie. daselbst-, der Klägerin laut Kontokorrent die Summe von 36,805 Fr.
nebst Zinsen zu 5 jo seit 28. November 1892 zu bezahlen.
Dagegen beantragt der Anwalt des Beklagten: Die gegnerische Beschwerde
sei wegen Jnkompetenz, eventuell nach materieller Prüfung abzuweisen,
eventuell beantrage er, Einziehuug der klägerischen Antwort aus die
Anzeige von der Auflösung der Firma BWin-ger, Wagner & Cie.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Im Frühjahr 1889 etablierte sich in Diibendorf, zur Fabrikation von
Maschinen und Werkzeugen, die Kollektivgesellschast Zollinger & Wagner,
bestehend aus Eduard Bollinger, dem heutigen Beklagten, und L. Wagner
als Anteilhabern. Im Herbste 1890 trat Sello Behrens dem Geschäfte als
Kommauditär mit einem Kouunanditkapital von 75,00() Fr. bei und es wurde
infolge dessen die Firma abgeändert in Zollinger, Wagner & Eie. Im Mai
1891 erhoben Wagner und Behrens gegen Bollinger Klage aus Ausschluss
desselben aus der Gesellschaft; am 9. Juli
xxx 1893 '26
402 B. Civih'echtspflege.
1891 kam ein Vergleich zu Stande, wonach Zollinger mit diesem Tage
aus der Firma austrat und das Geschäft mit Aktiven und Passiven
den klagenden Gesellschaftern überliess, welche ihm dagegen eine
Auskaufssnmme von 47,500 Fr. innert Jahresfrist in vier Raten zu
bezahlen versprachen. Im Handelsregister wurde der Austritt des
Bollinger am 13. Oktober 1891 eingetragen und als am 1. August erfolgt
angegeben; die Firma der Gesellschaft, welche danach ans SZ. Wagner als
unbeschränkt haftendem Gesellschafter und Sello Behrens als Kommanditär
bestand, wurde in L. Wagner & Cie. umgewandelt Von dem Austritte des
Bollinger gab die Firma L. Wagner & Cie. ihren Geschäftsfreunden,
so auch dem klägerischen Bankhause, durch Cirkular vom 30. Juli 1891
Kenntnis mit der Anzeige, dass die neue Firma Aktiven und Passiven der
frühern Gesellschaft übernommen habe und das Geschäft mit ungeschwächten
Mitteln fortsühre. Die Kollektivgesel1schaft Zollinger & Wagner, sowie
später die Kommanditgesellschast Zollinger, Wagner & Cie., hatten mit
dem klägerischen Bankhause in Kontokorrentverkehr gestanden Kurz vor
der Anzeige von dem Ausscheiden des Zollinger aus der Gesellschaft,
am 13. Juli 1891, hatten die Kläger der Firma Zolliuger, Wagner &
Cie. den Rechnungsabschluss per 30. Juni 1891 zugestellt, welcher
einen Saldo von ?4,091 Fr. zu Gunsten der Kläger ergeben hatte. Das
Kontokorrentverhältnis wurde dann mit L. Wagner & Cie. in bisheriger
Weise fortgesührt. Der Kontokorrent wurde jeweilen oierteljährlich
abgeschlossen, die Leistungen wurden von jeder Seite jeweilen der
Gegenpartei belastet und dieselbe dafür mit entsprechenden Zinsen (in
der Form von Zinszahlen) debitiert. Vom Saldovortrag berechneten die
Kläger jedes Vierteljahr ihre Kommission (von 1 %)Jm übrigen vollzog sich
der Verkehr im wesentlichen in der Weise, dass das klägerische Bankhaus
Trutten des Etablissements eiulöste, wogegen ihr das letztere teils durch
zum Diskonto gesandte Kundenwechsel, teils durch andere Zahlungsmiitel
beziehungsweise Baarsendungen, teils endlich auchund namentlich in der
letzten Zeit des Verkehrs, durch Abtretung von bedeutenden Waarenposten
Anschasfnngen machte. Nach deni Austritte des Bollinger aus der Firma
drängten die Kläger auf sueeessive Verminderung ihrer Kreditsumme Die
Saldi zu ihrenVI. Ùbiigatiunenrecht. N° 66. 403
Gunsten betragen: per 30. September 1891 72,821 Fr. 60 Cis.; per
31. Dezember 1891 69,663 Fr.; per Ende März 1892 51,131 Fr. 50 (Stà;
per 30. Juni 1892 55,148 Fr. 10 WS,; per 28. November 1892 32,805
Fr. In einem Briefe vom 19. Februar 1892 erklärte die Firma L. Wagner &
Cie. dem Nägerischen Bankhause, dass ihr keine andere Wahl bleibe, als
ihren Gläubigern ein Akkomodement vorzuschlagen, um den Fortbetrieb des
Geschästs zu sichern. Am 20. gleichen Monats verlangte das klägerische
Bankhaus beim Bezirksgerichtspräsidium Uster gemäss am. 190 Ziff. 2
des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs die sofortige
Konknrserösfnung über den Beklagten (Eduard Zollinger als gewesenen
Teilhaber der Firma Zollinger & Wagner, indem sie anbrachte, derselbe
hafte ihnen für ihre Forderung an die Firma gleich wie sein früherer
Assoeiä L. Wagner, welcher nun die Zahlungen eingestellt habe. Zollinger
bestritt das Konkursbegehrenz er behauptete, Zündel & Cie. nichts mehr
zu schulden. Durch Entscheidung des Bezirksgerichtspräsidiums Uster vom
22. Februar 1892 wurde das Konkursbegehren abgewiesen, weil keine Urkunden
vorgelegt worden seien, welche eine sofortige Konknrserösfnung über
Zollinger gemäss Art. 190 Ziff. 2 des Schuldbetreibnngsund Konkursgesetzes
begründen würden. Am 6. Juli 1892 ersuchten L. Wagner & Cie den Kläger
zündel gu Bollinger zu gehen und ihm deutlich und energisch zu sagen,
wessen er sich zu versehen habe. Da Jhre Forderung gegen Zollinger in
erster Linie in Betracht (kommt), so wären vor allem Sie in der Lage, eine
Pression auf denselben auszuüben und ihn zu zwingen, die Firma in Ruhe
zu lassen· Zündel suchte hierauf wirklich Bollinger auf, traf ihn aber
nicht zu Hause; mit Brief vom 29. Juli 1892 ersuchte er denselben daher,
einmal "zii ihm (Simba) zu kommen, um die Angelegenheit zu besprechen
Zündel fügte bei: Überdies habe ich so ziemlich sichere Anhaltspunkte,
dass, wenn speziell Sie mit Ihrem Drängen einmal aufhören und dafür eine
gewisse Garantie vorhanden ist, neue Fonds in das Geschäft von W. fliessen
könnten, was zur Folge hätte, dass man um so sicherer zu seinem Geld
käme Unsere Interessen sind vollständig identisch. Am 26. November 1892
wurde die Firma L. Wagner & Cie., nachdem über dieselbe
404 B. Cwik'ecixtspichc.
der Konknrs eröffnet worden war, im Handelsregister gelbsrge Am
3. Dezember 1892 betrieben die Kläger den Beklagten fka eine Forderung von
32,805 Fr nebst Zins à. 5 s'i/0 seit 28. November 1892·, welche Summe,
nach den Angaben der Klage-, ihrem Gnthaben an die Firma Bollinger,
Wagner & Cie. im
Momente des Austrittes des Beklagten ans derselben entspreche .--
Der Beklagte erhob Rechtsvorschlag und die Kläger klagten daheiihre
Forderung gerichtlich ein; im Prozesse haben sie dieselbe um 4000
Fr. erhöht, da eine im Kontokorrent bereits gutgeschriebene Anweisung
genannten Betrage-s in der Folge nicht erbältlich gewesen sei. Die
Kläger begründen ihre Forderung mit der Hastbarkeit des Beklagten als
gewesener solidarischer Anteilhaber der Kommanditgesellschaft Bollinger,
Wagner & Eie. für die Schulden dieser legnetti. Der Beklagte wendet
ein, die Kliiger haben auf seine Haftung verzichtet, da sie die Firma
L. Wagner & Cie. als alleinige Schuldner-in angenommen haben; dies
sei dadurch geschehen, dass die Kläger mit dieser Firma das bisherige
Kontokorrentoerhiiltnis in unveränderter Weise fortgesetzt haben. Dass
übrigens die Kläger tatsächlich den Beklagten haben entlassen wollen,
sei aus ihrem ganzen Benehmen ersichtlich, ans der vorbehaltlofen
Überschreibnng der alten Forderung auf den Kontokorrent mit L. Wagner &
(Sie. und namentlich auch aus dem Briefes an den Beklagten vom 29. Juli
1892.
2. Die Vorinstanz hat die Klage abgewiesen, indem sie im wesentlichen
ausführt: Es ware, wie in der Entscheidung des Handelsgerichtes in
Sachen Frey & Eie. gegen den gegenwärtigen Beklagten vom gleichen
Tage ausgeführt sei, unrichtig, eine Nesnation ohne weiteres deshalb
anzunehmen, weil das Kontotorrentverhältnis (welches sich zwar allerdings
unbestrittenermaszen als eigentlicher Kontokorrent qualifiziere) mit
der Firma L. Wagner & (Sie. fortgesetzt worden sei. Dagegen sei nach
Art. 589 ORTfür die Entlassung eines ausgeschiedenen Gesellschafters
aus der Haft für die Gesellschaftsschulden eine ausdrückliche Erklärung
desGesellschaftsgläubigers nicht erforderlich, sondern es sei dem
EVniessen des Gerichts anheimgestellt, auf Grund der tatsächlich-III
Verhältnisse zu prsifen, ob in denselben der Entlassungswille
ausgesprochen sei und die Redaktion des französischen Gesetzestexkes VL
Obligaîicimnreciiî. N° 66. 405
(rene-newman expresse ou présùmée) zeige die Absicht des Gesetzgebers-,
dass es mit dein Nachweise hieftir nicht zu streng genommen werden
dürfe. Die blosse Tatsache, dass die Klager, nachdem sie vom Austritte
des Veklagten Kenntnis erhielten, der Gesellschaft ohne irgend welchen
Vorbehalt weiter kreditiert haben,
geniige allerdings für sich allein nicht, um die Annahme eines
Verzichts auf die Haftung des Beklagten zu begründen Es gehe dies
namentlich daraus hervor, dass die Vorschrift des § 1300 des zürcherischen
privatrechtlichen Gesetzbuches, welche an den genannten Tatbestand
ohne weiter 3 einen Verzicht geknüpft habe, vom Obligationenrecht
nicht aufgenommen worden sei. Ebensowenig könne daraus, dass die nene
Firma Aktiven und Passiven der alten übernommen habe, ein Verzicht
der Kläger gefolgert werden. Allein wenigstens das erste der beiden
angeführten Momente bilde ein gewichtiges Jndizium dafür, dass die
Kläger gewillt waren, die neue Firma auch an Stelle der alten treten
zu lassen und den Beklagten damit zu entlasten. Am besten zeige dies
die Tatsache, dass der zürcherische Gesetzgeber jenen Tatbestand für
geeignet gehalten habe, um daran unmittelbar die Rechtsvermutung des
Verzichtes anzuschliessen, offenbar in der Annahme, dass dies der
allgemeinen kaufmännischen Anschauung entspreche, und es könne hiefür
weiter angeführt werden, dass das deutsche Reichsgericht in einem
Falle die Entlassung des ausgetretenen Gesellschafters lediglich aus der
Fortsetzung des Kontokorrentoerhältnisses mit ter Firma, unter welcher das
Etablissement weiter geführt wurde, geschlossen habe (Reichsgericht XVIII,
S. 248 u. ff.). Es weisen aber auch noch anderweitige Umstände daran bin,
dass es in der Tat die Absicht der Kläger gewesen fei, den Beilagten als
Schuldner zu entlassen. So die Tatsache, dass die Kläger es beim Austritte
des Beklagten unterlassen haben, dessen Schuldsumme durch Saldiernng
des Kontokorrentes festzustellen; ferner der Umstand, dass die Kläger
bald nach dem Austritte des Beklagten auf suecesfive Abzahlung ihres
Giithabens gedrängt haben und zwar mit solcher Energie, dass sie die
Firma L. Wagner & Cie. schon im Februar 1892 zu einem Deckungsgeschäft
mittelst Abtretung nnfertiger Waarenvorräte zu bewegen im Stande gewesen
seien. Den Klägern sei höchst wahrscheinlich schon einige Zeit vor diesem
406 B. Civilrechtspflege.
Deckungsgeschäfte klar gewesen, dass die Zahlnngsfächigkeit der Firma
eine preläre geworden sei. Wenn sie denunci), um sich u decken, zu so
weitgehenden Mitteln gegriffen haben-so könne diknicht anders erklärt
werden, als aus ihrer Annahme, dass sie de; Pellagten von seiner Haftung
entlassen haben.,Welche Motive sie hxebeissgeleiîet haben, sei rechtlich
gleichgültig, vielleicht sei die Entlassung lediglich aus Unkenntnis
ihrer Ansprüche geschehen,
vielleicht aber auch deshalb, weil die Kläger beim Anstritte des-
Beklagteu die Lage und Prosperität des Etablissements für eine gunstige
gehalten haben, wie dieselbe es damals, nach der bedeutenden dem Beklagten
zugesicherten Absindungssumme zu schliessen auch gewesen sein möge. Bei
der Aufmerksamkeit, welche dassele dem Geschäfte gewidmet und dem Eifer,
mit welchem es fortwährend seine Sicherstellung betrieben habe, sei nicht
leicht daran Du denken, dass das klägerische Bankhaus ohne irgend einen
Vorbehcijlt das Kontokorrentund Kreditverhältnis mit der neuen Firma
fortgesetzt hätte, wenn es nicht auch tatsächlich diese an Stelle der
alten Schuldner hätte annehmen wollen. Wäre die Meinung der K"lager nicht
die der Schuldentlassung gewesen, so hätten sie gewiss nicht unterlassen,
dem Beklagten bei seinem Austritte in irgend welcher Weise zu erkennen
zu geben, dass sie auf seine Haftung Licht verzichten. Eben so klar sei
freilich, dass die Kläger in der Folgezeit, nämlich nachdem L. Wagner
& (Sie. gegen Ende Februar erklart hatten, dass sie genötigt seien,
ihren Gläubigern ein Akkomodement vorzuschlagen, einen andern Standpunkt
eingenommen und von da lan alles getan haben, um ihre Ansprüche gegen den
Bellagten wirksam werden zu lassen. Am deutlichsten zeige dies das Ende
Februar gestellte Konkursbegehrenz allein auch das perfonleche Vorgehen
des Chefs des klägerischen Bankhauses gegen den Beklagten im Juli 1892,
habe, wie man dessen Schreiben vom 29.·dieses Monats und demjenigen von
Wagner vom 6. Juli bei unbefangeuer Prüfung entnehmen müsse, jedenfalls
auch die Bedeutung gehabt, dass damit dem Beklagten seine Haftung für die
alten Gesellschaftsschulden habe vorgehalten werden sollen. Da Indessen
angenommen werden müsse, dass die Kläger auf ihre Ansprüche gegen den
Bfeklagten schon früher verzichtet haben, so habe diese nachträgliche
Andernng ihrer Willensmeinung die SachlageVI. Obligationnerccht. N°
86. 407
nicht mehr zu ändern vermocht, da die Rechte der Kläger eben infolge
des Verzichts nntergegangen gewesen seien, wozu es einer ausdrücklichen
Aeeeptation des Beklagten nicht bedurft habe.
3. Die Kompetenz des Bundesgerichtes ist vom Anwalte des Beklagten heute
deshalb bestritten worden, weil durch das Handelsgericht tatsächlich
festgestellt sei, dass die Kläger auf die Haftung des Beklagten für
die Gesellschaftsschulden verzichtet haben und diese tatsächliche
Feststellung der Nachprüfung des Bundesgerichtes nicht unterstehe Diese
Einwendung geht fehl. Ob und inwieweit der Angriff der Kläger sich
lediglich gegen tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz richte, ist
bei Beurteilung der Sache selbst zu untersuchen und zu entscheiden Wenn
die klägerische Beschwerde sich ausschliesslich gegen die Richtigkeit
tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz richten sollte, so müsste
dieselbe allerdings angesichts des Grundsatzes des Art. 30 Abs. 4
O.-G. erfolglos bleiben, das heisst ohne weiters als unbegründet
abgewiesen werden. Die Kornpetenz des Bundesgerichtes dagegen wäre,
da die sämmtlichen gesetzlichen Voraussetzungen zweifellos gegeben sind,
uichtsdestoweniger begründet (stehe Entscheidungen, Amtliche Sammlung XII,
S. 315 Crw. 2).
4. In der Sache selbst ist nicht richtig, dass die Entscheidung der
Vorinstanz, der Beklagte sei von den Klägern aus der Haftung für die
Schulden der Gesellschaft Bollinger, Wagner & (Sie. entlassen worden,
rein tatsächlicher Natur sei. Denn die Vorinstanz gelangt zu dieser
Entscheidung nicht auf Grund rein tatsächlicher, sondern mit auf Grund
rechtlicher Erwägungen; insbesondere auf Grund ihrer Auffassung der
Bedeutung und Tragweite des Art. 589 O.-R. Das Bundesgericht ist also
an die gedachte Annahme der Vorinstanz nicht ohne weiteres gebunden
5. Die klagabweisende Entscheidung der Vorinstanz ist indes aufrecht zu
erhalten. Denn neben den in dem angefochtenen Urteile angeführten Gründen
sprechen hiefür folgende Erwägungen: Zwischen der Gesellschaft Zollinger,
Wagner & Cie. und dem klägerischen Bankhause bestand unzweifelhaft ein
eigentliches Kontokorrentverhältnis; nach dem Ausscheiden des Beklagten
aus der Gesellschaft wurde dieses Verhältnis fortgesetzt Der Kontokorrent
wurde auf die nunmehrige Gesellschaftsfirma L. Wagner &: (Sie.
408 B. Civm'echtspflege.
übergeschrieben und der anerkannte Saldo auf neue Rechnung dieser Firma
übertragen. In der Folge fanden wiederholte Kontokorrentabschliisse
statt, bei welchen jeweilen der frühere Saldo in dem anerkannten
Saldo der neuen Rechnung aufging. Nun mag dahingestellt bleiben, ob
(wie dies das deutsche Reichsgericht in wiederholten Entscheidungen X,
S. 51 n. ff.; XVIII, S 246 u. ff., angenommen hat) aus der Natur des
Kontokorrentvertrages notwendig folge, dass die (einverständliche)
Übertragung eines anerkannten Kontokorrentsaldos in neue Rechnung
jedenfalls dann, wenn diese neue Rechnung ihrerseits durch gemeinsame
Feststellung eines neuen Saldo abgeschlossen worden ist, stets
Nodationswirknng oder uooalionsähnliche Wirkung besitze, so dass die alte
Saldo-forderng init den für sie bestehenden Sicherheiten und Haftungen
in allen Fällen Unter-gehe Sollte nämlich auch diesem Grundsatze in
dieser Allgemeinheit und Unbedingtheit nicht beizutreten sein, so ist
doch jedenfalls festzuhalten, dass wenn ein Kontokorrentverhältnis mit
einer Gesellschaft von der andern Kontokorrentpartei, nach ihr bekannt
gegebenem Ausscheiden eines Gesellschafters, durch Übertragung des
Saldo auf neue Rechnung und Saldiernng dieser Rechnung, vorbehaltlos
fortgesetzt wird, in der Regel angenommen werden mug, es habe damit die
frühere Kontokorrentschuld und mit ihr die Haftung des ansgeschiedenen
Gesellschafter-T aufgehoben werden wollen. Der Kontotorrentvertrag fasst
die während der vereinbarten Rechnungsperiode erfolgenden Leistungen
der Parteien derart zu einer Einheit zusammen, dass nur die dnrch den
Rechnungsabschlnss zu ermittelnde Differenz zwischen der Gesanimtleistung
beider Teile (zwischen dem Gesammtkredit und Gesamintdebit), der
Saldo, eingefordert werden darf, während die einzelnen Leistungen
der Parteien während der Rechnungsperiode nur Rechnungsposten für die
Saldofeststellung, keine selbständig geltend zu machenden Ansprüche
begründen. Wird der Saldo einer abgeschlossenen Rechnungsperiode nicht
bezahlt, sondern (einverständlich) auf neue Rechnung vorgetragen, so
verliert auch er seine selbständige Natur und wird zu einein Posten
dieser neuen Rechnung, bestimmt, in dein Saldo derselben aufzugeben.
Durch die gemeinsame Feststellung desSaldo der neuen Rechnung wird eine
auf felbständigem Fundament beriihende neue Saldofor-VIL Haftpflicht
für den Fabrikund Gewerbebetrieb. N° 67. 409
derung, in welcher der frühere Saldo aufgegangen ist, geschaffen. Diese
Rechtsgestaltung legt den Schluss nahe, dass nach der Absicht der
Parteien, bei vorbehaltloser Konstituierung einer neuen Saldoforderung,
die frühere Saldoforderung in allen Teilen durch Leueersetzt werden wolle
und es darf dies daher insder Tank, als ein regelmässigen Parteiwillen
und wohl auch der Handelsiibnng entsprechend, angenommen werden, sofern
nicht iminnzelfaalle beson: dere Umstände dagegen spiechen.Dies ist hier
nicht der vFall; dai klägerische Bankhans hat bei Uberschreibnng des
Kontokorrenteo auf den Namen der Firma SZ. Wagner & (alte." keinerlei
Vorbehalt gemacht und die von der Vorinstanz angefuhrten aatumstanoe
sprechen dafür, dasz die Klägerin die Haftung des Beklagtenzfnach
Unischreibung des Kontokorrentes auf den Namen der neuen vgirmiy als
erloschen betrachtet habe. Demnach hat das Bitndesgericht erkannt:
Die Weiterziehung der Klägerin wird als nnbegrändet abgewiesen und
es hat demnach in allen Teilen bei dein angefochtenen Urteile des
Handelsgerichtes des Kantons Zürich sein Bewenden.
VII. Haftpflicht für den Fabrikund Gewerbebetrieb.
Responsabilité pour l'exploitation des fabriquessi
67. Urteil vom 17. Februar 1893 in Sachen Gottenkieny gegen Albert.
A. Durch Urteil vom 12. Dezember 1892 hat das Appellationsgericht
des Kantons Baselstadt erkannte Es wird das erstinstanzliche Urteil
bestätigt. Das erstinstanzlirhe Ilrteil des Caritgerichtes Basetstadt
ging dahin: Klager ist mit seiner Klage abgewiesen. ss . ." .
"B. Gegen das appellationsgerichtliche Urteii ergriff der Klagei