146 IV 153
15. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und B. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1265/2019 vom 9. April 2020
Regeste (de):
- Art. 189 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. 3 Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt,
1 Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, 2 Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. 3 Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 4 Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 5 ...267 6 ...268 - In Fällen, in denen ein "Nein" eines Kindes zu sexuellen Handlungen nicht zu erwarten ist, weil es diese noch nicht einordnen kann, ist der Tatbestand der Schändung einschlägig. Eine allein altersbedingte Urteilsunfähigkeit ist nur zurückhaltend anzunehmen. Für den Zeitpunkt des Endes der Urteilsunfähigkeit sind die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Auf die Festlegung einer fixen Altersgrenze ist weiterhin zu verzichten (E. 3.5.3).
- Bei gegebener Urteilsfähigkeit kann ein Täter aus dem sozialen Nahraum ein Kind auch ohne aktive Ausübung von Zwang oder Androhung von Nachteilen unter Druck setzen und damit die sexuellen Nötigungstatbestände erfüllen. Der Täter, der dem Kind vorspiegelt, die sexuellen Handlungen seien normal, eine schöne Sache oder als Gefälligkeit zu erbringen, schafft für das Kind eine ausweglose Situation, die von diesen Tatbeständen ebenso erfasst wird. Entscheidend ist, ob vom Kind angesichts seines Alters, seiner familiären und sozialen Situation, der Nähe des Täters, dessen Funktion in seinem Leben, seines Vertrauens in den Täter und der Art und Weise der Vornahme der sexuellen Handlungen erwartet werden kann, dass es sich dem Missbrauch eigenständig entgegensetzt (E. 3.5.5).
- Lassen sich Kinder im Alter wie vorliegend (achteinhalb- bis zehneinhalbjährig) ohne sich zu wehren in sexuelle Handlungen involvieren, kann daraus nicht auf eine freiwillige Mitwirkung geschlossen werden; es ist eine immer nur vermeintliche Freiwilligkeit (E. 3.5.6).
- Sichert sich der Täter den Zwangszustand durch das Schaffen einer Geheimnissituation und hält er diese aufrecht, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Ausweglosigkeit für das Kind andauert (E. 3.5.8).
Regeste (fr):
- Art. 189 ss, art. 187 CP; concrétisation de la jurisprudence sur la protection de la liberté sexuelle des enfants, en particulier concernant une situation de contrainte par la pression psychique exercée par un auteur proche; confirmation de la jurisprudence sur le concours entre les infractions de contrainte sexuelle et les actes d'ordre sexuel avec des enfants.
- Dans les cas où un "non" de la part d'un enfant face à des actes d'ordre sexuel ne peut être attendu, car ceux-ci ne peuvent encore être compris, l'infraction d'actes d'ordre sexuel commis sur une personne incapable de discernement ou de résistance est applicable. Une incapacité de discernement fondée exclusivement sur l'âge ne doit être admise qu'avec retenue. S'agissant du moment de la fin de l'incapacité de discernement, les circonstances du cas d'espèce sont déterminantes. Il convient de renoncer à définir une limite d'âge fixe (consid. 3.5.3).
- Lorsque la capacité de discernement existe, un auteur se trouvant dans le proche entourage social d'un enfant peut aussi, sans utilisation active de la contrainte ou de la menace de désavantages, exercer sur lui une pression et ainsi réaliser des infractions de contrainte sexuelle. L'auteur qui laisse entendre à l'enfant que les actes sexuels seraient normaux, qu'ils seraient une belle chose, ou qu'ils constitueraient une faveur, place l'enfant dans une situation sans issue, laquelle est également couverte par ces infractions. Est déterminante la question de savoir si l'enfant - compte tenu de son âge, de sa situation familiale et sociale, de la proximité de l'auteur, de la fonction de ce dernier dans sa vie, de sa confiance en l'auteur et de la manière dont sont commis les actes d'ordre sexuel - peut, de manière autonome, s'opposer aux abus (consid. 3.5.5).
- Lorsque des enfants de l'âge concerné en l'espèce (huit ans et demi à dix ans et demi) se laissent, sans opposition, impliquer dans des actes d'ordre sexuel, on ne saurait ainsi conclure à une participation volontaire; il ne s'agit que d'un prétendu consentement (consid. 3.5.6).
- Lorsque l'auteur s'assure un état de contrainte par l'élaboration d'une relation secrète et qu'il maintient celle-ci, on peut sans autre considérer que la situation sans issue perdure pour l'enfant (consid. 3.5.8).
Regesto (it):
- Art. 189 segg., art. 187 CP; concretizzazione della giurisprudenza relativa alla tutela della libertà sessuale dei fanciulli, con particolare riguardo alla situazione di costrizione derivante da pressioni psicologiche esercitate da un autore vicino alla vittima; conferma della giurisprudenza sul concorso tra coazione sessuale e atti sessuali con fanciulli.
- La fattispecie penale di atti sessuali con persone incapaci di discernimento o inette a resistere è applicabile ai casi in cui non è possibile attendersi dal bambino che opponga un rifiuto agli atti sessuali, in quanto non ancora in grado di capirli. Un'incapacità di discernimento dovuta unicamente all'età va ammessa solo con riserbo. La fine dell'incapacità di discernimento si determina sulla base delle circostanze del singolo caso. Occorre rinunciare a stabilire un limite di età fisso (consid. 3.5.3).
- Se la capacità di discernimento è data, l'autore appartenente alla ristretta cerchia sociale del bambino può esercitare pressioni su di lui anche senza l'uso attivo di costrizioni o il ricorso alla minaccia di svantaggi e può pertanto rendersi colpevole di coazione sessuale. L'autore che fa credere al bambino che gli atti sessuali siano normali, qualcosa di bello o un favore, lo pone in una situazione senza via d'uscita, parimenti compresa da questa fattispecie penale. Risulta decisivo sapere se è possibile attendersi dal bambino che si opponga autonomamente agli abusi, tenuto conto della sua età, della sua situazione familiare e sociale, della vicinanza e del ruolo dell'autore nella sua vita, della fiducia che ripone in lui e del modo in cui sono commessi gli atti sessuali (consid. 3.5.5).
- Non è possibile dedurre una partecipazione volontaria agli atti sessuali dal fatto che bambini dell'età come quella del caso concreto (da otto anni e mezzo fino a dieci anni e mezzo) vi si lasciano coinvolgere senza opporsi, trattandosi sempre e solo di una presunta volontà (consid. 3.5.6).
- Se l'autore si assicura uno stato di costrizione creando e mantenendo un contesto di segretezza, si può senz'altro ritenere che per il bambino perduri la mancanza di vie di uscita (consid. 3.5.8).
Sachverhalt ab Seite 155
BGE 146 IV 153 S. 155
A. A. wird u.a. mehrfacher sexueller Missbrauch der 2005 geborenen B., Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin, im Zeitraum zwischen Herbst 2013 und dem 30. September 2015 vorgeworfen.
B. Das Bezirksgericht Pfäffikon erklärte A. mit Urteil vom 16. Januar 2018 der mehrfachen Vergewaltigung, der mehrfachen sexuellen Nötigung, der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern, der mehrfachen Pornographie und der mehrfachen Gewaltdarstellungen schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren, unter Anrechnung von 660 Tagen Haft und vorzeitigem Strafvollzug. Zudem verurteilte es A. zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 80'000.- an B.
C. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, bestätigte den Schuldspruch in den wesentlichen Punkten. Vom Vorwurf der sexuellen Nötigung gemäss Anklageziffer 1 sprach es A. frei. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren, unter Anrechnung von 1192 Tagen Haft und vorzeitigem Strafvollzug, sowie zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 50'000.- an B.
D. A. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, mit Ausnahme von zwei Ziffern. Von
BGE 146 IV 153 S. 156
den Vorwürfen der mehrfachen Vergewaltigung und der mehrfachen sexuellen Nötigung sei er freizusprechen. Er sei der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern, der mehrfachen Pornographie sowie der Gewaltdarstellungen schuldig zu sprechen und unter Anrechnung der erstandenen Haft mit 36 Monaten Freiheitsstrafe zu bestrafen. Er beantragt eine Genugtuung für Überhaft von Fr. 300.- pro Hafttag zzgl. Zins zu 5 % ab dem mittleren Verfalltag. Er sei zu verpflichten, B. eine Genugtuung von Fr. 20'000.- zu leisten. Im Mehrbetrag sei das Genugtuungsbegehren abzuweisen. Er sei per sofort aus der Haft zu entlassen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung und zur Einvernahme von B. an das Obergericht zurückzuweisen. A. ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. (...)
3.5.1 Die Rechtsprechung zum Schutz der sexuellen Freiheit von Kindern, insbesondere zur Zwangssituation bei Kindesmissbrauch im sozialen Nahbereich, ist gemäss den nachfolgenden Ausführungen zu konkretisieren.
3.5.2 Sexuelle Übergriffe auf Kinder unter 16 Jahren fallen sowohl unter den Schutzbereich von Art. 187
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
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BGE 146 IV 153 S. 157
Gefährdungsdelikt die seelische Entwicklung von Kindern (PHILIPP MAIER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2019, N. 7 zu Art. 187
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
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6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3 | Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
3.5.3 Die Anwendung der Nötigungstatbestände erfordert, dass sich das Opfer bereits einen Willen betreffend seine sexuelle Freiheit bilden kann. Es ist unmöglich, in denjenigen Fällen, in denen ein Wille betreffend die eigene sexuelle Freiheit mangels Einsichtsfähigkeit noch nicht gebildet werden kann, einen solchen (noch nicht bestehenden) Willen zu brechen. Der Tatbestand der Schändung (Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 146 IV 153 S. 158
in anderen Gebieten zum Bewusstsein und zu einer (Abwehr-) Reaktion fähig ist (BGE 120 IV 194 E. 2c mit Hinweisen). Dabei ist nicht geklärt, bis zu welchem Alter eine solche altersbedingte Urteilsunfähigkeit anzunehmen ist (vgl. zur Kontroverse in der Lehre betreffend die altersbedingte Urteilsunfähigkeit MAIER, a.a.O., N. 9 ff. zu Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
3.5.4 Wenn wie vorliegend (achteinhalb- bis zehneinhalbjähriges Opfer) im Einklang mit der Rechtsprechung zur Zurückhaltung bei altersbedingter Urteilsunfähigkeit bereits bei Kindern im weit vorpubertären Alter von Urteilsfähigkeit betreffend sexuelle Handlungen ausgegangen wird, so ist der entwicklungsbedingten Unterlegenheit, der Beeinflussbarkeit der Willensbildung und der längst nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung solcher Kinder bei der Auslegung der Voraussetzungen von sexuellen Nötigungshandlungen gleichwohl Rechnung zu tragen. Der naive Kindeswille ist in dieser Phase formbar und beeinflussbar, und die kindliche Persönlichkeit ist noch nicht so weit entwickelt, dass eine eigenständige Willensbildung gleich wie bei einem älteren Kind oder gar bei einem Erwachsenen unabhängig vom Täter resp. entgegen dessen Willen erfolgen könnte. Ein Kind ist in dieser Phase aber genauso schützenswert in seiner sexuellen Freiheit wie davor und danach. Ein unzureichender Rechtsschutz für diese Phase ist nicht hinzunehmen. Sobald das
BGE 146 IV 153 S. 159
Kind in seiner Persönlichkeit so weit entwickelt ist, dass es seinen Willen eigenständig und unabhängig vom Täter bilden kann, sind im Hinblick auf die sexuellen Nötigungstatbestände höhere Anforderungen an den psychischen Druck oder Zwang zu stellen, den der Täter konkret aktiv ausübt. Die beschriebenen Entwicklungsphasen sind nicht scharf voneinander abgrenzbar, die Grenzen sind fliessend. Die vorgenommene Konkretisierung der Rechtsprechung bezweckt, der fliessenden Grenze zwischen der Urteilsunfähigkeit eines Kindes und der frühen Urteilsfähigkeit mit starker Beeinflussbarkeit Rechnung zu tragen und zu verhindern, dass für betroffene Kinder eine Rechtsschutzlücke entsteht.
3.5.5 Zu konkretisieren sind die Anforderungen an die für die Tatbestandsvariante des "Unter-psychischen-Druck-Setzens" erforderliche "tatsituative Zwangssituation" bei sexuellen Übergriffen im sozialen Nahraum auf Kinder, die aufgrund der zurückhaltenden Rechtsprechung zur altersbedingten Urteilsunfähigkeit als urteilsfähig eingestuft werden, deren Bewusstseins- und Persönlichkeitsentwicklung betreffend Sexualität aber erst beginnend im Gange ist. Eine solche "tatsituative Zwangssituation" kann beim betroffenen Kind dadurch entstehen, dass der Täter zum Erreichen seines Ziels auf die Willensbildung und das Bewusstsein des Kindes einwirkt, ohne dass dabei diese Einwirkung mit aktiver Zwangsausübung oder dem expliziten Androhen von Nachteilen verbunden sein muss. Die Einwirkungsmöglichkeit auf den Kindeswillen kommt dem Täter aufgrund seiner Bezugspersoneneigenschaft, seiner kognitiven Überlegenheit, dem Vertrauen, das ihm das Kind entgegenbringt und seiner daraus resultierenden Machtposition zu. Es ist Verantwortung und Aufgabe von erwachsenen Bezugspersonen, insbesondere von Erziehungsberechtigten und mit Erziehungsaufgaben betrauten Personen, das kindliche Bewusstsein über den Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Sexualität zu stärken. Dazu gehört, einem Kind zu vermitteln, welcher Umgang mit seinem Körper in seinem Alter angebracht ist. Wer als Bezugsperson einem von ihm abhängigen Kind in dieser Phase vermittelt, sexuelle Handlungen mit einem Erwachsenen in der Art der hier vorgenommenen (u.a. Beischlaf, Oralsex, Peitschen) entsprächen in seinem Alter auch nur ansatzweise einer Selbstverständlichkeit und Normalität, nimmt in krasser Weise Einfluss auf die Bewusstseinsentwicklung dieses Kindes und nimmt dem Kind in Ausnützung seiner Machtposition und seines Alters- und Wissensvorsprungs die Freiheit, zu diesen sexuellen
BGE 146 IV 153 S. 160
Handlungen "Nein" zu sagen und sich dagegen zu wehren. Psychischer Druck entsteht für ein Kind nicht nur dann, wenn ihm der Täter ausdrücklich einen Nachteil androht. Vielmehr kann das Verhalten einer Bezugsperson im Kind eine ausweglose Zwangssituation bewirken, auch wenn es in oberflächlicher, kontextloser Betrachtungsweise nicht als direkt bösartig oder objektiv schwerwiegend erscheint. Der Täter, der dem Kind vorspiegelt, die sexuellen Handlungen seien normal, bewirkt einen erheblichen psychischen Druck für das Kind, das die Frage der Normalität allein nicht abschliessend beurteilen kann und sich nicht abnormal verhalten möchte. Der Täter, der sich vom Kind einen nur kleinen, normalen Gefallen erbittet, oder der Täter, der dem Kind weismacht, es handle sich um eine schöne Sache, die man zusammen erleben könnte, erzeugt einen enormen psychischen Druck für das Kind, das ihm einen solchen Gefallen nicht abschlagen möchte, und das nicht daran schuld sein möchte, wenn der Täter diese angeblich schöne Sache nicht erleben darf. Der Täter, der die Willensbildung des Kindes in dieser Art steuert und manipuliert, schafft eine für das Kind dermassen ausweglose Situation, wie sie von den sexuellen Nötigungstatbeständen erfasst ist. Je näher die Bezugsperson dem Kind und je grösser das Vertrauen des Kindes in diese Bezugsperson ist, desto grösser ist die psychische Zwangssituation für das betroffene Kind und desto auswegloser dessen Situation. Dem Kind ist ein Widersetzen gegen die sexuellen Handlungen unter diesen Umständen nicht zuzumuten. Es handelt sich nicht um ein reines Ausnutzen einer Machtposition, sondern um instrumentalisierte, strukturelle Gewalt. Ein Kind, dessen Persönlichkeits- und Bewusstseinsentwicklung betreffend Sexualität noch längst nicht abgeschlossen ist, ist dem Täter aufgrund dessen kognitiver und körperlicher Überlegenheit und seinem Einfluss auf die Willensbildung des Opfers bei dieser Tat vollkommen ausgeliefert. Der Einfluss auf die Willensbildung des Opfers ist dabei umso grösser, je jünger das Opfer ist und je näher der Täter dem Opfer steht. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, ob vom Opfer erwartet werden kann, dass es sich dem Täter widersetzt, d.h. ob ihm ein Widersetzen unter solchen Umständen zuzumuten ist. Mit anderen Worten ist in einem Fall von Kindesmissbrauch im sozialen Nahraum entscheidend, ob von einem Kind angesichts seines Alters, seiner familiären und sozialen Situation, der Nähe des Täters und Funktion des Täters in seinem Leben, seines Vertrauens in den Täter und der Art und Weise der Vornahme der sexuellen Handlungen
BGE 146 IV 153 S. 161
durch den Täter (als Normalität, als Selbstverständlichkeit, als etwas Schönes, als ein Spiel), erwartet werden kann, dass es sich diesem eigenständig entgegensetzt.
3.5.6 Dabei ist nicht erforderlich, dass der Täter auf diese Weise ein Nachgeben des Kindes erreicht, zumal ein solches vielfach gar nicht erst aktiv bewirkt werden muss. Vielmehr reicht es aus, dass der Täter das Mitmachen des Kindes erwirkt, dem ein Widerstand aufgrund der genannten Umstände nicht zuzumuten ist. Von einem Einverständnis zu den vorgenommenen Handlungen, von Freiwilligkeit kann bei so kleinen Kindern in keinem Fall ausgegangen werden. Lassen sich Kinder im Alter wie vorliegend (achteinhalb- bis zehneinhalbjährig) ohne sich zu wehren in sexuelle Handlungen involvieren, kann daraus nicht auf eine freiwillige Mitwirkung geschlossen werden; es ist eine immer nur vermeintliche Freiwilligkeit. Das Bild des aus seiner Persönlichkeit heraus sexualisierten Kindes, das auch der Beschwerdeführer im vorliegenden Strafverfahren bemühte, entspricht keineswegs der Realität. Vielmehr ist das Vorgehen des Täters, der dem Kind nahesteht, der sogar eine Erziehungsfunktion wahrnimmt, der ein grosses Vertrauen durch das Kind und dessen familiäres Umfeld geniesst, und der das Kind aufgrund dieser Umstände zur Befriedigung seiner Bedürfnisse missbrauchen kann, als erheblicher Gewaltakt gegen die sexuelle Freiheit einzustufen. Dem betroffenen Kind fehlt die Möglichkeit, die Bedeutung der sexuellen Handlungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf seine Persönlichkeitsentwicklung abschliessend zu erkennen und selbstständig, entgegen die manipulative Beeinflussung durch seine - genau diese Situation ausnutzende - Bezugsperson einzuordnen. Diese Möglichkeit erreicht es erst mit zunehmendem Alter, wie der vorliegende Fall, wo das Kind zwei Jahre nach Beginn der sexuellen Übergriffe mit rund zehneinhalb Jahren unabhängig vom Willen und der manipulativen Einwirkung des Täters ein "Nein" äussern konnte, deutlich zeigt. Das Kind kann seinen Willen aufgrund der Einwirkung des Täters auf seine Willensbildung jedenfalls bei Vornahme des ersten sexuellen Übergriffs nicht anders bilden. Die Situation ist für das Kind ausweglos und aussichtslos. Der Täter nimmt dem Opfer durch seine Beeinflussung die Freiheit, "Nein" zu den vorgenommenen Handlungen zu sagen, die es selbst nicht kennt und nicht eigenständig einordnen kann. Der Täter schafft so durch Instrumentalisierung eines strukturellen Gewaltverhältnisses eine für das Opfer ausweglose Zwangssituation.
BGE 146 IV 153 S. 162
3.5.7 Je älter das Kind ist, desto weniger gross ist die Einflussmöglichkeit des Täters, auch eines Täters aus dem Nahbereich mit Erziehungsfunktion, auf seine Willensbildung. Das Kind erfährt immer mehr auch aus anderen Quellen, namentlich in der Schule, welcher Umgang mit seinem Körper in seinem Alter angebracht wäre. Davon ist etwa auszugehen, wenn das Kind in der Pubertät insbesondere in der Schule mit Themen und Fragen zur eigenen Sexualität konfrontiert wird. Es sind weniger hohe Anforderungen an den zu brechenden Widerstand des Kindes zu setzen, je näher der Täter dem Kind steht und desto grösser somit sein Einfluss auf die Willensbildung des Kindes ist. Zu berücksichtigen ist eine allfällig gelebte Normalität zwischen dem Täter und dem Kind, die einen Widerstand des Kindes länger nicht erwarten lässt und bewirkt, dass an die "tatsituative Zwangssituation" keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen.
3.5.8 Sichert nun der Täter den Zustand dieser Zwangssituation durch das Schaffen einer Geheimnissituation, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Ausweglosigkeit für das Kind weiterhin andauert. Der Täter stellt so sicher, dass das Kind nicht auf anderem Weg erfährt, dass solche Handlungen keineswegs selbstverständlich oder normal sind. Dies gilt unabhängig davon, wie ein solches Schweigegebot begründet wird: Ob als Spiel, ob als (vielleicht sogar schön dargestelltes) Geheimnis zwischen dem Täter und dem Kind, ob mit dem in Aussicht stellen von direkten Nachteilen für das Kind wie etwa Sanktionen, Liebesentzug oder Geschenkentzug, von Nachteilen, die dem Täter zuteil werden könnten, oder von Nachteilen für andere nahestehende Personen. Dies gilt auch dann, wenn das Schweigen des Kindes dadurch erreicht wird, dass dem Kind der Eindruck vermittelt wird, es würde sich lächerlich machen, unglaubwürdig sein oder müsste sich für seine Handlungen schämen, sollte jemand Drittes davon erfahren. Wenn der Täter in einer solchen Konstellation eine Geheimnissituation schafft oder eine bestehende Geheimnissituation zu seinen Zwecken ausnutzt, ist dies unabhängig von der Begründung des Geheimnisses oder der allfälligen Verknüpfung des Geheimnisses mit Nachteilsandrohungen als Nötigungsmittel zu werten, das eine Ausweglosigkeit der Situation für das Kind zur Folge hat. Der Täter bewirkt aber die Ausweglosigkeit der Situation für das Kind bereits bei Vornahme der ersten sexuellen Handlung und es hängt nicht entscheidend vom Schaffen der Geheimnissituation ab, dass eine "tatsituative Zwangssituation" zu bejahen ist.
BGE 146 IV 153 S. 163
3.5.9 Die beschriebene Situation unterscheidet sich grundlegend von den Fällen der Ausnutzung einer Machtposition gemäss Art. 193
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |