Urteilskopf

133 V 37

6. Auszug aus dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i.S. R. gegen 28 Krankenkassen, alle handelnd durch santésuisse Graubünden, und Schiedsgericht Graubünden, Kranken- und Unfallversicherung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) K 6/06 vom 9. Oktober 2006

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 37

BGE 133 V 37 S. 37

Aus den Erwägungen:

5.

5.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie könne aufgrund ihrer breiteren Ausbildung (Innere Medizin, Gynäkologie, Pädiatrie und ORL) viele Leistungen direkt erbringen, ohne die Patienten an Spezialärzte oder Spitäler zu überweisen, wie im Übrigen auch die Blaue Kommission des Bündner Ärztevereins (in ihrem Entscheid vom 11. November 2003) anerkannt habe. Sie rügt, das Schiedsgericht habe dieses Argument verworfen, ohne das von ihr beantragte Beweisverfahren durchgeführt zu haben. Auch bei den Medikamenten sei ihr Index unterdurchschnittlich. Bei einer Gesamtbetrachtung lägen die von ihr verursachten (direkten und
BGE 133 V 37 S. 38

veranlassten) Kosten (Gesamtkostenindex von 119 [2001] bzw. 110 Punkten [2002]) innerhalb des Toleranzrahmens.
5.3.1 Im angefochtenen Entscheid wird anerkannt, dass die veranlassten Kosten bei der Beschwerdeführerin mit einem Index von 95 Punkten im Jahr 2001 und von 82 Punkten im Jahr 2002 unterdurchschnittlich ausgefallen sind. Nach Auffassung der Vorinstanz vermag die Beschwerdeführerin daraus indessen nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, weil sie nicht in der Lage ist, den Beweis zu erbringen, dass die Einsparungen in den veranlassten Kosten kausal mit den durch die besondere Behandlung bei den direkten Arztkosten anfallenden Mehrkosten zusammenhängen.
5.3.2 Nach der bisherigen Rechtsprechung ist die Wirtschaftlichkeit der Behandlung für die Bereiche der Arzt- und Medikamentenkosten getrennt zu beurteilen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 29. Oktober 1993, K 101/92, E. 8). Dass Mehraufwendungen in einem Leistungsbereich Minderaufwendungen in einem anderen Leistungssegment gegenüberstehen, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht indessen unter dem Titel der kompensatorischen Einsparungen, allerdings "nur in sehr beschränktem Masse", wie wiederholt festgehalten wurde, berücksichtigt. Im in RKUV 1986 Nr. K 654 S. 3 auszugsweise publizierten (unter der Herrschaft von Art. 23
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
1    Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
2    Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist:
a  im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer;
b  im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer.
3    Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm:
a  ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt;
b  Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.
3bis    Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190
4    Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.
5    Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren.
6    Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191
KUVG ergangenen) Urteil vom 5. September 1985, K 49/84, hatte sich das Eidgenössische Versicherungsgericht erstmals mit der Frage zu befassen, ob eine Kompensation zwischen einem überhöhten Fallwert bei den direkten Arztkosten (Index von 143) und unterdurchschnittlichen Medikamentenkosten (Index von 16) möglich sei. Dabei verneinte es die Frage mit der Begründung, dass selbst wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen niedrigen Medikamentenkosten (als Folge einer zurückhaltenden Verschreibungspraxis) und hohen Arztkosten (als Folge einer intensiveren persönlichen Betreuung durch den Arzt) bejaht würde, dies eine Kompensation nur in sehr beschränktem Masse zu rechtfertigen vermöchte (nicht publizierte E. 5a). Diese Rechtsprechung wurde in E. 4c des in RKUV 1988 Nr. K 761 S. 92 nur mit den Leitsätzen wiedergegebenen Urteils vom 19. Oktober 1987, K 97/85, bestätigt. In dieselbe Richtung zielt schliesslich das nicht veröffentlichte Urteil vom 29. Oktober 1993, K 101/92, in dessen E. 8 ausgeführt wurde, dass die im Bereich der Medikamentenverschreibung geübte Zurückhaltung keinen oder nur sehr bedingten Rückschluss auf die übrige Tätigkeit des Arztes zulasse und selbst
BGE 133 V 37 S. 39

wenn ein Kausalzusammenhang zwischen unterdurchschnittlichen Medikamentenkosten und hohen Arztkosten zu bejahen wäre, dies eine Kompensation nur in sehr beschränktem Masse rechtfertigen würde. Unter Hinweis auf die fehlende Überprüfungsmöglichkeit mangels Vorliegens statistischer Daten wurde auch dem Argument eines Arztes, seine Behandlungsweise ermögliche die Vermeidung einiger stationärer Spitalaufenthalte, in BGE 119 V 455 E. 5a nicht gefolgt. In einem kürzlich ergangenen Urteil vom 1. März 2006, K 142/05, E. 8.2.1, ging das Eidgenössische Versicherungsgericht auf das von einer Ärztin vorgebrachte Argument der kompensatorischen Einsparung im Zusammenhang mit unterdurchschnittlichen Medikamentenkosten schon deshalb nicht weiter ein, weil die Medikamentenkosten jedenfalls durch deutlich überdurchschnittliche Arzt- und veranlasste Kosten "mehr als kompensiert" waren.
5.3.3 Sprechen keine entscheidenden Gründe zu Gunsten einer Praxisänderung, ist die bisherige Praxis beizubehalten. Gegenüber dem Postulat der Rechtssicherheit lässt sich eine Praxisänderung grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht. Nach der Rechtsprechung ist eine bisherige Praxis zu ändern, wenn sie als unrichtig erkannt oder wenn deren Verschärfung wegen veränderter Verhältnisse oder zufolge zunehmender Missbräuche für zweckmässig gehalten wird (BGE 131 V 110 E. 3.1; BGE 130 V 372 E. 5.1, BGE 130 V 495 E. 4.1; BGE 129 V 373 E. 3.3; BGE 126 V 40 E. 5a; BGE 125 I 471 E. 4a, je mit Hinweisen). Eine Änderung der in E. 5.3.2 dargestellten Rechtsprechung drängt sich in dem Sinne auf, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitskontrolle grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung Platz zu greifen hat und dementsprechend auf den die Arzt-, die Medikamenten- und - soweit möglich - die veranlassten Kosten berücksichtigenden Gesamtkostenindex abzustellen ist. Denn nach BGE 130 V 379 f. E. 7.4 und 7.5 erstreckt sich das Wirtschaftlichkeitsgebot auf sämtliche Teile der ärztlichen Behandlung und findet für alle gesetzlichen Leistungen, insbesondere auch in Bezug auf die Verordnung von Arzneimitteln, Analysen sowie von Mitteln und Gegenständen oder die Anordnung von Leistungen anderer Leistungserbringer, Anwendung. Aus diesem Grunde unterliegen der Rückerstattungspflicht des Arztes oder der Ärztin wegen
BGE 133 V 37 S. 40

unwirtschaftlicher Behandlung grundsätzlich auch die Vergütungen der Kosten für die auf Veranlassung des Arztes oder der Ärztin erbrachten Leistungen sowie die von ihnen verordneten und von den Apotheken abgegebenen Arzneimittel. Daraus folgt aber umgekehrt, dass auch dann eine Gesamtbetrachtung erforderlich ist, wenn diese sich zu Gunsten des Arztes oder der Ärztin auswirkt: Sinn und Zweck von Art. 56
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
1    Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
2    Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist:
a  im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer;
b  im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer.
3    Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm:
a  ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt;
b  Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.
3bis    Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190
4    Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.
5    Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren.
6    Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191
KVG ist nicht die Begrenzung des ärztlichen Einkommens, sondern die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung (vgl. auch E. 8.2.3 des Urteils vom 1. März 2006, K 142/05). Wenn beispielsweise ein Arzt oder eine Ärztin zwar selber überdurchschnittlich viele Leistungen erbringt, dies aber mit unterdurchschnittlichen veranlassten Kosten kompensiert, ist das von Art. 56
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
1    Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
2    Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist:
a  im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer;
b  im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer.
3    Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm:
a  ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt;
b  Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.
3bis    Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190
4    Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.
5    Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren.
6    Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191
KVG anvisierte Ziel ebenfalls erreicht. Es würde im Hinblick auf das Ziel der Wirtschaftlichkeit falsche Anreize schaffen, wenn die veranlassten Kosten nicht einbezogen würden: Ärzte, welche viele Kosten veranlassen, hätten zwar geringe direkte Arztkosten pro Patient, würden aber indirekt höhere und möglicherweise unwirtschaftliche Kosten verursachen (vgl. MATHIAS WENGER, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Medizin und Sozialversicherung im Gespräch, St. Gallen 2006, S. 74). Zudem könnte der Arzt oder die Ärztin den eigenen bescheidenen Aufwand pro Patient einkommensmässig durch eine grosse Zahl von Patienten kompensieren. Wer sich mit weniger Patienten begnügt, diese dafür eingehender behandelt und damit viele indirekte Kosten einspart, würde demgegenüber bestraft, weil er pro Patient höhere direkte Kosten hat. Es kann nicht der Sinn von Art. 56
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
1    Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
2    Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist:
a  im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer;
b  im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer.
3    Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm:
a  ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt;
b  Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.
3bis    Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190
4    Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.
5    Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren.
6    Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191
KVG sein, derart falsche Anreize zu schaffen.
5.3.4 Das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung gälte übrigens auch, wenn man der Kritik der Lehre an BGE 130 V 377 (MONIKA GATTIKER, Veranlasste Kosten - Einbezug in die Forderungen wegen Überarztung nach Art. 56 Abs. 2
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
1    Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
2    Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist:
a  im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer;
b  im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer.
3    Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm:
a  ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt;
b  Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.
3bis    Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190
4    Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.
5    Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren.
6    Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191
KVG, in: AJP 2005 S. 1098 ff.; EDOUARD ISELIN, Polypragmasie et étendue de l'obligation de restitution au sens de l'art. 56 al. 2 LAMal, in: SZS 2006 S. 106 ff.) folgen würde. Denn diese Kritik gründet sich darauf, dass Art. 56
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen - 1 Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
1    Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
2    Für Leistungen, die über dieses Mass hinausgehen, kann die Vergütung verweigert werden. Eine nach diesem Gesetz dem Leistungserbringer zu Unrecht bezahlte Vergütung kann zurückgefordert werden. Rückforderungsberechtigt ist:
a  im System des Tiers garant (Art. 42 Abs. 1) die versicherte Person oder nach Artikel 89 Absatz 3 der Versicherer;
b  im System des Tiers payant (Art. 42 Abs. 2) der Versicherer.
3    Der Leistungserbringer muss dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weitergeben, die ihm:
a  ein anderer in seinem Auftrag tätiger Leistungserbringer gewährt;
b  Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.
3bis    Versicherer und Leistungserbringer können vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss Absatz 3 Buchstabe b nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.190
4    Gibt der Leistungserbringer die Vergünstigung nicht weiter, so kann die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen.
5    Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Sie sorgen insbesondere dafür, dass diagnostische Massnahmen nicht unnötig wiederholt werden, wenn Versicherte mehrere Leistungserbringer konsultieren.
6    Leistungserbringer und Versicherer legen vertraglich eine Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit fest.191
KVG nur die Rückforderung der dem Leistungserbringer bezahlten Vergütung erlaube, schliesst aber nicht aus, dass für die Frage, ob diese Vergütung überhöht ist, auf den die veranlassten Kosten einschliessenden Gesamtkostenindex abgestellt wird (vgl. ISELIN, a.a.O., S. 117).
BGE 133 V 37 S. 41

5.3.5 Wenn der Gesamtkostenindex entscheidend ist, kann es nicht ausschlaggebend sein, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Reduktionen bei den einen Kosten und Mehrausgaben bei anderen Kosten nachgewiesen ist. Auch innerhalb der direkten Arztkosten wird ein solcher nachgewiesener Kausalzusammenhang nicht verlangt. Abgesehen davon wäre es kaum möglich (worauf auch GEBHARD EUGSTER, Wirtschaftlichkeitskontrolle ambulanter ärztlicher Leistungen mit statistischen Methoden, Bern 2003, S. 251 f., hinweist), einen solchen Nachweis tatsächlich zu erbringen. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass beispielsweise ein vermehrter Abklärungs-, Beratungs- und Behandlungsaufwand sich in tieferen Medikamentenkosten niederschlagen kann (vgl. auch EUGSTER, a.a.O., S. 255 f. Rz. 751). Wenn ein solcher Zusammenhang tatsächlich besteht, ist dies im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung grundsätzlich zu berücksichtigen. Es geht nicht an, durch praxisfremde Anforderungen an einen Kausalnachweis die falschen Anreize, die durch eine getrennte Betrachtung von Arzt-, Medikamenten- und veranlassten Kosten entstehen, zu perpetuieren. Demgegenüber rechtfertigt sich eine Gesamtbetrachtung nicht, wenn konkrete Anzeichen bestehen, dass die niedrigen Kosten im einen Bereich auf äussere Umstände zurückzuführen sind, die dem Arzt oder der Ärztin gewissermassen unverdient zugute kommen. Solche Umstände sind jedoch im Falle der niedrige veranlasste Kosten aufweisenden Beschwerdeführerin nicht dargetan.
5.3.6 Eine wirkliche Gesamtbetrachtung müsste allerdings auch die durch Überweisung an Spezialärzte und Spitäler veranlassten Kosten einbeziehen, welche Daten nicht erhoben worden sind. Die Beschwerdeführerin hat immerhin in ihrer Klageantwort geltend gemacht, dass bei ihr auch die Zahl der Überweisungen an Spezialisten und Spitäler unterdurchschnittlich sei, und entsprechende Beweisanträge gestellt. Ihr Vorbringen wird untermauert durch die Feststellung der Blauen Kommission im Entscheid vom 11. November 2003, wonach die Beschwerdeführerin wenig Kosten für Zuweisungen an Spezialärzte und Spitäler generiere. Unter diesen Umständen geht es nicht an, auf die Erhebung der beantragten Beweise zu verzichten und der Beschwerdeführerin vorzuwerfen, sie habe ihre Behauptungen nicht bewiesen. Dies gilt umso mehr, als für den entsprechenden Nachweis nicht unbedingt eine aufwändige Einzelfallanalyse erforderlich wäre, sondern statistische Angaben, welche am ehesten von den Krankenversicherern beschafft
BGE 133 V 37 S. 42

werden können, genügten (vgl. CHRISTIAN SCHÜRER, Honorarrückforderung wegen Überarztung bei ambulanter ärztlicher Behandlung - Materiellrechtliche Aspekte, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Wirtschaftlichkeitskontrolle in der Krankenversicherung, St. Gallen 2001, S. 85 und 89). Da nach den Akten keine Hinweise bestehen, dass die Beschwerdeführerin durch die Überweisung an Spezialärzte und Spitäler überdurchschnittliche Kosten verursacht hat, bleibt der Gesamtkostenindex von 119 Punkten im Jahr 2001 bzw. 110 Punkten im Jahr 2002 massgebend, welcher innerhalb des gemäss angefochtenem Entscheid auf 130 Punkte festzusetzenden Toleranzrahmens liegt. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz die Beschwerdeführerin zu Unrecht zur Rückerstattung von Fr. 93'757.70 für die Jahre 2001 und 2002 verpflichtet.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 133 V 37
Date : 09. Oktober 2006
Published : 16. März 2007
Source : Bundesgericht
Status : 133 V 37
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 56 KVG: Wirtschaftlichkeit der Behandlung. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeitsfrage ist grundsätzlich der Gesamtkostenindex
Classification : Änderung der Rechtsprechung


Legislation register
KUVG: 23
KVG: 56
BGE-register
119-V-448 • 125-I-458 • 126-V-36 • 129-V-370 • 130-V-369 • 130-V-377 • 130-V-492 • 131-V-107 • 133-V-37
Weitere Urteile ab 2000
K_101/92 • K_142/05 • K_49/84 • K_6/06 • K_97/85
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
doctor • patient • treatment expenses • federal insurance court • within • question • hamlet • profitability of treatment • [noenglish] • measure • statistics • repayment • lower instance • [noenglish] • number • health insurance • decision • condition • retransfer • cost remuneration
... Show all
AJP
2005 S.1098
SZS
2006 S.106