132 I 196
23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Einwohnergemeinde Burg (Staatsrechtliche Beschwerde) 1P.570/2005 vom 10. Mai 2006
Regeste (de):
- Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. 2 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. 3 Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. - Anforderungen an die Begründung von negativen Einbürgerungsentscheiden (E. 3.1).
- Würdigung der Diskussionsvoten an einer Gemeindeversammlung vor dem Hintergrund der Begründungserfordernisse; die vom Antrag des Gemeinderates abweichende Verweigerung der Einbürgerung ist nicht hinreichend begründet und hält vor der Verfassung nicht stand (E. 3.3).
Regeste (fr):
- Art. 29 al. 2 Cst.; refus d'une naturalisation sans motivation.
- Exigences de motivation des décisions refusant la naturalisation (consid. 3.1).
- Appréciation, au regard des exigences de motivation, des discussions de l'assemblée communale en vue du vote; le refus de la naturalisation, qui s'écarte de la proposition du conseil communal, n'est pas suffisamment motivé et n'est pas conforme à la Constitution (consid. 3.3).
Regesto (it):
- Art. 29 cpv. 2 Cost.; rifiuto di una naturalizzazione senza motivazione.
- Esigenze di motivazione delle decisioni di rifiuto della naturalizzazione (consid. 3.1).
- Valutazione, sotto il profilo delle esigenze di motivazione, della discussione dell'assemblea comunale in vista del voto; il rifiuto della naturalizzazione che diverge dalla proposta del municipio non è sufficientemente motivato e non rispetta la Costituzione (consid. 3.3).
Sachverhalt ab Seite 196
BGE 132 I 196 S. 196
Für die Einwohnergemeindeversammlung der Gemeinde Burg vom 3. Juni 2005 war u.a. die Beschlussfassung über die Zusicherung von Einwohnerbürgerrechten traktandiert. Um eine Einbürgerung ersucht hatten namentlich A. sowie deren Kinder B. und C. von Serbien und Montenegro. Aufgrund der durchgeführten Erhebungen befürwortete und beantragte der Gemeinderat der Einwohnergemeindeversammlung die Zusicherung des Einwohnerbürgerrechts für die Familie. Anlässlich der Gemeindeversammlung vom 3. Juni 2005 stellte sich die Familie kurz vor und beantwortete einige Fragen. Zwei Stimmbürger
BGE 132 I 196 S. 197
äusserten sich kritisch, ein Stimmbürger positiv zum Einbürgerungsgesuch von A. In offener Abstimmung lehnten die Stimmberechtigten die Einbürgerung von A. mit 35 Nein gegen 9 Ja ab. Den Kindern B. und C. wurde das Einwohnerbürgerrecht indes zugesichert. Gegen diesen Entscheid der Einwohnergemeindeversammlung hat A. beim Bundesgericht mit dem Antrag um Aufhebung wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Einwohnergemeindeversammlungsbeschluss enthalte keine bzw. keine rechtsgenügliche Begründung und stehe daher im Widerspruch zu Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unterliegen ablehnende Einbürgerungsentscheide der Begründungspflicht (BGE 131 I 18 E. 3 S. 20 mit Hinweisen). Es besteht keine feste Praxis, wie der aus Art. 29 Abs. 2
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
3.2 Im vorliegenden Fall hat der Gemeinderat die erforderlichen Abklärungen getroffen und die Einbürgerung mit seinem Antrag an die Einwohnergemeindeversammlung befürwortet. Es wird von keiner Seite geltend gemacht, dass im Vorfeld der
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Einwohnergemeindeversammlung öffentliche Diskussionen stattgefunden hätten oder Presseartikel oder Flugblätter verfasst worden wären, aus denen sich Hinweise und Gründe für eine Verweigerung der Einbürgerung der Beschwerdeführerin ergäben (vgl. BGE 129 I 217 E. 2.3.2 S. 228). Anlässlich der Einwohnergemeindeversammlung hat der Gemeinderat gemäss dem Protokoll keine weitern Ausführungen zum Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin gemacht. Ein Stimmbürger erkundigte sich nach der Doppelbürgerschaft, worauf die Beschwerdeführerin die Bereitschaft zur Abgabe ihres bisherigen Passes erklärte. Ein weiterer Stimmbürger wies darauf hin, dass er die Beschwerdeführerin als sehr positiv erlebt habe. Demgegenüber haben sich zwei Stimmbürger kritisch geäussert.
3.3 Einer der Stimmbürger fragte und hielt fest (gemäss Protokoll): "Ich habe eine Frage an die Mutter. Ich bin acht Jahre älter und habe es noch nicht geschafft, Rentner zu werden. In der Broschüre steht Rentnerin, bitte erklären Sie mir, was das soll. Wie macht man das?" Worauf die Beschwerdeführerin antwortete: "Ich weiss, die Gesundheit ist alles. Es ist schön, wenn man gesund ist. Ich habe gesundheitliche Probleme und Depressionen. Aus diesem Grund wurde mir eine Rente zugesprochen."
Ein anderer Stimmbürger erklärte: "Ich habe sie (die Beschwerdeführerin) als Mitarbeiterin kennen gelernt. Wir gaben ihr seinerzeit die Chance, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Sie hat diese Chance absolut nicht genutzt. Schon ziemlich bald ist sie hinter die andern Mitarbeiterinnen gekommen und hat sich auch mit den Vorgesetzten nicht verstanden und auch angelegt. A. hat eine Arbeitseinstellung und Arbeitsleistung an den Tag gelegt, die uns dazu bewogen hat, das Arbeitsverhältnis sehr schnell wieder aufzulösen. Sie arbeitete lediglich drei Monate bei uns. Ich möchte dazu noch sagen, dass ich hier analog einem Arbeitgeberbericht, den ich verfasst habe, diese Äusserungen gemacht habe." Die Beschwerdeführerin entgegnete: "Das war wegen meiner Gesundheit und dem Unfall. Sie haben die Stunden nicht bezahlt, die sie hätten müssen." Daraufhin der Stimmbürger: "A. hatte einen Anwalt genommen. Sie ist mit ihren Forderungen bei Gericht jedoch nicht durchgekommen, weil ihre Aussagen nicht wahr waren. Dass A. einen Unfall hatte, will ich nicht bestreiten. Das hat jedoch nichts damit zu tun, dass sie hinter die andern Mitarbeiterinnen gekommen ist und Unruhe im Team gestiftet hat und dass ihre Arbeitsbemühungen und der Arbeitswille sehr schwach waren." Und wiederum die
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Beschwerdeführerin: "In der Zeit des Unfalls musste ich arbeiten. Danach bin ich nicht mehr zur Arbeit. Ich hatte Probleme mit den Einzahlungen. So habe ich meinen Anwalt gefragt und der versicherte mir, weiter zu schauen." Zu dieser Begebenheit belegte die Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren, dass das Arbeitsverhältnis rund neun Monate gedauert hatte und die finanzielle Seite ihres Arbeitsverhältnisses aussergerichtlich erledigt worden war. Diesen Wortmeldungen anlässlich der Einwohnergemeindeversammlung lässt sich keine rechtsgenügliche Begründung für die Abweisung des Einbürgerungsgesuches entnehmen. Es kann nicht gesagt werden, dass die beiden intervenierenden Stimmbürger eigentliche gegen eine Einbürgerung sprechende Motive vorgebracht hätten. Sie haben lediglich ein gewisses Missbehagen bekundet und ihre Wortmeldungen persönlich gehalten. Sie haben kaum zum Ausdruck gebracht, dass eine Einbürgerung für sie nicht in Frage komme, und demnach auch nicht sinngemäss die Abweisung des Einbürgerungsgesuches vorgeschlagen. Aus den unausgesprochenen und im Unbestimmten verbliebenen Motiven kann nicht auf Gründe geschlossen werden, die verallgemeinerungsfähig wären und tatsächlich gegen eine Einbürgerung sprechen würden. Es kann daher auch nicht gesagt werden, dass diese Vorbringen von den Teilnehmern oder einer Mehrheit der Einwohnergemeindeversammlung wirklich geteilt und übernommen worden wären und aus ihrer Sicht die Abweisung des Einbürgerungsgesuches belegen würden. Es ist denn auch symptomatisch, dass sich keiner der Stimmbürger (offen) gegen den Einbürgerungsantrag des Gemeinderates wandte oder die Gründe und Abklärungen des Gemeinderates - etwa mit dem Hinweis auf eine mangelnde Integration - in Frage stellte. Aufgrund der in der Einwohnergemeindeversammlung geführten Diskussion liesse sich auch im Nachhinein eine den Anforderungen von Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |