Urteilskopf

126 V 139

26. Auszug aus dem Urteil vom 3. April 2000 i. S. B. gegen Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 139

BGE 126 V 139 S. 139

Aus den Erwägungen:

3. a) Die Vorinstanz begründet die angenommene Verwirkung der Anspruchsberechtigung damit, dass das Entschädigungsgesuch Lohnansprüche betreffe, die vor Stellung des Pfändungsbegehrens
BGE 126 V 139 S. 140

bestanden hätten und dass solche Ansprüche nicht nochmals nach der Konkurseröffnung erhoben werden könnten. Sie verweist dabei zu Recht auf BGE 123 V 107 f. Erw. 2b, wo das Eidg. Versicherungsgericht erkannt hat, dass im Gegensatz zur früheren Regelung der Anspruch auf Insolvenzentschädigung bereits mit der Bewilligung der Nachlassstundung entsteht. Wird später über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet, so lebt ein im Zeitpunkt der Nachlassstundung entstandener, aber nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemachter und damit verwirkter Insolvenzentschädigungsanspruch nicht wieder auf. Im genannten Urteil waren die nach der Nachlassstundung verspätet geltend gemachten Lohnansprüche und die nach der später erfolgten Konkurseröffnung (nochmals) erhobenen identisch. Das Eidg. Versicherungsgericht erachtete es daher nicht als zulässig, den mit einer ersten Verfügung bereits rechtskräftig verneinten Anspruch auf Insolvenzentschädigung zum Gegenstand eines zweiten Gesuches zu machen (siehe auch die in ARV 1998 Nr. 27 S. 151 f. veröffentlichte Erw. 3 des genannten Urteils). b) Im hier zu entscheidenden Fall liegen die Dinge mit Ausnahme des den Entschädigungsanspruch auslösenden Tatbestandes gleich. Während in BGE 123 V 106 eine Nachlassstundung den Anspruch eröffnete (Art. 58
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 58 Nachlassstundung - Bei einer Nachlassstundung oder einem richterlichen Konkursaufschub gilt dieses Kapitel sinngemäss.
AVIG), gründet dieser vorliegend auf der Stellung des Pfändungsbegehrens für Lohnforderungen gegen den Arbeitgeber (Art. 51 Abs. 1 lit. c
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 51 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn:
1    Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn:
a  gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen oder
b  der Konkurs nur deswegen nicht eröffnet wird, weil sich infolge offensichtlicher Überschuldung des Arbeitgebers kein Gläubiger bereit findet, die Kosten vorzuschiessen, oder
c  sie gegen ihren Arbeitgeber für Lohnforderungen das Pfändungsbegehren gestellt haben.
2    Keinen Anspruch auf Insolvenzentschädigung haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten.182
AVIG). Bei der durch die Nachlassstundung eröffneten Anspruchsberechtigung waren sämtliche Lohnansprüche, welche der Versicherte vor der Nachlassstundung gegenüber seinem Arbeitgeber ausstehend hatte, zu berücksichtigen (BGE 123 V 108 Erw. 2b). Nach dem klaren Wortlaut von Art. 51 Abs. 1
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 51 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn:
1    Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn:
a  gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen oder
b  der Konkurs nur deswegen nicht eröffnet wird, weil sich infolge offensichtlicher Überschuldung des Arbeitgebers kein Gläubiger bereit findet, die Kosten vorzuschiessen, oder
c  sie gegen ihren Arbeitgeber für Lohnforderungen das Pfändungsbegehren gestellt haben.
2    Keinen Anspruch auf Insolvenzentschädigung haben Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten.182
AVIG ("in diesem Zeitpunkt") deckt die Insolvenzentschädigung einzig vor der Konkurseröffnung oder vor der Einreichung des Pfändungsbegehrens entstandene Lohnforderungen (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, Rz. 522 mit weiteren Hinweisen). Massgebender Stichtag ist vorliegend demnach das Datum der Einreichung des Pfändungsbegehrens. Wie bei der Nachlassstundung, wo Stichtag das Datum ihrer Bewilligung ist, bilden demzufolge Gegenstand des durch die Stellung des Pfändungsbegehrens ausgelösten Entschädigungsanspruchs sämtliche Lohnansprüche, welche der Versicherte vor dem Stichtag gegenüber seinem Arbeitgeber ausstehend hatte. Würde der Überlegung des Beschwerdeführers gefolgt, dass nur im Pfändungsbegehren enthaltene Forderungen durch die Insolvenzentschädigung
BGE 126 V 139 S. 141

gedeckt sein könnten, würde ein Versicherter, dessen Arbeitgeber keinen weiteren Versicherungsfall auslöst, beispielsweise nicht in Konkurs fällt, für die zwischen der in Betreibung gesetzten Forderung und der Stellung des Pfändungsbegehrens entstandenen Lohnausstände überhaupt nie Insolvenzentschädigung beanspruchen können, was klar dem Sinn der gesetzlichen Regelung (Lohnausfallversicherung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers; vgl. BGE 114 V 58 Erw. 3c mit Hinweisen) widersprechen würde. Wenn der Arbeitgeber gegen die Betreibungsbemühungen des Arbeitnehmers opponiert, das Arbeitsverhältnis indessen noch nicht aufgelöst wird, wäre es im Übrigen sogar möglich, dass die Lohnforderung, für die ein Versicherter das Pfändungsbegehren gestellt hat, mehr als sechs Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden ist. Da die Insolvenzentschädigung Lohnforderungen für die letzten sechs Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses deckt (Art. 52 Abs. 1
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 52 Umfang der Insolvenzentschädigung - 1 Die Insolvenzentschädigung deckt für das gleiche Arbeitsverhältnis Lohnforderungen für höchstens die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 2. Als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen.183
1    Die Insolvenzentschädigung deckt für das gleiche Arbeitsverhältnis Lohnforderungen für höchstens die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 2. Als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen.183
1bis    Die Insolvenzentschädigung deckt ausnahmsweise Lohnforderungen nach der Konkurseröffnung, solange die versicherte Person in guten Treuen nicht wissen konnte, dass der Konkurs eröffnet worden war, und es sich dabei nicht um Masseschulden handelt. Die maximale Bezugdauer nach Absatz 1 darf nicht überschritten werden.184
2    Von der Insolvenzentschädigung müssen die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden. Die Kasse hat die vorgeschriebenen Beiträge mit den zuständigen Organen abzurechnen und den Arbeitnehmern die von ihnen geschuldeten Beitragsanteile abzuziehen.
AVIG in der bis 31. August 1999 gültig gewesenen Fassung), würde die Lohnforderung, für die das erforderliche zwangsvollstreckungsrechtliche Stadium erreicht wird, nicht Gegenstand des Insolvenzentschädigungsanspruchs sein. Dieser Fall kann wegen der seit 1. September 1999 in Kraft stehenden Deckungsbeschränkung auf vier Monate sogar noch vermehrt eintreten. c) Es steht aktenmässig fest, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Insolvenzentschädigung sich ausschliesslich auf Forderungen bezieht, die vor der Stellung des Pfändungsbegehrens (24. Januar 1997) liegen. Der Beschwerdeführer hatte zwar nur ein den Lohn für Juni 1996 betreffendes Pfändungsbegehren gestellt. Nach dem Pfändungsvollzug hätte er indessen nach dem in Erw. 3b Gesagten und entgegen seinen Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht nur für diesen Lohn ein Insolvenzentschädigungsgesuch stellen können (und müssen), sondern für sämtliche ausstehenden Lohnforderungen für die letzten sechs Monate des (bis 31. August 1996 dauernden) Arbeitsverhältnisses (Art. 52 Abs. 1
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 52 Umfang der Insolvenzentschädigung - 1 Die Insolvenzentschädigung deckt für das gleiche Arbeitsverhältnis Lohnforderungen für höchstens die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 2. Als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen.183
1    Die Insolvenzentschädigung deckt für das gleiche Arbeitsverhältnis Lohnforderungen für höchstens die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 2. Als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen.183
1bis    Die Insolvenzentschädigung deckt ausnahmsweise Lohnforderungen nach der Konkurseröffnung, solange die versicherte Person in guten Treuen nicht wissen konnte, dass der Konkurs eröffnet worden war, und es sich dabei nicht um Masseschulden handelt. Die maximale Bezugdauer nach Absatz 1 darf nicht überschritten werden.184
2    Von der Insolvenzentschädigung müssen die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden. Die Kasse hat die vorgeschriebenen Beiträge mit den zuständigen Organen abzurechnen und den Arbeitnehmern die von ihnen geschuldeten Beitragsanteile abzuziehen.
AVIG in der bis 31. August 1999 gültig gewesenen Fassung). d) Wohl wäre es grundsätzlich möglich, dass die spätere Konkurseröffnung einen neuen Versicherungsfall darstellen kann (vgl. BGE 123 V 108 Erw. 2b). Da indessen aus den Akten klar hervorgeht, dass die am 19. November 1997 und damit nach erfolgter Konkurseröffnung (14. Oktober 1997) geltend gemachten Lohnansprüche aus der Zeit vor der Stellung des Pfändungsbegehrens stammen, ist es rechtlich ausgeschlossen, diese Lohnansprüche zum Gegenstand
BGE 126 V 139 S. 142

der nun durch die Konkurseröffnung ausgelösten potenziellen Anspruchsberechtigung zu machen. e) Soweit der Beschwerdeführer einwendet, es wäre ihm mangels gerichtlicher Abklärung über den Bestand der Lohnforderung nicht möglich gewesen, den vorliegend zu beurteilenden Insolvenzentschädigungsanspruch rechtzeitig (nach Pfändungsvollzug) zu stellen, übersieht er, dass nach Art. 74
SR 837.02 Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsverordnung, AVIV) - Arbeitslosenversicherungsverordnung
AVIV Art. 74 Glaubhaftmachung der Forderung - (Art. 51 AVIG)
AVIV die Lohnforderung lediglich glaubhaft zu machen ist. Dafür reichen im Einzelfall beispielsweise Verdienstangaben in schriftlichen Arbeitsverträgen, frühere Lohnabrechnungen, die Schuldanerkennung des früheren Arbeitgebers oder die Bescheinigung des Konkurs- oder Betreibungsamtes aus (NUSSBAUMER, a.a.O., Rz. 520).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 126 V 139
Date : 03. April 2000
Published : 31. Dezember 2000
Source : Bundesgericht
Status : 126 V 139
Subject area : BGE - Sozialversicherungsrecht (bis 2006: EVG)
Subject : Art. 51 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1, Art. 53 AVIG: Insolvenzentschädigung nach Stellung des Pfändungsbegehrens. - Gegenstand


Legislation register
AVIG: 51  52  53  58
AVIV: 74
BGE-register
114-V-56 • 123-V-106 • 126-V-139
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
employer • [noenglish] • fixed day • requisition • month • event insured against • position • wage • decision • ensuring • duration • recognition of a debt • unemployment insurance fund • corn • forfeiture • certification • social security • employee • lower instance • prosecution office