Urteilskopf

125 IV 222

34. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 29. Oktober 1999 i.S. G.B. gegen Eidgenössische Untersuchungsrichterin
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 223

BGE 125 IV 222 S. 223

Aus den Erwägungen:

1. Angefochten ist im vorliegenden Verfahren allein die Verfügung der Eidg. Untersuchungsrichterin vom 16. August 1999, mit welcher diese die durch die Bundesanwaltschaft im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin am 12. August 1999 wegen Kollusions- und Fluchtgefahr verfügte Untersuchungshaft aufrecht erhielt. a) Die Bundesanwaltschaft macht geltend, gegen die Haftbestätigungsverfügung der Eidg. Untersuchungsrichterin bestehe keine Beschwerdemöglichkeit an die Anklagekammer des Bundesgerichts. Sie begründet dies damit, dass eine solche systemwidrig wäre, denn der Beschuldigte habe nach der Systematik des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP; SR 312.0) die Möglichkeit, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch zu stellen, gegen dessen Abweisung bei der Anklagekammer Beschwerde geführt werden könne. Die Anwendung von Art. 217 BStP auch auf die Haftprüfung würde zu Doppelspurigkeiten führen, die es zu vermeiden gelte. b) Die Eidg. Untersuchungsrichterin hat die angefochtene Verfügung mit der Rechtsmittelbelehrung versehen, gegen diese könne innert drei Tagen bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Die Beschwerdeführerin stützt sich darauf und hält der Auffassung der Bundesanwaltschaft entgegen, diese habe anlässlich der Haftprüfung persönlich den Antrag auf Weiterführung der Haft vertreten; dies könne der Abweisung eines Haftentlassungsgesuches gleichgesetzt werden; es wäre mit dem Beschleunigungsgebot unvereinbar, wenn zunächst unmittelbar nach Verkündung des Haftprüfungsentscheides ein Haftentlassungsgesuch gestellt werden müsste. c) In Bundesstrafsachen wird die gerichtliche Polizei unter der Leitung der Bundesanwaltschaft auch von Staatsanwälten, der Polizei und den übrigen Beamten und Angestellten des Bundes und der Kantone in ihrem Wirkungskreis ausgeübt (Art. 17 Abs. 2 BStP). Die Beamten und Angestellten der gerichtlichen Polizei sind berechtigt, einen Verdächtigen vorläufig festzunehmen und dieser ist ohne Verzug einem zum Erlass eines Haftbefehls berechtigten Richter oder Beamten zuzuführen (Art. 62 BStP). Vor Einleitung der Voruntersuchung sind neben der Bundesanwaltschaft auch die nach dem kantonalen Recht dafür zuständigen Beamten der gerichtlichen
BGE 125 IV 222 S. 224

Polizei zum Erlass des Haftbefehls berechtigt (Art. 45 Ziff. 1 BStP). Im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren ist der Verhaftete dem für die Haftprüfung zuständigen kantonalen Richter oder dem eidgenössischen Untersuchungsrichter zuzuführen, der über die Aufrechterhaltung der Haft entscheidet (Art. 47 BStP). Gegen die vorläufige Festnahme besteht keine Beschwerdemöglichkeit - auch nicht nach Art. 105bis BStP, wenn der Bundesanwalt den Haftbefehl erliess -, da diese der Sicherung der Vorführung vor den Haftrichter dient, durch diesen erst zu bestätigen ist und gegebenenfalls auch aufgehoben werden kann (so auch HANSJÖRG STADLER, Bemerkungen zur Teilrevision des BStP im Zusammenhang mit dem eidgenössischen Datenschutzgesetz, in ZStrR 112/1994 S. 297). Gegen die Haftbestätigung durch den eidgenössischen Untersuchungsrichter kann indessen - innert 3 Tagen - nach Art. 214 ff . BStP Beschwerde bei der Anklagekammer eingereicht werden. Da diese Beschwerde gegen jede Amtshandlung des Untersuchungsrichters gegeben ist, ändert die Möglichkeit, nach Art. 52 BStP jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen und gegen dessen Ablehnung Beschwerde an die Anklagekammer führen zu können, nichts daran. Es ergeben sich auch aus den Materialien keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Haftentlassungsgesuches und der Beschwerde gegen dessen Ablehnung eine Beschwerde gegen die Haftbestätigung ausschliessen wollte. Der Beschuldigte wäre diesfalls denn auch schlechter gestellt, wenn die Haftprüfung einem kantonalen Richter übertragen wird, was nicht anginge. Wird bei Ermittlungen, bei denen die untersuchten strafbaren Handlungen nicht der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen oder die voraussichtlich an einen Kanton delegiert werden, die Haftprüfung dem zuständigen kantonalen Richter übertragen (vgl. dazu STADLER, a.a.O.), richtet sich die Beschwerdemöglichkeit nach dem kantonalen Recht. Die Mehrheit der Kantone kennt ein Rechtsmittel gegen die Haftbestätigung, und wo dies nicht der Fall ist, kann gegen diese beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist daher zulässig, und da alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf sie einzutreten.
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Document : 125 IV 222
Date : 29 octobre 1999
Publié : 31 décembre 1999
Source : Tribunal fédéral
Statut : 125 IV 222
Domaine : ATF - Droit pénal et procédure penale
Objet : Art. 47 PPF et art. 214 ss PPF. Plaintes en matière d'arrestation ou de maintien en détention. La décision du juge d'instruction


Répertoire des lois
PPF: 17  45  47  52  62  105bis  214  214__  217
Répertoire ATF
125-IV-222
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
chambre d'accusation • tribunal fédéral • juge d'instruction pénale • mandat d'arrêt • plainte à la chambre d'accusation • jour • droit cantonal • prévenu • police judiciaire • emploi • décision • enquête pénale • détention préventive • arrestation • autorité judiciaire • recours de droit public • moyen de droit • demeure • infraction • juge de la détention
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RPS
1994 112 S.297