123 III 469
73. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. November 1997 i.S. X. gegen AHV-Ausgleichskasse Y. (Berufung)
Regeste (de):
- Arbeitsvertrag; Abgeltung eines Gleitzeitüberhangs.
- Einen Gleitzeitüberhang hat der Arbeitnehmer grundsätzlich mit Freizeit zu kompensieren. Eine Entschädigung kommt nur in Frage, wenn betriebliche Bedürfnisse oder anderslautende Weisungen des Arbeitgebers den zeitlichen Ausgleich solcher Guthaben innerhalb des vereinbarten Gleitzeitrahmens und unter Einhaltung etwaiger Blockzeiten nicht zulassen; in einem solchen Fall sind die Mehrstunden aber nicht mehr als Gleitzeitguthaben, sondern als eigentliche Überstunden zu qualifizieren (E. 3).
Regeste (fr):
- Contrat de travail; prise en compte d'un excédent d'heures réalisé dans le cadre d'un horaire de travail flexible.
- Le travailleur au bénéfice d'un horaire de travail flexible doit en principe compenser les heures qu'il a effectuées en plus par un congé. Une rémunération en espèces n'entre en considération que si des nécessités liées à l'entreprise ou si des directives expresses de l'employeur ne permettent pas de compenser un tel crédit par du temps libre à l'intérieur de l'horaire de travail flexible convenu et en respectant d'éventuelles plages horaires; dans un tel cas, les heures effectuées en surnombre ne doivent plus être considérées comme un crédit découlant de l'horaire de travail flexible, mais comme de véritables heures supplémentaires (consid. 3).
Regesto (it):
- Contratto di lavoro; considerazione di un'eccedenza di ore realizzata nell'ambito di un orario di lavoro flessibile.
- Il lavoratore deve in linea di principio compensare mediante congedo un saldo di ore attivo. Un'indennità entra unicamente in linea di conto se i bisogni aziendali o le direttive del datore di lavoro non permettono di compensare un tale saldo attivo durante l'orario di lavoro flessibile e rispettando eventuali fasce obbligatorie; in questo caso l'eccedenza di ore non è da qualificare quale credito attivo di ore, ma come vere e proprie ore supplementari (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 470
BGE 123 III 469 S. 470
X. war seit dem 2. Mai 1988 bei der AHV-Ausgleichskasse Y. als Pensionskassenspezialistin beschäftigt. Ihr Gehalt betrug zuletzt Fr. 6'810.-- brutto. Die Arbeitgeberin kündigte der Arbeitnehmerin per Ende September 1994 und stellte sie vom 13. Juli 1994 an frei. Die Präsenzliste der Arbeitnehmerin wies zu diesem Zeitpunkt einen Überhang an geleisteter Arbeit von 23 Tagen auf. Während die Arbeitnehmerin darin Überstunden erkennt, welche mit einem Zuschlag von 25% zum ordentlichen Stundenansatz zu vergüten seien, qualifiziert die Arbeitgeberin diese über die Sollzeit geleisteten Arbeitsstunden als nicht abgeltungspflichtigen Gleitzeitüberhang, welcher mit der Freistellung der Arbeitnehmerin kompensiert worden sei. Eine von X. gegen die AHV-Ausgleichskasse anhängig gemachte Forderungsklage wies das Arbeitsgericht Zürich mit Urteil vom 14. März 1995 ab. Den im kantonalen Berufungsverfahren aufrechterhaltenen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Fr. 9'751.60 für geleistete Mehrarbeit von 23 Tagen wies das Obergericht (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich mit Beschluss vom 26. August 1996 ab. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich änderte auf Nichtigkeitsbeschwerde hin mit Beschluss vom 27. Dezember 1996 den Kostenspruch des Obergerichts ab und wies die Beschwerde im übrigen ab. Diesen Beschluss focht die Klägerin erfolglos mit staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
3. a) Die zu den kantonalen Akten gegebene "Betriebsordnung" bestimmt in Ziff. 7.3, dass Sollzeitmankos durch den Arbeitnehmer
BGE 123 III 469 S. 471
"innert nützlicher Frist aufzuholen (bei unregelmässigem Arbeitsanfall spätestens innerhalb von zwölf Monaten)" sind und Überhänge "im gleichen Sinn kompensiert werden [können]". Die Vorinstanz hat die Verbindlichkeit dieser arbeitgeberseitig erlassenen Weisungen für die Klägerin bejaht und erwogen, diese habe mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages bestätigt, deren Inhalt und damit auch die "Instruktionen an das Personal" inkl. das Betriebsreglement gelesen und anerkannt zu haben. Mindestens habe der Präsenzordner, welchem das Betriebsreglement beigeheftet gewesen sei, wöchentlich bei der Belegschaft und auch bei der Klägerin zirkuliert, so dass diese die Möglichkeit gehabt habe, von den entsprechenden Weisungen Kenntnis zu nehmen. Die Klägerin bestreitet in ihrer Berufung nicht mehr, von den arbeitgeberseitig erlassenen Weisungen und besonders vom Betriebsreglement Kenntnis gehabt zu haben. Sie verneint unter Hinweis auf Art. 321c Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 321c - 1 Wird gegenüber dem zeitlichen Umfang der Arbeit, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, die Leistung von Überstundenarbeit notwendig, so ist der Arbeitnehmer dazu soweit verpflichtet, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. |
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1 | Wird gegenüber dem zeitlichen Umfang der Arbeit, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, die Leistung von Überstundenarbeit notwendig, so ist der Arbeitnehmer dazu soweit verpflichtet, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. |
2 | Im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber die Überstundenarbeit innert eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen. |
3 | Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem Viertel bemisst. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 321d - 1 Der Arbeitgeber kann über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb oder Haushalt allgemeine Anordnungen erlassen und ihnen besondere Weisungen erteilen. |
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1 | Der Arbeitgeber kann über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb oder Haushalt allgemeine Anordnungen erlassen und ihnen besondere Weisungen erteilen. |
2 | Der Arbeitnehmer hat die allgemeinen Anordnungen des Arbeitgebers und die ihm erteilten besonderen Weisungen nach Treu und Glauben zu befolgen. |
BGE 123 III 469 S. 472
Kompensation eines derartigen Gleitzeitüberhangs getroffen haben. Eine Entschädigung kommt nur in Frage, wenn betriebliche Bedürfnisse oder anderslautende Weisungen des Arbeitgebers den zeitlichen Ausgleich solcher Guthaben innerhalb des vereinbarten Gleitzeitrahmens und unter Einhaltung etwaiger Blockzeiten nicht zulassen; in diesem Fall sind die Mehr-Stunden aber nicht mehr als Gleitzeitguthaben, sondern als eigentliche Überstunden zu qualifizieren. Dasselbe gilt, soweit der Arbeitnehmer nach (ordentlicher) Kündigung des Arbeitsverhältnisses Gleitzeitguthaben bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgleichen will, der Arbeitgeber oder die betrieblichen Umstände dies jedoch nicht zulassen. Die Beweislast für das Vorliegen abgeltungspflichtiger Überstunden trifft allerdings den Arbeitnehmer (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., N. 10 zu Art. 321c
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 321c - 1 Wird gegenüber dem zeitlichen Umfang der Arbeit, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, die Leistung von Überstundenarbeit notwendig, so ist der Arbeitnehmer dazu soweit verpflichtet, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. |
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1 | Wird gegenüber dem zeitlichen Umfang der Arbeit, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, die Leistung von Überstundenarbeit notwendig, so ist der Arbeitnehmer dazu soweit verpflichtet, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. |
2 | Im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber die Überstundenarbeit innert eines angemessenen Zeitraumes durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen. |
3 | Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem Viertel bemisst. |